EHA 2014
12. bis 15. Juni, Mailand
Lymphome – neue Substanzen geben Hoffnung auf eine chemotherapiefreie Behandlung
Schlüsselwörter: EHA 2014, myelodysplastische Syndrome, MDS, AML, akute myeloische Leukämie, refraktäre AML, ältere Patienten, multiples Myelom, MM, refraktär/rezidiviert, Rezidiv, Prognose, asymptomatisches Myelom, Smoldering Myeloma, 5q-Deletion, del(5q), DNA-Methyltransferase 3a, DNMT3A, Isocitrat-Dehydrogenase, IDH, IDH2, Niedrigrisiko-MDS, low-risk MDS, intermediate risk MDS, Transfusionsbedarf, autologe Transplantation, ABSCT, ASCT, Lenalidomid, Bortezomib, 5-Azacytidin, Azacitidin, ACE-536, 7+3, All-trans-Retinolsäure (ATRA), Cytarabin, Volasertib, Melphalan, Prednison, Thalidomid, Cyclophosphamid, Dexamethason, HDACi, Panobinostat, Pomalidomid, Proteasomeninhibitor, SGI110, hypomethylierende Substanz, AG-221, 2-HG, Rd, MPT, VT, VP, VMP, VTP, MEL200, AML-001, PANORAMA
Liebe Kollegen und Kolleginnen,
vom 12. bis 15. Juni 2014 fand in Mailand die 19. Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) statt. Wie schon in den vergangenen Jahren hat sie großes Interesse geweckt. Es waren wieder fast 9.000 Teilnehmer angereist – vorwiegend aus Europa, aber zunehmend auch aus anderen Teilen der Welt. Daher bot sich hier wieder eine sehr günstige Gelegenheit, um aktuelle Erkenntnisse auf dem Gebiet der Hämatologie zu diskutieren.
Zwar werden die Ergebnisse klinischer Studien häufig auch bereits auf dem fast parallel stattfindenden Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in den USA präsentiert, aber der EHA-Kongress ermöglicht, diese neuen Studiendaten insbesondere hinsichtlich der europäischen Besonderheiten zu besprechen.
Aus dem wieder sehr umfangreichen und interessanten Programm der diesjährigen EHA-Tagung haben wir die Beiträge ausgewählt, die für die klinische Praxis besonders wichtig werden könnten und damit für Sie von besonderer Bedeutung sind. Den Fokus legten wir dabei auf die drei Indikationsbereiche „multiples Myelom“, „myelodysplastische Syndrome und akute myeloische Leukämie“ sowie „Lymphome“. Wir haben für Sie die wichtigsten Veranstaltungen hierzu besucht und geben Ihnen in diesem Kongressbericht einen Überblick über die dort vorgestellten spannendsten neuen Informationen.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und hoffen, dass wir Sie bald wieder auf den Seiten von hematooncology.com begrüßen können.
Mit kollegialen Grüßen
Multiples Myelom – Stellenwert der Transplantation und neue Optionen bei älteren Patienten und beim Rezidiv
Dr. med. Hans Salwender, Asklepios Kliniken Hamburg, Altona und St. Georg
Vom 12. bis 15. Juni 2014 fand der 19. EHA-Kongress in Mailand statt. Auch wenn dieser Kongress bezüglich der Menge neuer wissenschaftlicher Daten sicherlich hinter dem ASH-Kongress im Dezember steht, bietet er eine hochinteressante Plattform, um bereits publizierte Studienerkenntnisse zu diskutieren. Dies gilt insbesondere für amerikanische Daten, die im Lichte der europäischen Besonderheiten eingeordnet werden müssen. Ersichtlich wurde dies beispielsweise an den zwei Präsentationen von Keith Stewart aus den USA und Maria Victoria Mateos aus Spanien, die in völlig unterschiedlichen Empfehlungen zur Erstlinientherapie bei älteren Patienten endeten.
Auf dem EHA-Kongress wurden aber auch in diesem Jahr wieder einige brandneue Daten zu Substanzen präsentiert, die das Potenzial haben, die Therapie des multiplen Myeloms zu verändern. Hier sei in erster Linie die PANORAMA-Studie, eine Phase-3-Studie zu Panobinostat, genannt.
Prognose bei Patienten mit del17 oder t(4-14) variiert abhängig von weiteren Mutationen
Seit mindestens 70 Jahren werden Myelompatienten in Risikogruppen eingeteilt [1]. Bis vor wenigen Jahren wurden daraus allerdings keine therapeutischen Konsequenzen gezogen. Mittlerweile gewinnen diese Risikogruppen auch klinisch an Bedeutung. Insbesondere die Mayo-Klinik mit ihrem mSMART-System empfiehlt eine differenzierte Therapie nach Risikogruppen [2]. Problematisch sind diese Risikofaktoren, wenn sie falsch interpretiert werden. Einige Patienten glauben zum Beispiel, dass sie als Betroffene einer del17-Mutation nur noch 2 Jahre zu leben hätten. Sie beachten dabei nicht, dass es sich um den Median handelt und stimmen dann möglicherweise riskanten Behandlungen zu. Benjamin Hebraud aus Toulouse zeigte jetzt in einer Präsentation, wie heterogen die Gruppe der Patienten mit del17 (oder t(4;14)) ist [3]. Hierzu analysierte er retrospektiv die Daten von 242 Patienten mit den entsprechenden genetischen Veränderungen aus verschiedenen französischen Studien mit und ohne Hochdosis-Melphalan und autologer Transplantation und mit und ohne neue Substanzen. Hierbei waren zwar circa 50 % der del17-Patienten nach 2 Jahren verstorben, aber auf der anderen Seite lebten fast 20 % der Patienten dieser Gruppe auch noch nach 6 Jahren. Bei einer del13-Mutation lernten wir in den vergangenen Jahren, dass nicht diese Veränderung selbst, sondern die begleitenden genetischen Veränderungen das erhöhte Risiko bestimmen. Hebraud et al. konnten nun zeigen, dass auch bei del17 und t(4;14) das Risiko zum großen Teil durch die begleitenden genetischen Veränderungen bestimmt wird. Zum Beispiel steigt in der univariaten Analyse für das Gesamtüberleben (OS) die Hazard Ratio hochsignifikant auf 5,86 beziehungsweise auf 1,95 an, wenn bei t(4;14)- beziehungsweise del(17)-Patienten zusätzlich eine del1p32-Mutation vorliegt (Abb. 1). Bei einer gleichzeitig bestehenden Trisomie 15 hingegen sinkt die Hazard Ratio in beiden Fällen auf 0,5. Vergleichbare Ergebnisse fanden sich auch in der multivariaten Analyse. Anhand dieser Daten und einer kompletten genetischen Analyse lassen sich künftig weitaus präzisere und individuellere Prognoseabschätzungen für jeden Patienten vornehmen.
Fazit
Nicht alle Patienten mit einer bestimmten ungünstigen genetischen Veränderung sind gleich. Die Risikoabschätzung anhand eines einzigen Befundes der FISH-Analyse, zum Beispiel um daraus therapeutische Konsequenzen abzuleiten, ist sehr ungenau. Um das individuelle Risiko besser abzuschätzen, sind weitergehende (genetische) Analysen hilfreich.
