MDS-Symposium 2017

3. bis 6. Mai, Valencia

Myelodysplastische Syndrome (MDS) und chronisch myelomonozytäre Leukämie (CMML) – „Altes“ im neuen Gewand und neue Ansätze für Diagnostik und Therapie (Dr. med. Stefani Parmentier, Winnenden)

Die Teilnehmer des diesjährigen MDS-Symposiums erwartete ein breit gefächertes Programm, das alle Bereiche der myeloischen Neoplasien abdeckte. Die neue WHO-Klassifikation der myelodysplastischen Syndrome (MDS) und der chronischen myelomonozytären Leukämie (CMML) stand genauso auf der Tagesordnung wie die Weiterentwicklung von Prognoseparametern und zielgerichteten Therapien. Doch auch für die Diskussion über etablierte Behandlungsformen bot der Kongress dank neuer Studienergebnisse eine solide Basis. Azacitidin bleibt zwar weiterhin der Standard bei der Behandlung der Hochrisiko-MDS, die zielgerichteten Therapien werden dennoch bald Einzug in den klinischen Alltag halten.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit dem letzten MDS-Symposium vor zwei Jahren hat sich viel getan bei den myelodysplastischen Syndromen (MDS). Entsprechend spannende Themen gab es auch beim diesjährigen Kongress, der vom 3. bis 6. Mai 2017 in Valencia stattfand.

Die Veranstaltung bot einen guten Überblick über die Grundlagenforschung und zeigte Ansätze für deren Umsetzung im klinischen Alltag auf. Mit diesem Bericht wollen wir all denjenigen einen praktischen Überblick über die neuen Erkenntnisse verschaffen, die es nicht nach Valencia geschafft haben oder die sich eine praxisorientierte Zusammenfassung wünschen. Dabei bietet Ihnen der Bericht sowohl einen Abriss über den aktuellen Stand der Diskussion über etablierte Wirkstoffe als auch über neue Substanzen, die sich noch in der Phase der klinischen Testung befinden.

Am Ende des Berichts finden Sie eine kurze Umfrage zu den Änderungen der WHO-Klassifikation. Nehmen Sie teil und erfahren Sie, wie Ihre Kolleginnen und Kollegen zu dieser Frage denken. Über die Funktion „Ihre Meinung ist wichtig“ können Sie mir außerdem eine Rückmeldung zu diesem Bericht geben, über die ich mich sehr freuen würde.

In diesem Sinne hoffe ich, Ihnen eine anregende Lektüre bieten zu können.

Mit kollegialen Grüßen,

Dr. med. Stefani Barbara Parmentier, Rems-Murr-Klinikum Winnenden

Myelodysplastische Syndrome (MDS) und chronisch myelomonozytäre Leukämie (CMML) – „Altes“ im neuen Gewand und neue Ansätze für Diagnostik und Therapie

Dr. med. Stefani Barbara Parmentier, Rems-Murr-Klinikum Winnenden

Das MDS-Symposium, das alle zwei Jahre stattfindet, war auch in seiner 14. Auflage wieder sehr spannend und gut besucht. Es bot eine gute Übersicht sowohl über die Grundlagenforschung als auch über deren Umsetzung in den klinischen Alltag. Mit der WHO-Klassifikation 2016 zu myeloischen Neoplasien stand zudem die Vorstellung der neuen Einteilung der myelodysplastischen Syndrome und der myelomonozytären Leukämie im Fokus dieser Veranstaltung.
Prof. Germing aus Düsseldorf gab darüber einen sehr guten Überblick. Auch diesmal wurden wieder auf exzellente Weise tiefere Einblicke sowohl in die zytogenetischen und molekulargenetischen Veränderungen von MDS – auch hinsichtlich der Weiterentwicklung von Prognoseparametern –  als auch in die Entwicklung zielgerichteter Therapien geboten.

