IASLC 2019

07. bis 10. September, Barcelona

Die diesjährige World Conference on Lung Cancer (WCLC) der International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) fand Anfang September in Barcelona statt. Die Präsentationen der neuesten Ergebnisse zentraler Studien zur Diagnose und Therapie des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) waren mit großer Spannung erwartet worden. Hier finden Sie unseren aktuellen Expertenbericht von der IASLC-Konferenz mit allen wichtigen Neuigkeiten.

Die 20. World Conference on Lung Cancer (WCLC) der International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) fand vom 7. bis 10. September 2019 in Barcelona statt. Sie ist die weltweit größte Tagung für Spezialisten aus den Bereichen der Lungenkrebsforschung und der Thoraxonkologie. Unser Partnerportal hematooncology.com [l1] präsentiert nun einen Bericht vom diesjährigen IASLC-Kongress zum Thema nichtkleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC).


[l1]Liebes Thieme-Team:

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die 20. World Conference on Lung Cancer (WCLC) der International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) fand in diesem Jahr vom 7. bis 10. September in Barcelona statt. Sie ist eine der wegweisenden Tagungen auf dem Gebiet der Lungenkrebsforschung und der Thoraxonkologie.

Auch auf der diesjährigen IASLC-Konferenz wurden wieder spannende Studienergebnisse präsentiert. So wurden Daten zu verbesserten Behandlungsmodalitäten vorgestellt, die in Zukunft einer größeren Anzahl von Lungenkarzinompatienten zur Verfügung stehen werden. Auch im Bereich der Diagnostik berichteten die Experten über Fortschritte, die eine noch frühere Krebserkennung möglich machen können.

Ich hoffe, Ihnen mit meinem Bericht eine interessante Lektüre zu bieten, und wünsche Ihnen nun viel Freude beim Lesen.

Mit kollegialen Grüßen

PD Dr. med. Martin Faehling, MSc, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Klinikum Esslingen

Zielgerichtete Therapien und die Immunonkologie prägen weiter das Vorgehen beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom

PD Dr. med. Martin Faehling, MSc, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Klinikum Esslingen

Die diesjährige World Conference on Lung Cancer (WCLC) wartete mit zahlreichen Neuigkeiten sowohl zu den frühen Stadien des Lungenkarzinoms als auch insbesondere zu den zielgerichteten und immunonkologischen Therapie in fortgeschrittenen Tumorstadien auf.


Frühe Tumorstadien des NSCLC

Seit nahezu 20 Jahren wird die minimalinvasive Thoraxchirurgie (VATS, Video-assisted thoracoscopic Surgery) trotz fehlender Datenbasis zunehmend für die anatomische Resektion von Lungenkarzinomen im Stadium I–II eingesetzt. Verglichen mit offenen Resektionen hatten nichtrandomisierte Studien für diese Operationsmethode bislang vor allem geringere postoperative Schmerzen nachgewiesen; eine japanische Studie hatte bei 100 Patienten nichtrandomisiert ein mit offener Resektion vergleichbares 5-Jahres-Überleben gezeigt [1]. Auf der WCLC wurde mit der VIOLET-Studie nun erstmals eine große randomisierte Studie zum Vergleich von VATS und konventioneller offener Thoraxchirurgie vorgestellt [2].