Asymptomatisches Myelom – früher Behandlungsbeginn bei Patienten mit hohem Progressionsrisiko
Dem asymptomatischen Myelom wurde eine eigene „Hematology-In-Focus“-Session gewidmet, in der Angela Dispenzieri von der Mayo-Klinik, Rochester, und Maria Victoria Mateos aus Salamanca das Vorgehen bei diesen Patienten diskutierten. Grundsätzlich besteht heute die Empfehlung, die Behandlung der Myelompatienten mit dem Erreichen der sogenannten CRAB-Kriterien (Hypercalciämie, Niereninsuffizienz, Anämie, Knochenläsionen) zu starten [4]. Die Studie von Mateos et al., die im letzten Jahr im NEJM publiziert wurde, stellt dies nun infrage [5]. In dieser Studie konnte mit einer Therapie mit Lenalidomid und Low-Dose-Dexamethason und anschließender Lenalidomid-Erhaltungstherapie im Vergleich zu keiner Behandlung bei asymptomatischen Myelompatienten nicht nur der Progress zu einer symptomatischen Erkrankung verzögert werden, sondern es wurde auch das Gesamtüberleben signifikant verlängert. Einer der Kritikpunkte an der Studie ist jedoch, dass nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von bisher 40 Monaten auch im Kontrollarm 24 % der Patienten ohne Therapie keinen Progress hatten und sich somit die Therapie erspart hatten. Bei ihrer aktuellen Vorstellung der Studie kündigte Mateos ein Update der Daten für den kommenden ASH-Kongress an. Sie berichtete aber bereits jetzt, dass im Kontrollarm mittlerweile 90 % der Patienten progredient seien. Auch das OS im Behandlungsarm habe sich im Vergleich zum Kontrollarm weiter verbessert. Mateos fügte an, dass in dieser Studie zudem nur Patienten mit einem sogenannten Hochrisiko-Smoldering-Myeloma behandelt worden seien, die aufgrund der Menge des monoklonalen Proteins, der Knochenmarkinfiltration und/oder des Verhältnisses monoklonaler/polyklonaler Plasmazellen ein hohes Progressionsrisiko hätten. Ohne Therapie würden diese Patienten im Median bereits nach 2 Jahren eine symptomatische Erkrankung aufweisen (in der Studie 21 Monate). Ergänzt wurde diese Präsentation durch den Vortrag von Angela Dispenzieri, die vor kurzem die Mayo-Klinik-Empfehlungen zu einem früheren Behandlungsbeginn beim Smoldering Myelom publizierte [6]. In dieser Arbeit wird eine ganze Reihe von Studien zitiert, die sich mit der Analyse von Risikofaktoren beschäftigen. Hiernach haben asymptomatische Myelompatienten mit
- einer über 60%igen Knochenmarkinfiltration,
- einer Ratio der betroffenen zu nichtbetroffenen freien Leichtketten über 100 und
- mit mehr als einer fokalen Läsion im MRT
ein (je nach Faktor) 70- bis 90%iges Risiko nach 2 Jahren eine symptomatische Erkrankung zu erleiden. Deshalb solle man hierbei bereits von einem aktiven Myelom sprechen und dieses behandeln. Dispenzieri berichtete, dass diese Mayo-Klinik-Empfehlung nun in die IMWG (International Myeloma Working Group)-Empfehlungen aufgenommen worden seien und in Kürze publiziert würden. Interessant ist, dass der Risikofaktor „MRT-Läsionen“ einer Studie von Jens Hillengass aus Heidelberg entnommen ist und dass die Kollegen aus Heidelberg die Empfehlung, Patienten mit MRT-Läsionen zu behandeln, zurückhaltender sehen. Zwei Probleme bestehen noch bei der Behandlung der asymptomatischen Patienten: Es besteht Konsens, dass nur die Patienten behandelt werden sollten, die ein hohes Risiko haben, in Kürze eine progrediente Erkrankung zu erleiden. Es gibt nur leider keine einheitliche Festlegung, welche Patienten dies sind. Zum anderen bestehen Bedenken wegen der Toxizität einer Behandlung bei ansonsten symptomfreien Patienten und der damit zunächst verschlechterten Lebensqualität. Deshalb wird hierzu im Moment eine Reihe von Studien mit weniger toxischen Substanzen durchgeführt, zum Beispiel mit dem IL6-Antikörper Siltuximab.
Fazit
Wir stehen an der Schwelle, die Behandlung der Myelompatienten auf asymptomatische Patienten zu erweitern, um bei geringerer Tumorlast die Heilungsrate zu erhöhen. Einige Fragen bezüglich der Patientenauswahl und der Langzeittoxizität sind hierbei jedoch noch offen.
Erstbehandlung von älteren Patienten – lenalidomidbasierte Primärtherapie als Alternative
Eine große Diskussion ergab sich zum Thema „Erstbehandlung von älteren Patienten“. Keith Stewart von der Mayo Clinic in Scottsdale präsentierte hierzu eine Vergleichsstudie zwischen Melphalan, Prednison und Thalidomid (MPT) und Melphalan, Prednison und Lenalidomid (MPR) [7]. Es zeigte sich zwar keine Überlegenheit von MPR gegenüber MPT bezüglich der Effektivität, wohl aber bezüglich der Verträglichkeit. Insbesondere war unter MPR im Vergleich zu MPT eine verminderte Rate an Polyneuropathien zu verzeichnen. Stewart fügte in seiner Rede aber auch gleich an, dass man in den USA ältere Patienten ohnehin nicht mehr mit Melphalan behandele, sondern regelhaft zytostatikafrei mit Lenalidomid/Low-Dose-Dexamethason. In derselben Session präsentierte Maria Victoria Mateos eine Studie mit älteren Patienten, bei der alle Patienten 6 Zyklen (ein 6-Wochen-Zyklus plus fünf 5-Wochen-Zyklen) Bortezomib und Prednison und zusätzlich entweder Melphalan (VMP) oder Thalidomid (VTP) erhielten. Randomisiert untersucht wurde, ob man das Melphalan durch Thalidomid ersetzen kann, um damit auf das Zytostatikum verzichten zu können [8]. Anschließend erfolgte eine 3-jährige Erhaltungstherapie mit Bortezomib und Thalidomid (VT) oder Prednison (VP). Eine frühere Auswertung dieser Studie wurde im Jahr 2010 publiziert [9]. Die aktuelle Analyse von 260 Patienten mit einem medianen Follow-up von 72 Monaten erbrachte einen signifikanten Gesamtüberlebensvorteil für die melphalanhaltige Kombination von 63 zu 43 Monaten (p = 0,01) bei einem grenzwertig signifikanten Unterschied im PFS von 32 zu 23 Monaten (p = 0,09). Aus Sicht der Kollegen aus Salamanca belegt diese Studie den wichtigen Stellenwert des Melphalans in der Erstlinienbehandlung des multiplen Myeloms. Die Entscheidung, welche Therapie nun zu wählen ist, wurde durch die Präsentation von Thierry Facon in der gleichen Session noch erschwert [10]. Facon präsentierte erneut die sogenannte FIRST-Studie. Diese war in der Plenary Session bereits beim letzten ASH-Kongress als der wichtigste Beitrag zum Myelom vorgestellt worden [11]. Hierbei wurde eine Dauertherapie mit Lenalidomid und Low-Dose-Dexamethason (Rd) bis zum Progress (Arm A) und über 18 Monate (Arm B) einer Behandlung mit Melphalan, Prednison und Thalidomid (MPT) über 18 Monate (Arm C) gegenübergestellt. Die Therapie mit Rd war bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) der Therapie mit MPT überlegen. Aktuell wurden nun Daten zur Lebensqualität ergänzt. Hierbei fand sich wiederum ein Vorteil für Rd bezüglich myelomspezifischer Parameter.