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Verständnis und der Therapie von Hoch- und Niedrigrisiko-MDS. Der Einsatz von Lenalidomid, Erythropoetin (EPO), Thrombopoetin(TPO)-Rezeptor-Agonisten, Azacitidin (AZA) sowie Eisenchelation wurde auch diesmal intensiv diskutiert und neue Daten hierzu wurden vorgestellt. Aber auch neue Wirkprinzipien, Kombinationen und Medikamente, die sich überwiegend noch in der klinischen Testung befinden, treten immer mehr in den Vordergrund. Diese reichen von Immuncheckpoint-Inhibitoren sowie neuen Antikörper-Konjugaten bis hin zu zielgerichteten Medikamenten wie den Isocitrat-Dehydrogenase(IDH)-Inhibitoren. Einen relativ kleinen Stellenwert nahmen Vorträge zur allogenen Stammzelltransplantation ein.

Diagnostik von MDS und CMML

Die neue WHO-Klassifikation hat MDS nicht nur ein neues Gewand gegeben, sondern sie darüber hinaus um neue Entitäten bzw. Definitionen ergänzt [1, 2]. Da die dysplastisch veränderten Zellreihen häufig nicht mit den entsprechenden Zytopenien übereinstimmten, wurde die Terminologie „refraktäre Anämie“ und „refraktäre Zytopenie“ bei MDS des Erwachsenen verlassen und durch „myelodysplastisches Syndrom“ mit den folgenden Ergänzungen ersetzt:

  • „unilineäre Dysplasie“ (MDS-SLD)
  • „multilineäre Dysplasie“ (MDS-MLD)
  • „Ringsideroblasten“ (MDS-RSB)
  • „Blastenexzess/Überschuss an Blasten“ (MDS-EB)
  • „del(5q)“ (MDS del(5q))

Für MDS bei Kindern hat sich nichts geändert.

MDS-U (nicht klassifizierbar) sind weiterhin definiert mit 1% Blasten im peripheren Blut (pB) und < 5% Blasten im Knochenmark (KM), wobei nun der Nachweis von 1% Blasten im pB an mindestens zwei unterschiedlichen Zeitpunkten bestätigt werden muss.

Eine wichtige Änderung hat sich im Bereich der Erythroleukämie ergeben. Die Bestimmung der Blasten erfolgt nun immer anhand aller kernhaltigen Zellen unabhängig von der Zahl der Erythroblasten, sodass viele zuvor als akute Erythroleukämie definierte Fälle unter die Kategorie „MDS-EB1“ bzw. „MDS-EB2“ fallen. Lediglich die „reine Erythroleukämie“ („AML, not otherwise specified [NOS], pure erythroid leukemia“) mit > 80% Erythroblasten, davon ≥ 30% Proerythroblasten, ist beibehalten worden.

Die Liste der bereits 2008 von der WHO aufgeführten zytogenetischen Veränderungen, die MDS definieren, ist ebenfalls beibehalten worden [3]. Bei Fehlen für die Diagnose relevanter dyspoetischer Veränderungen in der Morphologie muss die genetische Aberration durch eine konventionelle Chromosomenanalyse und nicht nur mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) oder next generation sequencing (NGS) nachgewiesen werden. Hierauf hat Francesc Solé in der Plenary Session mit der Fragestellung „Cytogenetics: Still alive?“ ebenfalls sehr eindrücklich hingewiesen und in seinem Schlussplädoyer betont, dass nicht eine einzelne diagnostische Methode für die Diagnose von MDS ausreicht, sondern dass alle vier Säulen bestehend aus Zytologie/Morphologie, Histologie, Immunphänotypisierung und Zytogenetik/Molekulargenetik einen wichtigen Stellenwert haben und sich gegenseitig ergänzen [4].

Der Nachweis einer Trisomie 8, -Y oder einer del(20q) wird bei Abwesenheit von dyspoetischen Veränderungen in der Zytomorphologie nicht als MDS-definierende Aberration gesehen. Del(5q) bleibt bei MDS die einzige zytogenetische Veränderung, die einen spezifischen MDS-Subtyp definiert. In der aktuellen Klassifikation darf für die Diagnose MDS del(5q) nun allerdings eine zusätzliche genetische Aberration vorliegen, ausgenommen der Monosomie 7 bzw. del(7q). Findet sich eine del(5q) mit Panzytopenie fällt dies allerdings in die Kategorie MDS-U.

