ICML 2011

15. bis 18. Juni 2011, Lugano

 

11th International Conference on Malignant Lymphoma

Erhaltungstherapie bei Non-Hodgkin-Lymphomen: Neue Konzepte und Daten zur Prognoseverbesserung.

Diesen Kongressbericht als PDF herunterladen

Einleitung

Mit Einführung der Erhaltungstherapie zur Verlängerung des rezidivfreien Ansprechens in das Behandlungskonzept der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) wird die Prognose bei allen Lymphomentitäten und Altersgruppen deutlich verbessert. Der ICML-Kongress 2011 gab hierzu einen Überblick über die Entwicklung neuer Substanzen und Therapieregime bis hin zu neuen Kandidaten als Biomarker für die Therapieresponse.

Diffus-großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL)

Dr. med. A. Kretzschmar, München

Das DLBCL stellt 20 % aller NHL. Etwa 25 bis 30 % werden in den Stadien I, IE, II oder IIE entdeckt. Die Kombination des monoklonalen anti-CD20-Antikörpers Rituximab mit der klassischen CHOP-Chemotherapie verbesserte die bisherige Prognose vor allem der Patienten mit aggressiven NHL entscheidend. Diese Erfolge induzierten Überlegungen, über eine Verlängerung der Ansprechdauer eine dauerhafte Kontrolle im Sinne einer chronischen Erkrankung zu erreichen. Die bisherigen Erfahrungen mit einer „Erhaltungstherapie“ zeigen jedoch trotz aller Fortschritte noch Optimierungsbedarf bei den verschiedenen Risikogruppen.

Das 2010 vorgestellte 10-Jahres-Follow-Up der GELA-Studie macht deutlich, dass bereits in den ersten 2 Jahren nach Abschluss der Induktionstherapie auch unter R-CHOP bei rund einem Viertel der Patienten ein Rezidiv auftrat (Abb. 1) [1]. Diese Ereignisse beeinflussen auch das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) negativ. „Ist R-CHOP 14 möglicherweise nicht die richtige Antwort“, um eine Ansprechverlängerung bei möglichst vielen Patienten zu erzielen, fragte Prof. Gilles Salles, Vizepräsident der GELA-Arbeitsgruppe (Groupe d`Etude des Lymphomes de l`Adulte) Lyon. Als Optionen für eine Optimierung dieses Regimes sieht er [2]

  • das Ersetzen einer der R-CHOP-Komponenten durch
    - eine andere zytotoxische Substanz
    - einen anderen Antikörper
  • das Erweitern der R-CHOP-Regimes
    - durch ein IMiD®, einen Proteasom-Inhibitor, einen HDAC-Inhibitor oder eine antiangiogenetische Substanz
    - oder eine Remissionsverlängerung durch eine andere Mono-Erhaltungstherapie
Abb. 1:  Krankheitsfreies Überleben (DFS) bei Patienten mit einem DLBCL unter R-CHOP 14 oder Beobachtung (modifiziert nach [1])

Mono- oder Kombinationstherapie?

Ob sich eine Umstellung auf eine andere Mono-Erhaltungstherapie gegenüber Kombinationsregimen durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. In der prospektiven ECOG4494-Studie war das ereignisfreie Überleben (EFS) in der Erhaltungstherapie mit Rituximab nach R-CHOP nach einer intensiven Induktionschemotherapie ohne Rituximab mit primärer Hochdosischemotherapie und autologer Stammzelltransplantation nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3 Jahren in der Rituximabgruppe nicht signifikant besser als in der Beobachtungsgruppe [3].

Neue Erkenntnisse erhofft man sich hier von der österreichischen NHL13-Studie. Im Rahmen dieser Studie wird eine weiterführende Gabe von Rituximab einmal alle zwei Monate für die Dauer eines Jahres (6 Zyklen) bei Patienten mit aggressiven B-Zell NHL-Lymphomen in kompletter Remission geprüft [4].

Neben den „etablierten“ Substanzen werden gegenwärtig zahlreiche neue Wirkstoffe in klinischen Studien untersucht:

  • Neue Antikörper, z. B. Zweitgenerations anti-CD20-Antikörper, anti-CD19- und anti-CD22-Antikörper
  • Zielgerichtete Therapien, z. B. anti-VEGF, CMC544, IMiDs®, HDAC-Inhibitoren, der PKCß-Inhibitor Enzastaurin und der mTOR-Inhibitor Everolimus (geplant N = 915) nach R-CHOP

Salles wies in diesem Zusammenhang auf die REMARC-Studie hin. Für diese randomisierte, placebokontrollierte, multizentrische Phase-III-Studie werden derzeit Hoch-Risiko-Patienten sowie ältere Patienten zwischen 60 und 80 Jahren mit einem neu diagnostizierten CD20+ DLBCL (einschließlich aus niedrig malignen Lymphomen de novo transformierten DLBCL) oder nicht klassifizierten aggressiven CD20+ B-Zell-Lymphomen für eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid oder Placebo rekrutiert. Die Studienteilnehmer (geplant N = 621) , die zuvor auf eine First-Line-Therapie mit R-CHOP angesprochen haben (CR, PR), erhalten Lenalidomid 25 mg/d über 3 Wochen mit einer Woche Therapiepause über 24 Monate. Primärer Studienendpunkt ist das PFS, sekundäre Endpunkte sind das Gesamtüberleben (OS), PR, CR sowie die Konversionsrate [5].

