MDS-Forum 2018

13. bis 14. April, Dresden

Auf dem 7. MDS-Forum wurde der aktuelle Wissenstand zu den myelodysplastischen Syndromen (MDS) in bewährter Manier aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Wichtige Themen stellten die Pathogenese der MDS, aktuell laufende Forschungsprojekte sowie das klinische Management der Erkrankung dar. Ein Schwerpunkt waren die rasant wachsenden molekularbiologischen Daten und deren Bedeutung. Auch die historische Entwicklung der MDS bezüglich Diagnostik, Prognosescores und Therapie wurde reflektiert.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das diesjährige MDS-Forum fand vom 13. bis 14. April 2018 in Dresden statt. Es wurden aktuelle diagnostische und therapeutische Standards bei den myelodysplastischen Syndromen (MDS) sowie bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) diskutiert, wobei insbesondere auf die sich rasch entwickelnde Molekulargenetik sowie auf die Bedeutung möglicher Ziele im Knochenmarkstroma eingegangen wurde.

In einer eigenen Sitzung wurde die historische Entwicklung der MDS betrachtet, wobei die Evolution der Genetik und der Prognosescores hervorgehoben wurde. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die aktuellen Neuerungen in der Therapie der MDS gerichtet, stets unter Berücksichtigung der oft schwierigen Abgrenzung zur AML und der aplastischen Anämie (AA).

Aktuell stehen nur vier zugelassene Medikamenten für die MDS-Behandlung zur Verfügung. Allerdings laufen derzeit zahlreiche Studien, um das therapeutische Spektrum zeitnah zu erweitern. Dabei spielt vor allem der Einsatz neuer Therapieverfahren vor der Transplantation und die Immuntherapie eine große Rolle.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und hoffe, Ihnen mit diesem Überblick neue Impulse für die tägliche Arbeit mit MDS-Patienten an die Hand geben zu können.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. med. Katja Sockel, Universitätsklinikum Dresden

MDS-Forum 2018: Aktuelles zur Diagnostik und Therapie der myelodysplastischen Syndrome (MDS) und der akuten myeloischen Leukämie (AML)

Dr. med. Katja Sockel, Universitätsklinikum Dresden

Im Frühjahr 2018 fand in Dresden das nunmehr 7. MDS-Forum statt. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Platzbecker gab die Veranstaltung auch dieses Jahr einen umfassenden Überblick über den aktuellen Wissenstand im Bereich der Myelodysplastischen Syndrome (MDS). Neben zahlreichen Vorträgen zur Pathogenese der MDS und aktuell laufenden Forschungsprojekten im Bereich der myeloischen Stammzellen und der stromalen Knochenmarknische fanden sich auch viele Beiträge zum klinischen Management der Erkrankung. Eines der Kernthemen auf dem Kongress stellten die rasch expandierenden molekularbiologischen Daten und deren Bedeutung dar. Als besonderer Programmpunkt wurde zudem die historische Entwicklung der MDS mit Hinblick auf Diagnostik, Prognosescores und Therapie rekapituliert.

Session 1: Diagnostik und Klassifikation

Molekulargenetik

Prof. Dr. Hofmann aus Mannheim eröffnete das diesjährige MDS-Forum mit einem Überblick zur Systematik und klinischen Relevanz molekularer Veränderungen beim MDS [1]. Durch die Nutzung neuer Technologien wie dem Next-Generation-Sequencing (NGS) konnten in den letzten fünf bis zehn Jahren mehr als 40 somatische Mutationen identifiziert werden, die wiederkehrend bei MDS-Patienten vorkommen. In Anlehnung an ihre Funktion können die jeweilig betroffenen Gene in verschiedene biologische Subgruppen eingeteilt werden. Die wichtigsten stellen dabei Mutationen in Genen des Splicing-Apparates (zum Beispiel SF3B1, SRSF2, U2AF1), der epigenetischen Regulation (zum Beispiel TET2, ASXL1, DNMT3A, IDH1/IDH2), der Transkriptionsfaktoren (RUNX1, TP53) und der Signaltransduktion (NRAS/KRAS) dar. Bei circa 90% aller MDS-Patienten lässt sich mindestens eine dieser Mutationen nachweisen.

Zur Frage der klinischen Relevanz dieser Mutationen verwies Prof. Hofmann auf drei Punkte:

  1. Diagnostische Bedeutung: Der Nachweis von Mutationen kann als Klonalitätsnachweis dienen, ist im Zeitalter von CHIP (Clonal Hematopoiesis of Indeterminate Potential) jedoch nicht allein ausreichend für die Diagnose eines MDS. Wobei der fehlende Mutationsnachweis in diagnostisch unsicheren Fällen eher gegen die Diagnose MDS spricht.
  2. Prognostische Bedeutung: Die Betrachtung von Einzelmutationen kann zu widersprüchlichen Prognoseschätzungen führen und wird uns in Zukunft nicht weiterbringen. Die Interaktionen der einzelnen Mutationen im Gesamtkonzept bestimmen die Prognose des Patienten.
  3. Therapeutische Bedeutung: Durch den Mutationsnachweis lassen sich gezielte Therapien ableiten (zum Beispiel eine Therapie mit Spliceosominhibitoren bei Mutationen des Splicing-Apparates). Perspektivisch ist auch die Nutzung der Allellast zur Therapiesteuerung denkbar [2].

