Blau ist die Hoffnung

Dr. med. Jens Kisro, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie, Lübecker Onkologische Schwerpunktpraxis

19.01.2018 – BLU-285 – das ist nicht nur für die Inhaber und Investoren der kleinen Biotechschmiede Blueprint Medicines aus Massachusetts eine große Hoffnung. Es weckt vor allem Hoffnung bei Patienten mit seltenen onkologischen und hämatologischen Erkrankungen, für die es bisher überhaupt keine oder nur begrenzt erfolgreiche und verträgliche Therapien gab.

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Haben Sie zuvor schon einmal von BLU-285 (Avapritinib) gehört?

Auf onkologischer Seite geht es dabei insbesondere um Patienten mit bisher unbehandelbaren seltenen Varianten von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) und um diejenigen GIST-Patienten, die mit den bisher verfügbaren Medikamenten ausbehandelt sind. Auf hämatologischer Seite geht es um die seltene und bisher ebenfalls nicht zufriedenstellend behandelbare systemische Mastozytose.

Wem diese Kombination von Indikationen vertraut vorkommt, der hat nicht unrecht. Liest es sich doch wie eine Neuauflage der Erfolgsgeschichte von STI 571, das auch besser als Imatinib bekannt ist. Dies ist kein Zufall, sondern der Tatsache geschuldet, dass einer der wissenschaftlichen Gründer von Blueprint Medicines Brian Druker ist. Er war maßgeblich an der Entwicklung von Imatinib beteiligt und bekam hierfür auch den Lasker-DeBakey-Award für klinisch-medizinische Forschung.

Bei BLU-285 handelt es sich um einen speziell designten Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) mit einer ausgesprochen hochpotenten und selektiven Hemmwirksamkeit für verschiedenste Varianten des KIT-Rezeptors beziehungsweise für PDGFRA (platelet-derived growth factor receptor A). Hierbei ist insbesondere die Hemmung zweier Varianten des KIT-Rezeptors von großer Bedeutung. Dabei handelt es sich um

  • die Hemmung der D816V-Variante, da diese die entscheidende Mutation der systemischen Mastozytose darstellt, sowie um
  • die Hemmung der D842V-Variante des PDGFRA, die für bisher unbehandelbare GIST-Varianten wichtig ist.

Nach vielversprechenden präklinischen Untersuchungen wurden 2016 zwei Phase-I/II-Studien in den USA zu den jeweiligen Indikationen gestartet. Während die Ergebnisse der Studie zu den GIST-Patienten beim ASCO-Kongress 2017 noch in einen kleinen Nebenraum „verbannt“ und damit nur von GIST-interessierten Besuchern wahrgenommen wurden, wurde den Ergebnissen der Phase-I-Studie zur systemischen Mastozytose auf der ASH-Tagung 2017 in Atlanta ein vielleicht gebührenderer Ehrenplatz in der Plenary Session zugestanden.

Bei der GIST-Studie [1] handelt es sich um eine Phase-1-Dosiseskalationsstudie mit zwei Patientenkollektiven aus

  • Patienten mit unresektablem GIST, die mit mindestens zwei TKIs vorbehandelt wurden, und
  • therapienaiven Patienten mit GIST und Vorliegen der zurzeit unbehandelbaren D842V-Mutation.

Insgesamt wurden 72 Patienten behandelt. Davon gehörten 40 zur faktisch ausbehandelten KIT-Variante und 32 zur PDGFRA-D842-Variante. Als maximal tolerable Dosis wurden 400 mg BLU-285 ermittelt. Über alle Dosislevel und für alle D842V-Subvarianten konnte ein Ansprechen gezeigt werden (Abb. 1).

Abb. 1: Ansprechen von GIST-Patienten auf die Behandlung mit BLU-285. An den Balken ist jeweils die verwendete Dosis von BLU-285 vermerkt (modifiziert nach [1])

Die Gesamtansprechrate betrug bei dieser bisher unbehandelbaren beziehungsweise schwer vorbehandelten Patientenklientel 60 Prozent. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) war zum Zeitpunkt der Präsentation noch nicht erreicht. Die Verträglichkeit der Substanz war gut. Grad-3-Nebenwirkungen traten in 25 Prozent der Fälle auf.

Insgesamt konnte in dieser nahezu aussichtslosen klinischen Situation eine vielversprechende klinische Wirksamkeit demonstriert werden. Die randomisierte Phase-III-Studie ist derzeit in Planung.

Auf dem ASH-Kongress im Dezember 2017 in Atlanta wurden ähnlich beeindruckende Daten aus der Phase-I-Studie zur Behandlung von systemischer Mastozytose von Daniel DeAngelo präsentiert [2]. Zum jetzigen Zeitpunkt ist mit dem Medikament Midostaurin nur ein einziges zugelassenes Medikament in dieser Indikation verfügbar. Daneben wurde in der Vergangenheit häufig Cladribin verwendet, das für diese Indikation jedoch nicht offiziell zugelassen ist. Die chemische Wirksamkeit von BLU-285 ist dabei um eine Zehnerpotenz höher als die von Midostaurin. Auch bei dieser Studie handelt es sich um eine Dosiseskalations-Phase-I-Studie, die aus verschiedenen Teilen besteht. Einige davon sind bereits abgeschlossen, während sich andere noch in der Rekrutierungsphase befinden.

Insgesamt konnten bisher 18 Patienten ausgewertet werden. Die klinische Gesamtansprechrate, bestehend aus kompletter Remission (CR), partieller Remission (PR) und klinischem Ansprechen (CI), betrug 72 Prozent. Die Rate an CR und PR betrug 56 Prozent (Abb. 2).

Abb. 2: Ansprechen von Patienten mit verschiedenen Formen systemischer Mastozytose auf die Behandlung mit BLU-285 (modifiziert nach [2])

Bei allen behandelten Patienten konnte ein Abfall der Serumtryptase, der Knochenmarksinfiltration durch maligne Mastzellen und der Splenomegalie beobachtet werden. Die Nebenwirkungsrate war größenordnungsmäßig und von der Art der Nebenwirkungen vergleichbar zu den bei den GIST-Patienten publizierten Daten.

Aufgrund dieser vielversprechenden hohen klinischen Wirksamkeit ist eine Phase-II-Studie bei fortgeschrittener systemischer Mastozytose in Planung.

Mein Fazit: Diese Ergebnisse wecken hoffentlich zu Recht große Hoffnungen auf die weitere Entwicklung von BLU-285. Deshalb sollte sich die hämatoonkologische Gemeinde durchaus jetzt schon diesen Namen einprägen: Avapritinib.

Präsentationen

Die beiden Präsentationen von ASCO- und ASH-Kongress finden Sie online unter:

Quellen

  1. Heinrich MC et al. GIST: Imatinib and Beyond - Clinical Activity of BLU-285 in Advanced Gastrointestinal Stromal Tumor (GIST). J Clin Oncol 35, 2017 (suppl; abstr 11011).
  2. DeAngelo DJ et al. Clinical activity in a Phase 1 study of BLU-285, a potent, highly-selective inhibitor of KIT D816V in advanced systemic mastocytosis. ASH 2017, Atlanta, abstract 2.

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