ESMO 2014

26. bis 30. September, Madrid

Therapieoptionen beim Pankreaskarzinom – wo stehen wir?

Schlüsselwörter: ACCORD-Studie, APACT-Studie, Capecitabin, CDNK2A-Mutation, Cisplatin, CONKO-006-Studie, Demcizumab, Erlotinib, ernährungstherapeutische Intervention, FOLFIRINOX, G-CSF, Gemcitabin, humanisierter IgG2 anti-delta-like-ligand-4-Antikörper, IMPaCT, Kombinationsbehandlung, Korpus/Schwanzkarzinom, KRAS-Mutation, LOXL2, Lysyl-Oxidase-Like-Molekül 2, Maindriver-mutations, MPACT, nab-Paclitaxel, Pankreaskarzinom, Pankreaskopfkarzinom, pankreatische Enzymsubstitution, PAXG, Reovirus, SMAD4-Mutation, Sorafinib, TP53-Mutation, Tumorlokalisation

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auf der aktuellen Tagung der „European Society for Medical Oncology“ (ESMO), die vom 26. bis 30. September in Madrid stattfand, war das inoperable Pankreaskarzinom wieder ein Schwerpunktthema unter den gastrointestinalen Tumoren. Die Berichte reichten von der primären zielgerichteten Gensequenzierung zur näheren Bestimmung der „driver“-Mutationen über molekular ausgerichtete Therapiestudien und Daten zur adjuvanten Therapie bis hin zur „Supportivbehandlung“. Ebenfalls im Zentrum standen die klinischen Themen zur alltäglichen Praxis der Behandlung des inoperablen Pankreaskarzinoms.

Hier wurde insbesondere der Aspekt der Patientenselektion und Zuordnung zur chemotherapeutischen Primärtherapie thematisiert. Für FOLFIRINOX wurden dosisreduzierte Schemata untersucht, mit denen offenbar eine ähnliche Wirksamkeit wie mit dem Originalschema erreicht werden kann – bei weniger Nebenwirkungen. Für die Kombination von nab-Paclitaxel (an Albumin-Nanopartikel gebundenes Paclitaxel) und Gemcitabin wurden Grenzbereiche der bestehenden Zulassungsindikation sowie der Nutzen für unterschiedliche Subgruppen innerhalb der Originalstudie (MPACT) untersucht.

Zur adjuvanten Therapie wurden die Daten der CONKO-006-Studie präsentiert, die eine additive Therapie bei stattgehabter R1-Resektion (mikroskopischer Resttumor) untersuchte. Außerdem wurde das Design der aktuell größten adjuvanten Therapiestudie (APACT) vorgestellt, die die Kombination von nab-Paclitaxel+Gemcitabin im Vergleich zum aktuellen Standard Gemcitabin für die adjuvante Therapie prüft.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. med. Uwe Pelzer, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Therapieoptionen beim Pankreaskarzinom – wo stehen wir?

Dr. med. Uwe Pelzer, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Bei der Behandlung des metastasierten Pankreaskarzinoms wurden in den letzten 5 Jahren deutliche Verbesserungen für die klinische Therapievielfalt erreicht. Vor drei Jahren war mit FOLFIRINOX die Basis geschaffen, und es konnten mediane Überlebenszeiten von gut 11 Monaten erreicht werden. Wegen des Nebenwirkungsprofils kann FOLFIRINOX jedoch nur einer begrenzten Anzahl von Patienten zugemutet werden. Für die meisten Fälle war außerhalb von Studien weiterhin Gemcitabin (evtl. in Kombination mit Erlotinib) die Therapie der Wahl. Im letzten Jahr zeigte die Kombination von nab-Paclitaxel+Gemcitabin erneut einen klinisch bedeutsamen Vorteil für die Patienten. Wegen eines besseren Nebenwirkungsprofils konnte diese Therapie mit medianen Überlebenszeiten von knapp 9 Monaten nun auch einem breiteren Patientenkollektiv angeboten werden.

Mithilfe der neuen Therapieoptionen werden aktuell Remissionsraten zwischen 20 und 30 % beobachtet, weshalb sich auch neoadjuvante Therapiekonzepte bei grenzwertig operablen Patienten prüfen lassen.