Prof. Dr. Hofmann beendete seinen Vortrag mit dem Ausblick, dass wir das „Zeitalter der molekularen Definition und Therapieentscheidung noch vor unserer Pensionierung kennenlernen werden“. Seiner Meinung nach werden die aktuellen myeloischen Neoplasien wie MDS, myeloproliferative Neoplasien (MPN), Mastozytose und chronische Neutrophilenleukämie (CNL) im Jahr 2030 nicht mehr in dieser Form existieren, sondern dem Begriff der „molekular definierten myeloischen Neoplasie“ gewichen sein. Er begründete dies mit den bei allen oben genannten Erkrankungen immer wiederkehrenden „Kernmutationen“, wie ASXL1 und Splicing-Mutationen. Zusätzlich zu diesen Kernmutationen finden sich jedoch spezifische Mutationen bei den einzelnen Entitäten (Abb. 1).

Abb. 1: Zukunftsvision der Implementierung molekularer Marker in die Diagnostik – haben wir bald nur noch eine molekular definierte myeloische Neoplasie? (modifiziert nach [1])

Prof. Dr. Bullinger aus Ulm sprach im Folgevortrag zu den Gemeinsamkeiten zwischen akuter myeloischer Leukämie (AML) und MDS und führte dabei an, dass sich insbesondere die AML des älteren Patienten auf molekulargenetischer Ebene kaum von MDS unterscheidet [3]. Er wies darauf hin, dass bestimmte Mutationen zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Krankheitsverlauf auftreten können. So treten Mutationen der Gene, welche die epigenetische Regulation betreffen (zum Beispiel DNMT3A, ASXL1, TET2, IDH1 und IDH2), häufig früh im Krankheitsverlauf auf, während die NPM1-Mutation beziehungsweise Genmutationen, die die Signaltransduktion betreffen (FLT3, RAS), typischerweise erst später in der Leukämogenese hinzukommen [4]. Die molekulargenetischen Daten sind wichtig zur Risikoabschätzung der Erkrankung und zur Therapiesteuerung. Bei der AML sind die molekularen Mutationen bereits zum Teil in die aktuelle European-LeukemiaNet-Klassifikation (ELN-Klassifikation) eingeflossen (RUNX1, ASXL1 und TP53 wurden als prognostisch ungünstige Risikogruppen aufgenommen). Auch bei den MDS ist dies perspektivisch zu erwarten.

Auf die Frage zur klinischen Bedeutung der Allelfrequenz antwortete Prof. Bullinger, dass er momentan den Nutzen im Minimal-Residual-Disease(MRD)-Monitoring sieht. Perspektivisch werden anhand der Allelfrequenz aber möglicherweise auch Empfehlungen hinsichtlich der anzuwendenden Therapie getroffen werden können.

Die klonale Hämatopoese unbestimmten Potenzials (CHIP, clonal hematopoiesis of indeterminate potential) – also der Nachweis von somatischen Mutationen im Blut oder Knochenmark bei gesunden Individuen mit unauffälligem Blutbild – war das Thema des Vortrages von Frau Dr. Thol aus Hannover [5]. Am häufigsten finden sich dabei Mutationen der Gene DNMT3A, TET2 und ASXL1. Die klonale Hämatopoese ist stark altersabhängig. So findet man nur bei 1% der jungen Patienten unter 40 Jahren eine Mutation, während es bereits 10% bei den Patienten zwischen 70 und 80 Jahren sind. Bei den über 90-Jährigen tritt bei jedem zweiten Patienten eine Mutation auf [6]. Auch zwischen den einzelnen Mutationen gibt es altersspezifische Unterschiede. TET2-Mutationen treten mit zunehmendem Alter häufiger auf, während es bei DNMT3A einen Peak zwischen 60 und 70 Jahren gibt und die Häufigkeit danach wieder abnimmt. Für die TET2-Mutation ist zudem eine familiäre Disposition bekannt [6].

Zur klinischen Bedeutung von CHIP: Das Risiko, eine manifeste hämatologische Neoplasie zu entwickeln, ist bei diesen Patienten vergleichsweise gering (0,5 bis 1%/Jahr). Insbesondere die Patienten, bei denen nur eine Mutation nachweisbar ist, haben ein sehr niedriges Risiko, jemals eine hämatologische Neoplasie zu entwickeln [7]. Es besteht jedoch prinzipiell die Option, weitere Mutationen zu akquirieren, welche dann im Verlauf in eine maligne Grunderkrankung münden können [8]. Patienten mit CHIP weisen außerdem ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse auf [9].

Aus der Praxis

PD Dr. Giagounidis erklärte anschließend, nach welchem diagnostischen Prozedere er bei der Zytopenieabklärung vorgeht (Abb. 2). Er weist darauf hin, dass insbesondere bei jungen Patienten mit Zytopenie zunächst eine breite Diagnostik hinsichtlich möglicher Differentialdiagnosen erfolgen sollte. Er empfiehlt für die tägliche Praxis eher eine Step-up-Diagnostik, welche eine ausgedehnte molekulare Diagnostik erst nach Erhalt der Zytomorphologie, Histologie und Genetik bei diagnostisch unklaren Fälle vorsieht [10].