Fazit
Im Gegensatz zu den USA haben Alkylantien in der Erstlinientherapie des multiplen Myeloms bei älteren Patienten in Europa noch einen großen Stellenwert. Die Ergebnisse der FIRST-Studie zeigen, dass mit Rd in Zukunft eine Alternative zu melphalanhaltigen Therapien zur Verfügung steht.
„VMP als Behandlungsmöglichkeit für ältere Patienten hat seine Wirksamkeit bestätigt. Mit Rd bietet sich nun eine dem MPT überlegene orale Alternative.“ Dr. Hans Salwender
Erstbehandlung von jüngeren Patienten – Vorteile einer frühen Hochdosistherapie mit Stammzelltransplantation
Seit einigen Jahren sehen wir zunehmend bessere Behandlungsergebnisse des multiplen Myeloms durch den routinemäßigen Einsatz sogenannter neuer Substanzen wie Bortezomib, Lenalidomid und mittlerweile auch Pomalidomid und Carfilzomib. Es stellt sich dabei bei einigen Ärzten die Frage nach dem Stellenwert der Hochdosis-Melphalan-Behandlung mit autologer Stammzelltransplantation im Vergleich zu diesen neuen Möglichkeiten. Hierzu präsentierte Federica Cavallo aus Turin eine Studie, in der die Daten von zwei italienischen Studien gepooled wurden [12]. Beide Studien verglichen nach einer einheitlichen Lenalidomid/Low-Dose-Dexamethasoninduktionstherapie 2 Zyklen Hochdosis-Melphalan 200 mg/m2 (MEL200) mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation (ABSCT) mit einer konventionellen Therapie unter Einschluss von Lenalidomid. In der ersten Studie erhielten die Patienten im Nichthochdosis-Arm sechs Zyklen Melphalan, Lenalidomid und Prednison (MPR) und anschließend randomisiert entweder eine Lenalidomid- oder keine Erhaltungstherapie [13]. In der zweiten Studie erhielten die Patienten sechs Zyklen Cyclophosphamid, Lenalidomid und Dexamethason (CRd) und alle Patienten eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid randomisiert mit oder ohne Prednison [14]. Cavallo betonte, dass es sich im Prinzip um den Vergleich einer frühen mit einer späten ABSCT handele, da alle Patienten – auch im Nichthochdosis-Arm Stammzellen sammelten – und im Rezidiv dann auch transplantiert werden sollten. (Anmerkung des Autors: Dies ist bei praktisch allen Studien, die Hochdosistherapie/ABSCT mit konventioneller Therapie oder einmalige versus Tandem-ABSCT vergleichen, der Fall. Diese Studien testen also in der Regel nicht den Verzicht auf die ABSCT, sondern nur, ob sie als Erstlinienbehandlung einen Vorteil hat gegenüber einem späteren Einsatz). Analysiert wurde bei insgesamt 529 Patienten mit einem medianen Follow-up von 49,7 Monaten die Zeit von der Randomisierung bis zum 1. (PFS1) und 2. (PFS2) Progress oder Tod (Abb. 1). Zudem wurde nach dem ersten Progress die Zeit vom 1. bis zum 2. Rezidiv (2. PFS) bestimmt. Beim PFS2 wurde damit auch das PFS bei den Patienten mit ABSCT im Rezidiv berücksichtigt, die in der Erstbehandlung in den Nichthochdosis-Arm randomisiert waren. Im Gegensatz zum 2. PFS, also in der Zeit von 1. Rezidiv bis zum 2. Rezidiv, gingen bei PFS2 allerdings auch die Patienten mit ein, die zum Zeitpunkt der Analyse noch in erster Remission waren. Zusätzlich wurde das OS als Zeit von der Randomisierung bis zum Tod berechnet. Patienten, die eine frühe ABSCT erhielten, hatten ein medianes PFS1 von 51 Monaten im Vergleich zu 32 Monaten bei den Patienten mit später ABSCT (p < 0,001). Das 4-Jahres-PFS2 lag bei 75 vs. 60 % (p = 0,001) und das 4-Jahres-OS bei 85 vs. 76 % (p = 0,027) für die frühe vs. späte ABSCT (Abb. 2). Die Dauer des medianen 2. PFS war 12 vs. 17 Monate für frühe vs. späte ABSCT (p = 0,354).
Fazit
Auch in Zeiten neuer Substanzen wird das Überleben bei jüngeren transplantierbaren Patienten durch eine frühe Hochdosis-Melphalan-Behandlung mit ABSCT gegenüber einer konventionellen Therapie signifikant verlängert.
„Eine Hochdosis-Melphalan-Therapie mit ABSCT bleibt bei jüngeren Patienten immer noch das zentrale Element der Primärtherapie des multiplen Myeloms.“ Dr. Hans Salwender
Neue Therapiemöglichkeiten für Patienten mit Rezidiv
Die wichtigste Studie für rezidivierte oder refraktäre Patienten war diesmal die sogenannte PANORAMA-1-Studie [15]. Die Ergebnisse dieser randomisierten, doppelt-blinden, placebokontrollierten Phase-3-Studie wurden jetzt erstmals auf dem ASCO- und dem EHA-Kongress präsentiert. Hierbei erhielten alle Patienten im Rezidiv konventionell Bortezomib und Dexamethason und dazu randomisiert 3-mal wöchentlich (2 von 3 Wochen) oral Panobinostat, einen Histondeacetylasehemmer (HDACi), oder Placebo. Bereits theoretisch besteht ein Synergismus zwischen Proteasom- und HDAC-Inhibitor, da abzubauende Proteine in der Zelle entweder über den Proteasom- oder den Aggresomweg (Hemmung durch HDAC-Inhibitor) abgebaut werden. Die Rate an kompletten und fast kompletten Remissionen war in der Verum-Gruppe mit 27,6 vs. 15,7 % signifikant (p = 0,00006) höher. Bezüglich des primären Endpunktes, des medianen PFS war die Panobinostat-Gruppe der Placebo-Gruppe mit 12,0 zu 8,1 Monaten signifikant (p < 0,0001) überlegen (Abb. 4). In der Subgruppenanalyse scheinen insbesondere Patienten mit ungünstiger Zytogenetik, intensiver Vorbehandlung mit neuen Substanzen und refraktäre Patienten hinsichtlich des PFS zu profitieren. Das mediane OS war jedoch trotz eines 3,3 Monate längeren Gesamtüberlebens noch nicht signifikant. Leider zeigte sich auch eine höhere Rate an Grad-3/4-Toxizitäten; insbesondere Durchfälle mit 25,5 vs. 8,0 % und Fatigue/Asthenie mit 23,9 vs. 11,9 % sind besonders klinisch relevant. Ebenfalls erhöht war die Rate an Übelkeit und Erbrechen. Bei den hämatologischen Toxizitäten zeigt sich eine erhöhte Rate an Grad-3/4-Thrombozytopenien (67,4 vs. 31,4) sowie Neutropenien (34,5 vs. 11,4) (Abb. 3). Die Gesamttodesrate betrug 7,9 vs. 4,8 %, während die Rate an Todesfällen, die die Prüfärzte als potenziell medikamentenassoziiert eingeschätzt haben, nur und nichtsignifikant um 1 % höher war als im Vergleichsarm.
