EMN 2018

19. bis 21. April, Turin

Vom 19. bis 21. April fand in Turin das erste Meeting des European Myeloma Network (EMN) statt. Der Fokus lag bei dieser Tagung, die ganz dem multiplen Myelom gewidmet war, auf der Diskussion vorhandener Studiendaten und deren Implikation für die klinische Praxis und künftige Forschung. Erfahren Sie hier mehr über den aktuellen Stand der europäischen Myelomforschung.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich freue mich, Ihnen meine Eindrücke vom ersten Meeting des European Myeloma Network (EMN) vorzustellen, welches vom 19. bis 21. April in Turin stattfand. Das EMN wurde 2003 ins Leben gerufen und vereinigt 27 Forschungseinrichtungen sowie 14 Versuchsgruppen unter einem Dach. Das Ziel des EMN ist die Entwicklung von neuen diagnostischen Möglichkeiten und Therapien zur Behandlung des multiplen Myeloms auf europäischer Ebene.

Bei dem EMN-Meeting 2018 ergaben sich sehr interessante Diskussionen zur aktuellen Studienlage und zum Umgang mit den vorliegenden Ergebnissen – insbesondere im Hinblick auf zukünftige, Erfolg versprechende Kooperationen.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Zusammenfassung einen guten Überblick zum aktuellen Stand der Myelomtherapie in Europa geben zu können und wünschen Ihnen eine informative Lektüre.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. med. Hans Salwender, Asklepios Kliniken Hamburg, Altona und St. Georg

EMN-Meeting 2018: Aktueller Stand und Zukunft der Myelomtherapie in Europa

Dr. med. Hans Salwender, Asklepios Kliniken Hamburg, Altona und St. Georg

Vom 19. bis 21. April fand in Turin das erste Meeting des European Myeloma Network (EMN) statt. Das EMN wurde 2003 gegründet, um insbesondere die wissenschaftlichen Möglichkeiten im Hinblick auf die Myelomforschung in Europa zu bündeln. Im Gegensatz zu den größeren internationalen Tagungen, wie dem ASCO-, dem EHA- oder dem ASH-Kongress, lag der Schwerpunkt beim EMN-Meeting weniger auf der Präsentation bahnbrechender neuer Studienergebnisse, sondern eher auf der Diskussion der vorhandenen Studiendaten, wie diese in die klinische Praxis einzuordnen sind und welche Konsequenzen sich daraus für künftige Studien ableiten lassen.

Hierzu wurden in einer Reihe von Übersichtsvorträgen ausführlich die derzeit verfügbaren Daten vorgestellt und diskutiert. Besprochen wurde unter anderem, welche Studien in Zukunft wichtig sind und wie diese im europäischen Raum besser durchgeführt werden können. Wichtige Studien sind zum Beispiel solche zu kleineren Patientengruppen, wie beispielsweise zu Hochrisikopatienten. Diese wurden bisher ganz überwiegend nicht in spezifischen Studien untersucht, sondern meist nur in anschließenden Subgruppenanalysen der großen Studien. Doch diese haben oft nicht die erforderliche statistische Power. Eine aktuelle, prominente Ausnahme hiervon ist die neue CONCEPT-Studie der GMMG-Studiengruppe (GMMG = German Speaking Myeloma Multicenter Group) unter Leitung von Frau Prof. Weisel, Tübingen. In dieser aktuell laufenden Phase-II-Studie werden Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom und nachgewiesener Hochrisikokonstellation eingeschlossen, die für eine Stammzelltransplantation geeignet (Arm A) oder nicht geeignet sind (Arm B). Dabei wird die Wirksamkeit und Toxizität des I-KRd-Regimes (Isatuximab, Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason) untersucht.