Weiterhin wurde in der neuen Klassifikation die Bezeichnung „multilineäre Dysplasie mit Ringsideroblasten“ (MDS-RS-MLD) wiedereingeführt. Bei Nachweis einer SF3B1-Mutation spricht man ebenfalls von MDS-RS-MLD bzw. MDS-RS-SLD, wenn der Anteil an Ringsideroblasten < 15%, aber ≥ 5% beträgt. Diese Einschränkung bezüglich der Ringsideroblasten gilt nicht für die „refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten und Thrombozytose“ (RARS-T) aus der alten Klassifikation, die ihr Schattendasein als „provisional entity“ verlassen hat und nun bei den „myelodysplastischen/myeloproliferativen Neoplasien“ (MDS/MPN) als eigene Entität aufgenommen wurde. Sie wird nun als „MDS/MPN-RS-T“ bezeichnet. Hier ist eines der diagnostischen Kriterien das Vorliegen von ≥ 15% Ringsideroblasten mit oder ohne Nachweis einer SF3B1-Mutation. Das Fehlen einer SF3B1-Mutation scheint dabei eine schlechtere Prognose zu haben als MDS-RS mit Nachweis dieser Mutation [5].

Bei der CMML wurde CMML-0 (< 2% Blasten im pB, < 5% Blasten im KM) als eine weitere Kategorie zur CMML-1 (2–4% Blasten im pB, 5–9% Blasten im KM, kein Nachweis von Auerstäbchen) und CMML-2 (5–19% Blasten im pB, 10–19% Blasten im KM, +/- Nachweis von Auerstäbchen) ergänzt, da hier eine prognostische Bedeutung nachgewiesen werden konnte [6]. Die genaue Blastenpopulation ist weiterhin von hoher Relevanz, sodass eine sichere Differenzierung zwischen Promonozyten und unreifen/atypischen Monozyten unbedingt gewährleistet sein muss.

Fazit

  • Die neue WHO-Klassifikation ersetzt die Begriffe „refraktäre Anämie“ und „refraktäre Zytopenie“ bei MDS des Erwachsenen durch „myelodysplastisches Syndrom“ und spezifiziert dabei die Kategorien MDS-SLD, MDS-MLD, MDS-RSB, MDS-EB und MDS del(5q).
  • Bei der Erythroleukämie erfolgt die Bestimmung der Blasten nun immer anhand aller kernhaltigen Zellen.
  • MDS sollten immer aus der Zusammenschau mehrerer Methoden (Zytologie/Morphologie, Histologie, Immunphänotypisierung, Zytogenetik, Molekulargenetik) diagnostiziert werden.
  • CMML-0 (< 2% Blasten im pB, < 5% Blasten im KM) wurde als neue Kategorie mit prognostischer Bedeutung eingeführt.

„Die Diagnostik von MDS und CMML gehört in erfahrene Hände. Gerade bei der CMML ist die Unterscheidung zwischen Promonozyten und unreifen/atypischen Monozyten noch immer von großer (prognostischer) Relevanz. Hier sollten auch die Immunphänotypisierung, sowie zytogenetische und molekular-/epigenetische Informationen integriert werden.“ Dr. med. Stefani Parmentier

Zytogenetik, Molekulargenetik und Epigenetik: zunehmende Relevanz auch für die Therapie