Gensequenzierungen – nur Theorie oder auch Praxis?

Die molekulare Aufarbeitung von Karzinombiopsien ermöglicht einen tiefen Einblick in die Funktionsweise der Signaltransduktion maligne veränderter Zellen. H. Hayashi et al. präsentierten die Sequenzierungsdaten (50 Gene, 150 hot spots) von 100 resezierten Patienten und korrelierten die Resultate mit den klinischen Verläufen [1]. Eine KRAS-Mutation wurde bei 96 %, eine TP53-Mutation bei 42 %, eine SMAD4-Mutation bei 13 % und eine CDNK2A-Mutation bei 7 % der Fälle beobachtet. Diese 4 Mutationen wurden als die „Maindriver mutations“ angesehen. Die durchschnittliche Mutationshäufigkeit lag im Mittel bei 1,6 Mutationen pro Patient. Patienten mit keiner bis zwei Mutationen lebten deutlich länger als Patienten mit drei oder vier Mutationen (medianes Gesamtüberleben [OS] 40,0 vs. 12,6 Monate; p = 0,002).
L. Chantrillet et al. präsentierten das Design einer laufenden Studie (IMPaCT), in der primär molekulare Eigenschaften des Tumors für eine molekular individualisierte Therapieentscheidung herangezogen werden [2]. Patienten mit KRAS-Wildtyp erhalten Gemcitabin/Erlotinib, Patienten mit HER2-Amplifikation Gemcitabin/Trastuzumab und Patienten mit Defekten im DNA-Reparaturmechanismus Mitomycin/5-Fluorouracil, randomisiert gegen eine Therapie mit Gemcitabin.

Fazit

  • KRAS, TP53, SMAD4 und CDKN2A sind die am häufigsten mutierten Gene bei japanischen Pankreaskarzinompatienten. Mit Hilfe der Häufigkeit der Mutationen lässt sich die Prognose relativ gut abschätzen.
  • Molekular orientierte Studien werden zunehmend auch bei den soliden Tumoren durchgeführt. Der theoretische Hintergrund scheint plausibel, allerdings repräsentiert die Gemcitabin-Monotherapie nicht mehr den aktuellen Kontrollstandard, sodass die IMPaCT-Studie möglicherweise keine sinnvolle Interpretation der Daten nach Studienabschluss zulässt. Ein Amendement ist hier sicher zu fordern.

„Für die klinische Routine sind die Sequenzierungsverfahren aktuell noch nicht etabliert und nicht praxisrelevant. Für klinische Studien und das weitere Verständnis der Heterogenität der Erkrankung sind diese Sequenzierungen jedoch unerlässlich.“ Dr. Uwe Pelzer

Postoperative Situation – Verbesserungen in Sicht?

Für die postoperative Therapie stellt Gemcitabin die Standardempfehlung zur adjuvanten Behandlung dar.

Innerhalb der CONKO-Studiengruppe werden intensivierte Schemata gegen den Standard geprüft. So stellten Sinn et al. die CONKO-006-Studie zur additiven Therapie beim R1-resezierten Pankreaskarzinom vor [3]. In dieser placebokontrollierten Phase-II-Studie wurde die prolongierte Gabe (12 Monate) von Gemcitabin und dem Multikinaseinhibitor Sorafinib gegen eine prolongierte Gabe des Standards Gemcitabin (12 Monate) an 122 Patienten geprüft. Durch die Hinzunahme von Sorafinib konnte keine Verbesserung für die Patienten erzielt werden: Das mediane krankheitsfreie Überleben (DFS) lag für Gemcitabin + Sorafinib im Vergleich zur Gemcitabin-Monotherapie bei 8,7 vs. 9,5 Monaten (p = 0,89), das mediane OS bei 17,6 vs. 15,6 Monaten (p = 0,94) (Abb. 1). Ob eine prolongierte Gabe von 12 Monaten einen Nutzen gegenüber der standardgemäßen 6-monatigen Gabe erbringt, wird rege diskutiert, lässt sich jedoch aufgrund des Studiendesigns der CONKO-006 nicht valide bestimmen.