Abb. 2: Diagnostisches Procedere bei der Zytopenieabklärung (modifiziert nach [10])

„Der erste molekulargenetische Marker (SF3B1) hat in die aktuelle WHO-2016-Klassifikation Einzug gehalten. Somit gibt es neben der bisherigen prognostischen nun auch eine diagnostische Relevanz von Mutationen. Mutationen können auch – wie am Beispiel der SF3B1-Mutation zu erkennen ist – zur Selektion bestimmter Therapien herangezogen werden (Einsatz von Spliceosominhibitoren, wenn auch aktuell nur in Studien verfügbar). Eine generelle molekulargenetische Testung bei MDS-Patienten in der täglichen Routine kann daher nur befürwortet werden.“ Dr. med. Katja Sockel

Fazit

  • Bei einem Großteil der MDS-Patienten lassen sich klonale Mutationen nachweisen. Diese sind aktuell noch nicht spezifisch für die Diagnose MDS, können jedoch in unklaren diagnostischen Fällen durch den Klonalitätsnachweis helfen, ein MDS von reaktiven Zytopenien abzugrenzen. Diagnostisch nützlich sind Mutationsanalysen im Splicing-Apparat, um in Zusammenschau mit der Standarddiagnostik die exakte Einordnung der MDS-Subgruppe im Rahmen der aktuelle WHO-Klassifikation vornehmen zu können.
  • Der routinemäßige Einsatz molekularer Biomarker zur Prädiktion des Therapieansprechens kann aktuell noch nicht empfohlen werden.
  • Vermutlich findet man CHIP bei einem Großteil der älteren Bevölkerung. Eine routinemäßige Testung der Normalbevölkerung kann derzeit aufgrund des nur sehr geringen Progressionsrisikos in eine hämatologische Neoplasie und der somit fehlenden klinischen Konsequenz nicht empfohlen werden.

Session 2: Historische Entwicklung der MDS

Die Session zur historischen Entwicklung der MDS bot in mehreren Vorträgen eine sehr spannende und unterhaltsame Rekapitulation der vergangenen Jahrzehnte, auf die hier jedoch nicht detailliert eingegangen werden soll. Von mehreren Rednern wurde hervorgehoben, dass die Bedeutung molekulargenetischer Veränderungen zwar rasant zunimmt, die Diagnose MDS allerdings auch im Jahr 2018 noch immer mikroskopisch gestellt wird. Nachdem die 1982 erstellte French-American-British(FAB)-Klassifikation über fast 20 Jahre der Goldstandard der MDS-Diagnostik war, wurden ab 2001 durch die WHO mehrere überarbeitete Fassungen der Diagnosekriterien veröffentlicht. Die letzte Aktualisierung erfolgte 2016. Auch wenn diese weiterhin vorrangig morphologische Kriterien umfasst, fand sich hier nun erstmals ein molekularer Marker wieder, der die Einordnung in die prognostisch günstige Subgruppe der MDS mit Ringsideroblasten erlaubt (sofern morphologisch mehr als 5% Ringsideroblasten vorliegen).

Verschiedene Prognosescores stehen zur Verfügung, wobei der gebräuchlichste Score immer noch das International Prognostic Scoring System (IPSS) und der Revised_IPSS (IPSS-R) ist. Beide nutzen Blutbildkriterien, Knochenmarksblasten (KM-Blasten) und zytogenetische Parameter. Molekulargenetische Faktoren haben hier bisher noch keinen Eingang gefunden. Lediglich bei der chronisch myelomonozytären Leukämie (CMML) wurden die molekularen Daten bereits in das „clinical/molecular CMML-specific prognostic scoring sytem“ (CPSS-mol) implementiert [11].

Session 3: Klassifikation und Marker

Therapieentscheidungen bei MDS werden momentan hauptsächlich in Anlehnung an die IPSS-basierte Risikostratifizierung der Erkrankung getroffen. Durch die zentrale Rolle somatischer Mutationen in der Pathogenese der Erkrankung wird es zukünftig wahrscheinlich möglich sein, Mutationen zur Selektion bestimmter Therapieformen einzusetzen. Ein Paradebeispiel für einen funktionierenden zielgerichteten „genetisch vermittelten“ Therapieansatz findet man bei Niedrigrisiko-MDS-Patienten mit del(5q)-Mutation. Bei diesem Subtyp kann sowohl die Präsenz der isolierten del(5q)-Mutation als auch das Auftreten zusammen mit anderen zytogenetischen Veränderungen ein gutes Ansprechen auf die immunmodulatorische Behandlung mit Lenalidomid voraussagen. Bei zwei Dritteln der Patienten konnte hierunter eine komplette Transfusionsunabhängigkeit dokumentiert werden [12]. Die sonst gute Prognose von Patienten mit del(5q) wird jedoch durch eine TP53-Mutation aufgehoben. Unter der Behandlung mit Lenalidomid wird bei diesen Patienten eine Expansion des TP53-Klons beobachtet [13].

