ASH 2012

8. bis 11. Dezember, Atlanta

 

Schlüsselwörter: ASH 2012, Multiples Myelom, MM, Myelodysplastisches Syndrom, MDS, AML, Akute Myeloische Leukämie, p53, SNP, MDM2 Gen, Lenalidomid, Bortezomib, Pomalidomid, Carfilzomib, Elotuzumab, 5-Azacytidin,  demethylierende Substanzen, Cereblon, Thalidomid, MM-003, rezidivierte/refraktäre NHL, Non-Hodgkin Lymphom, aggressive NHL, Rituximab, Decitabin, Rigosertib, R-CHOP, CHOP, Proteasomeninhibitor, MLN9708, rezidivierte/refraktäre CLL, allogene Stammzelltransplantation, Brutons-Tyrosin-Kinase Inhibitor, BTK-Inhibitor, Ibrutinib.

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Editorial

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

20.999 Teilnehmer aus 110 Ländern der ganzen Welt trafen sich vom 08. bis 11. Dezember 2012 in Atlanta während der 54. ASH-Jahrestagung und stellten sich dem Motto „Helping hematologists conquer blood diseases worldwide“.

In einem umfangreichen Educational-Programm, simultanen Oral Sessions, Postersitzungen und Spezialveranstaltungen, wie der Plenary Session und der Late Breaking Abstract Session, wurden den Teilnehmern neben dem State of the Art der hämatologischen klinischen Praxis auch die neuen Forschungsergebnisse präsentiert, die in der ganzen Welt auf dem Gebiet der Hämatologie im letzten Jahr erzielt wurden.

Bei unserer Auswahl aus dieser Fülle von exzellenten Beiträgen haben wir uns danach orientiert, die wichtigsten Entwicklungen für die klinische Praxis auszusuchen, die Sie unmittelbar umsetzen können oder für die es sich lohnt, sie in ihrer weiteren Entwicklung im Auge zu behalten. Wir haben den Schwerpunkt auf die drei Indikationsbereiche multiples Myelom, myelodysplastisches Syndrom und AML sowie Lymphome gesetzt und die entsprechenden Veranstaltungen besucht beziehungsweise Poster gesichtet. Darüber berichten wir Ihnen in diesem Bericht.

Wir wünschen Ihnen mit den Berichten neue Erkenntnisse für Ihre tägliche Arbeit und hoffen, Sie weiterhin regelmäßig auf den Seiten www.hematooncology.com begrüßen zu dürfen.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. med. Rolf Mahlberg, Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen, Trier
Dr. med. Lars-Olof Mügge, Universitätsklinikum Jena
Dr. med. Florian Nolte, Universitätsklinikum Mannheim

Neues zum multiplen Myelom auf dem ASH-Kongress 2012

Dr. med. Lars-Olof Mügge, Universitätsklinikum Jena

Auf dem Gebiet des multiplen Myeloms (MM) hat sich das Wissen um Pathogenese, Diagnostik und therapeutische Möglichkeiten in den letzten Jahren multipliziert. Auch wenn diese Erkrankung derzeit noch im Wesentlichen inkurabel bleibt, kann sie durch die Einführung neuer zielgerichteter Substanzen bei vielen Patienten in einen chronischen und lange therapierbaren Krankheitsverlauf überführt werden. Wenn sich die Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Therapien auf dem Boden eines verbesserten Verständnisses der Krankheitsentstehung und der molekularen Grundlagen unverändert fortsetzt, ist die Hoffnung auf Entwicklung eines kurativen Therapiekonzeptes in näherer Zukunft sicher nicht ganz unrealistisch.

Auch auf dem diesjährigen Kongress der American Society of Hematology (ASH) ist wieder eine große Zahl von Beiträgen über das multiple Myelom publiziert worden. Mit der folgenden Auswahl von Beiträgen soll ein Überblick über die aktuell wichtigsten Erkenntnisse und Trends gegeben werden.

Neues aus der Grundlagenforschung

Hebraud et al. präsentierten Daten zur klonalen Evolution im Verlauf einer Myelomerkrankung [1]. Anhand des Auftretens beziehungsweise Verschwindens von myelomtypischen Translokationen (hier: t(4;14) und t(11;14)) im Verlauf der Erkrankung bei insgesamt 342 evaluierbaren Patienten wird das bereits von Keats et al. (Blood 2012) publizierte Krankheitsmodell, nach dem sich genetische Veränderungen beim Myelom nicht linear entwickeln [2], weiter untermauert. Aus einer Ursprungszelle können sich demnach mehrere Subklone mit unterschiedlichem genetischem Muster parallel entwickeln und verzweigen, vergleichbar mit dem Darwin’schen Evolutionsmodell. Je nach therapeutischem Selektionsdruck kann sich ein Klon dominant vermehren, während andere Klone in den Hintergrund gedrängt oder gar ganz eliminiert werden. In der Präsentation von Hebraud et al. wurde dargestellt, dass die Translokation t(4;14) zwischen Erstdiagnose und Rezidiv in 5,96 % der Fälle neu auftrat, während sie in 5,04 % der Fälle in dieser Zeitspanne verschwand. Für die t(11;14) konnte das neue Auftreten der Translokation beim Rezidiv in 1,42 % der Fälle gefunden werden, hingegen verschwand diese Translokation bei 4,25 % der Fälle im gleichen Intervall. Interessanterweise wurde die t(4;14) in keinem der untersuchten Patienten gegen die t(11;14) „ausgetauscht“.

Fazit:
Diese Studie beschreibt an einer großen Patientenkohorte die Modulation des genetischen Profils der Myelomerkrankung durch therapeutischen Selektionsdruck. Im Gegensatz zum Beispiel zur CML ist deshalb beim Myelom nicht zu erwarten, dass die Erkrankung mit einer zielgerichteten Substanz dauerhaft kontrolliert oder gar eliminiert werden kann.

„Die Zukunft der Myelomtherapie liegt in einem kombinierten Therapieansatz, zumindest wenn man das Ziel einer Kuration verfolgen möchte.“ Dr. Lars-Olof Mügge

Cereblon als Prädiktor für ein Therapieansprechen auf IMiDs

Cereblon (CRBN) ist kürzlich als Mediator der Wirkung von immunmodulatorischen Substanzen (IMiDs) identifiziert worden. Schuster et al. zeigten nun in einer retrospektiven Analyse von 148 Myelompatienten mittels Gene Expression Profiling, dass der Grad der Expression dieses Moleküls in der Myelomzelle scheinbar auch prädiktiven Charakter hinsichtlich der Wirksamkeit einer IMiD-Therapie hat [3]. Dies zeigte sich besonders auch in einer weiteren analysierten Kohorte von 53 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer Erkrankung, welche mit Pomalidomid und niedrig dosiertem Dexamethason behandelt worden war. Ein Ansprechen bei Patienten mit einer Cereblon-Expression von < 0,81 war in keinem der Fälle nachweisbar, während bei einer Expression von 0,81–0,90 ein Ansprechen in 19 % und bei einer Expression von > 0,90 in 33 % der Fälle nachweisbar war. Dies übersetzte sich auch in einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) von 3,0 auf 8,9 Monate (p = 0,0006) und des Gesamtüberlebens (OS) von 9,1 auf 27,2 Monate (p = 0,01), wenn man die Werte des untersten Quartils mit der niedrigsten CRBN-Expression mit den Werten der oberen drei Quartile vergleicht. Hingegen war ein Vorteil hinsichtlich des Gesamtüberlebens bei der Anwendung von Kombinationstherapiekonzepten der University of Arkansas nicht nachzuweisen. Bei der Bewertung der Ergebnisse ist allerdings zu beachten, dass eine erhöhte Cereblon-Expression vor allem bei hyperdiploidem Chromosomensatz zu beobachten ist, was per se schon eine bessere Prognose beim multiplen Myelom vermittelt.

„Mit Cereblon wurde vielleicht ein Biomarker für das Therapieansprechen auf IMiDs gefunden. Das könnte zu einer Individualisierung der Myelomtherapie beitragen.“ Dr. Lars-Olof Mügge

Die etablierten „zielgerichteten“ Substanzen und klassische Zytostatika – Thalidomid, Lenalidomid, Bortezomib und Bendamustin

Der gegenwärtige Trend in der Myelomtherapie geht zum einen hin zur Kombination mehrerer zielgerichteter Substanzen in einem Protokoll, zum anderen wird der Wert einer Erhaltungstherapie mit zielgerichteten Substanzen geprüft.

Palumbo et al. haben in einer im Jahr 2010 erstmalig publizierten Studie diese beiden Trends in einem Therapiekonzept vereint. In einer zweiarmigen Studie konnte gezeigt werden, dass eine Kombination aus Bortezomib, Melphalan, Prednison und Thalidomid, gefolgt von einer Erhaltung mit Bortezomib und Thalidomid, (VMPT-VT) hinsichtlich Ansprechraten, PFS und Zeit bis zur nächsten Therapie (TNT) besser ist als Bortezomib, Melphalan und Prednison (VMP) ohne Erhaltung. Jetzt wurden die aktuellen Daten mit einem medianen Follow-up von 54 Monaten vorgestellt. Sie zeigten, dass VMPT-VT auch das Gesamtüberleben verlängert [4] (s. Tab. 1).

Tab. 1: Vergleich der Raten an progressionsfreiem Überleben (PFS), Zeit bis zur nächsten Therapie (TNT) und Gesamtüberleben (OS) unter den beiden Therapiearmen (modifiziert nach Palumbo A et al. Presented at Session: 653, Myeloma – Therapy, excluding Transplantation I, ASH 2012, Atlanta, Abstract 200 [4]).

Dies war besonders deutlich für jüngere Patienten < 75 Jahre und für Patienten, die eine komplette Remission erreicht hatten(CR). Zwischen den beiden Gruppen bestand kein Unterschied im Überleben nach einer Zweitlinientherapie.

Fazit:
Bei akzeptablen Nebenwirkungen konnten mit der Viererkombination plus Erhaltung sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Leider kann aufgrund des Studiendesigns nicht gesagt werden, welche Komponente in welchem Ausmaß zum besseren Ansprechen und Überleben der Patienten beigetragen hat – es könnte entweder die Hinzunahme von Thalidomid zur Induktion gewesen sein oder die Erhaltungstherapie.