Von zunehmender Relevanz sind nicht nur beim MDS, sondern auch bei der CMML zytogenetische und molekular- sowie epigenetische Veränderungen. Zytogenetische Aberrationen finden sich bei der CMML in ca. 30% aller Fälle (vor allem +8, -Y, +21, del(20q), -7/del(7q)), während sich molekulargenetische bzw. epigenetische Veränderungen in > 90% der Fälle finden (TET2 60%, ASXL1 40%, SRSF2 50%, RUNX1 15%, RAS 30%, CBL 15% u. a.). Insbesondere der RAS/MAPK-Signalweg scheint eine besondere Rolle bei der Ausbildung der proliferativen Variante der CMML zu spielen, sodass Eric Padron vom Moffitt Cancer Center, USA, in der Plenary Session empfahl, die ASXL1-Mutation in die Risikostratifizierung zur eventuellen Planung einer allogenen Stammzelltransplantation bei der CMML aufzunehmen [7]. Eric Solary hat bei der CMML sogar von einem charakteristischen „molekularen Fingerprint“ gesprochen, bestehend aus TET2 (60%), SRSF2 (50%), ASXL1 (40%) mit oder ohne Beteiligung von RAS [8]. Daneben berichtete Eric Padron von einer verstärkten Mutation von IDH2 bei der CMML, die häufig von einer SRSF2-Mutation begleitet ist [7]. Hier besteht also ein mögliches Target für den Einsatz von Enasidenib (AG-221/CC-90007), das aktuell bei MDS-Patienten untersucht wird, für die Behandlung aber noch nicht zugelassen ist [9, 10].

Bei der CMML handelt es sich insgesamt um eine sehr heterogene Erkrankung, sodass die aktuell entwickelten Risikoscores (z. B. CPSS-mol, „Molecular Mayo Model“ [11]) bei risikoadaptieren klinischen Entscheidungen hilfreich sein werden.

David Steensma hat in seinem Vortrag zu „Aging, CHIP, MDS“ sehr interessante Daten vorgestellt [12]. Danach ist die Anzahl somatischer Mutationen und die Größe des Klons signifikant für die Vorhersage einer Progression in eine manifeste myeloische Neoplasie, vor allem in MDS und eine AML [13]. Mutationen im Bereich des Spliceosoms sowie begleitende Mutationen unter Beteiligung von TET2, DNMT3A und ASXL1 scheinen hierbei den höchsten prädiktiven Wert für myeloische Neoplasien zu haben. Der Nachweis einer „clonal hematopoiesis of indeterminate potential“ (CHIP) beim Spender ist mit (langanhaltenden) Zytopenien nach allogener Stammzelltransplantation beim Empfänger assoziiert [14]. Eine CHIP mit TET2-Defizienz führt zu einer Akzeleration atherosklerotischer Veränderungen. Dabei führen TET2-defiziente Makrophagen zu einem Anstieg der Sekretion von Interleukin-1β, der durch NLRP3 vermittelt wird. Durch Hemmung von NLRP3 in Mausmodellen ließ sich der atherosklerotische Prozess vermindern oder sogar vollständig beheben [15].

Rafael Bejar stellte eindrückliche Daten zu adjustierten IPSS-R-Odds-Ratio für mutierte Gene vor [16]. Statistisch signifikant waren hierbei SF3B1-, ASXL1-, RUNX1-, EZH2-, TP53-, PRPF8-, CBL-, U2AF1-, NRAS-, FLT3-, IDH2- und PTPN11-Mutationen, die zusammen 42% ausmachen. Dabei wurde zusätzlich anhand der vorliegenden Blastenpopulation unterschieden. Bei Blasten < 5% dominierte vor allem die SF3B1-Mutation, gefolgt von IDH2, ASXL1, RUNX1 und TP53. Bei Blasten zwischen 5 und 30% standen Veränderungen vor allem im TP53-Gen im Vordergrund, gefolgt von RUNX1, CBL und EZH2. Zusammenfassend beschrieb Bejar, dass bei Patienten mit idiopathischer Zytopenie unklarer Signifikanz (ICUS) häufig Mutationen zu finden sind („clonal cytopenias of undetermined significance“, CCUS). Dabei kann die SF3B1-Mutation zur Diagnose eines MDS-RS dienen, während andere Mutationen die Progression eines CCUS in ein MDS oder andere myeloische Neoplasien vorhersagen können. Hierzu zählen Einzelmutationen wie z. B. RUNX1 und JAK2 (für MPN) und zwei oder mehr Mutationen, die DNMT3A, TET2 oder ASXL1 enthalten [17]. Dringend abgeraten hat Bejar davon, eine Diagnose anhand einzelner Mutationen wie TET2, DNMT3A, ASXL1 oder PPM1D zu stellen.