Ein ähnlich zielgerichteter Therapieansatz auf molekulargenetischer Ebene lässt sich möglicherweise bei Patienten mit der SF3B1-Mutation ausmachen. Zum einen scheint bei diesen Patienten der Einsatz von Spliceosominhibitoren sinnvoll, aber SF3B1 scheint auch ein molekularer Prädiktor für das Ansprechen auf andere Therapien, wie beispielsweise Luspatercept bei Niedrigrisiko-MDS-Patienten, zu sein. Aktuell sind die Therapien jedoch nur in klinischen Studien verfügbar.

Nicht nur Mutationen der hämatopoetischen Stammzelle selbst sind bedeutend in der Pathogenese von MDS. In den letzten Jahren wurde außerdem die zunehmende Bedeutung der umgebenden Knochenmarknische bei der Entstehung und Unterhaltung von MDS entdeckt. So konnte Frau Dr. Medyouf im Mausmodell zeigen, dass hämatopoetische Zellen auf die Unterstützung des Knochenmarkstromas zum Erhalt ihrer Krankheitsaktivität angewiesen sind. Durch die Vermittlung instruktiver Signale an das Knochenmarkstroma stellt Letzteres den MDS-Zellen ein günstiges Nährmilieu zur Verfügung [14].

Eine relevante Rolle spielt dabei die Rezeptortyrosinkinase AXL, ein Mitglied der TAM(TYRO3, AXL, MER)-Rezeptorfamilie, die das Wachstum und Überleben von leukämischen Zellen fördert und durch Chemotherapie hochreguliert wird. Leukämische Zellen induzieren zudem die Expression des AXL-Liganden “Growth-arrest-specific gene-6” (GAS6) auf Knochenmarkstromazellen, was zur weiteren Stimulation von AXL führt. Die Blockade dieses GAS6/AXL-Signalwegs durch den AXL-Inhibitor BGB324 konnte in vitro und im Mausmodell das Wachstum leukämischer Zellen, insbesondere im CD34+-Stammzellkompartiment, stoppen.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Platzbecker ist hierzu nun eine Phase-II-Studie mit dem oralen AXL-Inhibitor BGB324 (Bergamo-Studie) bei Patienten mit progredientem MDS und AML nach hypomethylierenden Substanzen geplant.

Weitere pathogenetische Mechanismen bei den MDS stellen immunmodulatorische Prozesse und die gesteigerte Apoptose dar. T-Zell-vermittelte Autoimmunreaktionen sind dabei – ähnlich wie bei der Aplastischen Anämie (AA) – auch maßgeblich an der Entwicklung eines hypoplastischen MDS beteiligt. Im Vortrag zu den Gemeinsamkeiten zwischen MDS und AA berichtete Herr Prof. Passweg, dass ein gewisser Anteil von AA-Patienten in ein MDS übergeht. Dies seien vor allem Patienten, bei denen der Nachweis molekularer Mutationen gelingt [15].

Die Unterscheidung zwischen hypoplastischem MDS und AA ist bekanntermaßen sehr schwierig. In der folgenden Übersicht sind dabei Entscheidungshilfen des Vortragenden aufgeführt.

Tab. 1: Merkmale zur Unterscheidung zwischen hypoplastischem myelodysplastischem Syndrom (MDS) und der aplastischen Anämie (AA) (modifiziert nach [16], Daten aus [17, 18, 19])

Prof. Platzbecker regte am Ende des Vortrages eine Studie an, bei der die Daten aller Patienten mit „hypoplastischem MDS“ in Deutschland gemeinsam ausgewertet werden sollten. Besonders spannend wäre hier die systematische molekulare Typisierung der Patienten, um diese spezielle Gruppe genauer zu klassifizieren.

Bezüglich der Therapie hypoplastischer MDS wird in Anlehnung an die AA weiterhin die immunmodulatorische Therapie mit ATG/CSA/Prednisolon oder die Applikation des CD52-Antikörpers Alemtuzumab empfohlen. Diese Behandlungen stellen keinen kurativen Therapieansatz dar, können aber zum hämatopoetischen Ansprechen bei etwa 40% der Patienten führen. Für MDS zugelassen ist bisher keine dieser Therapien. Höhere Ansprechraten auf die oben genannten Therapien werden bei Patienten im jüngeren Alter, bei Vorliegen von HLA-DR15 sowie bei kürzerer Krankheitsdauer beobachtet. Ein genetischer oder molekularbiologischer Marker, der prädiktiv für das Ansprechen auf eine immunmodulatorische Therapie ist, steht aktuell noch nicht zur Verfügung.

Bekannt ist, dass die Telomerlänge bei Patienten mit AA deutlich verkürzt ist. Besonders kurze Telomerlängen finden sich vor allem bei Patienten mit Mutationsnachweis, bei denen außerdem ein schlechteres Ansprechen auf immunmodulatorische Therapien beobachtet wurde.

Nachdem der Einsatz des Thrombopoetin(TPO)-Rezeptor-Agonisten Eltrombopag bei der AA vermutlich durch Stimulation der residuellen Stammzellen in circa 40% zum hämatologischen Ansprechen führte, fehlen aktuell noch Studien zur Wirksamkeit bei hypoplastischem MDS.