Von 2015 bis 2019 wurden in diese Studie aus Großbritannien 503 Patienten mit einem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) im Stadium cT1–3, N0–1 eingeschlossen und zwischen VATS und offener Lungen-OP randomisiert. Bei 48% der Patienten wurde leitliniengemäß die histologische Diagnose erst intraoperativ gesichert (d. h. bei einem PET-positiven Rundherd erfolgte präoperativ z.B. keine CT-gesteuerte Punktion). Bei dieser Studie fallen außerdem verschiedene Details positiv auf: Bei der Randomisierung wurden jedem Chirurgen gleichmäßig VATS und offene OPs zugeordnet, wodurch jeder Chirurg als seine eigene Kontrolle dienen konnte. Die Patienten, Stationsärzte und Pfleger waren in den ersten postoperativen Tagen in Bezug auf den OP-Arm verblindet (jeder Patient erhielt Verbände wie bei einer offenen OP), um eine Beeinflussung der Schmerzwahrnehmung zu vermeiden. Die mit der visuellen Analogskala gemessenen postoperativen Schmerzen wurden in Bezug zur detailliert erfassten Schmerzmedikation gesetzt. Auf der diesjährigen WCLC wurden nun die Daten zur onkologischen OP-Qualität, zu den postoperativen Schmerzen und zur stationären Aufenthaltsdauer vorgestellt. Die onkologische OP-Qualität von VATS und offener OP war in Bezug auf die R0-Resektion (97,8% vs. 97,4%), das Lymphknoten-Staging (Upstaging von cN1 auf pN2 in 6,2% vs. 4,8%, p = 0,503) und die Rate an Komplikationen gleichwertig. Die postoperativen Schmerzen waren nach einer VATS signifikant geringer und die stationäre Verweildauer (4 vs. 5 Tage, p = 0,008) signifikant kürzer. Die Konversionsrate von VATS zur offenen OP lag bei 6,4%, die In-Hospital-Mortalität betrug insgesamt 1,4%. Die VIOLET-Studie zeigte erstmals prospektiv randomisiert die onkologische Gleichwertigkeit von VATS und offener OP bei unmittelbaren Vorteilen nach einer VATS in Bezug auf Schmerzen und Verweildauer. Die Ergebnisse bezüglich der Rezidivrate und dem Überleben bleiben abzuwarten, bevor endgültig von einer Gleichwertigkeit der beiden Operationstechniken gesprochen werden kann. Da jedoch die onkologische Qualität, gemessen an der Zahl der resezierten Lymphknotenstationen, bei beiden Ansätzen gleich war, ist auch ein vergleichbares Langzeitergebnis zu erwarten. Diese Erwartung wird durch den Beitrag von Dong-Rong Situ aus China [3] unterstützt, in dem gleiche 5-Jahresüberlebensdaten für VATS und offene Operationen angegeben werden (DFS [krankheitsfreies Überleben]: VATS vs. offene OP: 58% vs. 62%, p = 0,686; OS [Gesamtüberleben]: 74% vs. 71%, p = 0,497).

Fazit

  • Die VATS ist der offenen OP in Bezug auf die onkologische Effizienz beim NSCLC im Frühstadium nicht unterlegen.
  • Bei Lungenkrebs im Frühstadium ist die VATS mit einem signifikant kürzeren Krankenhausaufenthalt im Vergleich zur offenen Resektion verbunden.

“Als Internist beeindrucken mich an der VIOLET-Studie das hervorragende Design und die rasche Rekrutierung, insbesondere da der Patienteneinschluss in chirurgische, randomisierte Studien bekanntermaßen sehr schwer ist. Die Studie stellt einen Meilenstein in der Lungenkrebstherapie dar und sie liefert zusammen mit den Ergebnissen der chinesischen Untersuchung wegweisende Daten für die VATS als Standardoperationsmethode, wie sie in vielen Lungenkrebszentren bereits praktiziert wird.“ PD Dr. med. M. Faehling

Lokal fortgeschrittene Erkrankung

Besonders spannend war es auf der WCLC zu sehen, wie die immunonkologischen (IO) Therapien nach den Erfolgen in der Palliativsituation und seit kurzem auch in der Konsolidierung nach einer definitiven Radiochemotherapie zunehmend auch in die operablen Tumorstadien vordringen – und zwar in Form von neoadjuvanten Therapien. Dabei dient die pathologische Remissionsrate als Surrogatmarker für ein möglicherweise verbessertes Langzeitüberleben (MPR [major pathological response]: weniger als 10% vitale Tumorzellen im Resektat; pCR [pathological complete response]: keine vitalen Tumorzellen im Resektat).