Die meisten Nebenwirkungen erschienen vorhersehbar und mit intensivierter supportiver Therapie behandelbar. Panobinostat ist nun, kurz nach der Zulassung von Pomalidomid, eine weitere neue wirksame Substanz, die erfolgreich die Zulassungsstudie durchlaufen hat und mit einer annähernden Verdoppelung der Ansprechrate (CR/nCR) und einer Verlängerung des medianen PFS um rund 4 Monate einen klinisch relevanten Zusatznutzen aufweist. Das Besondere an dieser Substanz ist der komplett neue therapeutische Ansatz. Sicherlich müssen wir noch lernen, mit den Toxizitäten besser umzugehen oder diese zu vermindern, wie wir dies über die Jahre auch mit anderen Substanzen machten. Zum Vergleich sei die Zulassungsstudie APEX für das Bortezomib von 2005 erwähnt, in der das Bortezomib einen medianen TTP-Vorteil von 2,7 Monaten gegenüber dem Vergleichsarm mit Dexamethason bei einer Rate an Grad-3/4-AEs von 75 % zeigte und heute trotzdem bei der Therapie des Myeloms nicht mehr wegzudenken ist [16].
Fazit
Neben den mittlerweile verfügbaren Proteasominhibitoren und IMiDs der 2. und 3. Generation erhalten wir zur Behandlung unserer Patienten mit rezidiviertem/refraktärem multiplen Myelom mit Panobinostat nun in Kürze den ersten Vertreter einer komplett neuen Wirkstoffklasse mit klinisch relevanter Effektivität an die Hand.
„Mit Panobinostat steht nun in Kürze der erste Vertreter der HDAC-Inhibitoren für die Therapie des MM zur Verfügung.“ Dr. Hans Salwender
Literatur
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- Mateos MV et al. Bortezomib, melphalan, and prednisone versus bortezomib, thalidomide, and prednisone as induction therapy followed by maintenance treatment with bortezomib and thalidomide versus bortezomib and prednisone in elderly patients with untreated multiple myeloma: a randomised trial. Lancet Oncol 2010; 11(10):934–941
- Facon T et al. Lenalidomide + low-dose dexamethasone (RD) vs. melphalan-prednisone-thalidomide (MPT) in newly diagnosed multiple myeloma (NDMM) patients: the first trial. Presented at Simultaneous Sessions: Myeloma and other monoclonal gammopathies – Clinical 1, EHA 2014, Milano, abstract s643
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- Cavallo F et al. Early autologous stem cell transplantation improves survival in newly diagnosed multiple myeloma patients. Presented at Simultaneous Sessions: Myeloma and other monoclonal gammopathies – Clinical 3, EHA 2014, Milano, abstract s13383
- Gay F. et al. Maintenance Therapy With Lenalidomide Significantly Improved Survival Of Yong Newly Diagnosed Multiple Myeloma Patients. Blood 2013; 122(21): 2089
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- Richardson PG et al. Bortezomib or high-dose dexamethasone for relapsed multiple myeloma. N Engl J Med 2005;352(24):2487–2498
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MDS/AML – Fortschritte bei der Entdeckung von Genmutationen gewähren neue Einblicke in die Biologie der Erkrankung
Dr. med. Catharina Müller-Thomas, Klinikum rechts der Isar, München
Auf der in Mailand abgehaltenen 19. Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) gab es wieder eine Vielzahl von interessanten Vorträgen zu den myelodysplastischen Syndromen (MDS) und zur akuten myeloischen Leukämie (AML). Bei den Niedrigrisiko-MDS wurde sowohl die Therapie mit Lenalidomid bei 5q-Deletion als auch der Einsatz neuer Substanzen bei EPO-refraktären Patienten diskutiert. Viele Beiträge widmeten sich zudem der Frage nach verbesserten Therapieansätzen der AML. Insbesondere für die Gruppe der älteren Patienten, deren Prognose nach wie vor schlecht ist, wird intensiv nach neuen Therapiekonzepten gesucht.
Wie bereits in den beiden letzten Jahren stand aufgrund der sich immer mehr in der MDS- und AML-Diagnostik etablierenden modernen molekulargenetischen Analysetechnologien auch die Biologie der Erkrankung im Fokus wichtiger Vorträge. Einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand zu somatischen Genmutationen bei MDS und AML gibt der letzte Abschnitt dieses Berichtes.
Niedrigrisiko-MDS – Lenalidomid bei 5q-Deletion in der klinischen Praxis und neue Substanzen bei EPO-refraktären Patienten
Lenalidomid ist zum Goldstandard in der Behandlung von transfusionsbedürftigen Patienten mit Niedrigrisiko-MDS (IPSS: niedrig und intermediär-1) und isolierter 5q-Deletion (del(5q)) geworden. PD Aristoteles Giagounidis aus Düsseldorf betonte in seinem Vortrag zur Behandlung des Niedrigrisiko-MDS mit del(5q) bei einem Satellitensymposium, dass mit einer Startdosis von 10 mg Lenalidomid sowohl häufiger komplette zytogenetische Remissionen als auch länger anhaltende Transfusionsfreiheit (definiert als > 26 Wochen) erzielt werden könne [1]. Zu beachten sei jedoch, dass zu Therapiebeginn mit Lenalidomid circa 45 % der Patienten tiefe Neutro- und/oder Thrombozytopenien entwickelten, weshalb mindestens einmal wöchentlich eine Blutbildkontrolle erfolgen sollte. Bisher gebe es bei MDS-Patienten unter Lenalidomid keine erhöhte Rate an Zweitmalignomen. Zum Wirkmechanismus von Lenalidomid konnte Dr. Benjamin Ebert aus Boston in seinem Vortrag während einer Education Session zeigen, dass es unter Lenalidomid zu einer Suppression der häufig mutierten Caseinkinase 1a1 kommt [2].
Für Patienten mit EPO-refraktärem Niedrigrisiko-MDS ohne del(5q) gibt es bislang keine zugelassene Therapie. Prof. Uwe Platzbecker aus Dresden stellte jetzt die ersten Ergebnisse einer Phase-1/2-Studie für diese Patientengruppe mit der Substanz ACE-536 vor [3]. ACE-536 ist ein Fusionsprotein, das aus der Fc-Domäne von humanem IgG und der modifizierten Extrazellulärdomäne des Aktivinrezeptors IIB besteht. ACE-536 inhibiert den Growth Differentiation Factor 11 (GDF11), ein Mitglied der TGFbeta-Familie. GDF11 ist bei MDS-Patienten erhöht und wirkt hemmend auf die Erythropoese (Abb. 1).
ACE-536 wurde in dieser Phase-1/2-Studie alle 3 Wochen subkutan verabreicht. Die dosislimitierende Toxizität wurde bisher nicht erreicht. In der Gruppe der nicht transfusionsbedürftigen MDS-Patienten zeigte sich unter ACE-536 ein dosisabhängiger Hb-Anstieg von bis zu 3,3 g/dl. Bei 6 von 16 transfusionspflichtigen MDS-Patienten konnte unter ACE-536 eine Transfusionsreduktion um 50 % erreicht werden. Sowohl das günstige Sicherheitsprofil als auch diese vielversprechenden Ergebnisse haben zur Auflage einer Extensionsstudie geführt.