 

Extramedulläres Myelom

Nicht nur bei Patienten mit genetischem Hochrisiko, sondern auch bei Patienten mit extramedullärer Erkrankung (extramedullary disease; EMD) sind noch viele Fragen offen, wie Frau Dr. Rosiñol aus Barcelona in einer Session des Hauptprogramms ausführte [1]. Unter EMD werden – je nach Studie – unterschiedliche Erkrankungen zusammengefasst. Dazu zählt zum einen das paraossäre Myelom. Dieses wächst an einer Stelle über die Grenzen des entsprechenden Knochens, zum Beispiel einer Rippe, hinaus. Die Prognose dieser „extramedullären“ Erkrankung entspricht der Prognose der normalen (medullären) Erkrankung.

Im Gegensatz dazu hat die unabhängig vom Knochen in Organen, wie zum Beispiel in der Leber oder der Lunge, wachsende Erkrankung eine schlechtere Prognose. Diese letztgenannte Gruppe hat scheinbar eine ganz andere Biologie als die erste Gruppe, deren Extramedullarität nur dadurch entsteht, dass der Knochen irgendwann zu Ende ist. Eine auf dem EMN-Meeting vorgestellte Arbeit von Torti et al. aus Italien kann diese schlechtere Prognose der EMD mit Organbeteiligung auch in der Ära der neuen Substanzen bestätigen [2]. Für diese Hochrisikogruppe der Patienten mit EMD der Weichteile benötigen wir eine spezifische Studie, da diese Patienten bisher nicht relevant von den großen Fortschritten der übrigen Myelompatienten profitieren.

Gagelmann et al. aus Hamburg präsentierten eine Analyse der EBMT-Daten (EBMT = European Group for Blood and Marrow Transplantation) von Patienten mit EMD [3]. Sie fanden in 41% der Fälle eine Hochrisikogenetik, welche mit einem schlechteren progressionsfreien Überleben (PFS) und einem schlechteren medianen Gesamtüberleben (OS) einherging. Die Patienten erhielten entweder

  • eine single-autologe Transplantation,
  • eine tandem-autologe Transplantation oder
  • eine autologe, gefolgt von einer allogenen Transplantation.

Es zeigte sich bei EMD eine Überlegenheit der tandem-autologen oder der autologen/allogenen Transplantation gegenüber der einmaligen autologen Transplantation (Abb. 1). Die Tandemtransplantation glich das erhöhte Risiko von Patienten mit ungünstiger Genetik aus, wie auch schon in der von Cavo M. et al. beim ASH-Kongress 2017 präsentierten Studie für Patienten ohne EMD [4]. Leider wurde hier keine Subgruppenanalyse (parenchymatös vs. paraskeletal) gezeigt.

Abb. 1: Ergebnisse unterschiedlicher Stammzelltransplantationsstrategien bei Patienten mit EMD und einer Hochrisikogenetik (modifiziert nach Gagelmann N et al. Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P63 [3])

Fazit

  • In vielen nationalen Studien werden Patienten mit Hochrisikoparametern, wie extramedullärem Myelom, Plasmazellleukämie oder hochgradige Niereninsuffizienz, ausgeschlossen oder sind dort zumindest unterrepräsentiert.
  • Diese Patientengruppen stellen uns aber gerade im klinischen Alltag vor große Herausforderungen. Sie sollten deshalb in speziellen (eventuell europäischen) Studien besser abgebildet werden. Die ersten Schritte hierzu sind getan.

„Bei aller Begeisterung über die immensen Erfolge der Behandlung von Myelompatienten sollten wir nicht übersehen, dass einige Hochrisikopatienten von diesen Erfolgen noch zu wenig profitieren.“ Dr. med. Hans Salwender

Das smoldering multiple Myelom

Dem asymptomatischen smoldering multiplen Myelom (SMM) wurde in Turin ein eigener Abschnitt gewidmet. Frau Dr. Mateos aus Salamanca präsentierte einen Überblick über das bisher Erreichte. Sie fragte aber auch, welche Studien in Zukunft in diesem Stadium der Erkrankung wichtig seien [5]. Das Problem: Bisher werden Patienten mit einem SMM außerhalb von Studien nicht behandelt. Einige dieser Patienten haben aber einen raschen Übergang in ein Myelom – dann aber bereits mit Organschäden. Diese gilt es zu verhindern. Deshalb wurden bei der letzten Aktualisierung der Leitlinien der International Myeloma Working Group (IMWG) im Jahr 2014 die Patienten mit