Fazit

  • Der RAS/MAPK-Signalweg scheint für die Ausbildung der proliferativen Variante der CMML wichtig zu sein.
  • Die IDH2-Mutationen bei der CMML bieten ein mögliches Target für den Einsatz von Enasidenib.
  • Die Anzahl somatischer Mutationen und die Größe des Klons können die Progression in ein manifestes MDS oder eine AML vorhersagen.
  • Bei Patienten mit ICUS sind häufig Mutationen zu finden.

„Das zunehmende Verständnis der Erkrankungen auf genetischer, molekulargenetischer und epigenetischer Ebene macht diese zunehmend zugänglich für zielgerichtete Therapien und lässt insbesondere bei der CMML auf effektive Therapien und Verbesserungen der bisher eher schlechten Prognose hoffen. Mithilfe von Risikoscores, die auch molekular- und epigenetische Parameter integrieren (IPSS-mol, CPSS-mol), können in Zukunft risikoadaptierte klinische Entscheidungen gefällt werden.“ Dr. med. Stefani Parmentier

Zielgerichtete Therapien

Mit dem wachsenden Verständnis der Pathophysiologie und im engeren Sinne molekulargenetischer und epigenetischer Veränderungen bei MDS und der CMML steht auch zunehmend die Entwicklung zielgerichteter Therapien im Fokus intensiver Forschung.

Vielversprechend ist dabei beispielsweise H3B-8800, ein oral verfügbarer Modulator des SF3B-Komplexes, welcher aktuell in Phase-I-Studien untersucht wird [18]. Im Mausmodell führte der Wirkstoff zuvor zu einer deutlich reduzierten leukämischen Last bei CMML-Linien mit mutiertem Spliceosom. Trametinib, das zur Gruppe der MEK-Kinase-Inhibitoren zählt, wird zurzeit bei N-/K-Ras-mutierten CMML-Fällen untersucht. Diese Mutation findet sich in 30% der CMML-Fälle. Trametinib zeigte bei Patienten mit N-/K-Ras-Mutation Ansprechraten von 20 bzw. 27%, bei Patienten ohne diese Mutation lagen die Ansprechraten nur bei 3%. Dies spricht für eine selektive Aktivität von Trametinib bei einer N-/K-Ras-mutierten CMML [19]. Daneben scheint sich die GM-CSF-Hypersensibilität bei der CMML möglicherweise mittels Ruxolitinib unterdrücken zu lassen. Hierzu läuft eine Phase-II-Studie. Interessanterweise ist bei der CMML, im Gegensatz zur primären Myelofibrose, unter Ruxolitinib keine Myelosuppression zu beobachten [7].

Besonderes Interesse hat der orale IDH2-Inhibitor Enasidenib (AG-221) geweckt, der bei Patienten mit MDS untersucht wurde und ebenfalls in Zukunft bei der CMML, bei der eine deutlich erhöhte Mutationsrate von IDH2 zu finden ist, eine Rolle spielen könnte. Durch die Mutationen von IDH2 kommt es zu Veränderungen bei der DNA-Methylierung, was zu einer Hemmung der zellulären Differenzierung führt. Beim MDS findet man IDH2-Mutationen (mIDH2) in etwa 5% der Fälle [10]. Eytan Stein (USA) hat nun erste Daten hierzu vorgestellt [9]. Die Gesamtansprechrate (CR+PR+mCR+HI) betrug 59% (Tab. 1).

Tab. 1: Ansprechraten von Enasidenib bei MDS-Patienten mit IDH2-Mutationen (modifiziert nach [9]).

Uwe Platzbecker (Deutschland) präsentierte vielversprechende Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit Luspatercept (ACE-536) bei Patienten mit Niedrigrisiko- bzw. Intermediate-1-Risiko-MDS mit Ringsideroblasten (PACE-Studie), welches nun bei transfusionspflichtigen Patienten mit MDS-RS im Rahmen einer Phase-III-Studie (MEDALIST-Studie) weiter untersucht wird [20]. Die Substanz rückt somit näher an die klinische Zulassung.