Lenalidomid in der Zweitlinientherapie nach Rezidiv

Eine interessante Frage ist, ob durch eine Erhaltungstherapie, die üblicherweise niedrig dosiert wird, eine Resistenz induziert wird, welche den Nutzen derselben Substanz in der Rezidivtherapie einschränkt. In einer retrospektiven Analyse der MM-015-Studie konnte gezeigt werden, dass auch nach einer vorangehenden Lenalidomid(LEN)-haltigen Induktion, gefolgt von einer LEN-Erhaltungstherapie, (MPR-R) eine Zweitlinientherapie mit LEN in voller Dosierung und Dexamethason (LEN/DEX) ein Ansprechen erzielen kann [5]. Auch im Vergleich zu anderen Zweitlinientherapien erwies sich LEN/DEX gegenüber nicht LEN-haltigen Therapien beziehungsweise Bortezomib(BTZ)-haltigen Therapien hier als vorteilhaft: Die Zeit von der Zweit- bis zur Drittlinientherapie für LEN/DEX betrug im MPR-R-Arm 18 vs. 6 Monate sowie 14 Monaten für die BTZ-haltigen Therapien. Im MPR-Arm betrug sie 23 vs. 4 Monate sowie 16 Monate für die BTZ-haltigen Therapien und im MP-Arm 18 gegenüber 6 Monaten und 12 Monate für die BTZ-haltigen Therapien. Eine Induktion von resistenten Rezidiven durch die LEN-Erhaltung scheint nicht aufzutreten, denn die Zeiten von Beginn der Zweitlinien- zur Drittlinientherapie (alle Zweitlinientherapien zusammengefasst) war in allen drei Armen (ohne oder mit Erhaltung) vergleichbar: MPR-R vs. MP = 14 vs. 15 Monate, MPR-R vs. MPR = 14 vs. 16 Monate und MPR vs. MP16 vs. 15 Monate.

Fazit:
Dies ist eine interessante Analyse. Allerdings muss man beachten, dass aufgrund des retrospektiven Charakters ein Selektionsbias vorliegen kann – im MPR-R-Arm erhielten deutlich weniger Patienten eine Zweitlinientherapie als in den anderen Armen. Resistente Patienten im MPR-R-Arm könnten in der Analyse unberücksichtigt geblieben sein.

Kombiniationstherapien mit Bendamustin in der Rezidivsituation

Bendamustin hat in den letzten Jahren große Beachtung in der Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen, einschließlich der B-CLL, gefunden. Auch beim multiplen Myelom ist diese Hybrid-Substanz aus Alkylanz und Antimetabolit ein interessanter und bewährter Kombinationspartner, wie die folgenden Daten zeigen. In der Kombination von Bendamustin mit Bortezomib und Dexamethason (BBD) bei rezidivierten und refraktären Patienten mit Myelom zeigte sich eine Gesamtansprechrate (ORR) von 67,6 % und ein medianes PFS von 8,7 Monaten, wobei eine Vorbehandlung mit Lenalidomid ein negativer Prädiktor für Ansprechen und Zeit bis zur Progression (TTP) war. Als negativer Prädiktor für die TTP galten ein Alter > 70 Jahre und eine erhöhte LDH [6]. Das Vorliegen einer Hochrisikozytogenetik hatte keinen negativen Einfluss auf das Ansprechen, das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben in dieser Studie. Nicht unerwartet war, dass die Therapie vom Beginn bis zum Zyklus 8 zu einer Verdopplung der Inzidenz an Neurotoxizität geführt hatte. Ansonsten war die Verträglichkeit recht gut.

Fazit:
Ansprechraten und PFS dieser Kombinationstherapie in der Rezidivsituation sind im Vergleich zu anderen Therapien, auch unter Einschluss zielgerichteter Substanzen der nächsten Generation, konkurrenzfähig.

„Spannend ist die Frage, ob sich der fehlende negative Einfluss von Hochrisikozytogenetiken auf das PFS in weiteren Studien reproduzieren lassen wird – dies wäre ein echter Pluspunkt.“ Dr. Lars-Olof Mügge

Zielgerichtete Substanzen der nächsten Generation – Pomalidomid, Carfilzomib, Elotuzumab, MLN9708

Ein Highlight des diesjährigen ASH-Meetings auf dem Gebiet des multiplen Myeloms ist die Präsentation der Daten zur Wirksamkeit von Pomalidomid plus niedrig dosiertes Dexamethason (POM/LoDEX) bei rezidivierten und refraktären Patienten nach einem Versagen von Bortezomib und Lenalidomid, sowie nach einer Alkylantien-Vortherapie mit Alkylantien [7]. Für solche schwer vorbehandelte Patienten existiert derzeit keine Standardtherapie. In der Phase-III-Studie MM-003 wurden diese Patienten 2:1 randomisiert entweder mit POM/LoDEX oder Hochdosis-Dexamethason (Hi-DEX) behandelt. Patienten im Hi-DEX-Arm konnten bei einem Progress anschließend mit POM allein behandelt werden. Die Gesamtansprechrate (ORR, >= PR) war unter POM/LoDEX signifikant höher als im Hi-DEX-Arm (21 % vs. 3 %, p < 0,001). Wenn man die Raten an Krankheitsstabilisierungen (SD) noch hinzu nimmt, hatten 81  % vs. 60 % einen klinischen Nutzen von der Behandlung. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 4 Monaten zeigte sich ein medianes PFS von 3,6 gegenüber 1,8 Monaten zugunsten des POM/LoDEX-Arms (HR = 0,45; p < 0,001). Auch die Interimanalyse zum Gesamtüberleben (OS) zeigt einen signifikanten Vorteil für POM/LoDEX, bei dem das mediane OS noch nicht erreicht war, vs. 7,8 Monate unter Hi-DEX (p < 0,001) (s. Abb.1).

Abb. 1: MM-003-Studie: Das Gesamtüberleben (ITT Population) war unter Pomalidomid mit niedrig dosiertem Dexamethason signifikant höher als unter einer Therapie mit hoch dosiertem Dexamethason (modifiziert nach Dimopoulos MA et al.  Presented at Late-breaking Abstract Session, ASH 2012, Atlanta, Abstract LBA-6 [7]).

Eine gepoolte Analyse hatte die Wirksamkeit von POM/LoDEX von 345 rückfälligen Patienten aus 6 Phase-II-Studien untersucht (POM 2 oder 4 mg/Tag, Dex einmal/Woche) [8]. Es zeigte sich eine gute Wirksamkeit (ORR 35  %) und Verträglichkeit von POM/LoDEX auch bei diesen teilweise stark vorbehandelten Patienten. Als Risikofaktoren für ein schlechtes Ansprechen beziehungsweise eine verkürzte Zeit bis zur Progression zeigten sich in dieser Analyse LDH-Werte über dem Normwert, die Anzahl vorangegangener Therapien sowie eine vorherige Bortezomib-Therapie. Faktoren für ein verkürztes Gesamtüberleben in dieser Analyse waren ein erhöhtes beta-2-Mikroglobulin (> 5,5 mg/l), eine erhöhte LDH, eine höhere Anzahl vorangegangener Therapien sowie eine vorangegangene Bortezomib-Therapie.

Pomalidomid wurde auch in weiteren Kombinationstherapien untersucht. Präsentiert wurden die Daten aus einer Studie, in der eine Kombination aus Pomalidomid, Cyclophosphamid und Prednisolon untersucht worden war [9], die Daten einer Phase-I-Studie zur Kombination von Bortezomib mit POM/LoDEX [10] sowie die Daten einer Studie zur Hinzunahme von Clarithromycin zu POM/LoDEX bei stark vorbehandelten Patienten [11]. Letztere Studie erscheint deshalb bemerkenswert, da hier eine Gesamtansprechrate (PR oder besser) von 53,6 % erreicht wird. Eine Krankheitsstabilisierung (SD oder besser) wurde sogar in 90,7 % erreicht. Die auf den ersten Blick überraschende Wirkung des Antibiotikums Clarithromycin als Kombinationspartner von POM/LoDEX beruht wahrscheinlich vorwiegend auf seinem eliminationsverzögernden Effekt auf Dexamethason in der Leber, es wird aber auch von seiner schwach immunmodulatorischen Wirkung berichtet.

Fazit:
Die Substanz stellt einen wichtigen neuen Therapiebaustein für Patienten dar, die auf BTZ und LEN nicht mehr ansprechen. Für solche Patienten gab es bisher wenig gute Alternativen.

„Aufgrund der hier vorgelegten Daten dürfte Pomalidomid in nächster Zeit auch außerhalb von Studien rasch Eingang in die klinische Praxis finden.“ Dr. Lars-Olof Mügge

Carfilzomib – vielversprechende Ergebnisse in der Kombinationstherapie

Carfilzomib (CFZ) als Proteasominhibitor der nächsten Generation findet auch als Kombinationspartner bereits breite Anwendung in klinischen Studien. Es wurden Phase-II-Studien sowohl zur Primärtherapie für transplantationsgeeignete Patienten (CFZ/LEN/DEX [12]; CFZ/THAL/DEX [13]; CFZ mit Cyclophosphamid/Thalidomid/Dexamethason (CFZ/CYCLO/THAL/DEX)[14]) sowie für ältere beziehungsweise nicht transplantable Patienten (CFZ/CYCLO/DEX) [15] als auch für die Rezidivsituation (CFZ/POM/DEX) [16] präsentiert. Gemeinsam ist allen Primärtherapiestudien, dass eine Ansprechrate (ORR) von 80–100  % erreicht werden konnte, wobei insbesondere auch die Raten von kompletten und stringent kompletten Remissionen (CR/sCR) nach der Induktion hoch sind (18–40  %). Zu beachten ist bei der Bewertung dieser Daten allerdings, dass es sich um Daten aus Phase-I- und Phase-II-Studien mit insgesamt kleiner Fallzahl handelt.

Das Rezidivtherapieprotokoll CFZ/POM/DEX [16] kombiniert CFZ mit dem neuesten verfügbaren IMiD und erreichte in dieser Studie bei den stark vorbehandelten 30 auswertbaren Patienten (im Median 6 Vortherapien) eine Minimal-Response(MR)-Rate oder besser (>= MR) von immerhin 67 Prozent. Insbesondere konnte ein Ansprechen auch bei Patienten mit Hochrisikozytogenetik wie del17p beobachtet werden. Das mediane PFS betrug 7,4 Monate.