  • Knochenmarkplasmazellen ≥ 60%,
  • einer Leichtkettenratio ≥ 100 und
  • mehr als eine fokale Läsion im MRT

nicht mehr als SMM-Patienten, sondern als Patienten mit behandlungsbedürftigem multiplem Myelom (MM) bezeichnet [6]. Der Trend, weitere SMM-Hochrisikogruppen zu identifizieren und frühzeitig zu behandeln, geht weiter. Ob dies von Nutzen ist, wird in einer Reihe von Studien untersucht. Auf dem EMN-Meeting stellten beispielsweise Cavo et al. die CENTAURUS-Studie vor, in der Patienten mit intermediärem und Hochrisiko-Smoldering-Myelom mit Daratumumab in einer Monotherapie behandelt wurden [7]. In dieser Phase-II-Studie wurde Daratumumab eingesetzt, um eine Progression des SMM in ein symptomatisches MM möglicherweise zu verzögern. Die Patienten wurden randomisiert einem von drei Behandlungsarmen (lang-intensiviert, mittel, kurz-intensiviert) mit einer intravenösen Daratumumab-Dosierung von 16 mg/kg in 8-Wochen-Zyklen zugeordnet:

  • lang-intensiviert: wöchentlich (QW) in Zyklus 1, jede zweite Woche in Zyklus 2−3, alle vier Wochen in Zyklus 4−7 und alle acht Wochen (Q8W) bis Zyklus 20
  • mittel: QW in Zyklus 1, Q8W bis Zyklus 20
  • kurz-intensiviert: QW für einen Zyklus

Es konnte festgestellt werden, dass Daratumumab bei Patienten mit SMM ähnlich gut toleriert wird wie bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem MM (RRMM). Die Nachuntersuchungen bezüglich der Effektivität dauern noch an. Eine Phase-III-Studie über die lang-intensivierte Dosierung zur subkutanen Daratumumabgabe bei Hochrisiko-SMM-Patienten ist in Planung (SMM3001).

Wie Frau Dr. Mateos darstellte, ist bei den Patienten mit SMM noch das größte kurative Potenzial zu erwarten. Aus diesem Grund sollten laut Frau Mateos auch Studien mit einem kurativen Ansatz bei SMM-Patienten durchgeführt werden. Diese müssten natürlich unter kontrollierten Bedingungen, am besten in einem europäischen Verbund, durchgeführt werden, da hierbei potenziell nichtbehandlungsbedürftige Patienten eine relativ riskante und sehr teure Therapie (Kombinationen von neuen Substanzen und Hochdosistherapie, wie zum Beispiel in der GEM-CESAR-Studie [8]) erhielten.

Fazit

  • Seit wenigen Jahren haben wir dank der neuen IMWG-Kriterien die Möglichkeit, Myelompatienten zu behandeln, bevor Organschäden entstehen.
  • Dieses Erfolgskonzept soll nun auf weitere Patientengruppen mit einem hohen Risiko für Organschäden erweitert werden. Hierzu sind allerdings umfangreiche Studien notwendig.

„Bis vor wenigen Jahren haben wir Myelompatienten erst behandelt, wenn Schäden der Niere, der Knochen oder der Blutbildung mit zweifelsfreier Behandlungsindikation vorlagen. Nun behandeln wir zunehmend auch Patienten mit einem Risiko für Organschäden. Dies beinhaltet aber auch die Gefahr, Patienten ohne individuellen Nutzen zu behandeln. Deshalb erfordert dies eine besondere Sorgfalt.“ Dr. med. Hans Salwender