Vor dem Langzeitüberleben steht jedoch zunächst eine erfolgreiche OP. Denn von Thoraxchirurgen wird häufig von erschwerten Operationsbedingungen nach einer neoadjuvanten IO-Therapie berichtet. Dazu liefert die auf der WCLC präsentierte Analyse der chirurgischen Ergebnisse der NEOSTAR-Studie einen wichtigen Beitrag [4]. Die NEOSTAR-Studie hat 44 NSCLC-Patienten im Stadium I–IIIA randomisiert entweder neoadjuvant mit immunonkologischer Monotherapie (Nivolumab Tag 1, 15, 29) oder mit immunonkologischer Kombinationstherapie (Nivolumab [Tag 1, 15, 29]/Ipilimumab [Tag 1]) behandelt. Die geplanten Resektionen konnten durchgeführt werden und wurden jedoch vom Chirurgen in 40% der Fälle als technisch schwierig bewertet. Die Rate an pCR blieb jedoch mit 9% (Nivolumab) beziehungsweise 29% (Ipilimumab/Nivolumab) insbesondere im Monotherapiearm unter den Erwartungen, ebenso die Rate an MPR + pCR mit 19% (Nivolumab) beziehungsweise 33% (Ipilimumab/Nivolumab). Vergleichbare Ergebnisse konnten in der LCMC3-Studie (NCT02927301) erzielt werden [5]. Nach 2 Zyklen neoadjuvanter IO-Monotherapie mit Atezolizumab ergab sich ein ähnliches Bild mit einer MPR von 18%. Über die pCR wurde nicht berichtet.

Vielleicht ist die Ansprechrate durch eine längere Therapiedauer, wie sie bei der im Folgenden diskutierten neoadjuvante Chemo-Immun-Kombinationstherapie vorlag, noch zu verbessern. Die spanische NADIM-Studie (NCT03081689) hat operable Patienten mit NSCLC-Stadium IIIA neoadjuvant mit 3 Zyklen Chemo-Immun-Kombinationstherapie mit Carboplatin/Paclitaxel/Nivolumab behandelt. Den noch abzuwartenden primären Endpunkt stellt das progressionsfreie Überleben (PFS) nach 2 Jahren dar. Zusätzlich sind zahlreiche sekundäre Endpunkte definiert, unter anderem das OS nach 3 Jahren. Auf der WCLC präsentierte Mariano Provencio die sekundären Endpunkte, die Downstaging-Rate und die R0-Resektionsrate sowie die pathologischen Ergebnisse [6]. Von 46 eingeschlossenen Patienten wurden 41 operiert. Von den 5 nicht operierten Patienten hatten 2 die Zustimmung zur Teilnahme zurückgezogen, bei den anderen 3 Patienten war nach chirurgischer Einschätzung keine Resektabilität, möglicherweise aufgrund einer Progression, gegeben. Radiologisch konnte bei den 41 operierten Patienten in keinem Fall ein Krankheitsprogress nachgewiesen werden. Bei 37 von 41 Patienten (90%) wurde eine partielle (PR) oder komplette (CR) Remission dokumentiert, also ein Downstaging. Bei allen operierten Patienten wurde eine R0-Resektion erreicht, Todesfälle traten nicht auf. Damit unterstützt die NADIM-Studie bei noch kleinen Zahlen die grundsätzliche Durchführbarkeit einer neoadjuvanten Chemo-Immun-Kombinationstherapie im Stadium IIIA. Erfreulich hoch sind auch die Raten an pCR (24 von 41 Patienten, 59%). Weitere 24% der Patienten (10 von 41) erreichten ebenfalls eine MPR. Das heißt, 83% (34 von 41) der operierten Patienten zeigten ein prognostisch günstiges gutes oder sehr gutes pathologisches Ansprechen.

Fazit

  • Eine neoadjuvante Chemo-Immun-Therapie erscheint im Stadium IIIa durchführbar.
  • Die Ergebnisse hinsichtlich Downstaging, R0-Resketion und pathologischem Ansprechen waren durchweg erfreulich.
  • Für eine regemäßige Durchführung in der klinischen Routine ist die Datenlage noch zu früh, insbesondere fehlen Überlebensdaten.