Fazit:
Die Kombination hoch wirksamer, zielgerichteter Substanzen in der Induktionstherapie vor einer geplanten Hochdosistherapie und einer autologen Blutstammzelltransplantation ist sinnvoll, da nachgewiesen ist, dass das Erreichen einer CR vor einer Transplantation wesentlich für einen optimalen Therapieerfolg im Sinne einer langen Progressionsfreiheit und einem besseren Gesamtüberleben ist. Bei nicht transplantablen Patienten stellt sich jedoch die Frage, ob nicht ein sequenzieller Einsatz der neuen, zielgerichteten Substanzen sinnvoller ist. Bei dem Vorliegen einer Hochrisikozytogenetik wie der del17p jedoch scheint auch in dieser Patientengruppe ein aggressives Vorgehen sinnvoll, da trotz aller Bemühungen das Gesamtüberleben hier nur zwei bis drei Jahre beträgt.

Elotuzumab ist ein Antikörper gegen das Oberflächenmolekül CS1 auf Myelomzellen. Er entfaltet seine Wirksamkeit insbesondere in Kombinationstherapien. Die Daten zum PFS einer Phase-II-Studie mit rezidivierten und refraktären Patienten nach 1–3 Vortherapien, welche mit LEN/DEX plus Elotuzumab bis zum neuerlichen Progress behandelt wurden, sind nun präsentiert worden [17]. Es wurden zwei Kohorten mit 10 mg/kg beziehungsweise 20 mg/kg Elotuzumab behandelt. Die kombinierten Daten der 73 behandelten Patienten zeigten ein Gesamtansprechen (ORR) von 84  % mit einer medianen Zeit bis zum ersten Ansprechen von einem Monat sowie ein medianes PFS von 29,7 beziehungsweise 19,5 Monaten für Patienten mit einer beziehungsweise zwei oder mehr Vortherapien.

Abb. 2: Elotuzumab in der Dosierung von 10 mg in Kombination mit Lenalidomid und Low-Dose-Dexamethason führte bei rezidivierten/refraktären Myelompatienten zu einer deutlichen Verbesserung des PFS (modifiziert nach Richardson PG et al. Presented at Session: 653. Myeloma – Therapy, excluding Transplantation I, ASH 2012, Atlanta, Abstract 202 [17]).

Fazit:
Die Hinzunahme von Elotuzumab zu LEN/DEX führt praktisch zu einer Verdoppelung des PFS, wenn man die Daten der MM-009- und MM-010-Studien mit etwa 11 Monaten PFS als Vergleich zugrunde legt. Bei konsequenter, antiallergischer Prämedikation ist das Nebenwirkungsprofil der Therapie als günstig einzuschätzen. Eine endgültige Bewertung des Stellenwerts werden die noch laufenden randomisierten Phase-III-Studien für die Primär- und die Rezidivtherapie, welche REV/DEX gegen REV/DEX plus Elotuzumab prüfen, erlauben.

Neuer oraler Proteasominhinibitor MLN9708 in der Kombinationstherapie

MLN9708 ist ein neuer Proteasominhibitor, der im Gegensatz zu Bortezomib als orale Substanz entwickelt wurde. Er soll im Gegensatz zu BTZ auch wesentlich seltener neuropathische Nebenwirkungen erzeugen. Es wurden nun Daten einer Phase-I/II-Studie zur Kombinationstherapie von MLN9708 mit LEN/DEX in der Primärtherapie präsentiert [18]. Insgesamt wurden 65 Patienten in diese Studie eingeschlossen und mit bis zu 12 Kursen dieser Kombination behandelt, gegebenenfalls gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit MLN9708 bis zum Progress. Im Phase-II-Teil der Studie wurde eine ORR von 92 % beobachtet, anteilig davon erreichten 55 % mindestens eine VGPR und 23 % eine CR. Die Rate und Qualität des Ansprechens verbesserte sich mit zunehmender Anzahl der Therapiekurse. Ein Patient verstarb in der Studie an einer Pneumonie. Auffällig war außerdem eine Rate von Hautausschlägen (Grad 3) von immerhin 18 %. Ansonsten war die Verträglichkeit dieser rein oralen Kombinationstherapie sehr gut.

Fazit:
Die Kombination von Proteasominhibitoren mit IMiDs und Steroiden zeigt auch in anderen Studien eine sehr hohe Effizienz in der Remissionsinduktion. Wenn sich die hier gezeigten guten Daten auch in Phase-III-Studien bewahrheiten, könnte eine solche Kombination die Induktionstherapie der Zukunft werden, zumal mit MLN9708 dann eine rein orale Applikation möglich ist.

Ausblick

Bei der Weiterentwicklung der MM-Therapie zeigt sich die Tendenz zu Kombinationstherapien mehrerer, auch neuester zielgerichteter Substanzen, während der ASH-Tagung 2012 vorwiegend in Phase-I/II-Studien präsentiert. Diese Kombinationen werden nicht nur in der Primärtherapie, sondern auch in der Rezidivsituation geprüft. Ob sich hier ein echter Vorteil im Vergleich zu Kombinationen mit den etablierten zielgerichteten Substanzen (wie BTZ, LEN, THAL) erzielen lässt, bleibt abzuwarten. Ziel muss es sein, vor allem den Patienten mit Hochrisikozytogenetik eine bessere Prognose zu verschaffen. Es ist zu hoffen, dass die neuen Kombinationen daneben auch ein günstigeres Nebenwirkungsprofil haben. Mit Elotuzumab ist nun – neben den Proteasominhibitoren und den IMiD’  , ein weiteres Wirkprinzip in der Therapie des multiplen Myeloms angekommen, nämlich die antikörpervermittelte Zytotoxizität. Die guten Daten lassen vermuten, dass hier eine Zulassung in absehbarer Zeit erfolgen könnte. Auf dem Gebiet der therapeutischen Antikörper sind in den nächsten Jahren weitere Entwicklungen zu erwarten – erste Eindrücke waren bereits zu bekommen. Allerdings sind diese Substanzen, wie zum Beispiel der Antikörper gegen CD38, Daratumumab, oder das gegen CD56 gerichtete Antikörper-Toxin-Konjugat Lorvotuzumab-Mertansine noch nicht „ready for prime time“.

Literatur

  1. Hebraud B et al. Lost and Gain of t(4;14) and t(11;14) in Multiple Myeloma Patients Between Relapse and diagnosis: An Illustration of Clonal Dynamic During Disease Course. An IFM Study. Blood 2012;120: Abstract 196
  2. Keats JJ et al. Clonal competition with alternating dominance in multiple myeloma. Blood 2012;120(5):1067–1076
  3. Schuster SR et al. Cereblon Expression Predicts Response, Progression Free and Overall Survival After Pomalidomide and Dexamethasone Therapy in Multiple Myeloma. Blood 2012;120: Abstract 194
  4. Palumbo A et al. Overall Survival Benefit for Bortezomib-Melphalan-Prednisone-Thalidomide Followed by Maintenance with Bortezomib-Thalidomide (VMPT-VT) Versus Bortezomib-Melphalan-Prednisone (VMP) in Newly Diagnosed Multiple Myeloma Patients. Presented at Session: 653, Myeloma – Therapy, excluding Transplantation I, ASH 2012, Atlanta, Abstract 200
  5. Dimopoulos M et al. Analysis of Second-Line Lenalidomide Following Initial Relapse in the MM-015 Trial. Presented at Session: 653, Myeloma – Therapy, excluding Transplantation: Clinical issues in myeloma and amyloidosis patients: novel agent and novel agent-based combinations, ASH 2012, Atlanta Abstract 944
  6. Ludwig H et al. Treatment with Bendamustine-Bortezomib-Dexamethasone (BBD) in Relapsed/Refractory Multiple Myeloma Shows Significant Activity and Is Well Tolerated. Presented at Session: 653, Myeloma – Therapy, excluding Transplantation: Clinical issues in myeloma and amyloidosis patients: novel agent and novel agent-based combinations. ASH 2012, Atlanta, Abstract 943
  7. Dimopoulos MA et al. Pomalidomide in Combination with Low-Dose Dexamethasone Demonstrates a Significant Progression-Free Survival and Overall Survival Advantage, in Relapsed/Refractory MM: A Phase 3, Multicenter, Randomized, Open-Label Study. Presented at Late-breaking Abstract Session, ASH 2012, Atlanta, Abstract LBA-6
  8. Lacy MQ et al. Pomalidomide Plus Low-Dose Dexamethasone (Pom/Dex) in Relapsed Myeloma: Long Term Follow up and Factors Predicing Outcome in 345 Patients. Presented at Session: 653. Myeloma – Therapy, excluding Transplantation I, ASH 2012, Atlanta, Abstract 201
  9. Palumbo A et al. Pomalidomide Cyclophosphamide and Prednisone (PCP) Treatment for Relapsed/Refractory Multiple Myeloma. Blood 2012;120: Abstract 446
  10. Richardson P et al. MM-005: A Phase 1, Multicenter, Open-Label, Dose-Escalation Study to Determine the Maximum Tolerated Dose for the Combination of Pomalidomide, Bortezomib, and Low-Dose Dexamethasone in Subjects with Relapsed or Refractory Multiple Myeloma. Blood 2012;120: Abstract 727
  11. Mark TM et al. ClaPD (Clarithromycin, Pomalidomide, Dexamethasone) Therapy in Relapsed or Refractory Multiple Myeloma. Blood 2012;120: Abstract 77
  12. Korde N et al. Phase II Clinical and Correlative Study of Carfilzomib, Lenalidomide, and Dexamethasone (CRd) in Newly Diagnosed Multiple Myeloma (MM) Patients. Blood 2012;120: Abstract 732
  13. Sonneveld P et al. Carfilzomib Combined with Thalidomide and Dexamethasone (CTD) Is an Highly Effective Induction and Consolidation Treatment in Newly Diagnosed Patients with Multiple Myeloma (MM) Who Are Transplant Candidate. Blood 2012;120: Abstract 333
  14. Mikhael JR et al. Results From the Phase II Dose Expansion of Cyclophosphamide, Carfilzomib, Thalidomide and Dexamethasone (CYCLONE) in Patients with Newly Diagnosed Multiple Myeloma. Blood 2012;120: Abstract 445
  15. Palumbo A et al. Carfilzomib, Cyclophosphamide and Dexamethasone (CCd) for Newly Diagnosed Multiple Myeloma (MM) Patients. Blood 2012;120: Abstract 730
  16. Shah JJ et al. A Multi-Center Phase I/II Trial of Carfilzomib and Pomalidomide with Dexamethasone (Car-Pom-d) in Patients with Relapsed/Refractory Multiple Myeloma. Presented at Session: 653. Myeloma – Therapy, excluding Transplantation: Phase I-II trials in Relapsed and Relapsed-Refractory myeloma patients, ASH 2012, Atlanta, Abstract 74
  17. Richardson PG et al. A Phase 2 Study of Elotuzumab (Elo) in Combination with Lenalidomide and Low-Dose Dexamethasone (Ld) in Patients (pts) with Relapsed/Refractory Multiple Myeloma (R/R MM): Updated Results. Presented at Session: 653. Myeloma – Therapy, excluding Transplantation I, ASH 2012, Atlanta, Abstract 202
  18. Kumar AK et al. A Phase 1/2 Study of Weekly MLN9708, an Investigational Oral Proteasome Inhibitor, in Combination with Lenalidomide and Dexamethasone in Patients with Previously Untreated Multiple Myeloma (MM). Presented at Session: 653. Myeloma – Therapy, excluding Transplantation: Treatment options for newly diagnosed myeloma patients, ASH 2012, Atlanta, Abstract 332