Praktische Aspekte zur aktuellen Therapie des multiplen Myeloms

Zur aktuellen Therapie des multiplen Myeloms (MM) wurden in Turin mehrere Updates bekannter Studien präsentiert. Zum Beispiel die POLLUX-Studie, die Daratumumab, Lenalidomid und Dexamethason (DRd) mit Lenalidomid und Dexamethason (Rd) bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem MM untersucht [9]. Das Update bestätigte die bereits beim vergangenen ASH-Kongress präsentierten Ergebnisse, wonach DRd zu einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) gegenüber Rd führt. Daneben wurde zudem ein Update der CASTOR-Studie präsentiert, die Daratumumab plus Bortezomib plus Dexamethason (DVD) mit Bortezomib und Dexamethason (VD) bei Patienten mit refraktärem oder rezidiviertem multiplem Myelom vergleicht [10]. Auch hier zeigte das Update – wie bereits beim ASH-Kongress 2017 dargestellt – dass die Therapie mit DVD das progressionsfreie Überleben bei gleichbleibendem Sicherheitsprofil signifikant verlängert. Die Updates brachten somit wenig Neues gegenüber den Präsentationen auf dem ASH-Kongress 2017.

Interessant waren aber die Ergebnisse von Studien zur erleichterten Therapiedurchführung mit dem Anti-CD-38-Antikörper Daratumumab (DARA). Die Infusionsdauern liegen zwischen 6,5 und 3,5 Stunden pro Infusion, was für die Patienten und die onkologischen Tageskliniken eine lange Verweildauer bedeutet. Dass die Infusion auch mit einer höheren Infusionsgeschwindigkeit infundiert werden kann, zeigten jetzt Jak M et al. [11] aus Utrecht in den Niederlanden anhand der beschleunigten Infusion von DARA bei Patienten mit rezidiviertem MM. Sie verabreichten ab der neunten DARA-Infusion alle nachfolgenden Infusionen innerhalb von 90 Minuten. Dies war ohne das Auftreten von jeglichen Nebenwirkungen möglich.

Noch schnellere Infusionsgeschwindigkeiten – und zwar in 3 bis 5 Minuten – können mit der subkutanen Verabreichung von Daratumumab (DARA) erreicht werden. Frau Dr. Mateos aus Spanien präsentierte hierzu aktuelle Daten aus der Phase-Ib-Studie PAVO bei Patienten mit RRMM [12]. Zum einen wurde DARA in Form einer Mix-und-Deliver-Mischung mit rekombinantem humanem Hyaluronidaseenzym (rHuPH20) als subkutane Infusion (DARA-MD) in den Dosierungen 1.200 mg beziehungsweise 1.800 mg gegeben und zum anderen wurde es als Co-Formula mit rHuPH20 (DARA-SC) manuell in einer Dosierung von 1.800 mg subkutan verabreicht. Es konnten bei der subkutan applizierten Therapie ähnlich hohe Serumspiegel wie bei der intravenösen Gabe erzielt werden (Abb. 2). Die subkutane Gabe von DARA + rHuPH20 wurde von den Patienten – mit weniger infusionsbezogenen Reaktionen als erwartet – überdies gut vertragen. Die subkutane Gabe von Daratumumab wird bereits in einer ganzen Reihe von weiteren Studien eingesetzt, sodass in absehbarer Zeit mit einer Zulassung zu rechnen ist.

Abb. 2: Simulation von mittleren Konzentrations-Zeit-Profilen von Daratumumab nach subkutaner und intravenöser Dosierung (modifiziert nach Mateos MV et al. Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P41 [12])

Eine weitere Studie zur verbesserten Therapiedurchführung kam aus Freiburg. Die Kollegen konnten zeigen, dass eine orale Kryotherapie während der Hochdosis-Melphalan-Behandlung die Rate an schwerer Mukositis reduzieren kann, ohne das progressionsfreie Überleben (PFS) oder das Gesamtüberleben (OS) zu verschlechtern [13].