„Zunehmende Einblicke in die Pathogenese der MDS lenken den Blick auf neue therapeutische Zielstrukturen. Hierbei wird nicht nur an der Entwicklung molekulargenetisch gesteuerter Therapiekonzepte gearbeitet, sondern auch versucht, mögliche Ziele im Bereich des Knochenmarkstromas zu identifizieren und therapeutisch zu adressieren (wie beispielsweise der GAS6/AXL-Signalweg).“ Dr. med. Katja Sockel

Fazit

  • Neben den molekulargenetischen Veränderungen hämatopoetischer Stammzellen spielen die gestörte Apoptoseneigung und immunmodulatorische Prozesse eine relevante Rolle bei der Pathogenese der MDS. Daneben rückte in den letzten Jahren auch zunehmend die Bedeutung der Knochenmarknische für die MDS-Entstehung in den Fokus.
  • Weiterhin schwierig bleibt die Differentialdiagnose zwischen den hypoplastischen MDS (circa 10 bis 15% der MDS) und der AA. Hier werden gemeinschaftliche Anstrengungen notwendig sein, um definitive Diagnosekriterien für die kleine Gruppe der hypoplastischen MDS einschließlich morphologischer, molekulargenetischer und immunologischer Parameter zu etablieren.

Session 4: Therapie der MDS I

Allogene Stammzelltransplantation (Tx) bei Patienten mit AML und MDS

Die allogene Tx stellt derzeit weiterhin die einzig kurative Therapieoption dar. Insbesondere bei Patienten mit Hochrisikoerkrankung (hohes und sehr hohes Risiko nach IPSS-R) sollte dabei die frühzeitige Transplantation angestrebt werden, während Niedrigrisikopatienten (niedriges und sehr niedriges Risiko) eine Transplantation aufgrund der hohen therapiebedingten Mortalität und der geringen Krankheitslast erst später im Krankheitsverlauf erhalten sollten. Nicht eindeutig geklärt ist die Empfehlung zum intermediären Risiko.

Herr Dr. Kobbe aus Düsseldorf präsentierte hierzu folgende Punkte, die für eine frühzeitige Transplantation im intermediären Stadium sprechen [20]:

  • Ungünstige Zytogenetik
  • Hoher Blastengehalt im Knochenmark
  • Lebensbedrohliche Zytopenien
  • Hohe Erythrozytenkonzentrat-Transfusionslast
  • Versagen der konventionellen Therapie (hämatopoetische Wachstumsfaktoren [HGF], hypomethylierende Substanzen [HMA])
  • Zunehmende Krankheitsdynamik (initial Niedrigrisiko – jetzt Progress in Intermediär)
  • Nachweis prognostisch ungünstiger Mutationen (TP53, EZH2, IDH1/2, ETV6, RUNX1, ASXL1)

Das formale Alter des Patienten ist insbesondere bei den Patienten über 50 Jahren nicht so sehr entscheidend für die Prognose wie die Komorbiditäten. Durch den Einsatz dosisreduzierter Konditionierungsverfahren konnte die therapiebedingte Mortalität bei älteren Patienten über die letzten fünf bis zehn Jahre deutlich reduziert werden, möglicherweise aber auf Kosten einer etwas erhöhten Rezidivmortalität. Gegen Letzteres sprechen die Ergebnisse einer großen prospektiven Studie bei MDS-Patienten, in der eine Standardkonditionierung nach dem Busulfan/Cyclophosphamid-Schema mit einer dosisreduzierten Konditionierung (Busulfan/Fludarabin) bei MDS-Patienten verglichen wurde. Hierbei zeigte sich weder ein signifikanter Unterschied im Gesamtüberleben noch im 2-Jahres-rezidivfreien Überleben [21].

Ein wichtiges Thema stellt die Notwendigkeit der Vorbehandlung von MDS-Patienten vor einer allogenen Stammzelltransplantation dar. Ein Expertenpanel veröffentlichte hierzu 2017 die Empfehlung einer Vorbehandlung bei ≥ 10% Blasten vor Transplantation [22]. Als Bridging-Strategien stehen dabei aktuell die Standardinduktionschemotherapie (Anthrazyklin/Ara-C) und HMA zur Verfügung. Während Erstere aufgrund der Toxizität und schlechten Ansprechraten bei ungünstiger Zytogenetik eher jüngeren Patienten mit normaler Genetik vorbehalten ist, wird insbesondere bei komplex aberranten Karyotypen oder ungünstigen molekularen Markern beziehungsweise älteren Patienten mit Komorbiditäten der Therapiestart mit HMA empfohlen.

Entgegen dieser Empfehlung konnten die Kollegen aus Düsseldorf Daten zeigen, in denen auch bei Patienten mit Blastenexzess (> 5%) vor Transplantation die zeitnahe Upfront-Transplantation keinen signifikanten Unterschied im Gesamtüberleben oder im krankheitsfreien Überleben im Vergleich zu der vorbehandelten Patientengruppe bewirkte. Aufgrund der therapiebedingten Komplikationsrate, die eine vorgeschaltete Induktionstherapie mit sich bringen kann, erreichen manche Patienten die geplante Transplantation jedoch nicht, sodass in einigen Fällen eine sofortige Upfront-Transplantation sinnvoll sein kann.