MDS: Patienten mit verschiedenen Risikoprofilen individuell therapieren

Dr. med. Florian Nolte, Universitätsklinikum Mannheim

Mit über 300 Beiträgen gehörten die myelodysplastischen Syndrome (MDS) auch auf dem diesjährigen ASH-Kongress zu den stark vertretenen hämatologischen Neoplasien. Die MDS dürften damit einen festen Stellenwert sowohl in der hämatologischen Forschungs- wie Kliniklandschaft haben. Nachdem insbesondere im letzten Jahr die Identifizierung neuer molekularer Marker, wie der Mutationen in Genen des Spliceosoms, die Nachrichten zum MDS dominiert haben, blieben wesentliche „Neuentdeckungen“ auf diesem Gebiet in diesem Jahr weitgehend aus.

Hinsichtlich der molekulargenetischen Veränderungen beim MDS standen Beiträge zu molekularen Veränderungen des p53-Gens und assoziierter Gene sowohl bezüglich ihrer pathobiologischen wie prognostischen Relevanz im Vordergrund. Auf dem Gebiet der therapeutischen Möglichkeiten beim MDS spielten Therapieoptionen nach Versagen der Standardtherapien wie 5-Azacytidin und Lenalidomid eine wesentliche Rolle.

Myelodysplastische Syndrome – was steckt dahinter?

Nach wie vor ist keine „MDS-exklusive“ molekulare Veränderung bekannt, die pathognomonisch für eine bestimmte MDS-Entität ist. Auch die Frage, warum die einen Patienten ein MDS entwickeln und andere nicht, bleibt unklar. Vor diesem Hintergrund untersuchten McGraw und Mitarbeiter, ob das Vorliegen bestimmter sogenannter Einzelnukleotid-Polymorphismen (engl.: single nucleotide polymorphism; SNP) im p53-assoziierten Gen MDM2 mit einer höheren Vulnerabilität dieser Patienten für die Entwicklung eines MDS einhergeht und fanden heraus, dass Patienten, die entweder den Polymorphismus SNP285 oder SNP309 trugen, eine höhere „Empfindlichkeit“ für die Entwicklung eines MDS aufwiesen [1].

Diese Daten sollten allerdings – und hierauf wurde von den Autoren auch hingewiesen – an weiteren unabhängigen und vor allem auch größeren Kohorten validiert werden, ehe derartige – zwar sehr interessante, aber präliminäre – Befunde in die Beratung von Patienten Eingang finden und unter Umständen zu enormer Unsicherheit und Besorgnis führen.

Diagnostik der MDS – Chromosomenanalyse nur aus dem Knochenmark?

Zur obligaten Diagnostik und Prognostik der MDS gehört neben der Zytomorphologie die Zytogenetik. Während bisher eine Knochenmarkpunktion zur zytogenetischen Diagnostik als unumgänglich angesehen wurde, wurden aus der Arbeitsgruppe um Prof. Haase vom Universitätsklinikum Göttingen interessante Daten zur Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) aus angereicherten CD34+-Zellen aus dem peripheren Blut präsentiert [2]. Insgesamt wurden 361 Patienten über 3 Jahre sequenziell mittels FISH analysiert. Zirkulierende CD34+-Zellen wurden mittels immunomagnetischer Zellseparation aus dem peripheren Blut isoliert und angereichert. Die FISH-Befunde wurden mit den Befunden der konventionellen Metaphasenzytogenetik aus dem Knochenmark und den peripheren angereicherten CD34+-Zellen korreliert. Zur FISH-Analyse kamen Sondenpanels gegen die häufigsten zytogenetischen Aberrationen bei MDS zum Einsatz. Chromosomale Aberrationen konnten in 71,5 % aller analysierten Patienten in den CD34+-Zellen des peripheren Blutes nachgewiesen werden. Bei 99 % der Patienten mit Deletion (5q) in der Chromosomenbänderungsanalyse aus dem Knochenmark wurde diese Aberration auch in den CD34+-Zellen des peripheren Blutes nachgewiesen. Die Korrelation zwischen FISH und konventioneller Chromosomenbänderungsanalyse war in beiden Kompartimenten (peripheres Blut, Knochenmark) hochsignifikant.

„Die FISH-Analyse aus zirkulierenden CD34+-Zellen wird in Zukunft eine Rolle in der Diagnostik und im Follow-up von MDS-Patienten spielen.“ Dr. Florian Nolte

MDS mit Deletion (5q) – Wirksamkeit von Lenalidomid und die Rolle von p53-Mutationen

Lenalidomid ist in Deutschland zur Behandlung von Patienten mit transfusionsabhängiger Low- und Int-1-MDS und Deletion (5q) [MDSdel(5q)] nicht zugelassen, wohl aber in den USA. In mehreren Studien hat Lenalidomid seine Wirksamkeit und gute Verträglichkeit in dieser Indikation gezeigt, was auch auf dem diesjährigen ASH-Kongress durch verschiedene Beiträge unterstützt wurde, wie zum Beispiel in der Auswertung des italienischen Registers von Mecucci et al. [3].

Das oben erwähnte MDM2-Gen ist ein negativer Regulator des p53-Gens, welches zuletzt in den Fokus des Interesses beim MDS geraten ist, nachdem Mutationen im p53-Gen als mögliche Ursache für die große prognostische Heterogenität bei Patienten mit MDSdel(5q) identifiziert wurden [4]. Welchen Einfluss das Vorliegen einer solchen Mutation auf das Therapieansprechen mit Lenalidomid hat und ob p53-Mutationen in diesen Patienten einen Einfluss auf das Gesamtüberleben haben, wurde von einer französischen Arbeitsgruppe untersucht. Bally und Kollegen konnten zeigen, dass Patienten mit MDSdel(5q) ein gutes hämatologisches Ansprechen zeigten, unabhängig davon, ob die Patienten eine p53-Mutation aufwiesen oder nicht [5]. Auch das Gesamtüberleben und die AML-Transformationsrate waren in beiden Patientengruppen gleich. Interessanterweise erreichten die Patienten mit einer p53-Mutation signifikant seltener eine zytogenetische Remission als die Patienten mit dem Wildtyp-Gen.

„Die prognostische Relevanz von Mutationen im p53-Gen bei Patienten mit MDSDel(5q) ist noch nicht abschließend geklärt.“ Dr. Florian Nolte

Im Falle einer Resistenz von Patienten mit MDSdel(5q) gegenüber Lenalidomid stellt sich die Frage nach möglichen anderen therapeutischen Angriffspunkten. Lenalidomid scheint über eine Stabilisierung von MDM2 die Degradierung von p53 zu bewirken. Erythroide Vorläuferzellen zeigen bei Patienten mit MDSdel(5q), die auf eine Behandlung mit Lenalidomid ansprechen, einen Abfall in der p53-Expression, während es im Falle der Entwicklung einer Resistenz zu einem Anstieg der p53-Expression kommt. Die Arbeitsgruppe um Alan List konnte in In-vitro-Analysen zeigen, dass Cenersen – ein Antisense-Oligonukleotid, welches komplementär zur kodierenden Sequenz von Exon 10 des p53-Gens ist – in der Lage ist, das erythroide Differenzierungspotenzial von CD34+-Stammzellen von Patienten mit MDSdel(5q) wiederherzustellen [6].

Die Wirksamkeit von 5-Azacytidin bei Patienten mit MDSdel(5q) und Lenalidomidresistenz wurde von Komrokji und Kollegen untersucht [7]. Insgesamt wurden 36 Patienten mit Low- und High-Risk-MDS mit 5-Azacytidin, das in Deutschland für die Therapie der High-Risk-MDS zugelassen ist, nach Lenalidomidversagen behandelt. Die Gesamtansprechrate lag hier bei 50 %, wobei bei der Mehrheit der Patienten eine Stabilisierung mit hämatologischem Ansprechen erreicht wurde. Eine Minderheit erreichte eine komplette Remission (CR), eine zytologische CR beziehungsweise eine partielle Remission. Die Autoren folgern daraus, dass 5-Azacytidin eine wirkungsvolle Salvagetherapie bei mit Lenalidomid vorbehandelten Patienten mit MDSdel(5q) ist.

„5-Azacytidin ist eine wirkungsvolle und gut verträgliche Therapieoption bei Patienten mit MDSdel(5q) und Lenalidomidversagen.“ Dr. Florian Nolte

Behandlung von Niedrigrisiko-MDS – orale Therapieoption in Entwicklung

Vielversprechende Daten wurden auch zur Behandlung von Patienten mit Niedrigrisiko-MDS präsentiert, die mit der oral verfügbaren Formulierung von 5-Azacytidin behandelt wurden, wobei zwei unterschiedliche Dosierungsschemata untersucht wurden: 300 mg täglich an Tag 1–14 und 300 mg täglich an Tag 1–21, jeweils in 28-Tage-Zyklen. Das Ansprechen lag in der Kohorte, die 300 mg täglich über 14 Tage erhalten hatte, bei 42,3 %, während es in der Kohorte, die 300 mg täglich über 3 Wochen erhalten hatte, bei 37 % lag. Über beide Dosisgruppen lag das Gesamtansprechen bei 39,6 %. Die Autoren folgern daraus, dass mit beiden Dosierungen eine vergleichbare Effektivität zu erzielen ist. Neben hämatologischen Nebenwirkungen wie Zytopenien traten vor allem gastrointestinale Nebenwirkungen auf, die aber gut zu beherrschen waren [8] (s. Tab. 1). Der Start einer Phase-III-Studie steht auch in Deutschland kurz bevor.