Eine weitere Studie zu „begleitenden“ Maßnahmen betraf die Influenzaschutzimpfung. Aus Serumstudien ist bekannt, dass Patienten mit Plasmazellerkrankungen weniger protektive Serumspiegel aufbauen als gesunde Menschen. Aus den USA wurde nun eine Studie präsentiert, in der gezeigt werden konnte, dass zwei Impfungen mit einem hochdosierten Impfstoff im Abstand von 30 Tagen zu einem weitaus stabileren Impfschutz über eine Influenzasaison hinweg führen als eine einzelne Impfung [14].

Fazit

  • Eine Reihe von Studien zeigte Wege für eine verbesserte beziehungsweise vereinfachte Therapiedurchführung auf.
  • Im Vordergrund standen Maßnahmen zur Beschleunigung der Daratumumabverabreichung, aber auch zur Reduktion der Mukositis nach einer Hochdosischemotherapie.

„Das größte Problem bei der Therapie mit Daratumumab ist die lange Infusionszeit. Eine Lösung dieses Problems steht aber unmittelbar bevor.” Dr. med. Hans Salwender

Studien zur minimalen Resterkrankung

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung widmete sich den aktuellen Erkenntnissen zur minimalen Resterkrankung (MRD). Prof. Avet-Loiseau aus Toulouse stellte in einer Session des Hauptprogramms die verschiedenen Methoden zur Bestimmung der MRD einander gegenüber. Die Bestimmung mittels Durchflusszytometrie sei am weitesten gebräuchlich, weil die Durchführung relativ einfach sei, so Avet-Loiseau. Für eine Genauigkeit von 10-6 brauche man allerdings 20 Millionen Zellen, die in der Regel nicht mit einer einfachen Knochenmarkpunktion gewonnen werden könnten. Diese Genauigkeit sei aber wichtig, da 10-4 (bzw. 10-5) im Hinblick auf die Prognoseabschätzung nicht besser als die konventionelle Komplettremission sei.

In der Session wurde besprochen, dass für den weiteren sinnvollen Einsatz des MRD-Status zur Prognoseabschätzung eine Reihe von Punkten geklärt werden sollte und im Rahmen von großen Phase-III-Studien bestätigt werden müsste. Diskutiert wurde zudem über die ersten Vereinheitlichungen zur Verbesserung der Genauigkeit. Für die Aussage „MRD- negativ“ sollte wenigstens ein Level von 10-5 erreicht sein, da selbst hierbei noch Millionen von malignen Zellen im Körper vorliegen können.

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt der MRD-Analyse. Es gibt eine Reihe von Studien, die zeigen, dass das Überleben bei MRD-Negativität besser ist als ohne. Aber es bleiben folgende Fragen offen:

  • Wann soll eine MRD-Analyse erfolgen?
  • Wie oft ist eine MRD-Diagnostik und damit eine Knochenmarkpunktion mit entsprechend vielen Zellen notwendig?

Einige Patienten werden erst während der Erhaltungstherapie MRD-negativ. Deren Biologie der Erkrankung ist zum Beispiel bezüglich der Therapiesensitivität eine andere als bei den Patienten, die bereits nach der Induktionstherapie oder unmittelbar nach der Hochdosistherapie MRD-negativ werden.

Ein anderes Problem ist die Verlaufsbeurteilung. Wenn wir einen MRD-Level von 10-6 erreichen und der Patient bei der Kontrolle bei 10-4 noch eine MRD-Positivität aufweist, kann er immer noch in klassischer Remission sein, obwohl zweifellos die Krankheit nicht mehr kontrolliert ist. Dies hätte eine unmittelbare Auswirkung auf die Ansprechdauer (Duration of response, DoR). Über diese diagnostischen Erwägungen hinaus bleibt die Frage, wie anschließend therapeutisch weiter vorgegangen wird. Einige erste Studien wurden dazu vorgestellt. Spontan könnte man nun sagen, dass man mittels der MRD-Diagnostik die Therapie steuern kann und dass man so lange behandeln kann, bis keine pathologischen Zellen mehr vorhanden sind. Nur können auch bei dieser Bestimmung viele Zellen im Körper verbleiben, ohne dass man sie nachweisen kann. Auch wenn im gesamten Knochenmark keine Plasmazelle mehr zu finden ist, könnten pathologische Zellen extramedullär existieren. Die therapeutischen Konsequenzen, die aus dem Untersuchungsergebnis gezogen werden, könnten deshalb schwerwiegende Folgen haben.