Während bei Niedrigrisiko-MDS die Apoptose gesteigert ist, korreliert der Progress in ein Hochrisiko-MDS mit einer erworbenen Resistenz gegenüber Apoptose und aberranter Expression von BCL-2-Proteinen. Der selektive BCL-2-Hemmer Venetoclax (ABT-199) scheint diese Resistenz durch Hemmung von BCL-2-Proteinen zu überwinden und somit einem Progress entgegenzuwirken [21, 22].

Fazit

  • Vielversprechende zielgerichtete Therapien sind H3B-8800 (ein oral verfügbarer Modulator des SF3B-Komplexes), Trametinib (ein MEK-Kinase-Inhibitor), Ruxolitinib (unterdrückt möglicherweise die GM-CSF-Hypersensibilität bei der CMML) und Enasidenib (ein oraler IDH2-Inhibitor).
  • Luspatercept zeigte vielversprechende Ergebnisse in einer Phase-II-Studie und rückt näher an die klinische Zulassung.
  • Der BCL-2-Hemmer Venetoclax scheint bei Hochrisiko-MDS die Apoptoseresistenz zu überwinden.

„Der Einsatz zielgerichteter Therapien wird durch das zunehmende Verständnis der Pathophysiologie von MDS und der CMML und durch zum Teil vielversprechende erste Studienergebnisse bald Einzug in den klinischen Alltag halten.“ Dr. med. Stefani Parmentier

Behandlungsoptionen bei Niedrigrisiko-MDS

Der TPO-Rezeptor-Agonist Romiplostim ist sicher und führt in 50% der Fälle zu einem Anstieg der Thrombozyten und zu einer Abnahme der Blutungswahrscheinlichkeit bei Patienten mit Low/Int-1-Risk-MDS, ohne dass es zu einer erhöhten Rate leukämischer Transformationen kommt [23].

Der frühzeitige Einsatz von Erythropoese-stimulierenden Substanzen (ESA) innerhalb von drei Monaten nach der Diagnosestellung scheint zu einer Verzögerung der Transfusionspflichtigkeit bei Niedrigrisiko-MDS zu führen [24, 25].

Der kombinierte Einsatz von AZA mit EPO bei auf ESA refraktären Patienten ist nicht effektiver als eine Monotherapie mit AZA [26].

Prof. Gattermann berichtete über aktuelle Ergebnisse sowie Empfehlungen bezüglich einer Therapie mit Eisenchelatoren. Verschiedene Publikationen konnten bisher einen positiven Effekt der Eisenchelation in Bezug auf eine Verminderung des oxidativen Stresses beim MDS nachweisen [27, 28]. Interessant waren dabei die von ihm vorgestellten Daten von Meunier M. et al. [29], die zeigen konnten, dass der Einsatz von niedrig dosiertem Deferasirox (DFX 3 μM = 5 mg/kg/Tag) zu einer Proliferation erythrozytärer Vorläuferzellen mit Abnahme der Apoptose und somit zu einer Verbesserung der Anämie führte, wohingegen dieser Effekt mit höheren Dosen (> 5 μM) nicht gesehen wurde. Aktuell sind weitere Studien zur Untersuchung mit niedrig dosiertem DFX in Frankreich geplant.

„Der Einsatz von TPO-Rezeptor-Agonisten wie Romiplostim und Eltrombopag ist in der Monotherapie wirksam und sicher. Eine Kombination mit hypomethylierenden Substanzen (HMA) scheint allerdings zu toxisch zu sein. Einen zunehmenden Stellenwert sollte der frühzeitige Einsatz von ESA sowie der Einsatz einer niedrig dosierten Eisenchelation bekommen.“ Dr. med. Stefani Parmentier

Hypomethylierende Substanzen

Auch diesmal gab es zahlreiche Untersuchungen zur Wirksamkeit von hypomethylierenden Substanzen (HMA) in Kombination mit anderen Substanzen bei Patienten mit Hochrisiko-MDS. Leider sind die Ergebnisse bezüglich des kombinierten Einsatzes mit Histon-Deacetylase-Inhibitoren (MS-275, Pracinostat) wenig vielversprechend, da hier Placebo + AZA durchweg wirksamer und weniger toxisch zu sein schien als die Kombination [30].