Targets zur langfristigen Krankheitskontrolle

Neue Substanzen sind ein wichtiges Standbein in dem Konzept einer Remissionsverlängerung. Prof. Myron S. Czuczman, Buffalo/New York, listete auf dem ICML 2011 eine Reihe von Konzepten für eine optimierte Krankheitskontrolle auf:

  • Dosisdichte bzw. dosisintensivierte Therapien, beispielsweise eine autologe Stammzelltransplantation bei Patienten mit einer CR in der First-Line-Therapie
  • Neue Chemotherapie-Regime in Kombination mit Rituximab, Kombination neuer Antikörper/zielgerichteter Therapien mit Chemotherapien
  • Überwindung von Resistenzen, beispielsweise mit Proteasom-Inhibtoren, Bcl-2-Inhibitoren
  • „Risiko-adaptierte“ Therapien, beispielsweise nach PET-Status, Gen-Profil etc.
  • sowie Evaluation neuer Post-Induktions/Konsolidierungstherapien

Mit der Verfügbarkeit neuer Substanzen erweitern sich auch die Kombinationsmöglichkeiten, um Synergismen besser zu nutzen. Davon könnten auch Patienten mit aggressiven Lymphomen mit einer sehr schlechten Prognose profitieren. Dazu gehören insbesondere Patienten, die für eine autologe Stammzelltransplantation aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht mehr infrage kommen.  Diesen Subgruppen könnte man dann eine gut tolerierbare palliative Therapie zur  Überlebensverlängerung bei guter Lebensqualität anbieten, wie sie derzeit nicht verfügbar ist, so Czuczman. Das wachsende Portfolio neuer Therapien erzeugt allerdings auch neue Fragen, beispielsweise nach der optimalen Kombinations- bzw. Sequenztherapie. Dies muss in weiteren Studien abgeklärt werden.

Follikuläre Lymphome (FL) – „Watch-And-Wait” hat ausgedient

Dr. med. A. Kretzschmar, München

Die FL zählen mit einem medianen Überleben von mehr als 15 Jahren zu den indolenten Lymphomen. Bisher galten sie mit Ausnahme des Stadiums I oder II als inkurabel. Durch zytogenetische Veränderungen kommt es bei 50 bis 60 % zu einer Transformation in ein aggressives Lymphom, meist ein DLBCL, mit einem jährlichen Risiko von 2 bis 3 % . Die übrigen 40 bis 50 % sind progredient.

Für asymptomatische Patienten galt bisher eine „Watch-And-Wait”-Strategie als Standard, da frühere Studien mit einer sofortigen Chemotherapie keinen Vorteil im Langzeitverlauf zeigten. Die Einführung von Rituximab in die FL-Therapie hat nach Ansicht von Prof. Myron S. Czuczman, Buffalo/New York, einen Paradigmenwechsel von einer palliativen Behandlung hin zu einer Induktion einer kompletten Remission eingeleitet.

Rituximab-Erhaltungstherapie in erster Remission

Rituximab verbessert die Prognose von Patienten mit einem fortgeschrittenen FL im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie signifikant. Die 2011 publizierten Daten der PRIMA-Studie zeigen jetzt auch eine signifikante Überlegenheit der Rituximab-Erhaltungstherapie in der ersten Remission im Vergleich zu „Watch And Wait“ [6]. Ein auf dem ASH 2010 vorgestelltes Update errechnete ein 3-Jahres-PFS in der Rituximab-Gruppe von 78,6% im Vergleich zu 60,3% im Vergleichsarm (p ‹ 0,0001) (Abb. 2).

Abb. 2: Progressionsfreiheit bei FL-Patienten unter einer Erhaltungstherapie mit Rituximab (modifiziert nach [6])

Noch offen ist die Frage, wie lange die Erhaltungstherapie durchgeführt werden kann und ob dadurch das OS verlängert wird. Frühere Studien, aber auch die aktuellen PRIMA-Daten zeigen, dass die Ansprechrate im Therapieverlauf sinkt und die Mehrzahl der Patienten eine Resistenz gegenüber Rituximab  entwickelt [7]. Unbekannt ist auch, wie sich ein langes Ansprechen auf die Therapie bei einem Progress auswirkt. Für Czuczman besteht daher auch bei der FL ein Bedarf an neuen Therapieoptionen für die Mono- und Kombinationstherapie. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Vermeidung von Kreuzresistenzen, wie sie in der Vergangenheit durch die häufige Verwendung ähnlicher Chemotherapie-Regime begünstigt wurden.

