EHA 2018
14. bis 17. Juni, Stockholm
- Multiples Myelom: Immuntherapien im Fokus
Prof. Dr. med. Igor Blau, Charité Campus Benjamin Franklin, Berlin - 23. Kongress der European Hematology Association (EHA): neue Therapiekonzepte bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) und beim myelodysplastischen Syndrom (MDS) vorgestellt
Dr. med. Fabian Lang, Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt a. Main
Die Optimierung der Therapieschemata durch neue Wirkstoffkombinationen und immuntherapeutische Ansätze waren zentrale Themen auf dem diesjährigen Kongress der European Hematology Association (EHA), der vom 14. bis 17. Juni in Stockholm stattfand. Informieren Sie sich auf unserer Plattform über den neuesten Stand der Forschung für die Indikationen Multiples Myelom, akute myeloische Leukämie (AML) und myelodysplastische Syndrome (MDS).
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auf dem diesjährigen Kongress der European Hematology Association (EHA), der vom 14. bis 17. Juni in Stockholm stattfand, wurden zahlreiche Highlights zu den wichtigsten hämatoonkologischen Krankheitsbildern präsentiert und diskutiert.
Wir freuen uns, Sie über die neuesten Entwicklungen auf den Gebieten Multiples Myelom, akute myeloische Leukämie und myelodysplastische Syndrome zu informieren. Auf der Jahrestagung wurde eine Vielzahl neuer, innovativer Therapieansätze vorgestellt, die uns einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft erlauben.
Wir hoffen, Ihnen mit diesem kompakten Überblick einen praxisnahen Leitfaden an die Hand geben zu können, und wünschen Ihnen eine interessante und informative Lektüre.
Mit kollegialen Grüßen
Multiples Myelom: Immuntherapien im Fokus
Prof. Dr. med. Igor Blau, Charité Campus Benjamin Franklin, Berlin
Der jährliche Kongress der Europäischen Gesellschaft für Hämatologie (EHA) zählt zu den wichtigsten internationalen Tagungen für Hämatoonkologen. Eines der zentralen Themen des diesjährigen Kongresses war das sich rasch vertiefende Verständnis der Pathogenese onkologischer und gutartiger hämatologischer Erkrankungen. Dies schlägt sich in verschiedenen neuen Therapieansätzen nieder. Beim Multiplen Myelom (MM) standen die bekannten gegen CD38 und CD319 (SLAMF7) gerichteten monoklonalen Antikörper im Fokus. Es wurden dazu die neuesten Studienergebnisse mit immer anderen Kombinationspartnern vorgestellt.
Ein Schwerpunkt der Tagung lag auf den Immuntherapien. Hinsichtlich des Multiplen Myeloms (MM) setzt sich die Erkenntnis durch, dass bei der Erkrankung die Korrektur der Immunantwort hoch effektiv ist – besonders wenn die immunwirksamen monoklonalen Antikörper mit den immunmodulierenden Substanzen gleichzeitig appliziert werden. Allgegenwärtig war das Thema der hoffnungsstiftenden Behandlung mit bispezifischen Antikörpern, Immunkonjugaten und CAR-T-Zellen. Das MM wird zunehmend als komplexe Erkrankung – also als Tumor der Plasmazelle, als pathologischer Zustand des Immunsystems und als Störung des Knochenmarkmikroenvironments – verstanden. Dementsprechend findet dieses wachsende Verständnis nun Eingang in die Therapie.
Erstlinientherapie
Bei der Erstlinientherapie wird seit Jahren um den Stellenwert der Hochdosismelphalantherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation gestritten. Nach der Einführung der neuen Therapeutika vor einem Jahrzehnt erschien es besonders unseren amerikanischen Kollegen sehr naheliegend, dass auf die autologe Stammzelltransplantation verzichtet werden könnte. Damals wurde eine Reihe von verschiedenen Therapiestudien konzipiert, die inzwischen auswertbare Ergebnisse vorweisen können. Diese zeigen, dass die Transplantation auch künftig ihren Stellenwert in der Erstlinientherapie des MM haben wird. Unabhängig von den aktuell auf dem EHA-Kongress präsentierten Studiendaten bezogen sich die Vortragenden dabei immer wieder auf die IFM2009-Studie und zitierten die Kurve des progressionsfreien Überlebens (PFS) aus der Publikation von Attal et al. [1]. Hierbei war das mediane PFS in der Gruppe der transplantierten Patienten signifikant länger im Vergleich zu den Patienten, die allein mit der medikamentösen Therapie behandelt wurden (50 Monate vs. 36 Monate; angepasste Hazard Ratio [HR] bei Progress oder Tod: 0,65; 95-%-Konfidenzintervall [KI]: 0,53–0,80; p < 0,001).