Tab. 1: Hämatologisches Ansprechen und Transfusionsunabhängigkeit unter oralem 5-Azacytidin (modifiziert nach Garcia-Manero G et al.). Presented at Session: 633. Myelodysplastic Syndromes: Updates on Therapy and Prognosis, ASH 2012, Atlanta, Abstract 424 [8]

Die Behandlung der Hochrisiko-MDS – 5-Azacytidin: Bestätigung der Wirksamkeit und Verträglichkeit

In Deutschland ist bisher lediglich 5-Azacytidin in der Therapie der Hochrisiko-MDS zugelassen. Die gute Wirksamkeit (unter anderem auch bei Hochrisiko-Karyotypen   wie sich in einigen Beiträgen in diesem Jahr wieder bestätigte [9,10]) und Verträglichkeit beider Substanzen hat dazu geführt, dass 5-Azacytidin der Goldstandard in der Behandlung der Patienten ist. Vor dem Hintergrund der meist älteren Patienten mit oft vorliegenden Begleiterkrankungen wie unter anderem Niereninsuffizienz stellt sich jedoch oft die Frage nach der Verträglichkeit und nach notwendiger Dosisreduktionen. Douvali und Mitarbeiter untersuchten die Sicherheit und Wirksamkeit von 5-Azacytidin bei Patienten mit leichter bis moderater Niereninsuffizienz beziehungsweise normaler Nierenfunktion entsprechend der glomerulären Filtrationsrate [11]. Alle Patienten (n = 42) wurden mit 5-Azacytidin (75 mg/m2) für 7 Tage in 28-Tage-Zyklen behandelt. Das mediane Follow-up und die mediane Anzahl der 5-Azacytidin-Zyklen betrugen 9,5 Monate (1–37,2 Monate) beziehungsweise 5,5 Monate (1–29 Monate). Weder hinsichtlich der Wirksamkeit (Event free survival = EFS), Overall Survivals = OS) noch im Hinblick auf unerwünschte Nebenwirkungen fand sich ein Unterschied zwischen den 3 Patientengruppen, allerdings wiesen die Autoren auf die kleine untersuchte Patientenzahl hin (s. Abb.1).

Abb. 1: Die Nierenfunktion bei MDS-Patienten, die mit 5-Azacytidin behandelt werden, wirkt sich nicht auf das Gesamtüberleben aus (modifiziert nach Douvali E et al. Blood 2012; 120: Abstract 1716 [11])

„5-Azacytidin scheint auch bei leichter bis moderater Einschränkung der Nierenfunktion gut verträglich und wirksam zu sein, was vor dem Hintergrund der oft vorliegenden Komorbiditäten der MDS-Patienten von großer klinischer Bedeutung ist.“ Dr. Florian Nolte

In eine ähnliche Richtung ging eine Subgruppenanalyse der oben genannten AZA-001-Studie, die zur Zulassung von 5-Azacytidin geführt hatte. In dieser Studie wurde 5-Azacytidin mit konventionellen Behandlungsstrategien, wie der reinen Supportivtherapie, niedrig dosiertem Cytarabin oder der intensiven Induktionschemotherapie, verglichen [12]. Erstmals konnte für 5-Azacytidin als erstem Medikament bei Hochrisiko-MDS unter anderem ein Überlebensvorteil nachgewiesen werden. Die prognostische Relevanz einer Hypozellularität des Knochenmarks wird aktuell kontrovers diskutiert: Während einige Publikationen sie mit einer schlechteren Prognose assoziieren, weisen andere Daten auf keinerlei prognostische Relevanz hin. Seymour und Koautoren konnten nun in einer Post-hoc-Analyse zeigen, dass auch Patienten mit hypozellulärem Knochenmark von der Behandlung mit 5-Azacytidin profitieren bei gleichem Nebenwirkungsprofil wie bei Patienten mit normo- beziehungsweise hyperzellulärem Knochenmark [13].

„Das Vorliegen eines hypozellulären Knochenmarks scheint nicht rechtfertigen zu können, Patienten mit Hochrisiko-MDS eine Behandlung mit 5-Azacytidin vorzuenthalten.“ Dr. Florian Nolte

Inwiefern p53-Mutationen bei Patienten mit Hochrisiko-MDS unter 5-Azacytidinbehandlung eine prognostische Relevanz besitzen, wurde ebenfalls von der französischen MDS-Studiengruppe untersucht [14]. Interessanterweise war in dieser Untersuchung an 72 Patienten (29 Patienten davon mit p53-Mutationen) das Vorliegen einer p53-Mutation in der multivariaten Analyse (weitere Variablen: Karyotyp, medullärer Blastenanteil) ein unabhängiger prognostischer Marker für ein kürzeres Gesamtüberleben (s. Abb. 2).

Abb. 2: Eine p53-Mutation ist bei Patienten, die mit 5-Azacytidin behandelt werden, ein unabhängiger Prognosefaktor für das Überleben (modifiziert nach Bally C et al. Blood 2012;120: Abstract 1706 [14])

Myelosuppression ist eine häufige Nebenwirkung von 5-Azacytidin, insbesondere während der ersten Therapiezyklen. Bei der in der absoluten Mehrzahl ambulant durchgeführten Therapie besteht oft Unsicherheit über das Management von Patienten mit Neutropenie, die ein deutlich höheres Risiko für die Entwicklung von Infektionen haben. Der Frage, welche Faktoren schwere infektiöse Komplikationen begünstigen und welchen Stellenwert eine Infektionsprophylaxe bei Patienten unter einer 5-Azacytidintherapie hat, wurde in einer retrospektiven Analyse weiter nachgegangen [15]. Insgesamt wurden 144 Patienten untersucht, wobei 90 dieser Patienten eine Infektionsprophylaxe mit Levofloxacin und Posaconazol erhielten und 54 Patienten keine Prophylaxe. In dieser Analyse war der einzige Faktor, der signifikant mit schweren, intensivpflichtigen und tödlichen Verläufen assoziiert war, die absolute Neutrophilenzahl (engl.: absolute neutrophil count; ANC) vor Therapiebeginn, wobei die Patienten mit einem fatalen Verlauf im Median einen ANC von 700/µl aufwiesen im Gegensatz zu den übrigen Patienten (ANC 1.900/µl). Allerdings war der Anteil der Patienten, die wegen Sepsis stationär aufgenommen werden mussten oder aufgrund von Infektionen verstarben, bei den Patientengruppen mit und ohne Infektionsprophylaxe nicht signifikant unterschiedlich. Die Autoren fordern zu recht prospektive und randomisierte Studien, um den genauen Stellenwert einer antiinfektiösen Prophylaxe zu etablieren.

„Derzeit kann keine generelle Empfehlung für eine antiinfektiöse Prophylaxe gegeben werden.“ Dr. Florian Nolte

Die Prognose von Patienten mit primärem Versagen auf 5-Azacytidin oder von Patienten, die im Verlauf refraktär werden, ist schlecht. Das mediane Überleben dieser Patienten liegt bei ca. 4–6 Monaten. Ob in dieser Situation eine Umstellung auf die ebenfalls demethylierende Substanz Decitabin, die in Europa bislang nur für die Indikation AML zugelassen ist, sinnvoll ist, wurde von einer amerikanischen Arbeitsgruppe untersucht, die retrospektiv 22 Patienten mit MDS oder akuter myeloischer Leukämie (AML) analysiert hat. Hier zeigte sich, dass alle Patienten, die nach 5-Azacytidinversagen auf Decitabin umgestellt worden waren, refraktär auf die Behandlung waren oder nach einem Median von 2 Zyklen progredient waren [16]. Allerdings wurden auch Daten präsentiert, die den gegenteiligen Schluss zulassen, nämlich dass Decitabin, gefolgt von 5-Azacytidin, durchaus erfolgversprechend sein kann [17].

„Die Datenlage zur sequenziellen Salvagetherapie mit zwei demethylierenden Substanzen ist schwach. Prospektive, randomisierte Studien wären wünschenswert.“ Dr. Florian Nolte

Für Patienten mit 5-Azacytidinversagen scheinen erfreulicherweise einige Substanzen identifiziert worden zu sein, die hoffnungsvoll stimmen. So wurden zum Beispiel Phase-I-II-Daten zur Wirksamkeit von Rigosertib bei Patienten, die entweder refraktär auf demethylierende Substanzen waren oder ein Rezidiv unter Therapie erlitten hatten, mit diesem Multi-Kinase/PI3-Kinase-Inhibitor behandelt. Es wurden insgesamt 21 Patienten behandelt, deren medianes Alter bei 79 Jahren lag, die Mehrheit der Patienten hatte eine sekundäre AML aus MDS. Rigosertib wurde in unterschiedlichen Dosierungen (min. 650 mg bis max. 1.700 mg) alle 2 Wochen über 72 Stunden als kontinuierliche Infusion gegeben. Insgesamt zeigten 50 % der auswertbaren Patienten (n = 18) ein zytologisches Ansprechen (Knochenmark oder peripheres Blut) oder eine stable disease. Das Gesamtüberleben der Patienten, die eine CR oder PR im Knochenmark erreichten, war signifikant verlängert im Vergleich zu Patienten, die dies nicht erreichten (10,1 versus 2 Monate) [18].

Myelodysplastische Syndrome – Neuigkeiten von der allogenen Transplantation?

Demethylierende Substanzen scheinen – sei es als Bridging vor Transplantation [19], Maintentancen [20] oder Salvagetherapie im Rezidiv [21] nach Transplantation – im Setting der allogenen Stammzelltransplantation bei MDS Potenzial zu haben, allerdings fehlen prospektive, randomisierte Studien, die eine belastbare Aussage zum Stellenwert der allogenen Stammzelltransplantation insbesondere bei älteren Patienten im Vergleich zu demethylierenden Substanzen erlauben.