“Mit der NADIM-Studie bahnt sich ein Paradigmenwechsel in der kurativen Therapie des NSCLC an. Die hohe Rate an pathologischen Remissionen hat dazu geführt, dass für alle gängigen PD-(L)1-Inhibitoren aktuell Phase-II/III-Studien zur neoadjuvanten Therapie laufen. Sollten sich die Ergebnisse der NADIM-Studie bestätigen, wird die neoadjuvante Chemo-Immun-Kombinationstherapie zum Standard werden und die adjuvante Chemotherapie weitgehend ablösen.“ PD Dr. med. M. Faehling

Metastasiertes NSCLC

Zielgerichtete Therapien

Zum Drittgenerations-EGFR-TKI HS-10296 (EGFR = epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor; TKI = Tyrosinkinaseinhibitor) stellte Shun Lu aus China [7] vielversprechende Erstliniendaten von ausschließlich ostasiatischen Patienten mit aktivierender EGFR-Mutation vor. Die Phase-II-Daten stimmen mit den entsprechenden Osimertinib-Daten der FLAURA-Studie (NCT02296125) überein und lassen mittelfristig einen weiteren Drittgenerations-EGFR-TKI erwarten, falls eine weltweite Vermarktung angestrebt wird. Interessant wird sein, ob sich unter der Therapie mit Drittgenerations-EGFR-TKIs unterschiedliche Resistenzmechanismen zeigen. Hat Almonertinib zum Beispiel Aktivität gegen die unter Osimertinib auftretende 797S-Resistenzmutation?

Auf der WCLC wurden auch die neuen Studienergebnisse zu Treibermutationen ohne bislang zugelassene Therapien vorgestellt. Zunächst präsentierte Alexander Drilon [8] die Ergebnisse der Phase-I/II-Studie (LIBRETTO-001-Studie) zum RET-Inhibitor Selpercatinib (LOXO-292). RET-Fusionen kommen bei 1 bis 2% der pulmonalen Adenokarzinome vor. Analysiert wurden 105 vorbehandelte und 34 unbehandelte Patienten mit metastasiertem NSCLC und vorliegender RET-Fusion. Nach der Vorbehandlung zeigten 68% ein Ansprechen (95-%-Konfidenzintervall [95-%-KI]: 58─76%) auf Selpercatinib, auch wenn bereits Hirnmetastasen vorhanden waren. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 18,4 Monate. Bei den unbehandelten Patienten lag die Ansprechrate sogar bei 85% (95-%-KI: 69─95%), das mediane PFS ist nach 18 Monaten nicht erreicht. Bei insgesamt guter Verträglichkeit wurden als wesentliche Nebenwirkungen arterielle Hypertonie und Transaminasenanstieg festgestellt. Mit diesen Daten reiht sich Selpercatinib in die Reihe der hochpotenten spezifischen Tyrosinkinaseinhibitoren ein. Während in den USA bei der amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) auf Basis dieser Daten bereits eine Zulassung erwartet wird, ist für die internationale und auch europäische Zulassung noch eine Phase-III-Studie versus Chemotherapie geplant. Die Notwendigkeit einer derartigen Studie wurde angesichts der auch auf der WCLC präsentierten überzeugenden Daten angezweifelt.