Dabei zeigt sich, dass die Kombinationstherapie aus neuen Substanzen in der Induktions- und der Konsolidierungstherapie das klinische Outcome für die Patienten substanziell verbessern kann. Eindrücklich wurde dies jetzt in einer auf dem EHA-Kongress präsentierten Langzeitauswertung der GIMEMA-MMY-3006-Studie gezeigt [2]. In dieser Phase-III-Studie erhielten insgesamt 474 Patienten mit neu diagnostiziertem MM entweder eine Kombinationstherapie mit Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason (VTD) oder mit Thalidomid und Dexamethason (TD) als Induktionstherapie vor und als Konsolidierungstherapie nach einer doppelten autologen Stammzelltransplantation. Die Ergebnisse dieser Auswertung mit einem hervorragenden 10-Jahres-Überleben belegen den großen Sprung, den die Myelomtherapie in der letzten Dekade vollzogen hat (Abb. 1).
Die Kombination aus Proteasominhibitoren (PIs), wie Bortezomib, und immunmodulierenden Substanzen (IMiDs, z. B. Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid) in der Induktion und die Doppelhochdosistherapie – hier noch ohne Erhaltungstherapie – ermöglichen somit, dass Patienten mit MM eine mediane Überlebenswahrscheinlichkeit haben, die jenseits der 10 Jahre liegt.
Auch für die älteren Patienten, die im Rahmen der Myeloma-XI-Studie der englischen Kollegen um Pawlyn behandelt und transplantiert wurden, konnte der Vorteil der Hochdosis-Melphalantherapie eindrücklich belegt werden [3]. Insgesamt konnten 3.894 Patienten in die Studie eingeschlossen werden. 2.042 Patienten waren transplantationsfähig (medianes Alter: 61 Jahre), 1.852 Patienten waren nicht transplantationsfähig (medianes Alter: 74 Jahre). In einer altersabgestimmten Gruppe von Patienten zwischen den Behandlungsarmen „transplantationsfähig“ und „nicht transplantationsfähig“ war die Zahl der transplantierten Patienten mit n = 389 recht groß (310 Patienten wurden nicht transplantiert, obwohl sie transplantiert hätten werden können). 382 Patienten waren nicht transplantationsfähig.
Die transplantierten Patienten wiesen ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben auf: Das mediane PFS betrug bei transplantierten Teilnehmern 42,9 Monate, bei den transplantationsfähigen, aber nicht transplantierten Patienten 15,9 Monate und bei den nicht transplantationsfähigen Patienten 17,2 Monate. Auch im Hinblick auf das Gesamtüberleben zeigte sich ein Vorteil für die Gruppe der transplantierten Patienten mit einem medianen OS von 63,8 Monaten für die transplantierten Patienten, von 46,1 Monaten für die transplantationsfähigen, aber nicht transplantierten Patienten und von 45,8 Monaten für die nicht transplantationsfähigen Patienten.
Pieter Sonneveld et al. konnten dann neue Daten aus der EMN02/HOVON95-Studie präsentieren und erstmals klar nachweisen, dass eine Konsolidierung mit zwei Zyklen der Kombination Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason positive Auswirkungen auf das Gesamtoutcome hat [4]. Diese Studie hatte bereits beim vergangenen ASH-Kongress den Vorteil der Doppeltransplantation für die zytogenetischen Hochrisikopatienten demonstrieren können [5].