Interessant sind die von Fenaux vorgestellten Daten zu Decitabin bei einer AML mit TP53-Mutation [31, 32]. Hier konnten Ansprechraten von 100% gegenüber 41% bei einer AML mit TP53-Wildtyp gezeigt werden. Eine Verbesserung des Gesamtüberlebens konnte bisher allerdings nicht gezeigt werden, weshalb weitere Ergebnisse abgewartet werden müssen.

Guillermo Garcia-Manero stellte Daten zum Einsatz des oralen AZA CC-486 vor [33]. Dabei ließ sich bei nahezu 40% der Patienten, die zuvor unter parenteraler Gabe von AZA rezidivierten oder refraktär waren, ein Ansprechen verzeichnen (Abb. 1).

Abb. 1: Ansprechraten auf orales Azacitidin (CC-486) bei Patienten, die zuvor nicht auf eine parenterale Gabe von AZA ansprachen (modifiziert nach [33]).

Weiterhin interessant waren die Daten zum Einsatz von AZA in der AZA-AML-001-Studie [34]. Hier ließ sich eine stabile Erkrankung mit einer Verbesserung des Gesamtüberlebens auf 10,4 Monate unter AZA im Vergleich zu 6,5 Monaten unter konventioneller Chemotherapie verzeichnen. Zudem konnte die Gruppe um Döhner et al. ein signifikant verbessertes Gesamtüberleben für ältere Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik nachweisen (Abb. 2, [35]).

Abb. 2: Vergleich des Gesamtüberlebens bei älteren AML-Patienten mit ungünstigem Karyotyp unter der Behandlung mit AZA oder Standardtherapie: signifikant verbessertes Gesamtüberleben im AZA-Arm (modifiziert nach [35]).

„Die Monotherapie mit Azacitidin (AZA) bleibt der Standard bei der Therapie von Patienten mit Hochrisiko-MDS.“ Dr. med. Stefani Parmentier

Zusammenfassend zeigte sich beim aktuellen MDS-Meeting, ebenso wie bereits bei vorherigen Kongressen, wie wichtig das zunehmende Verständnis genetischer Veränderungen bei MDS für die Weiterentwicklung von Prognosescores und Therapien ist. Dabei stellen neue Targets wie CD33, CD123, BCL-2, TGF-β, TLR, SF3B1, IDH, Flt-3 und NPM1 vielversprechende Ansatzpunkte dar. Der niedrig dosierte Einsatz von HMA bei Niedrigrisiko-MDS verzögert möglicherweise den Progress in Hochrisiko-MDS oder gar den Übergang in eine AML. Mit den Substanzen HMA CC-486 und ASTX727 stehen wirksame orale HMA zur Verfügung, deren Anwendung insbesondere nach Versagen einer parenteralen Therapie mit HMA zu sehen ist. Ergebnisse zu Kombinationen mit PD1/PDL1-Inhibitoren sind ebenfalls vielversprechend und weitere Ergebnisse dazu können mit Spannung erwartet werden. Aktuelle Phase-III-Studien untersuchen den Einsatz von CC-486, Rigosertib und ACE-536. Weitere Daten für eine wirksame Therapie bei MDS bzw. der CMML mit TP53- oder RAS-Mutationen werden benötigt.

Die Fülle an beeindruckenden Daten war allerdings auch diesmal überwältigend und inspirierend, sodass das 15. MDS-Symposium im Jahr 2019 in Kopenhagen schon jetzt mit großer Spannung erwartet wird.

Umfrage zur neuen WHO-Klassifikation

Wie schätzen Sie den Nutzen der Änderungen der WHO-Klassifikation der myeloischen Neoplasien für Ihre tägliche Arbeit mit MDS-Patienten ein?

Quellen

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