Durch die Studiengruppe „Deutsche MDS- und Studienallianz Leukämien“ (SAL) wird aktuell die PALOMA-Studie vorbereitet, in der als Induktionstherapie das Medikament CPX-351 (ein liposomaler Komplex, welcher die Substanzen Ara-C und Daunorubicin in einem fixen molaren Verhältnis von 5:1 enthält) bei fitten Patienten mit Hochrisiko-MDS und bei oligoblastärer AML mit ungünstiger Genetik beziehungsweise prognostisch ungünstigen molekularen Markern getestet wird. Möglicherweise kann durch die Verwendung von CPX351 auch bei jungen AML-Patienten und bei MDS-Patienten mit prognostisch ungünstigen Markern ein besseres Langzeitüberleben erreicht werden.

Trotz Langzeitüberlebensraten von 30 bis 50% ist das Rezidivrisiko nach einer allogenen Stammzelltransplantation mit circa 30 bis 40% immer noch sehr hoch. Eine Erhaltungstherapie wird jedoch eher als Übertherapie gesehen und derzeit nicht empfohlen. Stattdessen rücken MRD(minimale Resterkrankung)-getriggerte Strategien in den Vordergrund. So wurde beispielsweise in der 2017 beim ASH-Kongress vorgestellten RELAZA-2-Studie ein frühzeitiger Therapiebeginn mit Azacitidin im Falle eines fallenden CD34-Chimärismus und somit drohenden hämatologischen Rezidivs untersucht [23]. Bei circa 50% der Patienten, die nach Transplantation einen fallenden CD34-Chimärismus unter 80% entwickelten, konnte damit ein drohendes hämatologisches Rezidiv verhindert werden. Im Falle eines hämatologischen Rezidivs nach Transplantation kann durch die Gabe von Azacitidin, in Kombination mit Donorlymphozyteninfusionen [24] oder einer zweiten Transplantation in circa 30% eine erneute Remission erreicht werden.

Konventionelle und neue Therapien

In der klinischen Realität ist für den Großteil der MDS-Patienten aufgrund des Alters und zahlreicher Komorbiditäten eine allogene Stammzelltransplantation nicht mehr möglich. Auch wenn sich damit für die Patientengruppe ein palliatives Therapiekonzept ergibt, ermutigte Herr Prof. Dr. Pfeilstöcker aus Wien, auch bei diesen Patienten die komplette Diagnostik (inklusive Genetik und Molekulargenetik) zu veranlassen. Denn möglicherweise könne diesen Patienten eine zielgerichtete Therapie im Rahmen von Studien angeboten werden [25].

Für Niedrigrisikopatienten stehen je nach vordergründiger Symptomatik (Anämie, Thrombopenie) verschiedene Wachstumsfaktoren zur Verfügung. Lange erwartet worden war die Zulassung von Epoetin alfa im Jahr 2017 als erstes Erythropoetin zur Behandlung von Niedrigrisiko-MDS-Patienten mit geringer Transfusionsfrequenz und einem Erythropoetinspiegel von unter 200 U/l.

Bisher nur in Studien verfügbar ist Luspatercept, ein Protein aus der TGF-ß-Superfamilie, welches unabhängig von Erythropoetin die späte Differenzierung und Ausreifung erythropoetischer Vorläuferzellen reguliert. Eine komplette Transfusionsfreiheit konnte hier bei 40 bis 50% der Patienten erreicht werden. Vor allem Patienten mit niedriger Transfusionsfrequenz und Ringsideroblasten (hier Ansprechraten bis 67%) profitieren von der Therapie [26]. Die placebokontrollierte Phase-III-Studie hierzu (Medalist-Studie) rekrutiert momentan noch, die ersten Ergebnisse werden zum ASH-Kongress 2018 erwartet.

Große Hoffnungen werden auf das Medikament Roxadustat gesetzt, einen Modulator einer neuen Molekülklasse der Hypoxie-induzierbaren Faktoren (HIF), welches bereits erfolgreich zur Anämiebehandlung bei chronischer Niereninsuffizienz eingesetzt wurde. Das Medikament soll die endogene Erythropoetinproduktion anregen und den Eisenstoffwechsel regulieren, die Einnahme erfolgt oral. Eine Phase-II/III-Studie bei Niedrigrisiko-MDS-Patienten ohne Transfusionsbedarf wurde aktuell gestartet.

Bei vordergründiger Thrombopenie kann die Gabe eines TPO-Rezeptoragonisten (Romiplostim) sinnvoll sein. Diese Therapie ist momentan jedoch nur in Studien verfügbar (zum Beispiel in der EUROPE-Studie).

Für Niedrigrisikopatienten mit del(5q) und transfusionspflichtiger Anämie steht weiterhin Lenalidomid als immunmodulatorische Substanz (IMiD) zur Verfügung und führt bei zwei Dritteln der Patienten zur kompletten Transfusionsunabhängigkeit [12]. Die sonst gute Prognose von Patienten mit del(5q) wird durch eine TP53-Mutation aufgehoben.