Einer der eigentlichen Höhepunkte des „Myelom-EHA“ war die Vorstellung einer Subgruppenanalyse der ALCYONE-Studie [6]. Dabei wurde die Therapie mit Daratumumab plus Bortezomib, Melphalan und Prednison (D-VMP) mit der Kombination von Bortezomib, Melphalan und Prednison (VMP) bei älteren Patienten (≥ 75 Jahre), die bei neu diagnostiziertem MM nicht für eine Transplantation infrage kamen, untersucht. Die Einführung der monoklonalen Antikörper in die Primärtherapie wird von allen Hämatologen mit Spannung erwartet. Können sich die Ergebnisse der Myelomtherapie so dramatisch ändern wie die nach der Gabe von Rituximab beim Non-Hodgkin-Lymphom vor 20 Jahren? Es sieht fast danach aus, wie Mateos et al. bereits in der im NEJM publizierten Auswertung zeigen [7]. Die Hinzunahme des Anti-CD38-Antikörpers Daratumumab führt insbesondere zu ausgeprägten Veränderungen im Hinblick auf das Ansprechen und auf die Tiefe des Ansprechens (komplette Remission [CR] und minimale Resterkrankung [MRD]), beeinflusst jedoch weniger das PFS. Bei den Daten, die jetzt von Jesus San Miguel auf dem EHA-Kongress präsentiert wurden, überzeugten die Analysen zum Kollektiv der älteren Patienten (≥ 75 Jahre) und auch der jüngeren (< 75 Jahre) Patienten. Unter Therapie mit D-VMP konnten für die Patientenpopulationen ≥ 75 Jahre (CR D-VMP 41% vs. CR VMP 24%) und < 75 Jahre (CR D-VMP 43% vs. CR VMP 25%) sehr gute Ansprechraten im Vergleich zur Therapie mit VMP erzielt werden. Auch die ORR war in beiden Altersgruppen bei den mit D-VMP behandelten Patienten durchweg höher, als bei den Patienten, die mit VMP therapiert wurden (≥ 75 Jahre: ORR 88% vs. 70% und < 75 Jahre: ORR 92% vs. 76%). Die MRD-Rate bei Therapie mit D-VMP lag dabei für beide Altersgruppen stabil bei über 20%. Das mediane PFS wurde nicht erreicht, die Kurven der unter 75jährigen und ≥ 75jährigen Patienten waren deckungsgleich.
Von großem Interesse sind auch Studienprotokolle von Primärtherapien, mit denen Patienten in den nächsten Jahren in Deutschland behandelt werden könnten (DSMM XVII, CONCEPT, HD7). Erste Daten der italienischen FORTE-Studie, die von Francisca Gay aus Turin präsentiert wurden, dokumentieren den – so nicht erwarteten – Vorteil einer Therapie mit Carfilzomib in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason (KRd) gegenüber einer Therapie mit Carfilzomib in Kombination mit Cyclophosphamid und Dexamethason (KCd) bei Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom in der Induktionstherapie [8]. Das Ansprechen von KCd ist bezogen auf das MRD-Niveau signifikant (p = 0,008) niedriger als bei der Therapie mit KRd (Abb. 2).
Fast möchte man in Analogie dazu eine Studie erkennen, die leider so nie durchgeführt wurde, die aber für die aktuelle Therapiesituation in Deutschland essenzielle Aussagen machen würde: die Gegenüberstellung der Dreifachtherapie mit Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (VRD) und der Kombinationstherapie mit Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason (VCD).
Die beim ASH-Kongress 2016 von P. Moreau [9] vorgestellten Daten des Vergleichs der Induktionstherapie mit Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason (VCD) versus Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason (VTD) waren vergleichbar positiv für die Therapie mit VTD (ohne MRD). Die immer schnellere Entwicklung neuer Therapien und Therapieschemata, die Bemühungen um deren Etablierung in der ersten Linie und damit um eine schnelle Verbesserung der Therapieeffektivität für viele Patienten – all dies zwingt die Myelomgruppen, möglichst schnell Ergebnisse aus den Studien zu präsentieren. Ob Carfilzomid, Lenalidomid und Dexamethason (KRd) und die Therapie mit Bortezomib, Lenalidomid (Thalidomid) und Dexamethason (VR(T)D) am Ende der Induktionstherapie und nach einer Mobilisierung und einer Hochdosistherapie mit Melphalan sowie nach der Konsolidierung und Erhaltung wirklich die besseren Schemata sind, wird erst in der Zukunft belegt werden können. Während einer Diskussion in einer der Sessions wurde die Mobilisierungseffizienz nach KRd und KCd diskutiert. Als mögliches Vorsichtssignal wurde dabei die Tatsache gewertet, dass die Rate der Patienten, die zusätzlich zum Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktor (G-CSF) auch Plerixafor benötigten, im KRd-Arm bisher bei über 20% lag.
Mit Spannung erwarten wir nun die ersten Ergebnisse der HD6-Studie. Die Induktionstherapie mit Elotuzumab in Kombination mit Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (VRD) kann die Erfolgsgeschichte der monoklonalen Antikörper in der Primärtherapie fortschreiben. So erwarten wir auf dem ASH-Kongress 2018 die ersten Ergebnisse zur Induktionstherapie mit diesem Regime. Und ebenso hoffen wir, dass die Resultate der MAIA-Studie, die die um Daratumumab erweiterte, etablierte Therapie mit Lenalidomid und Dexamethason bei den nicht zu transplantierenden Patienten untersucht, mindestens einen ebensolchen Vorteil für unsere Patienten bringen, wie die hier in Stockholm gezeigten Studiendaten.