Fazit
Neben ACE-536 für anämische Patienten wird Eltrombopag für thrombopene Patienten mit Niedrigrisiko-MDS in klinischen Studien evaluiert. Es besteht berechtige Hoffnung, dass in den nächsten Jahren für Patienten mit Niedrigrisiko-MDS non(del5q) zielgerichtete Medikamente zugelassen werden.
„Mit ACE-536 befindet sich eine gut verträgliche und vielversprechende Substanz für anämische Patienten mit Niedrigrisiko-MDS in klinischer Entwicklung.“ Dr. Catharina Müller-Thomas
AML – Induktion mit „7+3“ weiterhin Standard bei jungen und fitten Patienten
Die klassische Induktion mit dem „7+3“-Schema feiert dieses Jahr den 40. Geburtstag. In der Mittagsdebatte gab Prof. Adriano Venditti aus Rom einen Überblick über die Datenlage zur Induktion mit „7+3“, über die verschiedenen Modifizierungen und über alternative Regime (z. B. FLAG-IDA) [4]. Letztlich hätten weder Modifizierungen noch alternative Regime eine klare und reproduzierbare Überlegenheit im Hinblick auf Toxizität, Ansprechrate und Gesamtüberleben gezeigt, sodass „7+3“ auch noch mit 40 Jahren das Rückgrat der AML-Induktion bleibe. Allerdings profitieren laut Venditti bestimmte AML-Subgruppen von Modifizierungen. Prof. Richard Schlenk aus Ulm stellte die finalen Studienergebnisse zur All-trans-Retinolsäure (ATRA) bei jüngeren Patienten mit NPM1-mutierter AML vor [5]. Die Hinzunahme von ATRA zur Induktionstherapie (ICE-Schema) verbesserte demnach sowohl die Ansprechrate als auch das ereignisfreie Überleben (Abb. 2). Bei Patienten, die nach der ELN-Risikoklassifikation eine günstige Prognose aufweisen, verbessertehabe sich unter ATRA zudem das Gesamtüberleben verbessert.
In einem weiteren Vortrag in einer Education Session stellte Schlenk dar, dass Hochdosis-Cytarabin (3g/m², 2 x tgl., d1, 3, 5) nach wie vor das Rückgrat der Postremissionstherapie bildet [6]. Bei AML-Patienten mit intermediärem oder hohem Risiko lasse sich das rezidivfreie Überleben mit einer allogenen Stammzelltransplantation (SZT) in der ersten kompletten Remission verlängern, so Schlenk.
„Die Behandlung von jungen fitten AML-Patienten beruht weiterhin auf einer intensiven Chemotherapie mit oder ohne allogene Stammzelltransplantation.“ Dr. Catharina Müller-Thomas
Fazit
Die Therapie von jungen und fitten Patienten mit AML beruht zwar nach wie vor auf der klassischen myeloablativen Chemotherapie, ändert sich jedoch dahingehend, dass Modifizierungen in Abhängigkeit des Mutationsprofils (z. B. NPM1mut/FLT-WT, FLT3-TKD) vorgenommen werden.
AML – neue Therapieoptionen bei älteren Patienten
Ältere Patienten mit einer AML, meistens einer sekundären AML (sAML), haben nach wie vor eine schlechte Prognose. Eine intensive Chemotherapie ist in Anbetracht der Komorbiditäten und der höheren Therapietoxizität bei älteren Menschen meistens nicht möglich; zudem erschwert die Biologie der sAML die Behandlung erheblich.
Prof. Hervé Dombret aus Paris präsentierte jetzt in der Late-Breaking-Abstract-Session die Ergebnisse der AML-001-Studie, einer großen Phase-3-Studie für Patienten >= 65 Jahre mit neu diagnostizierter AML (> 30 % Blasten), in der Azacitidin gegen konventionelle Therapieregime getestet wurde [7]. Über die Art der konventionellen Therapie (intensive Chemotherapie, niedrig dosiertes AraC oder Supportivtherapie) entschied der behandelnde Arzt. Insgesamt 480 Patienten (240 Patienten pro Arm) nahmen an der Studie teil. Als primärer Endpunkt wurde das Gesamtüberleben definiert. Das mediane Alter der Studienpatienten lag in beiden Armen bei 75 Jahren, die mediane Blasteninfiltration im Knochenmark lag bei 70 %, und circa 1/3 der Patienten wies eine ungünstige Zytogenetik auf. Obwohl das mediane Gesamtüberleben im Azacitidin-Arm bei 10,4 Monaten und im konventionellen Arm bei 6,5 Monaten lag, ergab sich keine statistische Signifikanz (p = 0,08) (Abb. 3). Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass nach Studienende 144 Patienten mindestens eine weitere Therapie (u. a. Azacitidin) erhalten haben. In einer Subanalyse, in der die Patienten mit Beginn einer Zweitlinientherapie zensiert wurden, lag das mediane Überleben im Azacitidin-Arm bei 12,1 Monaten und im konventionellen Arm bei 6,9 Monaten (p = 0,01) (Abb. 4). Im Hinblick auf die Ansprechraten (CR, PR und stabile Erkrankung) gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Azacitidin-Arm und dem konventionellen Arm.
Auch eine Phase-2-Studie beschäftigte sich mit der Anwendung von hypomethylierenden Substanzen bei älteren AML-Patienten [8]. In dieser wurde SGI-110, eine hypomethylierende Substanz der 2. Generation, in 2 verschiedenen Dosierungen (60 mg/m² vs. 90 mg/m², jeweils Tag 1-5; Wdh. Tag 29) bei Patienten >= 65 Jahren mit neu diagnostizierter AML angewendet. Die Studie fokussierte sich auf „ungünstige“ Patienten, das heißt, es musste mindestens eines der folgenden Kriterien vorliegen: sAML, ungünstige Zytogenetik, ECOG 2 oder kardiale beziehungsweise pulmonale Begleiterkrankung. Die Ansprechrate lag in beiden Dosierungen bei 54 %, davon 33 % in CR. Das mediane Gesamtüberleben lag bei 8,7 Monaten (60 mg/m²: 7,6 Monate vs. 90 mg/m²: 9,3 Monate). SGI-110 wies ein günstiges Toxizitätsprofil auf. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse ist eine Phase-3-Studie in Planung.
„Auch wenn in der AML-001-Studie der primäre Endpunkt mit 5-Azacitidin nicht erreicht wurde, zeigen die Studienergebnisse, dass ältere Patienten mit AML von einer Therapie mit 5-Azacitidin profitieren. Darüber hinaus befinden sich weitere interessante Substanzen für ältere AML-Patienten in klinischer Entwicklung.“ Dr. Catharina Müller-Thomas
Fazit
Durch die Zunahme der Lebenserwartung erkranken mehr ältere Menschen an AML, sodass der Druck zur Entwicklung wirksamer und verträglicher Therapien für diese Patientengruppe wächst. Viele Substanzen befinden sich zurzeit in klinischer Entwicklung und die Studienergebnisse sind ermutigend.