CR-Rate als Surrogatmarker für den Therapieerfolg

Mit der zunehmenden Hinwendung zu zielgerichteten Therapien erfolgte auch eine Suche nach prädiktiven Biomarkern als Indikatoren für die Wirksamkeit im Individualfall. Eine aktuelle Auswertung der französischen und belgischen Kohorten der GELF86-Studien zeigt hierzu, dass  im Gegensatz zu den Chemotherapien in der „Prä-Rituximab-Ära“ heute die initiale Qualität des Ansprechen mit der langfristigen PFS-Rate assoziiert ist [8]. Studienteilnehmer mit einer CR verzeichneten eine deutlich niedrigere Konversionsrate als solche mit einer PR. Dieser Unterschied war konsistent in allen analysierten größeren Subgruppen [9]. Die CR-Rate (Complete Response, CR) ist für Czuczman ein wichtiger Surrogatmarker für die Praxis.

Für ein optimiertes Therapieergebnis werden in Zukunft noch mehr Informationen über die Genetik und Histologie der Tumore, Risikofaktoren, Resistenzmechanismen und die unterschiedlichen Wirkmechanismen der Medikamente benötigt. Dabei geht es nicht nur um die Tumorzelle selbst, sondern auch um das biologische Milieu (Micro-Environment) um sie herum. Beim FL ist beispielsweise das Transformationsrisiko umso höher und die Überlebenswahrscheinlichkeit umso schlechter, je geringer die Entfernung zu einem Blutgefäß ist [10]. Interessante Kandidaten für neue Therapieregime sind Medikamente mit multiplen immunmodulatorischen Wirkmechanismen wie Lenalidomid, das sowohl direkt zytotoxisch als auch anti-angiogenetisch wirkt.

Neue Kombinationsregime

Die Kombination des B-Zell-spezifischen monoklonalen Antikörpers Rituximab mit dem Immunmodulator Lenalidomid wurde in drei Phase-II-Studien bei FL-Patienten als First-Line-Therapie, in der rezidivierten Situation und bei Rituximab-refräktären Patienten erfolgreich untersucht [11-13]. Bei Patienten mit unbehandeltem indolenten B-Zell-NHL (Stadium III/IV) einschließlich FL (N = 90)  führte die Kombination nach 3 Zyklen zu einem exzellenten Gesamtansprechen (Overall Response, ORR) von 92 % und einer hohen CR-Rate (71 %) (Abb. 3) [11]. Angesichts dieser Daten empfahl Czuczman, das Regime beizubehalten, solange der Patient die Therapie toleriert.

Abb. 3: CR-Rate unter einer Erhaltungstherapie bei unbehandelten Patienten mit indolenten Lymphomen (inkl. FL) unter Rituximab plus Lenalidomid (modifiziert nach [11])
CR = komplette Remission; CRu = CR unconfirmed

Aufgrund dieser Daten wurde die internationale Phase-III-Studie RELEVANCE (Rituximab  and Lenalidomide Versus Any Chemotherapy) aufgelegt. Dabei werden rund 1.000 FL-Patienten zunächst auf eine First-Line-Therapie mit Rituximab/Lenalidomid (R2) oder Rituximab/Chemotherapie (R-CHOP, R-CVP, R-B) randomisiert. Teilnehmer mit einer CR, CRu oder PR behalten im R2-Arm ihre Therapie bei. Im Rituximab/Chemotherapie-Arm erhalten die Patienten eine Rituximab –Monotherapie. Ko-primäre Endpunkte sind das PFS und (als Surrogat-Paramter) die CR/CRu-Rate nach 1,5 Jahren.

Mantelzelllymphom (MCL)

Dr. med. A. Kretzschmar, München

Beim Mantelzelllymphom gibt es nur wenige Daten zur Erhaltungstherapie, ein Therapiestandard ist noch nicht definiert. Lenalidomid wird derzeit auch in einem umfangreichen Studienprogramm beim Mantelzelllymphom untersucht. Darunter sind auch zwei Studien bei jüngeren und älteren Patienten in der Erhaltungstherapie nach erfolgreicher First-Line-Therapie. Auch für Rituximab und mTOR-Inhibitoren laufen entsprechende Studien.

Literatur

  1. Coiffier B et a. Blood 2010; 116:2040-5
  2. Reeder, CB et al. Blood 2011; 1453-62
  3. Haberman TL et al. J Clin Oncol 2006; 24: 3121-7
  4. NCT00400478. Verfügbar unter www.clinicaltrial.gov
  5. NCT01122472. Verfügbar unter www.clinicaltrial.gov
  6. Salles G et al. Lancet 2011; 377: 42-51
  7. Hainsworth JD et al. J Clin Oncol 2005; 23: 1088-95
  8. Bachy E J Clin Oncol 2010; 28(5):822-9
  9. Salles G et al. Lancet 2011; 377(9759: 42-51
  10. Farinha P et al. Haematologica 2010: 95: 2157-60
  11. Samaniego F et al. J Clin Oncol 2011; 29 (Suppl): Abstract 8030
  12. Dutia M et al. Blood 2009; 114: Abstract 1679
  13. Ahmadi T et al. Blood 2009; 114: Abstract 1700