Literatur

  1. McGraw KL et al. Association of MDM2 Gene Polymorphisms SNP285 and 309 with Myelodysplastic Syndromes (MDS) Susceptibility and Outcome. Blood 2012;120: Abstract 2823
  2. Braulke F et al. CD34+ FISH As a New Method for Molecular-Cytogenetic Diagnostic From Peripheral Blood in MDS: Update of the Multicenter German Prospective Diagnostic Study. Blood 2012;120: Abstract 3816
  3. Mecucci C et al. Lenalidomide in Myelodysplastic Syndromes with 5q Deletion. Results From the Italian National Cancer Registry. Blood 2012;120: Abstract 3850
  4. Jädersten M et al. TP53 mutations in low-risk myelodysplastic syndromes with del(5q) predict disease progression. J Clin Oncol 2011;29(15):1971–1979
  5. Bally C et al. Incidence and Prognostic Value of TP53 Mutations in Lower Risk MDS with Del 5q. Blood 2012;120: Abstract 2809
  6. Caceres G et al. Targeted Repression of TP53 Promotes Erythropoiesis in Del(5q) MDS and Overcomes Clinical Resistance to Lenalidomide. Blood 2012;120: Abstract 920
  7. Komrokji R et al. Azacitidine Treatment for Lenalidomide (LEN)-Resistant Myelodysplastic Syndrome (MDS) with Del 5q. Blood 2012; 120: Abstract 3833
  8. Garcia-Manero G et al. Safety and Efficacy of Oral Azacitidine (CC-486) Administered in Extended Treatment Schedules to Patients with Lower-Risk Myelodysplastic Syndromes. Presented at Session: 633. Myelodysplastic Syndromes: Updates on Therapy and Prognosis, ASH 2012, Atlanta, Abstract 424
  9. Díez-Campelo M et al. Is Azacitidine (AZA) Really Effective in High Risk MDS Patients with Chromosome 7 Abnormalities (Abn 7)? Results of a Retrospective Study From the GFM and GESMD Registries. Blood 2012;120: Abstract 1713
  10. Sebert M et al. Impact of Cytogenetics and Cytogenetic Response On Outcome in MDS Treated with Azacitidine (AZA). Blood 2012; 120: Abstract 2807
  11. Douvali E et al. Safety and Efficacy of Azacitidine in Myelodysplastic Syndrome (MDS) Patients with Mild and Moderate Renal Impairment. Blood 2012;120: Abstract 1716
  12. Fenaux P et al. Efficacy of azacitidine compared with that of conventional care regimens in the treatment of higher-risk myelodysplastic syndromes: a randomised, open-label, phase III study. Lancet Oncol 2009;10(3):223–232
  13. Seymour JF et al. Bone Marrow Hypocellularity Does Not Impair the Tolerability or Efficacy of Azacitidine (AZA) in Patients with Higher-Risk Myelodysplastic Syndromes Treated in the AZA-001 Study. Blood 2012;120: Abstract 3808
  14. Bally C et al. Prognostic Value of TP53 Gene Mutations in Higher Risk MDS Treated with Azacitidine. Blood 2012;120: Abstract 1706
  15. Vidal V et al. Prognostic Factors of Severe Infections, and Effect of Primary Anti-Infectious Prophylaxis in MDS Patients Treated with Azacitidine (AZA). A Single Center Study On 144 Patients. Blood 2012;120: Abstract 3812
  16. Bhatnagar B et al. Lack of Response of Myelodysplastic Syndrome (MDS) and Acute Myeloid Leukemia (AML) to Decitabine After Failure of Azacitidine. Blood 2012;120: Abstract 3858
  17. Apuri S et al. Evidence for Selective Benefit of Sequential Treatment with Azanucleosides in Patients with Myelodysplastic Syndromes (MDS). . Blood 2012;120: Abstract 4937
  18. Navada S et al. Evaluation of Rigosertib in Patients with a Myelodysplastic Syndrome (MDS) or Acute Myeloid Leukemia (AML) Relapsed or Refractory to Hypomethylating Agents: A Phase I/II Study. Blood 2012;120: Abstract 3794
  19. Schlenk RF et al. Azacitidine-Containing Induction Regimens Followed by Azacitidine Maintenance Therapy in High Risk Acute Myeloid Leukemia: First Results of the Randomized Phase-II AMLSG 12-09 Study (ClinicalTrials.gov No. NCT01180322). Blood 2012;120: Abstract 412
  20. De Lima M et al. Low Dose Azacitidine (AZA) Reduces the Incidence of Chronic Graft-Versus-Host Disease (cGVHD) After Allogeneic Hematopoietic Stem Cell Transplantation (HSCT). Blood 2012;120: Abstract 742
  21. Schroeder T et al. Salvage Therapy with Azacitidine Increases Regulatory T Cells in Patients with AML or MDS and Early Relapse After Allogeneic Blood Stem Cell Transplantation. Blood 2012; 120: Abstract 1964

Mit vielversprechenden neuen Substanzen auf dem Weg zu einer chemotherapiefreien Behandlung für Patienten mit malignen Lymphomen

Dr. med. Rolf Mahlberg, Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen, Trier

In den letzten 10–15 Jahren wurden signifikante Fortschritte im Verständnis der Biologie von Lymphomen gemacht. So führte zum Beispiel die Aufnahme von Rituximab in die First-Line-Therapie zu deutlich effektiveren Behandlungsmöglichkeiten. Etablierte Chemo-/Immuntherapien gehen aber mit erheblicher Toxizität einher. Und bei aggressiven Lymphomen sind immer noch Fragen offen, so zum Beispiel wie moderne prognostische Faktoren für individualisierte Therapien genutzt werden können und welche therapeutischen Möglichkeiten bei Patienten mit ungünstigen genetischen Profilen noch zur Verfügung stehen.

Während der diesjährigen Tagung der American Society of Hematology (ASH) wurden zum Thema Lymphome aktuelle Daten präsentiert, die sich dieser Problematik angenommen hatten. Sie wiesen auf vielversprechende neue Therapieoptionen hin, die immer mehr auf die klassischen Zytostatika verzichten können. So sind besonders der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Ibrutinib und der Immunmodulator Lenalidomid Kandidaten, denen in diesem Zusammenhang während der diesjährigen ASH-Tagung ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Neuen Signalweg effektiv hemmen

Die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) gehört zu den Tyrosinkinasen der Tec-Familie, die vor allem in B-Zellen exprimiert ist. BTK übernimmt wichtige Funktionen in der Amplifikation von Signalen von mehreren Rezeptoren an der Zelloberfläche und bei der Vermittlung des B-Zell-Rezeptor-Signals ins Zellinnere, und das sowohl bei gesunden als auch bei entarteten B-Zellen. Die meisten B-Zell-Tumoren sind im Hinblick auf Proliferation und Überleben abhängig von der BTK. Insofern verspricht sich die Fachwelt viel von Inhibitoren dieses Signalwegs, unter anderem auch bei B-CLL- und Mantelzelllymphomen, zumal herkömmliche Chemotherapiebasierte Behandlungsoptionen teilweise mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen.

BTK-Inhibitor Ibrutinib (PCI-32765) in Kombination mit Rituximab gut verträglich und effektiv bei Hockrisiko-CLL

Chemoimmuntherapie-Kombinationen wie Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab haben die Therapieergebnisse der CLL besonders bei jüngeren, fitten Patienten erheblich verbessert. Für ältere Patienten gehen diese Therapien aber teilweise mit kaum zu tolerierenden Nebenwirkungen einher. Außerdem kommt es nicht selten zu Rückfällen. Das war der Grund für eine multizentrische Phase-I/II-Studie mit dem oralen BTK-Inhibitor Ibrutinib (PCI-32765) [1].Ibrutinib fördert bei CLL-Zellen die Apoptose und verhindert die Migration und die Adhäsion von CLL-Zellen. 116 Patienten mit CLL oder kleinzelligem Lymphom (SLL) wurden entweder in der Erst- oder Zweitlinientherapie mit zwei verschiedenen Dosen Ibrutinib (420 mg/Tag oder 840 mg/Tag) behandelt. Auch Patienten mit erhöhtem genetischem Risiko, wie del17p oder del11q, wurden rekrutiert. Die 31 Patienten in der Erstlinientherapie hatten ein medianes Alter von 71 Jahren, die 85 Patienten in der Rezidiv- oder refraktären Situation (R/R) waren im Median 66 Jahre alt. In den R/R-Gruppen waren 85 % der Patienten unmutiert, 35 % hatten eine del17p- und 39 % eine del11q-Mutation. 32 % hatten in dieser Gruppe ‹ 3 und 68 % >= 3 Vortherapien. Zu hämatologischen Nebenwirkungen der Grade III und IV kam es bei den vorbehandelten Patienten etwas häufiger als bei den nicht vorbehandelten Patienten (13 % vs.6 %). An nichthämatologischen Nebenwirkungen trat häufiger eine Diarrhö auf, die aber selten die Grade III/IV erreichte.

Patienten, die in der First-Line behandelt wurden, wiesen eine ORR-Rate von 68 % auf, rückfällige/refraktäre (R/R) Patienten sogar eine ORR-Rate von 71 %. Nach 26 Monaten waren noch 96 % der nicht vorbehandelten Patienten progressionsfrei und auch 96 % lebten noch. Von den RR-Patienten waren noch 75 % progressionsfrei und 83 % dieser Patienten lebten noch nach 26 Monaten. Mehr als die Hälfte dieser Patienten wies eine del17p-Mutation auf. Auch nach zwei Jahren kontinuierlicher Ibrutinib-Monotherapie waren keine Sicherheitsprobleme aufgetreten.

In einer weiteren Studie wurden diese positiven Ergebnisse zum BTK-Inhibitor Ibrutinib bestätigt [2]. In der Studie von Burger und Kollegen wurde der BTK-Inhibitor in Kombination mit Rituximab (IR) bei CLL-Patienten mit hohem Risiko eingesetzt. Die Hochrisikosituation definierte sich folgendermaßen:

  • 17p- oder P53-Mutation
  • Deletion 11q
  • Remissionsdauer ‹ 3Jahre nach der Erstlinientherapie

Ibrutinib (375 mg/m2) wurde kontinuierlich einmal am Tag oral und Rituximab (375 mg/m2) im ersten Monat wöchentlich und in den Monaten 2–6 nur noch einmal pro Monat appliziert. Innerhalb der Monate 3–6 wurde bei 83 % der Patienten ein Gesamtansprechen (OR) erreicht. Besonders auffällig war die Verbesserung des Zielkriteriums TTF (Zeit bis zum Fehlschlagen der Therapie) unter der Therapie mit IR im Vergleich zu einer bisher üblichen Rezidivtherapie der 17p-Mutation (s. Abb. 1).