Es stimmt, dass das Überleben beim multiplen Myelom umso besser ist, je weniger Plasmazellen vorliegen. Eine MRD-Negativität kann auch bedeuten, dass die spezielle Myelomerkrankung des Patienten besonders gut auf die Therapie anspricht, was die Prognose der Gesamterkrankung verbessern würde. Soll also bei einer positiven MRD (es sind noch Plasmazellen nachzuweisen) die Therapie verlängert werden? Dabei ist jedoch noch vollkommen unklar, welche Medikamente zum Einsatz kommen könnten und welcher Therapieweg eingeschlagen werden sollte. Werden weiterhin Plasmazellen nachgewiesen, könnte dies jedoch auch bedeuten, dass eine Therapieresistenz vorliegt und somit auch ein Fortsetzen der Therapie zu keiner Verbesserung führen würde. Der Umkehrschluss würde bedeuten, dass die Therapie bei einer MRD-Negativität (kein Nachweis von Plasmazellen) beendet werden kann. Goldschmidt et al. empfehlen allerdings, dass auch bei sehr gutem Ansprechen der Lenalidomid-Erhaltungstherapie weiterbehandelt werden sollte [15]. Außerdem ist bei einer MRD-Negativität bisher kein Plateau im Hinblick auf das Überleben nachweisbar, und kann somit wahrscheinlich nicht als Hinweis auf Heilung gedeutet werden (Abb. 3) [16],[17].

Abb. 3: a) Einfluss des MRD-Status auf die Überlebensrate bei Patienten mit Erstdiagnose multiples Myelom (NDMM) in der ALCYONE-Studie (modifiziert nach Mateos MV et al. ASH 2017, Atlanta, Blood 2017 130: LBA-4 [16]). b) Einfluss des MRD-Status auf die Überlebensrate bei Patienten mit Rückfall oder therapierefraktärem multiplem Myelom (RRMM) in der POLLUX-Studie (modifiziert nach Dimopoulos MA et al. ASH 2017, Atlanta, Blood 2017 130: 739 [17]).

Zur Komplettierung der Knochenmark-MRD-Diagnostik sollte zudem eine Ganzkörperbildgebung erfolgen. Vergleicht man internationale Daten, so scheint das PET-CT der MRT diagnostisch überlegen [18]. In Deutschland ist das PET-CT allerdings weniger gut verfügbar.

Fazit

  • Wir haben heute weitaus genauere Methoden zur Remissionsbestimmung beziehungsweise zur Bestimmung der minimalen Resterkrankung als noch vor einigen Jahren. Nun muss festgelegt werden, wie die MRD-Diagnostik künftig durchgeführt werden soll. Aspekte, die dabei berücksichtigt werden müssen, sind beispielsweise die Fragen nach der Methode, der Genauigkeit, dem Zeitpunkt und nach der Häufigkeit der Durchführung.
  • Wir benötigen außerdem Studien, die uns zeigen, wie wir therapeutisch richtig auf welches MRD-Ergebnis reagieren sollten.

„Unser Wissen darüber, wie wir die moderne MRD-Diagnostik für unsere Therapieentscheidung nutzen können, ist noch sehr gering.” Dr. med. Hans Salwender