Mit größter Spannung erwartet wurden weitere Daten zum auf dem diesjährigen ASCO-Kongress erstmals vorgestellten spezifischen Inhibitor der KRAS-G12C-Mutation AMG 510 [9]. Ramaswamy Govindan stellte diese auf der WCLC vor [10]. Die KRAS-G12C-Mutation ist in circa 13% aller NSCLC-Adenokarzinome nachweisbar und wird auch beim Kolonkarzinom häufig diagnostiziert. KRAS stellt keine Tyrosinkinase dar und galt bislang als schwer therapeutisch angehbar, da für eine KRAS-Inhibition einfache Abwandlungen der vorhandenen Tyrosinkinaseinhibitoren nicht zielführend waren. Daher musste eine neue Medikamentenklasse entwickelt werden. AMG 510 stellt den ersten Vertreter dieser neuen Klasse von KRAS-Inhibitoren dar. AMG 510 ist ein Small-Molecule-Inhibitor, der spezifisch kovalent an das Cystein (C) der KRAS-G12C-Mutation bindet. Da dieses Aminosäuremotiv beim gesunden Menschen nicht vorkommt, ist mit einer guten Therapieverträglichkeit zu rechnen. In der Phase-I-Studie waren von 34 eingeschlossenen NSCLC-Patienten 23 Patienten mit mindestens einer Computertomographie unter Therapie evaluierbar. Dabei zeigten je 11 Patienten eine PR beziehungsweise eine stabile Erkrankung (je 48%). 16 der Patienten mit einer Remission oder einer stabilen Erkrankung befanden sich nach bis zu 42 Wochen weiter unter Therapie. Es erfolgte kein Behandlungsabbruch wegen Nebenwirkungen. Diese Daten etablieren die KRAS-G12C-Mutation als therapierbare Treibermutation. In der näheren Zukunft werden insbesondere die Ansprechdauer und die zentralnervöse Wirksamkeit nachzuweisen sein. Eine auch in Deutschland rekrutierende Phase-III-Studie befindet sich in Planung.

Eine umfangreiche Testung aller Patienten mit NSCLC auf Treibermutationen mit Next-Generation-Sequencing (NGS) sollte der Standard sein, da so nicht nur die „verpflichtenden“ Mutationen/Fusionen EGFR, ALK, ROS1 und BRAF, sondern auch sonstige Treiber, wie RET, MET, HER2, NTRK oder KRAS, erfasst werden, für die es mit anderer Indikation zugelassene hochwirksame und gut verträgliche Therapien oder Studien gibt oder in naher Zukunft geben wird.

Fazit

  • Bei den zielgerichteten Therapien scheint vor allem mit AMG 510, einem spezifischen kovalenten Inhibitor von KRAS-G12C, ein Durchbruch gelungen zu sein.
  • Eine umfangreiche Testung aller Patienten mit NSCLC auf Treibermutationen mit Next-Generation-Sequencing (NGS) sollte der Standard sein.
„Für mich stellt die Vorstellung von AMG 510 als „first-in-class“-Vertreter eines KRAS-Inhibitors die Sensation des Jahres dar, da die Mutation jahrelang allen Therapieversuchen widerstanden hat. AMG 510 eröffnet jetzt eine neue und gut verträgliche Therapieoption für einen großen Anteil der NSCLC-Patienten.“ PD Dr. med. M. Faehling

Immunonkologie

Darüber hinaus bekommt die umfangreiche molekularpathologische Analyse zunehmend Bedeutung im Bereich der Immunonkologie. Asieh Golozar [11] stellte Real-World-Daten zu STK11 vor, die erneut das Vorliegen einer STK11-Mutation (11% aller NSCLC) als negativen prädiktiven Marker für das Überleben unter einer IO-Therapie und in geringerem Ausmaß auch unter einer Chemotherapie sahen. Im Gegensatz dazu scheint das Vorliegen einer inaktivierenden ARID1A-Mutation ein Ansprechen auf eine PD-(L)1-Therapie (PD-[L]1 = Programmed Cell Death Protein/Ligand 1) vorherzusagen [12]. Eine ARID1A-Defizienz resultiert in einer höheren Tumormutationslast, einer höheren Anzahl an tumorinfiltrierenden Lymphozyten und in einer höheren PD-L1-Expression.

Umstritten ist nach wie vor die Rolle der Tumormutationslast (TMB). Eine Post-hoc-Analyse der Keynote-189-Daten zeigte erneut, dass TMB nicht prädiktiv für das Ansprechen oder das Überleben unter Pembrolizumab ist [13]. Das steht im Gegensatz zu den Daten der CheckMate-227-Studie, welche die TMB als prädiktiv für ein Ansprechen auf eine Erstlinien-Immunkombinationstherapie mit Ipilimumab und Nivolumab etabliert hat [14]. Die in der klinischen Routine nicht seltene Frage, ob auch Patienten mit eingeschränktem Allgemeinzustand (ECOG 2) von dieser Immuntherapie profitieren, wurde in der Präsentation „CheckMate 817: First-Line Nivolumab + Ipilimumab in Patients with ECOG PS 2 and Other Special Populations with Advanced NSCLC“ von Fabrice Barlesi [15] aufgegriffen. Trotz der Komorbiditäten zeigte sich ein konstantes immunbezogenes Nebenwirkungsprofil bei einer Ansprechrate von 24%. 57% dieser Patienten hatten eine Ansprechdauer von mindestens einem Jahr.