AML-Rezidiv oder refraktäre AML – neue Substanzen in klinischer Erprobung
Prof. Hartmut Döhner aus Ulm stellte die Ergebnisse einer Phase-1-Studie mit dem Polo-like-Kinase-Inhibitor Volasertib in der Behandlung von Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML vor [9]. Die Polo-like-Kinase spielt eine Schlüsselrolle in der Mitose. Volasertib wurde intravenös an Tag 1 und 15 verabreicht. Bei 450 mg wurde die maximal verträgliche Dosis (MTD) erreicht. Die Ansprechrate (CR und Cri) lag bei Dosierungen von >= 350 mg bei 11,6 %. In einer Phase-2-Studie wurde Volasertib mit niedrig dosiertem Cytarabin kombiniert. Die Ergebnisse wurden auf dem EHA-Kongress nicht präsentiert, scheinen jedoch günstig gewesen zu sein, da mittlerweile eine Phase-3-Studie gestartet wurde.
In einer weiteren Phase-1-Studie wurde die Sicherheit und Aktivität von AG-221, einem Inhibitor von 2-Hydroxyglutarat (2-HG), bei Patienten mit IDH2-mutierten fortgeschrittenen hämatologischen Erkrankungen überprüft [10]. IDH2-Mutationen finden sich bei AML/MDS in circa 20 % und vermitteln die Bildung von 2-HG. Die MTD wurde bisher nicht erreicht; die meisten unerwünschten Ereignisse wurden als Grad 1 und 2 gewertet. Die Ansprechrate (CR, PR) – bezogen auf alle Dosisstufen – betrug 56 % (14/25).
Fazit
Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML weisen eine sehr ungünstige Prognose auf. Gerade wenn die konventionellen Therapien nicht mehr greifen, besteht Bedarf an neuen Therapiestrategien.
MDS und AML – neue individualisierte Therapieansätze durch Erforschung von Genmutationen
In den letzten Jahren wurden im Rahmen von großen Sequenzierungsstudien eine Vielzahl von somatischen Genmutationen bei myelodysplastischen Syndromen (AML) und akuten myeloischen Leukämien (AML) entdeckt. Mit modernen Sequenzierungsverfahren (z. B. next generation sequencing, whole exome sequencing) können in relativ kurzer Zeit viele Patientenproben prozessiert und eine Vielzahl von Genen analysiert werden. Benjamin Ebert gab jetzt in einer Education Session einen Überblick über die bei MDS häufigen Genmutationen [2]. Schon länger sei bekannt, so Ebert, dass Gene des Splicing-Apparats (SF3B1, SRSF2), der epigenetischen Regulation (TET2, ASXL1), von Transkriptionsfaktoren (RUNX1, ETV6) und des p53-Proteins (TP53) betroffen sind. Kürzlich seien zudem weitere Genmutationen (STAG2, RAD21, SMC3) im Cohesin entdeckt worden. Der Proteinkomplex Cohesin spiele eine Schlüsselrolle bei Mitose und Meiose und er sei überdies an der DNS-Reparatur und an der Regulation der Transkription beteiligt.
Unter der wachsenden Zahl der somatischen Genmutationen bei MDS seien die häufigsten Mutationen (>= 10 % der MDS-Patienten): SF3B1, TET2, ASXL1, DNMT3A und RUNX1. Bei MDS del(5q) finde sich zudem häufig eine Mutation von CSNK1A1 (kodierend für Caseinkinase 1a1), die zu den „Driver“-Mutationen gezählt wird. Wie im ersten Absatz bereits beschrieben, soll es unter einer Therapie mit Lenalidomid zu einem Rückgang der mutierten Caseinkinase 1a1 kommen.
Bei der AML zeigen sich – abhängig davon, ob es sich um eine De-novo-AML oder eine AML sekundärer Genese handelt, – unterschiedliche Genmutationen. Wie Prof. Hartmut Döhner in seinem Vortrag bei der José-Carreras-Lesung darstellte, haben Mutationsanalysen bei einer De-novo-AML ergeben, dass circa 23 Mutationen besonders häufig auftreten. Ganz vorne lägen dabei FLT3, NPM1, DNMT3A, IDH1/2, RUNX1 und TET2. FLT3-ITD zähle zu den prognostisch ungünstigen Mutationen; allerdings habe sich gezeigt, dass hier die Ratio von FLT3-ITD zu FLT3-WT berücksichtigt werden müsse. Dabei sei eine Ratio von < 0,51 prognostisch wesentlich günstiger ist als eine Ratio von >= 0,51 [11].
Im Hinblick auf die somatischen Genmutationen liegen die wesentlichen Forschungsschwerpunkte bei MDS und AML in
- der Analyse der hierarchischen Struktur,
- der klonalen Evolution,
- der funktionellen Bedeutung,
- der prognostischen Wertigkeit und
- in der Entwicklung zielgerichteter Medikamente.
Ein Beispiel für die Erforschung der Rolle von Genmutationen bei der AML ist die Cytosin-Methylierung. Die Dysregulation der Cytosin-Methylierung in der hämatopoetischen Stammzelle wird als wesentlicher Faktor bei der Entstehung der AML gesehen. Wie Olivier Bernard aus Villejuif, Frankreich, in seinem Vortrag bei einer Education Session zur AML darstellte, ist die DNA-Methyltransferase 3a (DNMT3A) dabei maßgeblich an der Cytosin-Methylierung beteiligt [12]. DNMT3A-Mutationen fänden sich in circa 20 % aller neu diagnostizierten De-novo-AMLs. Es habe sich gezeigt, dass DNMT3A-Mutationen bei Patienten in kompletter Remission persistieren und im Rezidiv ebenfalls nachweisbar sind. DNMT3A-Mutationen gälten deshalb als sogenannte „Founder“-Mutationen für AML und MDS. In einem weiteren Vortrag zu leukämischen Stammzellen erläuterte Dr. Liran Slush aus Toronto, dass sich daraus gerade das Modell der präleukämischen hämatopoetischen Stammzelle entwickle [13]. In großen Populationsstudien soll jetzt die Mutationsfrequenz von DNMT3A untersucht und das Risiko sowie mögliche Einflussfaktoren für die Entwicklung einer AML evaluiert werden.
Auch Mutationen der Isocitratdehydrogenase (IDH) sind laut Bernard an der Dysregulation der Cytosin-Methylierung beteiligt. IDH-Mutationen kämen in 10 bis 30 % aller De-novo-AMLs vor, erklärte Bernard. IDH vermittle die Bildung von alpha-Ketoglutarat, einem Kofaktor von TET2, bei der Prozessierung von Methylcytosin zu Hydroxymethylcytosin (hmC). Und hmC wiederum sei an der Steuerung der Genexpression und der DNS-Demethylierung beteiligt. Mutiertes IDH dagegen induziere die Bildung von 2-Hydroxyglutarat (2-HG), das TET2 inhibiere.
In einer Phase-1-Studie wird aktuell ein Inhibitor von 2-HG bei AML-Patienten mit IDH2-Mutationen getestet. Die ersten Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt auf dem EHA-Kongress vorgestellt (s. Abschnitt zu neuen Substanzen bei älteren AML-Patienten)[10].
Fazit
Immer mehr somatische Genmutationen werden bei MDS und AML entdeckt. Die große Herausforderung der Forschung ist es nun, den Stellenwert dieser Mutationen in der Entwicklung, dem Krankheitsverlauf, der Behandlung und der Prognose von MDS und AML zu analysieren und zielgerichtete Medikamente zu entwickeln.