Stellenwert der MRT-Untersuchung

Besonders spannend war ein Beitrag in Turin, der als einer der “best abstracts” ausgewiesen war [19]. Hierbei haben die Kollegen aus Heidelberg die prognostische Relevanz der MRT im Rahmen der GMMG-MM5-Studie untersucht. Die circa 80 eingeschlossenen Patienten erhielten eine MRT-Untersuchung zu Behandlungsbeginn und nach der Hochdosischemotherapie beziehungsweise vor der Erhaltungstherapie. Initial lag bei ca. 25% der Patienten eine extramedulläre Erkrankung (EMD) vor. Das Gesamtüberleben dieser Patienten lag deutlich unter dem der Patienten ohne EMD (5-Jahres-OS 59% vs. 83%). Obwohl nahezu alle Patienten einen Rückgang der Aktivität beziehungsweise eine Verkleinerung der fokalen Läsionen im MRT zeigten, bestand bei 81% (fokale Läsionen) beziehungsweise 61% (diffuses Muster im MRT) der Patienten eine Restaktivität im MRT. Patienten, die keine vollständige Remission (CR) erreichten, hatten ein verkürztes progressionsfreies Überleben (PFS), wenn bei der zweiten MRT weiterhin ein diffuses Signalmuster fortbestand (PFS 26 Monate vs. 54 Monate). Ganz besonders interessant war aber die Beobachtung, dass es bei einem Teil der Patienten (36%) nach einer Hochdosistherapie zu einer zystischen Transformation ihrer residuellen fokalen Läsionen kam. Diese Veränderung ging mit einem verkürzten PFS einher (medianes PFS: 17 Monate. vs. 45 Monate), obwohl diese Patienten häufiger eine (fast) komplette Remission erreichten (75% vs. 41%) (Abb. 4). Die Autoren vermuten, dass diese Läsionen mit wasseräquivalentem Signalmuster durch eine Tumorzellnekrose bei wachstumsaktiver Erkrankung entstehen. Bei diesen Patienten war häufiger eine Deletion 13, eine extramedulläre Beteiligung (EMD) (48% vs. 7%) sowie ein mittlerer bis hoher Proliferationsindex im Genexpressionsprofiling nachweisbar (92% vs. 67%). Diese Arbeit unterstreicht eindrucksvoll den Stellenwert der MRT-Untersuchung, unabhängig von PET oder klassischer CR-Diagnostik.

Abb. 4: Myelompatienten mit zystischen Läsionen in der MRT-Untersuchung nach einer Transplantation weisen ein verkürztes progressionsfreies Überleben auf (modifiziert nach Merz M et al. Presented at Best Abstracts II – Oral Presentations, EMN 2018, Turin, Abstract BA5 [19]).

Fazit

  • Die Studie der GMMG-Studiengruppe unterstreicht den Nutzen der MRT-Untersuchung auch bei einer Verfügbarkeit des PET.

Insgesamt war diese erste Tagung des European Myeloma Network wichtig, um die Experten an einen Tisch zu bringen, Daten auszutauschen und neue Konzepte beziehungsweise Kooperationen zu besprechen. Nur so werden wir die Herausforderungen der zukünftigen Forschung beim MM (begrenzte Anzahl von Patienten, große Zahl neuer zu testender Substanzen, unübersichtlich große Zahl sinnvoll erscheinender Kombinationsmöglichkeiten) lösen können.