Abb. 1: Gesamtüberleben in der CONKO-006-Studie (modifiziert nach [3])

Die aktuell größte aktive Studie zur adjuvanten Therapie des Pankreaskarzinoms stellten M. Tempero et al. vor [4]. In dieser weltweiten Studie wird die intensivierte Gabe von nab-Paclitaxel+Gemcitabin im Vergleich zu einer Gemcitabin-Monotherapie untersucht. Das Ziel ist, eine längere progressionsfreie Zeit gegenüber dem bisherigen Standard zu erreichen. Dieser Nutzen ist bewiesen, wenn mit etwa 800 Patienten (Power 90 %) eine Hazard Ratio von mindestens 0,74 erreicht wird. Eine weitere Hoffnung ist, mit der intensivierten postoperativen Behandlung die Rate der Krebsheilungen durch die Sequenz zu erhöhen. Die Studie schließt sowohl R0- als auch R1-Patienten ein.

Fazit

  • Erstmals wurden Daten für die spezifische postoperative R1-Situation im randomisierten Vergleich gezeigt. Hier hat sich die intensivierte Therapie mit dem oralen Multikinaseinhibitor Sorafinib nicht bewährt.
  • Die bereits rekrutierende APACT-Studie wird zeigen, ob sich die positiven Ergebnisse der palliativen Kombinationstherapie (nab-Paclitaxel+Gemcitabin) auch auf die adjuvante Situation übertragen lassen.

Bei R1-resezierten Patienten bleibt Gemcitabin zunächst weiterhin der Standard für die postoperative Chemotherapie. Die Daten der APACT-Studie werden mit Interesse erwartet, um hier hoffentlich den Anteil der kurativ behandelbaren Patienten klinisch bedeutsam zu erhöhen.“ Dr. Uwe Pelzer

Nab-Paclitaxel + Gemcitabin – eine Option für alle Patienten?

Nach Zulassung von nab-Paclitaxel in Kombination mit Gemcitabin für die Indikation des inoperablen Pankreaskarzinoms in der Erstlinientherapie stellt sich die Frage, ob alle Patientengruppen ähnlich von der Chemotherapiedoublette profitieren oder ob es Subgruppen mit stärkerem oder vernachlässigbarem klinischen Nutzen gibt.

C. Weekes et al. untersuchten in einer Subgruppenanalyse die Wirksamkeit von nab-Paclitaxel+Gemcitabin vs. Gemcitabin-Monotherapie in Abhängigkeit vom Vorhandensein und der Anzahl von Lebermetastasen [5]. Die Wirksamkeit war in allen Subgruppen klinisch bedeutsam vorhanden. Bei Patienten mit Lebermetastasen betrug die Hazard Ratio für das mediane OS 0,69; in Abhängigkeit von der Anzahl der Lebermetastasierung schwankte sie zwischen 0,41 und 0,79 zugunsten der Kombinationsbehandlung (Abb. 2). Die Sicherheitsanalysen ergaben keine Zunahme von Nebenwirkungen in einer Subpopulation.

Abb. 2: C. Medianes Gesamtüberleben bei Patienten mit hepatischer Metastasierung (> 3 Metastasen) (modifiziert nach [5])
nab-P = nab-Paclitaxel

W. Ma et al. untersuchten die Wirksamkeit von nab-Paclitaxel+Gemcitabin vs. Gemcitabin-Monotherapie in Abhängigkeit von der primären Tumorlokalisation [6]. Die Ergebnisse zeigten keinen Einfluss der Tumorlokalisation (Kopf vs. Korpus/Schwanz) auf die Wirksamkeit der Kombination. Die Hazard Ratio für das Überleben betrug für die Pankreaskopfkarzinome 0,59 und für die Korpus/Schwanzkarzinome 0,8 zugunsten nab-Paclitaxel+Gemcitabin. Die Sicherheitsanalyse zeigte keine erhöhten Toxizitäten für eine der Subgruppen im Vergleich zur Gesamtpopulation der initialen MPACT-Zulassungsstudie.