Abb. 1: Zeit bis zum Therapieversagen unter der Therapie mit Ibrutinib und Rituximab im Vergleich zu einer bisher üblichen Chemo-/Immuntherapie bei vorbehandelten Patienten mit 17p-Mutation (modifiziert nach Burger J et al. Presented at Session: 642. CLL – Therapy, excluding Transplantation: New Targeted Therapies, ASH 2012, Atlanta, abstract 187 [2]

Nebenwirkungen waren auch in dieser Studie häufig (25 %) Diarrhö, aber überwiegend der Grade I und II, und Anämien, die aber nur selten (‹ 5 %) Grad 4 erreichten. Häufig ist eine transiente Lymphozytose bei Beginn der Therapie, die ungefähr 8 Wochen andauert.

Fazit:
In diesen beiden Studien zeigten sich sowohl bei bisher unbehandelten als auch bei rezidivierten und refraktären Patienten unter Ibrutinib hohe Ansprechraten in der Behandlung der CLL, was allerdings noch in weiteren Studien bestätigt werden sollte.

„Die Daten zum progressionsfreien und Gesamtüberleben in der Hochrisikogruppe sind die besten, die bisher je erzielt wurden. Sie könnten nach Bestätigung in Phase-III-Studien die Therapiealgorithmen der CLL verändern.“ Dr. Rolf Mahlberg

Ibrutinib – Bestätigung der Wirksamkeit und Verträglichkeit auch bei Mantelzelllymphomen

In einer internationalen multizentrischen Phase-II-Studie hatten Michael Wang und Kollegen den Einsatz von Ibrutinib in der Behandlung des rezidivierten und refraktären Mantelzelllymphoms überprüft. Erste Zwischenergebnisse wurden jetzt in Atlanta vorgestellt [3]. Die Patienten in dieser Studie werden mit 560 mg Ibrutinib täglich bis zur Progression behandelt. Eingeschlossen sind 122 Patienten, davon 65 Bortezomib-naive sowie 58 Patienten völlig ohne Vortherapie und 50 Patienten mit mindestens 2 Zyklen Bortezomib in der Vortherapie. Die aktuelle Auswertung bezog sich auf 110 Patienten. Im Median wiesen die Patienten drei Vorbehandlungen auf, 10 % der Patienten waren sogar schon einmal einer Hochdosistherapie unterzogen worden. 23 % hatten in der Vortherapie auch Lenalidomid erhalten. In der Bortezomib-naiven Gruppe zeigte sich ein komplettes Ansprechen (CR) bei 21 %, ein partielles Ansprechen (PR) bei 44 % der Patienten. Das Gesamtansprechen (RR) betrug 65 %. Bei mit Bortezomib vorbehandelten Patienten kam es bei 23 % zu einer CR, bei 49 % zu einer PR, insgesamt betrug die RR 72 %. Auffällig bei den Ansprechraten ist die Tatsache, dass die Anzahl der Vorbehandlungen, der MIPI-Score oder die Frage, ob die Erkrankung bisher refraktär war oder nicht, keine Rolle zu spielen scheint. Die Zeit bis zum Ansprechen betrug 1,8–1,9 Monate, die bis zum Erreichen einer CR 3,9–5,6 Monate. Das PFS liegt im Median bei 13,9 Monaten und die mediane Ansprechdauer ist noch nicht erreicht.

Fazit:
Mit Ibrutinib lassen sich also auch bei diesem Patientenkollektiv mit niedriger Toxizität sehr hohe Ansprechraten erreichen. Das würde bei Bestätigung dieser Daten in weiteren Studien eine ganz erhebliche Verbesserung der Prognose für diese fast hoffnungslose Patientengruppe bedeuten.

Herausforderung diffus großzelliges B-Zell-Lymphom

Die Therapie des diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DBLC) stellt immer noch eine große Herausforderung für die Hämatologie dar, zumal es potentiell auch verschiedene molekulare Subtypen zu berücksichtigen gilt. Eine Arbeitsgruppe um Wilson hatte den Einsatz von Ibrutinib bei diesem aggressiven NHL untersucht [4]. 70 Patienten mit neu diagnostiziertem DBLC erhielten 560 mg Ibrutinib oral täglich bis zur Progression. Eine Stratifikation der Patienten nach ABC (aktivierter B-Zell)-Typ und GCB (Keimzentrumstyp) des DLBCL wurde durchgeführt. Die Patienten hatten im Mittel drei Vortherapien, 23 % eine Hochdosistherapie und 54 % zeigten eine refraktäre Erkrankung. Die Patienten waren im Median 62 Jahre (ABC) und 65 Jahre (GCB) alt.

Das Auftreten von Grad 3–4-Toxizitäten lag bei weniger als 10 % in den einzelnen Toxizitätsgruppen. Die Ansprechraten unterschieden sich in der ABC-Gruppe und der GCB-Gruppe (ABC-Gruppe: CR: 17 %, PR: 24 %, RR: 41 %; GCB-Gruppe: PR: 5 %). Das mediane Überleben betrug in der ABC-Gruppe 9,76 Monate und in der GCB-Gruppe 3,35 Monate.

Auffällig ist hier, dass die Ansprechrate weitgehend auf die Patienten mit dem DLBCL vom ABC-Typ beschränkt ist. Die Mutationsanalyse zeigt, dass ein CD79B-mutiertes Lymphom eine hohe Wahrscheinlichkeit eines therapeutischen Ansprechens zeigt, wobei diese Mutation für die Wirkung nicht unabdingbar ist. Card11-mutierte Lymphome sind gegen die Therapie mit Ibrutinib offensichtlich resistent.

Fazit:
Die Daten, die zu Ibrutinib bei der CLL, dem Mantelzelllymphom sowie dem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom vorgestellt wurden, sind allesamt ermutigend. Patienten, die in einer therapeutisch ausweglosen Situation sind, kann bald vielleicht eine wirksame und nebenwirkungsarme Therapie angeboten werden.

„Ibrutinib könnte zum Imatinib der CLL werden.“ Dr. Rolf Mahlberg

Lenalidomid auch wirksam bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL)

Der Immunmodulator Lenalidomid ist bisher zugelassen für die Therapie des multiplen Myeloms. Basierend auf der Annahme, dass Lenalidomid auch bei Lymphomen wirksam ist, wurden bei der ASH-Tagung einige Studien zum Einsatz von Lenalidomid bei Lymphomen präsentiert. So wurden in einer Phase-II-Studie Patienten mit dem Rezidiv einer CLL mit der Kombination aus Lenalidomid und Ofatumumab behandelt [5]. Ofatumumab, ein vollständig humanisierter CD20-AK, ist wirksam bei der rezidivierten CLL. Bereits in vitro zeigte die Kombination von Ofatumumab und Lenalidomid einen Therapiesynergismus, ohne dass hier eine überlappende Toxizität zu erwarten ist. In der Phase-II-Studie von Ferrajoli et al. betrug die Startdosis Ofatumumab 300 mg, die Folgedosis 1.000 mg. Lenalidomid wird von Tag 9 bis zur Progression mit 10 mg täglich verabreicht. Das Patientenalter lag im Median bei 64 Jahren, und bereits alle Patienten hatten eine Therapie mit FC-Rituximab in der Vorgeschichte. Bei 34 ausgewerteten Patienten war bei 24 % eine CR und bei 44 % eine PR mit einer Gesamtansprechrate von 68 % erzielt worden. Das mediane PFS betrug 16 Monate, das 2-Jahres-Überleben 73 %. An Nebenwirkungen traten Neutropenien (53 %), Thrombozytopenien (12 %) und Infektionen (alle Formen: 41 %, VTE: 1 %) auf.

Beim Vergleich dieser Daten mit einer Studie aus den Jahren 2008–2009, die eine Kombination aus Rituximab und Lenalidomid untersuchte, fällt auf, dass bei einem vergleichbaren Patientenkollektiv in der Rituximab-Kombination nur eine CR-Rate von 12 % erreicht wurde. In dieser Studie mit der Kombination aus Lenalidomid und Ofatumumab hingegen war die CR-Rate mit 24 % doppelt so hoch. PFS und OS waren allerdings in beiden Studien vergleichbar.

„Die Kombination aus Lenalidomid und Ofatumumab stellt eine sichere und gut wirksame Behandlungsalternative in der Therapie der rezidivierten CLL dar, die in weiteren Studien untersucht wird.“ Dr. Rolf Mahlberg

Indolente Lymphome: Lenalidomid plus Rituximab führt zu langem progressionsfreien Überleben

103 Patienten mit indolenten NHL (SLL, Marginalzonenlymphom und FL) schlossen Fowler et al in eine Phase-II-Studie ein und behandelten sie mit der Kombination aus Lenalidomid und Rituximab [6]. Die Gesamtansprechrate (ORR) aller Patienten betrug 90 %. Bei den Patienten mit follikulärem Lymphom (FL) ist die Ansprechrate hoch – unabhängig vom FLIPI- Score oder den GELF-Kriterien zum Zeitpunkt des Studieneintritts. Nach Beendigung der Therapie zeigen fast alle FL-Patienten eine molekulargenetische komplette Remission (CR), untersucht durch eine BCL-2-PCR. 45 Patienten hatten zu Therapiebeginn ein positives PET. 42 Patienten erreichten ein komplettes metabolisches Ansprechen. Bei einer medianen Verlaufsbeobachtung von 22 Monaten waren 83 % aller Patienten noch progressionsfrei, bei FL-Patienten sogar 89 % (s. Abb. 2). Nebenwirkungen waren eine Grad-3-Neutropenie (40 %), Thrombopenie (4 %), Rash (8 Patienten), Muskelschmerzen (7 Patienten). 6 Patienten brachen die Therapie wegen Nebenwirkungen ab.