Literatur
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- Döhner H. Genetics to guide management of patients with AML. Presented at Jose Carreras Lecture, EHA 2014, Milano
- Bernard O. TET2, IDH and DNMT3A mutations in acute myeloblastic leukemia: the cytosine connection. Presented at Education Session. Acute myeloid leukemia, EHA 2014, Milano
- Shlush L. The Initiation And Progression Of Acute Myeloid Leukemia. Presented at Molecular hemopoiesis workshop: Hematopoietic stem cells & their niche, EHA 2014, Milano
- Bildnachweis: „Piazza Duomo, Milan”: © Bepsimage/iStock
Lymphome – neue Substanzen geben Hoffnung auf eine chemotherapiefreie Behandlung
PD Dr. med. Andreas Viardot, Universitätsklinikum Ulm
Eine chemotherapiefreie Welt bei der Behandlung von Lymphomen ist wieder ein wenig realistischer geworden. Dies demonstrierten die aktuellen Studiendaten, die bei der diesjährigen Tagung der European Hematology Association (EHA) präsentiert wurden. Vor allem die oral verabreichten, gut verträglichen Inhibitoren von Molekülen des B-Zell-Signalweges, wie die Spleen-Tyrosinkinase (SYK), die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) und die Phosphatidyl-Inositol-3-Kinase (PI3K), zeigen bei der chronischen lymphatischen Leukämie und anderen B-Zell-Lymphomen erstaunliche Ergebnisse.
Da zwei dieser Substanzen (Ibrutinib und Idelalisib) bald in Europa zugelassen werden, hoffen viele nun auf den Beginn einer neuen Ära in der Lymphomtherapie. Daneben gab es auf dem EHA-Kongress jedoch auch Neues zu „älteren“ Substanzen wie Bortezomib oder Lenalidomid, die in Kombination mit Antikörpern und/oder einer Chemotherapie erfolgreich sind, und Spannendes zu den seltenen Erkrankungen wie der Haarzellleukämie zu berichten.
CLL: Ibrutinib schlägt Ofatumumab – ein Highlight des Presidential Symposiums
Die Ergebnisse der RESONATE-Studie, einer bereits im New England Journal of Medicine publizierten Phase-3-Studie [1], wurden als eines der besten Abstracts im Presidential Symposium vorgestellt [2]. In der Studie erhielten 391 Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL), die mehrfach vortherapiert worden waren (median: 3 Vortherapien), entweder den CD20-Antikörper Ofatumumab oder den BTK-Inhibitor Ibrutinib. Erwartungsgemäß zeigte Ibrutinib eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS), da die Therapie mit Ibrutinib kontinuierlich und somit länger als Ofatumumab gegeben wurde (9,4 Monate vs. 8,1 Monate) (s. Abb. 1). Überraschend ist das Ausmaß der Verbesserung (mit einer 78%igen Risikoreduktion für eine Progression oder Tod (Hazard Ratio 0,22, p < 0,001) (Abb. 1B). Noch erstaunlicher ist, dass trotz der Möglichkeit eines Therapiewechsel bei Versagen von Ofatumumab (Cross-over) die Überlebenswahrscheinlichkeit (OS) immer noch signifikant besser war (Hazard Ratio 0,39).
„Zum ersten Mal liegt ein randomisierter Vergleich eines B-Zell-Signalweginhibitors mit einer (zugelassenen) Standardtherapie vor, und es wurden alle hohen Erwartungen erfüllt.“ PD Dr. Andreas Viardot
Auch Idelalisib hält mit
Zu dem PI3Kδ-Inhibitor Idelalisib wurde ein Update einer der RESONATE-Studie sehr ähnlichen Untersuchung gezeigt [3], deren erste Analyse bereits publiziert ist [4]. In dieser wurden 220 Patienten mit CLL entweder mit einer Monotherapie mit Rituximab oder mit einer Kombination aus Rituximab und Idelalisib behandelt. Eingeschlossen wurden Patienten, die aufgrund von Komorbiditäten (CIRS-Score > 6: 85 %), einer eingeschränkten Nierenfunktion oder Zytopenien nicht geeignet für eine Standardtherapie waren. Die Patientencharakteristika waren somit noch ungünstiger als in der RESONATE-Studie. Auch hier zeigte sich eine Verbesserung des PFS (Hazard Ratio von 0,18 – d. h. eine 82%ige Verringerung des Risikos für einen Progress oder Tod) (Abb. 1A) und – trotz der Möglichkeit des Cross-overs – eine Verbesserung des Gesamtüberlebens (Hazard Ratio 0,28). An dieser Studie wurde jedoch kritisiert, dass der Vergleichsarm mit einer Rituximab-Monotherapie bei CLL weder zugelassen noch (in Europa) etabliert ist. Allerdings wird eine Rituximab-Monotherapie in den USA häufig angewandt, und sie ist auch gerechtfertigt, da viele Patienten aufgrund von Zytopenien für eine Chemotherapie nicht geeignet sind.
„Die Idelalisib-Daten sind vor allem deshalb überzeugend, weil wohl in keiner früheren Studie so viele kranke und komorbide Patienten eingeschlossen wurden.“ PD Dr. Andreas Viardot
Hoffnung auch für Höchstrisiko-CLL
Beide Substanzen sind auch attraktiv für Hochrisikopatienten, insbesondere mit 17p-Deletion oder TP53-Mutationen. Unter Ibrutinib weisen Patienten mit 17p-Deletion im Vergleich zu früheren Daten mit anderen Therapieregimen zwar bessere Therapieverläufe auf (1-Jahres-PFS von 68 % bei stark vorbehandelten Patienten), die Ansprechraten sind aber dennoch schlechter als bei Patienten ohne 17p-Deletion [5]. Bei Idelalisib hingegen scheint es keinen Unterschied im PFS in Abhängigkeit von einer 17p-Deletion zu geben [6]. Ähnliches ist von dem BCL2-Inhibitor ABT199 bekannt, der sowohl als Monotherapie [7] als auch in Kombination mit Rituximab [8] hohe Ansprechraten erzielt – unbeeinflusst von genetischen Risikofaktoren. Die Zulassung von Ibrutinib und Idelalisib wird in Europa noch in diesem Jahr erwartet. Neben der CLL wird auch eine Zulassung bei rezidiviertem Mantelzelllymphom (Ibrutinib) oder follikulärem Lymphom (Idelalisib) angestrebt.
Fazit
Die Inhibitoren des B-Zell-Signalwegs, insbesondere Ibrutinib und Idelalisib, zeigen ein bislang nicht gekanntes Verhältnis von geringer Toxizität und hoher Effektivität und werden den Verlauf der CLL, aber auch vieler anderer Lymphome verändern.
MCL: Bortezomib – weit mehr als „teures Vincristin“
Bortezomib ist beim rezidivierten Mantelzelllymphom (MCL) in den USA schon seit 2006 zugelassen. In einer randomisierten Studie wurde bei 487 Patienten mit unbehandeltem MCL, die nicht für eine autologe Transplantation geeignet waren, der Standard R-CHOP mit VR-CAP, bei dem Vincristin durch Bortezomib ersetzt wurde [9]. VR-CAP war toxischer als R-CHOP und zwar vor allem aufgrund einer Hämatotoxizität (z.B. Thrombopenie Grad >= 3 in 57 % vs. 6 %). Allerdings kam es zu einer signifikanten Verlängerung des PFS von 14,4 auf 24,7 Monate, und es zeigte sich sogar eine Tendenz zu einem verlängerten Gesamtüberleben in dieser frühen Zwischenauswertung.