S. Siena et al. untersuchten die Wirksamkeit von nab-Paclitaxel+Gemcitabin vs. Gemcitabin-Monotherapie in Abhängigkeit von der geografischen Zugehörigkeit [7]. Unterschieden wurde Australien, Osteuropa, Westeuropa und Nordamerika. Es zeigte sich ein durchgehend positiver Effekt der Kombinationsbehandlung nab-Paclitaxel+Gemcitabin (HR 0,5 - 0,84) auf das Überleben. Für die westeuropäischen Patienten wurden in beiden Therapiearmen das längste mediane Überleben ermittelt (10,7 Monate vs. 6,9 Monate) (Tab. 1). Möglicherweise lag das an der relativ höheren Anzahl von Patienten in diesen Gruppen, bei denen eine Zweitlinientherapie (z. B. das 5-FU-basierte OFF-Schema) durchgeführt werden konnte (Westeuropa 50 %, Nordamerika etwa 40 %, Osteuropa 25 - 30 %).

Tab. 1: Überlebensdaten innerhalb der MPACT-Studie in Abhängigkeit von der geografischen Zugehörigkeit (modifiziert nach [7])

Fazit

  • Patienten mit Lebermetastasierung profitieren durchgehend von der Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin (HR < 0,8) – unabhängig von der Anzahl der Metastasen.
  • Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom profitieren unabhängig von der primären Tumorlokalisation (Kopf vs. Korpus/Schwanz) von der Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin (HR <= 0,8).
  • Unabhängig von der untersuchten geografischen Zugehörigkeit profitieren Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom aufgrund einer Verlängerung des Gesamtüberlebens von der Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin in der Erstlinientherapie.

„Nab-Paclitaxel in Kombination mit Gemcitabin in der Erstlinientherapie zeigt in den hier untersuchten Subgruppen durchgehend einen Benefit für die Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom im Vergleich zu einer Gemcitabin-Monotherapie.“ Dr. Uwe Pelzer

FOLFIRINOX – modifiziertes Schema mit weniger Nebenwirkungen und gleicher Wirksamkeit?

M. Singhal et al. reproduzierten in einer indischen monozentrischen Studie die Daten der französischen ACCORD-Studie [8]. Sie randomisierten 310 Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom und ECOG 1/0 in eine FOLFIRINOX- oder Gemcitabin-Gruppe. Das mediane OS unter FOLFIRINOX betrug 10,8 Monate im Vergleich zu 7,4 Monaten unter Gemcitabin allein (HR 0,48).

V. Vaccaro et al. zeigten retrospektive Daten zur Modifikation von FOLFIRINOX (188 Patienten) versus voll dosiertem FOLFIRINOX (82 Patienten) beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom [9]. Der Gebrauch von G-CSF lag für das modifizierte Regime deutlich niedriger (36 % vs. 80 %). Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) lag in beiden Gruppen bei 7 Monaten. Das mediane OS betrug in der modifizierten FOLFIRINOX-Gruppe 18 Monate und für voll dosiertes FOLFIRINOX nur 12 Monate. Diese Unterschiede erklärten die Autoren mit dem unterschiedlichen Performance Status im Vergleich der beiden Gruppen. Diese Daten erscheinen nicht schlüssig, denn das dosisreduzierte Regime scheint sowohl deutlich verträglicher als auch deutlich effektiver zu sein. Die vorliegenden Kohortendaten dürfen deshalb so nicht direkt verglichen werden. Möglicherweise können diese Unklarheiten mittels einer nachträglichen Match-Pair-Analyse beseitigt werden.

J. Maroun et al. zeigten Daten von 132 Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom aus drei kanadischen Zentren [10]. Durch modifiziertes FOLFIRINOX wurde die Toxizität deutlich reduziert. Allerdings zeigte sich hier auch eine nachlassende Wirksamkeit. Für voll dosiertes FOLFIRINOX wurden mit einem medianen OS von 11,4 Monaten ähnliche Wirksamkeitsdaten wie in der ACCORD-Studie beobachtet; bei Patienten mit reduziertem FOLFIRINOX lag das mediane OS lediglich bei 7,14 Monaten (HR 1,67). Wurde der 5-FU-Bolus weggelassen, resultierte dies ebenfalls in einer geringeren Wirksamkeit (OS 8,7 vs. 6,3 Monate; HR 1,46). Diese Daten zeigen, dass mit der Einsparung von Toxizität in diesem Setting eine nachlassende Wirkung einhergeht. Beim Einsatz reduzierter FOLFIRINOX-Regime sollte diese Dosis-Wirkungs-Beziehung deshalb berücksichtigt werden.