Kurz hingewiesen wurde auf die 2018 aktuell überarbeitete Leitlinie der österreichischen MDS-Plattform zur Eisenchelation [27], nach der folgende Indikationen zur Eisenchelationstherapie erfasst wurden:

  • Bei transfusionspflichtiger Anämie und Ferritinwerten über 2.000 ng/ml
  • Unabhängig vom Ferritin, sobald mehr als zwei Erythrozytenkonzentrat(EK)-Transfusionen pro Monat notwendig sind
  • Vor geplanter allogener Stammzelltransplantation
  • Bei MR-tomographisch nachgewiesener Eisenüberladung

Der Stellenwert des MRTs zur Diagnostik der Eisenüberladung wurde hierdurch weiter aufgewertet.

Bei Hochrisikopatienten, die nicht für eine allogene Transplantation geeignet sind, sind hypomethylierende Substanzen (HMA) weiterhin die Hauptsäule der Therapie. Zum Einsatz kommt dabei vorrangig Azacitidin, da Decitabin in Europa weiterhin nicht für die MDS-Therapie zugelassen ist. Altersgrenzen gibt es für HMA nicht. Wegen des Infektionsrisikos, das vor allem während der ersten Zyklen besteht, ist ein engmaschiges Monitoring wichtig – insbesondere der älteren Patienten. Das Ansprechen auf Azacitidin liegt – inklusive hämatologischer Verbesserungen – bei 50 bis 60% [28,29], wobei selten dauerhafte Remissionen beobachtet werden. Verschiedene Kombinationen von Azacitidin mit anderen Medikamenten (wie Vorinostat, Lenalidomid oder Eltrombopag) erbrachten keine Verbesserung der Ansprechraten. Am vielversprechendsten sind erste Daten aus der Kombinationstherapie mit dem Bcl-2-Inhibitor Venetoclax. Zumindest bei therapienaiven AML-Patienten konnten hier Ansprechraten von 60 bis 70% dokumentiert werden [30].

Momentan laufen Studien zur oralen Applikationsform von Azacitidin bei Niedrigrisiko- und Hochrisiko-MDS in Kombination mit Immuncheckpointinhibitoren. Die Ergebnisse werden demnächst erwartet.

Das durchschnittliche Therapieansprechen unter Azacitidin liegt bei circa 13 Monaten [28]. Stellt sich ein Progress/refraktärer Krankheitsverlauf unter Azacitidin ein, ist die Prognose mit durchschnittlichen Überlebenszeiten von fünf bis sechs Monaten stark limitiert [31]. In diesem Fall können niedrig dosierte Chemotherapeutika wie „low-dose-Ara-C“ in einer Dosis von 20 mg über 10 Tage oder Melphalan per os zur Anwendung kommen. Die Ansprechraten liegen hier bei circa 30 bis 40%. Bei Patienten mit ungünstiger Zytogenetik/komplex aberrantem Karyotyp ist jedoch kaum ein Ansprechen zu erwarten. Alternativ sollte der Einschluss in klinische Studien geprüft werden.

Mutationen im Splicing-Apparat (U2AF1, ZRSR2, SRSF2, oder SF3B1) finden sich bei ungefähr 40 bis 50% der MDS-Patienten. Für diese Gruppe stellt der orale Spliceosommodulator H3B-8800, der aktuell in Phase-I-Studien untersucht wird, einen vielversprechenden Wirkstoff dar.

Isocitrat-Dehydrogenase(IDH)-Mutationen werden nur bei einem kleinen Teil von MDS-Patienten beobachtet (5 bis 10%). Auch hierfür werden jedoch aktuell in Studien zielgerichtete Therapien getestet. Nachdem erste Phase-I/II-Studien Ansprechraten (CR + PR + mCR + HI) von circa 60% erbrachten, sind weitere Studien mit dem IDH2-Inhibitor Enasidenib bei Niedrig- und Hochrisiko-MDS-Patienten geplant (CR = komplette Remission; PR = partielle Remission; mCR = komplette Knochenmarksremission; HI = hämatologische Verbesserung).

Weitere interessante Zielstrukturen stellen Mesenchymal-Derived Stem Cells (MDSC) dar, welche beim MDS deutlich vermehrt sind und ein inflammatorisches Milieu vermitteln. Das an der Oberfläche exprimierte CD33 kann hier möglicherweise einen Angriffspunkt für neue Therapien darstellen.

Auch p53-Inhibitoren könnten in Zukunft einen Stellenwert bei der MDS-Therapie bekommen. Hierzu existieren aktuell jedoch nur präliminäre Daten.

„Auch im Jahr 2018 stehen uns lediglich vier zugelassene Medikamente in der MDS-Therapie zur Verfügung: Azacitidin, Lenalidomid, Deferasirox und Epoetin alfa. Zahlreiche therapeutische Interventionen werden jedoch aktuell in Studien geprüft und in den kommenden Monaten hoffentlich zumindest teilweise in die Routinetherapie implementiert. Möglicherweise ergibt sich auch eine Verbesserung der Transplantationsdaten durch den Einsatz neuer Therapieverfahren vor Transplantation (am vielversprechendsten sind dabei CPX-351 und Venetoclax+HMA). Insbesondere zielgerichtete Therapien sind durch die zuletzt rasante Entwicklung im Bereich der Molekulargenetik in greifbarer Nähe.“ Dr. med. Katja Sockel