Fazit
Eine Verlängerung des PFS durch eine reine Induktionstherapie um 10 Monate ist ein starkes Signal für die Wirksamkeit. VR-CAP hat damit das Potenzial, bei älteren Patienten mit MCL neuer Standard (eventuell dann mit einer Rituximab-Erhaltungstherapie) zu werden.
Lenalidomid: R+R = R²
Hinter dieser mathematisch nicht ganz korrekten Formel verbirgt sich die Idee, dass Rituximab und Lenalidomid (R von Revlimid®) einen synergistischen Effekt haben könnten. Der Vergleich mehrerer sequenzieller Phase-2-Studien des MD Anderson Centers in Houston konnte dies bei CLL-Patienten bestätigen [10]. Im Vergleich zur Lenalidomid-Monotherapie hatten Patienten mit einer Lenalidomid-Antikörperkombination (Rituximab oder Ofatumumab) Vorteile sowohl bezüglich des PFS als auch im Hinblick auf das Gesamtüberleben. Der Überlebensvorteil ist aber wohl damit zu erklären, dass die Patienten der beiden Antikörperstudien beim Rezidiv häufiger Zugang zu neuen Substanzen hatten. R² hat in den letzten Jahren als chemotherapiefreie Erstlinienbehandlung beim follikulären Lymphom und beim MCL Aufsehen erregt. Hier wurden jeweils höhere komplette Remissionsraten (CR) erzielt als mit vergleichbaren Chemotherapien [11], [12], [13]. Randomisierte Vergleiche stehen allerdings noch aus. In die Liste der R²-Firstline-Studien reiht sich nun eine weitere ein, die R² bei 46 Patienten mit extranodalen MALT-Lymphomen (insbesondere des Auges und des Magens, 30 davon in erster Therapielinie) untersuchte [14]. Die Ansprechrate lag bei 80 % – bei einer Rate an kompletten Remissionen (CR) von 55 %, die sich im Verlauf auf 65 % besserte. Allerdings muss hierbei angemerkt werden, dass viele extranodale MALT-Lymphome einen günstigen Verlauf aufweisen – entweder spontan oder zum Beispiel mit einer Rituximab-Monotherapie. Somit kann der Stellenwert von R² bei extranodalen MALT-Lymphomen noch nicht eindeutig beurteilt werden.
Fazit
Auch bereits etablierte Therapien mit Bortezomib und Lenalidomid können die Prognose von Lymphomen verbessern. Trotzdem wird man mit Spannung vergleichbare Studien mit B-Zell-Signalweginhibitoren verfolgen, die als Einzelsubstanzen zum Teil noch effektiver sind.
DLBCL: Was wir noch nicht über Sex wussten
Für Diskussionsstoff dürfte Prof. Dr. Michael Pfreundschuh sorgen, der eine erste Analyse der SEXIE-R-CHOP-Studie vorstellte[15]. Historisch gesehen wurde hierbei die Rituximabdosis von 375 mg/m² zu jedem Zyklus der Chemotherapie eher aus praktischen Gründen als durch exakte Dosisfindungsstudien festgelegt. In dieser Studie erhielten Männer über 60 Jahre mit diffus-großzelligem Lymphom (DLBCL) erstmals eine höhere Dosierung Rituximab (500 mg/m² statt 375 mg/m²). Die Grundlage hierfür waren Vorarbeiten, die zeigten, dass
- die Rituximab-Clearance bei Männern höher ist als bei Frauen,
- Männer niedrigere Rituximab-Serumspiegel haben und
- dies einen Überlebensnachteil von Männern seit Einführung von Rituximab erklären könnte.
Tatsächlich waren die Wirkspiegel von Rituximab bei Männern in der SEXIE-R-CHOP-Studie erstmals mit denen der weiblichen Patienten vergleichbar. Auch das Gesamtüberleben war unter diesem Therapieregime nicht schlechter als bei den Frauen (tendenziell sogar besser, jedoch nicht signifikant). Damit reiht sich diese Studie in die Reihe von weiteren Untersuchungen ein (SMARTE-R-CHOP [16], NHL13) [17], in denen Männer von höheren, dosisdichten oder längeren Rituximabgaben profitierten. Diese Frage wird derzeit auch in der OPTIMAL>60-Studie der Deutschen Studiengruppe für hochmaligne Lymphome geprüft.
Da die neuen CD20-Antikörper von Anfang an höher dosiert und dosisdichter gegeben werden, empfiehlt Prof. Pfreundschuh, künftige Studienergebnisse mit diesen Substanzen kritisch zu betrachten. Allerdings habe ich Zweifel, ob sich die deutliche Überlegenheit des CD20-Antikörpers Obinutuzumab (GA101) gegenüber Rituximab in der CLL-11-Studie [18] nur durch einen Dosiseffekt erklären lässt.
„Auch über 15 Jahre nach der Erstzulassung von Rituximab wissen wir wenig über dessen optimale Dosierung. Da neuere CD20-Antikörper zur Zulassung drängen, wird diese Frage vielleicht nie beantwortet werden.“ PD Dr. Andreas Viardot
Zielgerichtete Therapie bei der Haarzellleukämie
Die Haarzellleukämie ist aufgrund der guten Prognose eine Ausnahmeerkrankung in der Hämatologie. Wenige Patienten sind refraktär oder rezidivieren früh nach einer Standardtherapie mit Purinanaloga. Da in den meisten Fällen – wie beim malignen Melanom – eine BRAF-V600E-Mutation vorliegt, bietet sich der Einsatz des Proteinkinaseinhibitors Vemurafenib an. Im Presidential Symposium wurde eine Phase-II-Studie mit 46 Patienten vorgestellt, die ungenügend auf Purinanaloga angesprochen haben [19]. Vemurafenib zeigte eine Ansprechrate von 96 % und eine CR-Rate von 35 %. An Nebenwirkungen war bei vielen Patienten eine Hauttoxizität und Arthralgien zu verzeichnen. In wenigen Fällen traten Basaliome auf. Rückfälle traten bei Patienten, die keine CR erreichten, oft schon wenige Monate nach dem Absetzen auf.
Fazit
So elegant der zielgerichtete Ansatz mit Vemurafenib auch ist – Purinanaloga bleiben aufgrund ihrer hohen Effektivität dennoch der Standard bei dem weitaus größten Teil der Patienten mit Haarzellleukämie.
Ausblick
Von diesem EHA-Meeting geht eine Aufbruchsstimmung für die Therapie maligner Lymphome aus. Am erstaunlichsten sind die Inhibitoren des B-Zell-Signalwegs, zu denen sich neben den oben vorgestellten weitere neue Vertreter hinzugesellen: zum Beispiel die BTK-Inhibitoren ONO-4059 [20] und CC-292 [21]. Auch die sonstige Pipeline an neuen Substanzen ist vielversprechend. Als besondere Highlights sind der Bcl2-Inhibitor ABT-199 [22] oder Antikörper-Toxin-Konjugate [23] bei der Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen zu nennen. Wie die aktuellen Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zeigen, werden immer mehr Erkrankungen genetisch entschlüsselt (zum Beispiel Mutationen des „Krüppel-like Faktor 2“ beim splenischen Marginalzonenlymphom [24]. In Zukunft könnten somit die malignen Lymphome vermehrt einer zielgerichteten Therapie zugänglich gemacht werden.
Literatur
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- Bildnachweis: „Duomo”: © AndreaAstes/iStock