Abb. 2: Langes progressionsfreies Überleben unter der Kombination aus Lenalidomid  und Rituximab (modifiziert nach Fowler NH et al. Presented at Session: 624. Lymphoma – Therapy with Biologic Agents, excluding Pre-Clinical Models: Optimizing Current Treatment Strategies, ASH 2012, Atlanta, abstract 901[6])

Fazit:
Diese Kombination stellt eine hochaktive Therapie der Patienten mit indolentem Lymphom dar. Die Rate an kompletten Remissionen mit langer Dauer ist hoch. Aktuell laufen Studien, die dieses Protokoll mit traditionellen Immunchemotherapieprotokollen vergleichen.

Auch aggressive Lymphome mit Lenalidomid bekämpfen

Neben der Kombination aus Lenalidomid und Rituximab ist auch die Kombination aus Lenalidomid und R-CHOP (R2CHOP) gut verträglich und effektiv in der Erstlinientherapie aggressiver B-NHL [7]. Dies demonstrierten die Ergebnisse einer Phase-II-Studie aus der Mayo-Klinik mit 51 Patienten mit DLBCL oder follikulärem Lymphom Grad 3, die auf dem ASH-Kongress präsentiert wurden. Es ließen sich mit dieser Kombination sehr gute Ansprechraten erzielen (CR: 83 % und PR: 15 %, PD: 2 %).

Zum Vergleich erfolgte eine Case-matched-Kontrolle mit einem aktuellen Patientenkollektiv der Mayo-Klinik, das nur mit R-CHOP behandelt wurde. Das PFS ist in der nachfolgenden Grafik dargestellt (Abb. 3).

Abb. 3: Patienten unter Therapie mit Lenalidomid in Kombination mit R-CHOP21 wiesen im Vergleich zu R-CHOP ein verbessertes progressionsfreies Überleben auf. (modifiziert nach Nowakowski GS et al. Presented at Session: 623. Lymphoma - Chemotherapy, excluding Pre-Clinical Models: Aggressive B-Cell Lymphoma, ASH 2012, Atlanta, Abstract 689 [7])

Fazit:
Die Therapie mit Lenalidomid und R-CHOP zeigt ein berechenbares Nebenwirkungsprofil, wobei durch die CT-Komponenten natürlich die hämatologische Toxizität zu berücksichtigen ist. Die CR-Rate sowie das PFS sind gerade bei den älteren Patienten mit hohem IPI-Score vielversprechend. Dieser zu erwartende Vorteil in der Therapie muss jedoch in einer Phase-III-Studie bestätigt werden. Lenalidomid scheint insbesondere das Ansprechen des non-GCB-Phänotyps (= ABC-Typ) zu verbessern.

Monotherapie kann bei Mantelzelllymphom nach Bortezomib noch wirken!

In einer Phase-II-Studie wurde der Einsatz von Lenalidomid bei Patienten mit Mantelzelllymphom, die refraktär oder rückfällig auf Bortezomib waren, untersucht [8]. 134 Patienten mit mindestens zwei Vortherapien bekamen 25 mg Lenalidomid pro Tag (Tag 1–21 in 28-tägigen Zyklen). Das mediane Alter betrug 67 Jahre. 53 % hatten bereits >= 4 Vortherapien erfahren. Bei diesen stark vorbehandelten Patienten betrug die ORR noch 32 % (Investigator Review) beziehungsweise 28 % (unabhängiges Review) mit einer medianen Dauer des Ansprechens von 18,5 Monaten beziehungsweise 16,6 Monaten (s. Abb. 4). Dabei handelte es sich in 16 % beziehungsweise 8 % um ein komplettes Ansprechen (CR/CRu). Ein solches CR/CRu hielt dann im Median sogar 18,5 beziehungsweise 16,6 Monate an. Nach einem medianen Follow-up von 9,9 Monaten betrug das PFS 3,8 (Investigator) bzw. 4,0 Monate (unabhängiges Review). Das Gesamtüberleben betrug in beiden Reviews 19 Monate. An hämatologischen Nebenwirkungen (Grad III/IV) traten am häufigsten Neutropenie und Thrombozytopenie auf, diese waren aber leicht zu handhaben.

Abb. 4: Patienten unter Therapie mit Lenalidomid in Kombination mit R-CHOP21 wiesen im Vergleich zu R-CHOP ein verbessertes progressionsfreies Überleben auf. (modifiziert nach Goy A et al. Blood 2012;120: Abstract 905 [8])

„Es ist bemerkenswert, wie schnell und dauerhaft diese stark vortherapierten Patienten noch auf eine Monotherapie mit Lenalidomid ansprechen.“ Dr. Rolf Mahlberg

Lenalidomid auch hoch wirksam beim DLBCL

Chiappella et al. untersuchten die Kombination aus Rituximab-CHOP21 und Lenalidomid (R2-CHOP21) in einer Phase-II-Studie bei älteren Patienten in der Erstlinientherapie des DLBCL [9]. In diese Studie waren 49 Patienten im Alter von 60–80 Jahren mit R-CHOP21 und Lenalidomid 15 mg an Tag 1–14 therapiert worden. Das mediane Alter lag bei 69 Jahren, PS >= 1: 63 % und IPI high: 61 %. An Toxizitäten traten bei 28 % eine Grad 3+4 Leukopenie, bei 4 % eine febrile Neutropenie, bei 13 % eine Thrombopenie und bei 14 % Infektionen auf. Todesfälle aufgrund von Nebenwirkungen waren nicht zu verzeichnen. Die Ansprechraten unter dieser Kombination waren sehr gut (CR: 86 %, PR: 6 %, RR: 92 %), und nach einem medianen Follow-up von 22 Monaten betrug die 2-Jahres-Überlebensrate 92 %.

Fazit:
Auch diese Studie zeigt – genauso wie die Studie aus der Mayo-Klinik – eine hohe Effektivität für die Kombination aus Lenalidomid mit R-CHOP21 bei dieser älteren Patientengruppe mit hohem IPI. Die Kombination mit Lenalidomid ist sicher; eine unerwartete Toxizität ist nicht aufgetreten. Die Untersuchung der Gruppe mit dem ABC-Typ liegt noch nicht vor, wird jedoch durchgeführt.

Ausblick

Mit den beiden auf dem ASH in vielen Studien untersuchten Medikamenten Lenalidomid und Ibrutinib ändert sich die Welt der Möglichkeiten zur Therapie der malignen Lymphome nachhaltig. Auch wenn es noch der Absicherung in Phase-III-Studien bedarf, eröffnet sich dadurch der Weg einer chemotherapiefreien Behandlung für diese Patienten.

Literatur

  1. Byrd JC et al. The Bruton’s Tyrosine Kinase (BTK) Inhibitor Ibrutinib (PCI-32765) Promotes High Response Rate, Durable Remissions, and Is Tolerable in Treatment Naïve (TN) and Relapsed or Refractory (RR) Chronic Lymphocytic Leukemia (CLL) or Small Lymphocytic Lymphoma (SLL) Patients Including Patients with High-Risk (HR) Disease: New and Updated Results of 116 Patients in a Phase Ib/II Study. Presented at Session: 642. CLL – Therapy, excluding Transplantation: New Targeted Therapies, ASH 2012, Atlanta, Abstract 189
  2. Burger, JA et al. The Btk Inhibitor Ibrutinib (PCI-32765) in Combination with Rituximab Is Well Tolerated and Displays Profound Activity in High-Risk Chronic Lymphocytic Leukemia (CLL) Patients. Presented at Session: 642. CLL – Therapy, excluding Transplantation: New Targeted Therapies, ASH 2012, Atlanta, Abstract 187
  3. Wang M et al. Interim Results of an International, Multicenter, Phase 2 Study of Bruton’s Tyrosine Kinase (BTK) Inhibitor, Ibrutinib (PCI-32765), in Relapsed or Refractory Mantle Cell Lymphoma (MCL): Durable Efficacy and Tolerability with Longer Follow-up. Presented at Session: 624. Lymphoma – Therapy with Biologic Agents, excluding Pre-Clinical Models: Optimizing Current Treatment Strategies, ASH 2012, Atlanta, Abstract 904
  4. Wilson W et al. The Bruton's Tyrosine Kinase (BTK) Inhibitor, Ibrutinib (PCI-32765), Has Preferential Activity in the ABC Subtype of Relapsed/Refractory De Novo Diffuse Large B-Cell Lymphoma (DLBCL): Interim Results of a Multicenter, Open-Label, Phase 2 Study. Presented at Session: 623. Lymphoma – Chemotherapy, excluding Pre-Clinical Models: Aggressive B-Cell Lymphoma, ASH 2012, Atlanta, Abstract 686
  5. Ferrajoli A et al. Combination of Ofatumumab and Lenalidomide in Patients with Relapsed Chronic Lymphocytic Leukemia (CLL): Results of a Phase II Trial. Presented at Session: 642. CLL – Therapy, excluding Transplantation: Novel Immune Therapies for CLL, ASH 2012, Atlanta, Abstract 720
  6. Fowler NH et al. Lenalidomide and Rituximab for Untreated Indolent Lymphoma: Final Results of a Phase II Study. Presented at Session: 624. Lymphoma – Therapy with Biologic Agents, excluding Pre-Clinical Models: Optimizing Current Treatment Strategies, ASH 2012, Atlanta, Abstract 901
  7. Nowakowski GS et al. Combination of Lenalidomide with R-CHOP (R2CHOP) Is Well-Tolerated and Effective As Initial Therapy for Aggressive B-Cell Lymphomas - A Phase II Study. Presented at Session: 623. Lymphoma – Chemotherapy, excluding Pre-Clinical Models: Aggressive B-Cell Lymphoma, ASH 2012, Atlanta, Abstract 689
  8. Goy A et al. Phase II Multicenter Study of Single-Agent Lenalidomide in Subjects with Mantle Cell Lymphoma Who Relapsed or Progressed After or Were Refractory to Bortezomib: The MCL-001 “EMERGE” Study. Blood 2012;120: Abstract 905
  9. Chiappella A et al. Rituximab-CHOP21 Plus Lenalidomide (LR-CHOP21) Is Effective and Feasible in Elderly Untreated Diffuse Large B-Cell Lymphoma (DLBCL): Results of Phase II REAL07 Study of the Fondazione Italiana Linfomi (FIL). Presented at Session: 624. Lymphoma – Therapy with Biologic Agents, excluding Pre-Clinical Models: Optimizing Current Treatment Strategies, ASH 2012, Atlanta, Abstract 903