Daneben wurden Langzeitüberlebensdaten (3–5 Jahre) unter den immunonkologischen Monotherapien mit Nivolumab (Zweitlinie, PD-L1-unabhängig) [16] und Pembrolizumab (Erstlinie, PD-L1 > 50%) [17] vorgestellt.

Die gepoolten Daten der CheckMate-017/057-Studien [16] zeigten ein hochsignifikant verbessertes 5-Jahresüberleben unter Nivolumab von 13,4% versus 2,6% im Docetaxel-Arm (Hazard Ratio [HR]: 0,68; 95-%-KI: 0,59–0,78). Bei den PD-L1-negativen Patienten betrug das 5-Jahresüberleben 8% versus 2%, was auf eine Bedeutung des PD-L1-Status auch für das Langzeitüberleben unter Nivolumab hindeutet. Unter der Therapie mit Nivolumab war bei 8% der Patienten nach 5 Jahren noch kein Progress dokumentiert (Docetaxel 0%).

In der KEYNOTE-024-Studie lag bei den primär mit immunonkologischer Monotherapie mit Pembrolizumab behandelten PD-L1-hochpositiven Patienten das 3-Jahresüberleben bei 43,7% verglichen mit 24,9% unter einer initialen platinhaltigen Chemotherapie [17]. Dabei war ein Cross-over erlaubt, sodass 64,9% der initial mit einer Chemotherapie behandelten Patienten bei einem Progress Pembrolizumab erhielten. Das Überleben war trotz dieser hohen Cross-over-Rate unter der Erstlinientherapie mit Pembrolizumab hochsignifikant besser. Das mediane OS lag im Pembrolizumab-Arm bei 26,3 Monaten versus 14,2 Monate im Chemotherapiearm (HR: 0,65; 95-%-KI: 0,50─0,86). Eine mögliche Erklärung liegt in der deutlich geringeren Ansprechrate auf die Zweitlinientherapie mit Pembrolizumab (20,7%) verglichen mit 44,8% unter einer Erstlinientherapie.

In der IMpower-131-Studie [18] erbrachte die Hinzunahme des PD-L1-Inhibitors Atezolizumab zu Carboplatin+nab-Paclitaxel nach der auf der WCLC vorgestellten abschließenden Analyse  beim Plattenepithelkarzinom trotz einer deutlichen Verbesserung des PFS (HR: 0,71) keine signifikante Verbesserung des medianen Gesamtüberlebens (mOS: 14,2 vs. 13,5 Monate; HR 0,88; 95-%-KI: 0,73 – 1,05; p = 0,16). Als Ursache wird die fehlende PD-L1-Selektion angenommen. Jedoch zeigte sich in der Subgruppe der PD-L1-Hochexprimierer eine klinisch bedeutsame Verbesserung des mOS (23,4 vs. 10,2 Monate; HR 0,48; 95-%-KI: 0,29–0,81). Es handelt sich dabei jedoch um eine nicht formal getestete Subgruppe.

Fazit

  • Bei vorbehandelten Patienten mit NSCLC zeigte sich ein signifikant verbessertes 5-Jahresüberleben unter Nivolumab im Vergleich zu Docetaxel.
  • Die PD-L1-positiven Patienten erreichen unter Erstlinientherapie mit Pembrolizumab ein verbessertes 3-Jahresüberleben von 44% im Vergleich zu 25% unter Chemotherapie.