Fazit

  • Für indische Patienten konnten die ACCORD-Daten zu FOLFIRINOX reproduziert werden.
  • Modifiziertes FOLFIRINOX ist deutlich besser verträglich und kann einem größeren Patientenkollektiv angeboten werden. Ohne Kontrollgruppe sind diese Daten jedoch nur für die Machbarkeit der modifizierten Regime verwendbar. Eine valide Aussage über die Wirksamkeit ist anhand dieser Daten nicht zulässig. Zudem ist die Dosis-Wirkungsbeziehung bei modifiziertem FOLFIRINOX zu beachten.
  • FOLFIRINOX ist für die Indikation metastasiertes Pankreaskarzinom nicht zugelassen.

„Chemotherapeutische Modifikationen sind im klinischen Alltag gebräuchlich, um die Therapie individueller und nebenwirkungsärmer zu gestalten. Jedoch muss dies unter Berücksichtigung eines Wirksamkeitsverlustes diskutiert werden und gegebenenfalls auf ein etabliertes, weniger toxisches Regime mit kalkulierbarer Wirksamkeit gewechselt werden.“ Dr. Uwe Pelzer

Nab-Paclitaxel+Gemcitabin – Möglichkeiten in Grenzbereichen der Indikation

Patienten in den Zulassungsstudien unterliegen naturgemäß einer primären Selektion. In der alltäglichen Praxis werden oftmals Patienten zur Behandlung vorgestellt, die in den Studien unterrepräsentiert oder gar ausgeschlossen waren.

C. Guillen-Ponce et al. stellten eine vierarmige Machbarkeitsstudie der Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin bei 24 Patienten (6 Patienten pro Arm) mit deutlich eingeschränktem Allgemeinzustand (ECOG 2) vor [11]. Ziel der Studie war, eine optimale Dosierung und Therapieabfolge für diese Patientenkohorte zu definieren. Eine wöchentliche Therapie zeigte gegenüber einer zweiwöchentlichen Gabe eine bessere Verträglichkeit und eine bessere Wirksamkeit. Die Toxizität war gegenüber der MPACT-Zulassungsstudie erhöht, die Rate der frühen Todesfälle (<= 60 Tage) für diese Kohorte lag bei 21 %. Für die Phase II sind zwei Arme mit wöchentlichen Schemata entsprechend der Zulassung vorgesehen, wobei in einem Arm die Dosis von nab-Paclitaxel auf 100 mg/m² reduziert wird.

Die Auswirkungen des Alters auf die Machbarkeit der Kombination wurde von G. Giordano et al. anhand von 61 Patienten geprüft [12]. Das Alter der Patienten lag bei >= 65 Jahren, 39 Patienten wurden in der Erstlinientherapie und 22 Patienten in weiterführenden Therapielinien untersucht. Bei den Patienten in der Erstlinientherapie lag das mediane PFS bei 6,0 Monaten und das mediane OS bei 9,5 Monaten. Ein Alter >= 70 Jahre hatte in der multivariaten Analyse keinen Einfluss auf das mediane PFS oder mediane OS. Auch wurden keine signifikant erhöhten Nebenwirkungen oder konsekutive Dosisreduktionen für diese Altersgruppe beobachtet.