Fazit

  • Die allogene Stammzelltransplantation bleibt weiterhin die einzig kurative Therapieoption bei MDS. Das formale Alter spielt dabei keine entscheidende Rolle, sondern vielmehr die Komorbiditäten. So sollte auch fitten Patienten jenseits der 70 Jahre dieses kurative Konzept nicht vorenthalten werden.
  • Bei Patienten mit mehr als 10% Blasten vor allogener Stammzelltransplantation kann eine Induktion im Sinne eines Debulking vor Transplantation erwogen werden.
  • Neben Epoetin alfa, das seit 2017 für die Therapie von Niedrigrisiko-MDS-Patienten mit vordergründiger Anämie zugelassen ist, sind mit Luspatercept und Roxadustat zwei weitere interessante Substanzen in klinischen Studien verfügbar, die bei einer Subgruppe der MDS-Patienten zu einer Verbesserung der Anämie und eventuell zu einer Transfusionsfreiheit führen können.
  • Die Monotherapie mit Azacitidin bleibt die Standardtherapie für Hochrisiko-MDS-Patienten, die nicht für eine intensive Therapie geeignet sind. Trotz initial gutem Ansprechen bleiben dauerhafte Remission jedoch in der Regel aus. Insbesondere für diese Patienten nach HMA-Versagen werden dringend weitere Therapieoptionen benötigt.

Session 5: Therapie der MDS II

Der Erfolg der Immuncheckpointinhibitoren hat die Therapielandschaft vieler solider Tumore und einiger hämatologischer Neoplasien revolutioniert. Die beste Wirkung wird ihnen bei Malignomen mit hoher Mutationslast zugesprochen. MDS gehört prinzipiell eher zu den Erkrankungen mit niedriger Mutationsrate. In den CD34+-Zellen von MDS- und AML-Patienten konnte allerdings trotzdem eine vermehrte Expression von PD-L1- und PD-L2-mRNA nachgewiesen werden. Dies war vor allem bei den Patienten der Fall, die nicht mehr auf HMAs ansprachen, was möglicherweise einen Mechanismus der Resistenzentwicklung gegenüber Azacitidin darstellt. Folglich wird nun in verschiedenen Studien die Kombinationstherapie von Azacitidin mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren (zum Beispiel Nivolumab, Durvalumab, Atezolizumab) untersucht, um die HMA-Resistenz zu überwinden. Die Ergebnisse der „Fusion-Studie“, bei der Azacitidin und der PD-L1-Inhibitor Durvalumab gegen die Monotherapie mit Azacitidin bei Hochrisiko-MDS- und AML-Patienten in der Erstlinie getestet wurde, werden mit Spannung erwartet.

Eine weitere interessante immunmodulatorische Therapiestrategie ist der Einsatz von bispezifischen Antikörpern oder DARTs (dual affinity retargeting proteins). Eine Phase-I-Studie mit dem CD3/CD123-Antikörper Flotetuzumab ist bereits gestartet. Die Wirkung des Konstruktes wird über die gleichzeitige Bindung an leukämische Blasten und patienteneigene T-Zellen vermittelt, welche somit zur Erkennung und T-Zell-vermittelten zielgerichteten Vernichtung der malignen Zellen führt. Ein weiterer Antikörper (CD3/CD33 Gem 33) aus dieser Gruppe wird von der in Dresden ansässigen Firma GEMoaB entwickelt und demnächst in Phase-I-Studien verfügbar sein.

Zum Schluss hielt Frau Dr. Lilienfeld-Thoal einen Vortrag zum Thema „Infektionen bei MDS“ [32]. Infektionen treten bei circa 30% der behandlungspflichtigen MDS auf. Wichtig ist hierbei, dass das höchste Infektrisiko während der ersten drei bis vier Therapiezyklen besteht und anschließend zunehmend geringer wird [33]. Die infektbedingte Mortalität liegt bei circa einem Drittel. Vorrangig wurden bakterielle Infekte beobachtet, fungale Infektionen vor allem bei vorbehandelten Patienten. Virale Infektionen finden sich mit unter 10% eher selten.

Risikofaktoren für infektiöse Komplikationen sind

  • eine vorangegangene Chemotherapie,
  • eine hochgradige Neutropenie Grad IV (< 0,5 Gpt/l),
  • eine Thrombozytenzahl unter 20 Gpt/l,
  • eine ungünstige Genetik,
  • Transfusionsabhängigkeit und
  • sieben Tage Azacitidintherapie versus fünf Tage.

Die Referentin empfahl eine rationelle antiinfektiöse Prophylaxe inklusive Antibiotika und aspergilluswirksamer Antimykose in den ersten vier Therapiezyklen mit HMA.

Fazit

  • Auch die Immuntherapie hat Einzug in die Therapie der MDS gefunden. Erste Ergebnisse aus Immuncheckpointstudien werden in den kommenden Monaten erwartet.
  • Aufgrund des hohen Infektrisikos während der ersten Therapiezyklen mit HMA sollte der Patient zu Therapiebeginn engmaschig (möglichst wöchentlich) einbestellt werden, um infektiöse Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Alternativ kann bei schwerer Neutropenie in den ersten Zyklen eine antiinfektiöse Prophylaxe erwogen werden.

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