"Für mich sind die Langzeitüberlebensdaten unter einer immunonkologischen Therapie des NSCLC immer noch sehr beeindruckend. Dass diese „Kongressdaten“ auch in der klinischen Routine reproduzierbar sind, konnten wir kürzlich in einer Fall-Kontroll-Analyse unserer ersten 141 immunonkologisch behandelten Patienten mit inoperablem oder metastasiertem NSCLC, verglichen mit individuell zugeordneten historischen Kontrollen ohne Immuntherapie, zeigen: Das Gesamtüberleben im immunonkologischen Kollektiv war nahezu verdoppelt [19]. Besonders profitieren dabei Patienten mit nicht so großer Tumormasse, was zu der auf der WCLC berichteten besseren Wirksamkeit der immunonkologischen Therapie in der Erstlinie im Vergleich zur Zweitlinie beitragen könnte [16, 17]." PD Dr. med. M. Faehling

SCLC

Als letzten Beitrag [20] der Presidential Session präsentierte Luis Paz-Ares die Überlebensergebnisse der CASPIAN-Studie, welche eine Erstlinien-Chemo-Immun-Therapie beim metastasierten kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC) mit Platin (75% Carboplatin/25% Cisplatin+Etoposid) und dem PD-L1-Inhibitor Durvalumab mit der Chemotherapie als Standard verglichen hat. Die Phase-III-Studie war positiv und zeigte eine signifikante Verbesserung des mOS von 10,3 auf 13,0 Monate (HR: 0,73, 95-%-KI: 0,59 – 0,91) für die Kombinationstherapie Durvalumab+Etoposid-Platin. Die Verbesserung zeigte sich erst ab einem Überleben von circa 6 Monaten, das heißt, es scheinen eher die chemotherapiesensitiven Patienten von der Immuntherapie zu profitieren. Damit stimmen die Daten der CASPIAN-Studie sehr gut mit den Daten der IMpower-133-Studie [21] überein, welche mit sehr ähnlichem Design (abgesehen davon, dass hier nur Carboplatin zugelassen war) eine Verbesserung des OS von 10,3 auf 12,3 Monate (HR: 0,70; 95-%-KI: 0,54─0,91; p = 0,007) gezeigt hatte und zur Zulassung von Atezolizumab für die Erstlinien-Chemo-Immun-Kombinationstherapie des metastasierten SCLC im September 2019 geführt hat. Trotzdem ist die Überlebensverlängerung mit circa 2 Monaten nur moderat. Ob es wie beim NSCLC ein Plateau der Überlebenskurve mit Langzeitüberlebenden geben wird, ist derzeit nicht sicher abzusehen, aber die Gesamtüberlebenskurven deuten eher nicht darauf hin. Abzuwarten bleiben die Ergebnisse der KEYNOTE-604-Studie (NCT03066778), welche die Hinzunahme von Pembrolizumab zur Standarderstlinientherapie beim SCLC untersucht hat. Mit der CASPIAN-Studie als zweiter positiver Chemo-Immun-Kombinationsstudie ist die Immunonkologie endgültig auch beim SCLC etabliert. Für mich ist eine gute Datenbasis hinsichtlich der Immunonkologie beim SCLC allerdings besonders wichtig. Denn wir sehen deren klinischen Vorteil weniger in dem sehr guten Ansprechen, das beim SCLC auch unter einer Chemotherapie gegeben ist, sondern vor allem erst in einem verbesserten längerfristigen Überleben.

Insgesamt zeigt die Immunonkologie beim SCLC jedoch nicht die dramatische Wirksamkeit wie sie beim NSCLC oder beim Melanom beobachtet wird. So war auch die Vorstellung einer neuen chemotherapeutischen Zweitlinienoption beim SCLC willkommen. Liposomales Irinotecan (nal-IRI) zeigte in der auf der WCLC präsentierten Phase-II/III-RESILIENT-Studie (NCT03088813) ermutigende Ansprechraten von 44% in der Zweitlinie bei einer 12-Wochen-Krankheitskontrollrate von 48% [22]. Allerdings wurde unter dieser Therapie eine deutliche Toxizität, vor allem gastrointestinal und hämatologisch, beobachtet. Zum Beispiel trat bei 20% der Patienten eine Diarrhoe als Grad-3-Nebenwirkung auf.