Aus der gleichen Arbeitsgruppe wurden Daten zum Einsatz von nab-Paclitaxel+Gemcitabin bei 74 Patienten in weiterführenden Therapielinien gezeigt [13]. Als häufigste Vortherapie war das FOLFIRINOX- oder FOLFOIRI-Regime  zum Einsatz gekommen (60 %). In dieser retrospektiven Analyse wurde eine Ansprechrate bei den vortherapierten Patienten von 48,6 % beobachtet. Das mediane PFS betrug 4 Monate und das mediane OS 7 Monate. Damit zeigte diese Kombination bei vorbehandelten Patienten eine moderate Wirksamkeit und bei einigen Patienten sogar ein erneutes Ansprechen im Sinne einer Tumorregression (CR/PR 23 %).

Fazit

  • Für Patienten mit ECOG 2 eignet sich auch die wöchentliche Gabe von nab-Paclitaxel+Gemcitabin, allerdings mit kalkuliert erhöhter Nebenwirkungsrate. Die Effektivität der Kombination wird aktuell in einer weiterführenden Phase II geprüft.
  • Das numerische Alter der Patienten hatte in der untersuchten Patientenkohorte weder Einfluss auf die Wirksamkeit noch auf das Toxizitätsprofil der Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin.
  • Nab-Paclitaxel+Gemcitabin eignet sich bei akzeptablem Toxizitätsprofil und moderater Effektivität in bestimmten Fällen zum Einsatz in weiterführenden Therapielinien.

„Ältere Patienten profitieren ebenfalls ohne Einschränkungen von der Kombination  nab-Paclitaxel+Gemcitabin. Bei Patienten im ECOG 2 ist erhöhte Achtsamkeit geboten, da hier die Nebenwirkungen deutlich erhöht sind. Diesen Patienten sollte deshalb nicht generell ein intensiviertes Regime angeboten werden. Ist die Kombination nicht in der Erstlinientherapie zum Einsatz gekommen, kann sie unter Umständen in den weiterführenden Therapielinien angewandt werden.“ Dr. Uwe Pelzer

Nab-Paclitaxel+Gemcitabin – weiterführende Therapieansätze

Trotz der Etablierung neuer Standards für die Therapie des Pankreaskarzinoms ist dieses weiterhin eine der aggressivsten malignen Erkrankungen mit immer noch stark limitierter Überlebenszeit. Es bedarf also weiterhin einer stetigen Forschungsaktivität, um den Benefit für die Patienten zu erhöhen.

M. Reni et al. präsentierten eine Phase-Ib-Studie zur Dosisintensivierung des etablierten nab-Paclitaxel+Gemcitabin-Regimes mit Cisplatin und Capecitabin (PAXG) [14]. Nab-Paclitaxel als wichtigste Komponente in diesem Regime konnte bisher auf 150 mg/m² alle zwei Wochen eskaliert werden. Nach Festsetzung der maximal tolerablen Dosierung ist eine randomisierte Prüfung zur Wirksamkeit geplant.

M. Hidalgo et al. stellten einen neuartigen Therapieansatz mit Gemcitabin und Demcizumab (ein humanisierter IgG2 anti-delta-like-ligand-4-Antikörper) mit oder ohne nab-Paclitaxel vor [15]. Demcizumab konnte in präklinischen Modellen die Frequenz von Tumorstammzellen senken und darüber hinaus das Tumorwachstum inhibieren. Ein Synergismus mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin wurde ebenfalls untersucht. In der Studie wurden bisher 47 Patienten in unterschiedlicher Therapieabfolge und verschiedenen Dosierungen geprüft. Eine beobachtete Kardiotoxizität unter dem Antikörper scheint protektiv behandelbar zu sein. Die bisherigen Wirksamkeitsdaten sind ermutigend (PR 41 %, Abb. 3).

Abb. 3: Ansprechen der Patienten unter nab-Paclitaxel+Gemcitabin und Demcizumab (modifiziert nach [15])
5Q2W = 5 mg/kg Demcizumab + 1.000 mg/m2 Gemcitabin + 125 mg/m2 nab-Paclitaxel;
2,5Q2W = 2,5 mg/kg Demcizumab + 1.000 mg/m2 Gemcitabin + 125 mg/m2 nab-Paclitaxel;
3,5Q2W = 3,5 mg/kg Demcizumab + 1.000 mg/m2 Gemcitabin + 125 mg/m2 nab-Paclitaxel