Quellen

  1. Rosinol L. Extramedullary Disease In Multiple Myeloma, Presented in Main Program, EMN 2018, Turin, Abstract Book page 2.
  2. Torti L et al. Peculiarities and Heterogeneities of Extramedullary Disease of Multiple Myeloma in the "Novel Agents Era". Comparision of Soft-Tissue and Bone-Related Shapes in a Real-Life Analysis. Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P69.
  3. Gagelmann N et al. Outcome Of Cytogenetics In Patients With Newly Diagnosed Extramedullary Myeloma Undergoing Stem-Cell Transplantation. Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P63.
  4. Cavo M et al. Double Autologous Stem Cell Transplantation Significantly Prolongs Progression-Free Survival and Overall Survival in Comparison with Single Autotransplantation in Newly Diagnosed Multiple Myeloma: An Analysis of Phase 3 EMN02/HO95 Study. Blood 2017; 130 (Suppl 1), abstract 401.
  5. Mateos MV et al. What Kind Of Trials Do We Need In The Future To Address Open Issues In SMM? Presented in Main program, EMN 2018, Turin, Abstract Book page 1.
  6. Rajkumar SV et al. International Myeloma Working Group updated criteria for the diagnosis of multiple myeloma. Lancet Oncol 2014; 15: e538–548.
  7. Cavo M et al. A Randomized, Open-Label, Multicenter Phase 2 Study Of Daratumumab Monotherapy For Patients (PTS) With Intermediate Or High-Risk Smoldering Multiple Myeloma (SMM): CENTAURUS. Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P60.
  8. Mateos MV et al. Curative Strategy for High-Risk Smoldering Myeloma (GEM-CESAR): Carfilzomib, Lenalidomide and Dexamethasone (KRd) As Induction Followed By HDT-ASCT, Consolidation with Krd and Maintenance with Rd. Blood 2017; 130 (Suppl 1) abstract 402.
  9. Moreau P et al. Updated Efficacy And Safety Analysis Of Daratumumab, Lenalidomide, And Dexamethasone (DRd) Versus Lenalidomide And Dexamethasone (Rd) For Relapsed Or Refractory Multiple Myeloma (RRMM; POLLUX). Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P38.
  10. Mateos MV et al. Updated Efficacy And Safety Analysis Of Daratumumab, Bortezomib, And Dexamethasone (DVD) Versus Bortezomib And Dexamethasone (VD) For Relapsed Or Refractory Multiple Myeloma (RRMM; CASTOR). Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P37.
  11. Jak M et al. Accelerated Infusion Of Daratumumab Is Safe In Multiple Myeloma Patients. Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P15.
  12. Mateos MV et al. Subcutaneaous Daratumumab In Patients (PTS) With Relapsed Or Refractory Multiple Myeloma (RRMM): An Open-Label, Multicenter, Dose Escalation Phase 1B Study (PAVO). Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P41.
  13. Naegele M et al. Progression Free Survival And Overall Survival Five Years After Oral Cryotherapy Implemented In High-Dosed Melphalan Conditioning For The Prevention Of Oral Mucositis. Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P76.
  14. Branagan A et al. Two Dose Series Of High-Dose Influenza Vaccine Is Associated With Longer Duration Of Serologic Immunity In Patients With Plasma Cell Disorders. Presented at Poster Presentation, EMN 2018, Turin, Abstract P62.
  15. Goldschmidt H et al. Response-Adapted Lenalidomide Maintenance in Newly Diagnosed, Transplant-Eligible Multiple Myeloma: Results from the Multicenter Phase III GMMG-MM5 Trial. Blood 2017;130 (Suppl 1) Abstract 200.
  16. Mateos MV et al. Phase 3 Randomized Study of Daratumumab Plus Bortezomib, Melphalan, and Prednisone (D-VMP) Versus Bortezomib, Melphalan, and Prednisone (VMP) in Newly Diagnosed Multiple Myeloma (NDMM) Patients (Pts) Ineligible for Transplant (ALCYONE). , 2017. p. LBA-4.
  17. Dimopoulos MA et al. Daratumumab, Lenalidomide, and Dexamethasone (DRd) Versus Lenalidomide and Dexamethasone (Rd) in Relapsed or Refractory Multiple Myeloma (RRMM): Updated Efficacy and Safety Analysis of Pollux.
  18. Moreau P et al. Prospective randomized placebo-controlled study of granulocyte-macrophage colony-stimulating factor without stem-cell transplantation after high-dose melphalan in patients with multiple myeloma. J Clin Oncol 1997; 15: 660–666.
  19. Merz M et al. Magnetic Resonance Imaging Before And After Upfront Autologous Transplantation Identifies Patients With Adverse Outcome But Response To Treatment Within Prospective GMMG MM5 Phase III Trial, Presented in Best Abstracts, EMN 2018, Turin, Abstract B5.
  • Bildnachweis: „Mole Antoneliana View”: © vladislavmavrin/Fotolia; "View of Turin centre with Mole Antonelliana-Italy": © zm_photo/Fotolia