Fazit

  • Die Erstlinientherapie beim metastasierten SCLC mit Etoposid-Platin+Durvalumab führt im Vergleich zur Standardchemotherapie zu einem signifikant verbesserten OS.
  • Beim SCLC hat die Immunonkologie noch nicht denselben Stellenwert wie beim NSCLC erreicht.

“Mit der CASPIAN- und der IMpower-133-Studie hat die Immunonkologie auch einen gewissen Stellenwert in der Erstlinientherapie des metastasierten SCLC erobert, wenn auch nicht in der gleichen Höhe wie beim NSCLC. Wünschenswert ist dabei noch, dass Biomarker entwickelt werden, welche die davon profitierenden Patienten vorhersagen können. PD-L1 und TMB scheinen diese Aufgabe nicht konsistent zu erfüllen.“ PD Dr. med. M. Faehling

Zusammenfassung

Auch die diesjährige, hochkarätig besetzte World Conference on Lung Cancer (WCLC) der International Association on the Study of Lung Cancer (IASLC) konnte zahlreiche Daten über neue Fortschritte auf den Gebieten der Immuntherapien und der zielgerichteten Therapien bieten. Die Vorstellung von AMG 510 als „first-in-class“-Vertreter eines wirksamen KRAS-Inhibitors sorgte für Aufsehen, da er eine neue und gut verträgliche Therapieoption für einen großen Teil der Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) darstellt. Neueste Langzeitüberlebensdaten unter einer immunonkologischen Therapie des NSCLC, wie zum Beispiel aus den CheckMate-017/057-Studien, waren ebenfalls beeindruckend. Von der Reproduzierbarkeit der reinen „Kongressdaten“ im klinischen Alltag scheinen wir nicht mehr allzu weit entfernt zu sein. Auch was das chirurgische Herangehen bei der Resektion der Lungenkarzinome betrifft, wurden erstmals die Daten einer großen, randomisierten Studie zum Vergleich der minimalinvasiven Thoraxchirurgie mit der konventionellen, offenen Resektion vorgestellt. Es bewegt sich viel auf dem Gebiet des Lungenkarzinoms, und man kann zu Recht positiv in die Zukunft blicken.

Quellen

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  8. Drilon A et al. Registrational Results of LIBRETTO-001: A Phase 1/2 Trial of LOXO-292 in Patients with RET Fusion-Positive Lung Cancers. Presented at IASLC 2019, Barcelona, abstract PL02.08.
  9. Fakih M et al. Phase 1 study evaluating the safety, tolerability, pharmacokinetics (PK), and efficacy of AMG 510, a novel small molecule KRASG12C inhibitor, in advanced solid tumors. Journal of Clinical Oncology 2019; 37: 3003-3003.
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  12. Johnson ML. Immuno Combinations and Role of TMB, Discussant - OA04.05, OA04.06, OA04.07. Presented at IASLC 2019, Barcelona, abstract OA04.08.
  13. Garassino M et al. Evaluation of TMB in KEYNOTE-189: Pembrolizumab Plus Chemotherapy vs Placebo Plus Chemotherapy for Nonsquamous NSCLC. Presented at IASLC 2019, Barcelona, abstract OA04.06.
  14. Reck M et al. Nivolumab plus ipilimumab versus chemotherapy as first-line treatment in advanced non–small-cell lung cancer with high tumour mutational burden: patient-reported outcomes results from the randomised, open-label, phase III CheckMate 227 trial. European Journal of Cancer 2019; 116: 137-147.
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  16. Gettinger S et al. Five-Year Outcomes From the Randomized, Phase 3 Trials CheckMate 017/057: Nivolumab vs Docetaxel in Previously Treated NSCLC. Presented at IASLC 2019, Barcelona, abstract OA14.04.
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  18. Cappuzzo F et al. IMpower131: Final OS Results of Carboplatin + Nab-Paclitaxel ± Atezolizumab in Advanced Squamous NSCLC. Presented at IASLC 2019, Barcelona, abstract OA14.02.
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2019 Jun 19:1-8. doi: 10.1159/000500885.