T. Bekaii-Saab et al. stellten ihre Daten zur Anwendung eines Reovirus zur Diskussion [16]. Dieses Virus wirkt in präklinischen Modellen onkolytisch auf maligne Zellen mit KRAS-Aktivierung. Als Chemotherapie kam hier die Kombination von Paclitaxel und Carboplatin zum Einsatz. Die Analyse zeigte in der Gruppe mit Chemotherapie plus Reovirus (n = 36) ebenso wie in der Gruppe mit alleiniger Chemotherapie (n = 37) zwar eine sichere Anwendung des Reovirus, jedoch keine erhöhte Wirksamkeit für diese Kombination (medianes PFS 4,63 vs. 4,34 Monate; p = 0,73).

A. Benson Lii et al. präsentierten einen Ansatz zur „zielgerichteten“ Therapie von insbesondere desmoplastischen Tumoren, zu denen das Pankreaskarzinom aufgrund seiner desmoplastischen Umgebungsreaktion gezählt werden kann [17]. Der primäre Ansatz war die Nutzung eines humanisierten Antikörpers, der das Extrazellulär-Matrix-Enzym LOXL2 (Lysyl-Oxidase-Like-Molekül 2) hemmt und der in einer Phase-I-Studie eine Wirksamkeit hinsichtlich Tumorprogression und Inhibierung der Metastasierung gezeigt hat. Im randomisierten Vergleich von insgesamt 236 Patienten konnte die Kombination von Gemcitabin und Antikörper jedoch nicht überzeugen, die Hazard Ratio für die zwei verschiedenen Dosierungsschemata lag bei 1,08 und 1,1.

Fazit

  • Klinische Studien zur weiteren Verbesserung der Wirksamkeit neuartiger Kombinationen scheinen vielversprechend.
  • Die KRAS-Mutation als Target zu nutzen scheint vielversprechend, die Umsetzung ist jedoch bislang weiterhin nicht erfolgreich.

„Klinische Studien sind in den ersten Auswertungen meist ermunternd und theoretisch gut nachvollziehbar, vielversprechende Ansätze müssen konsequent in randomisierten Studien geprüft werden.“ Dr. Uwe Pelzer

Begleitende Therapien – Möglichkeit und Notwendigkeit?

Die supportiven Möglichkeiten bei der Therapie des Pankreaskarzinoms haben sich in den letzten 10 Jahren deutlich verbessert. Dazu zählen eine adäquate Antiemese, eine individuell abgestimmte schmerztherapeutische Behandlung, psychoonkologische Unterstützung und eine angepasste Ernährungstherapie. L. McCallum et al. stellten eine monozentrische Analyse mit 183 Pankreaskarzinom-Patienten vor, bei der in einer multivariaten Analyse unabhängige Faktoren für ein verlängertes Überleben ermittelt wurden [18]. Neben der chemotherapeutischen Behandlung (p < 0,001), dem Allgemeinzustand (p = 0,003) und dem Metastasierungsstatus (p = 0,003) zählte die ernährungstherapeutische Intervention (p = 0,03) zu den wichtigsten Parametern. Die am meisten genutzte ernährungstherapeutische Intervention war die pankreatische Enzymsubstitution.

“Diese Resultate unterstreichen erneut die immense Bedeutung des integralen Bestandteils der Begleittherapien bei Patienten mit Pankreaskarzinom. Eine Enzymsubstitution sollte fest in die Behandlung unserer Patienten integriert sein.“ Dr. Uwe Pelzer

Literatur

  1. Hayashi H, Kohno T, Hiraoka N et al. Gene mutation profile of pancreatic cancer obtained using targeted deep sequencing and its association with prognosis. ESMO Congress 2014: #689
  2. Chantrill L, Johns A, Watson C et al. Precision medicine for advanced pancreas cancer: Early lessons learned from negotiating the pitfalls of a molecular therapeutics trial in a poor prognosis cancer. ESMO Congress 2014: #1628
  3. Sinn M, Liersch T, Riess H et al. CONKO-006: A randomized double-blinded phase IIb-study of adjuvant therapy with gemcitabine + sorafenib/placebo for patients with R1-resection of pancreatic cancer. ESMO Congress 2014: #18
  4. Tempero M, Cardin D, Biankin A et al. APACT: A phase III trial of nab-paclitaxel (nab-P) plus gemcitabine (Gem) vs Gem alone for resected pancreatic cancer (PC). ESMO Congress 2014: #746
  5. Weekes C, Parnis F, Thaler J et al. nab-paclitaxel (nab-P) plus gemcitabine (Gem) vs Gem alone for patients (pts) with metastatic pancreatic cancer (PC): Subgroup analyses of the MPACT trial based on the presence of liver metastases (LMs) and number of metastatic sites. ESMO Congress 2014: #693
  6. Ma W, López-Martín J, Karapetis C et al. Influence of primary pancreatic tumor location on efficacy and treatment exposure in the MPACT trial of nab-paclitaxel (nab-P) plus gemcitabine (Gem) vs Gem alone for patients with metastatic pancreatic cancer (MPC). ESMO Congress 2014: #692
  7. Siena S, Lipton L, Letourneau R et al. Regional subanalysis of the phase III MPACT trial: nab-paclitaxel (nab-P) plus gemcitabine (Gem) vs gem alone for patients (pts) with metastatic pancreatic cancer (PC). ESMO Congress 2014: #691
  8. Singhal M, Kapoor A, Bagri P et al. A phase III trial comparing FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer. ESMO Congress 2014: #617
  9. Vaccaro V, Sperduti I, Melisi D et al. Clinical impact of FOLFIRINOX dose/schedule modifications (mFOLFORINOX) and additional supportive measures in the management of pancreatic cancer (PDAC) patients (pts). ESMO Congress 2014: #690
  10. Maroun J, Ko Y, Ghafoor A et al. Standard clinical practice of FOLFIRINOX (FFX) in advanced/metastatic pancreatic cancer (PC) Patients: A Canadian retrospective registry. ESMO Congress 2014: #702
  11. Guillen-Ponce C, Lopez R, Macarulla T et al. A phase (Ph) I/II trial to evaluate the efficacy (E) and safety (S) of nab-paclitaxel (nab-P) in combination (Co) with gemcitabine (G) for the treatment (Tr) of frail (Fr) patients (P) with advanced or metastatic pancreatic cancer (aPC): Safety results of the Phase I trial. ESMO Congress 2014: #700
  12. Giordano G, Melisi D, Milella M et al. Activity, efficacy and safety of nab-paclitaxel (Nab-P) and gemcitabine (G) in advanced pancreatic cancer (APDAC) elderly patients. ESMO Congress 2014: #713
  13. Giordano G, Milella M, Melisi D et al. Nab-paclitaxel (Nab-P) and gemcitabine (G) in pretreated advanced pancreatic cancer (APDAC) patients (pts): A multicentre retrospective analysis. ESMO Congress 2014: #718
  14. Reni M, Belli C, Balzano G et al. Phase Ib trial of nab-paclitaxel plus gemcitabine, capecitabine, and cisplatin (PAXG regimen) in patients with stage III pancreatic adenocarcinoma. ESMO Congress 2014: #711
  15. Hidalgo M, Jameson M, Carrato A et al. A ph 1b study of the anti-cancer stem cell agent demcizumab (DEM) & gemcitabine (GEM) +/- paclitaxel protein bound particles (nab-paclitaxel) in pts with pancreatic cancer. ESMO Congress 2014: #616
  16. Bekaii-Saab T, Noonan A, Lesinski G et al. A multi-institutional randomized phase 2 trial of the oncolytic virus reolysin in the first line treatment metastatic adenocarcinoma of the pancreas (MAP). ESMO Congress 2014: #19
  17. Benson Lii A, Bendell J, Wainberg Z et al. A phase 2 randomized, double-blind, placebo controlled study of simtuzumab or placebo in combination with gemcitabine for the first line treatment of pancreatic adenocarcinoma. ESMO Congress 2014: #618
  18. McCallum L, Lamarca A, Valle J. Pancreatic malignancy and nutrition: A study of clinical practice. ESMO Congress 2014: #1535
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