Fazit
- Die Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation ist das Rückgrat der Myelomtherapie und sollte Patienten aller Altersgruppen empfohlen werden.
- Die Hinzunahme des monoklonalen Antikörpers Daratumumab zur Induktionstherapie mit VMP in der ALCYONE-Studie zeigt auch in der Gruppe der älteren Patienten eine gute Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit.
- Neue Therapieschemata werden schneller als erwartet in der Primärtherapie zur Verfügung stehen.
„Die Hinzunahme der monoklonalen Antikörper zur Induktionstherapie kann einen ähnlichen Therapieeffekt haben wie die Einführung der monoklonalen Antikörper bei der Behandlung der Non-Hodgkin-Lymphome.“ Prof. Dr. Igor Blau
Rezidivtherapie
Nach den sich überschlagenden Neuigkeiten auf den großen Hämatologiekongressen der letzten drei Jahre ist nun ein wenig Ruhe eingekehrt. Während einer Session zur Rezidivtherapie wurden am Samstag einige wichtige Studienergebnisse präsentiert, die in absehbarer Zeit direkte praktische Bedeutung erlangen werden. Die Darstellung der Resultate der OPTIMISMM-Studie durch Paul Richardson wie auch durch einige an der Studie teilnehmende deutsche Zentren war mit Spannung erwartet worden [10]. Die Kombination aus Pomalidomid, Bortezomib und Dexamethason – die zwar naheliegend, aber doch prüfungsbedürftig war – wurde mit der Standardrezidivtherapie, bestehend aus Bortezomib und Dexamethason getestet.
Das Haupteinschlusskriterium waren 1−3 vorangegangene Therapieregime und ≥ 2 vorangegangene Zyklen mit Lenalidomid. Die Patienten wurden randomisiert, um entweder die PVd-Therapie (Pomalidomid, Bortezomib, Dexamethason) oder die Vd-Therapie (Bortezomib, Dexamethason) in 21-Tage-Zyklen in der folgenden Dosierung zu erhalten: Pomalidomid 4 mg/Tag an den Tagen 1−14 (nur der PVd Arm), Bortezomib 1,3 mg/m² an den Tagen 1, 4, 8 und 11 in Zyklus 1−8 und an den Tagen 1 und 8 ab Zyklus 9, und Dexamethason 20 mg/Tag (10 mg/Tag bei Alter > 75 Jahre) an den Tagen der Bortezomib-Gabe und jeweils am Tag danach. Als primärer Endpunkt wurde das PFS definiert. Das progressionsfreie Überleben konnte dabei signifikant für die gesamte Studienpopulation verbessert werden (p < 0,0001). Dabei scheint die Kombinationstherapie mit PVd gegenüber der Therapie mit Bortezomib und Dexamethason Vorteile zu haben. (Abb. 3).
Auch wenn die Ergebnisse den Erwartungen entsprachen, ist die Bedeutung für die zukünftige Praxis nicht zu unterschätzen. Pomalidomid hat einen sicheren und effektiven Therapiepartner: das gut etablierte und in Kürze generisch verfügbare Bortezomib.
Für die praktische Myelomtherapie im Rezidiv ist die Auswertung einer weiteren Studie von besonderer Bedeutung. Patienten und Ärzte wünschen sich die Reduzierung der Carfilzomib-Therapie von 2-mal wöchentlichen Gaben auf eine einmal wöchentliche Applikation. Genau diesem Anspruch folgte die A.R.R.O.W.-Phase-III-Studie [11], die von Maria-Victoria Mateos ebenfalls am Samstag präsentiert wurde.
In diese Studie konnten Patienten eingeschlossen werden, die schon 2−3 Therapien erhalten hatten und bereits mit Proteasominhibitoren und immunmodulatorischen Substanzen behandelt wurden. Die Patienten wurden randomisiert in den Therapiearm mit einer einmal wöchentlichen Applikation von Carfilzomib und Dexamethason oder in den Arm mit einer 2-mal wöchentlichen Applikation von Carfilzomib und Dexamethason. In der Gruppe mit der einmal wöchentlichen Gabe erhielten die Patienten in allen Zyklen Carfilzomib (30 Minuten i. v. 20 mg/m² an Tag 1, Zyklus 1, danach 70 mg/m²) an den Tagen 1, 8 und 15. Die Gruppe mit 2-mal wöchentlicher Gabe erhielt Carfilzomib (10 Minuten i. v.) an den Tagen 1, 2, 8, 9, 15 und 16 (20 mg/m² an Tag 1 und 2 während des 1. Zyklus, danach 27 mg/m²). Alle Patienten bekamen Dexamethason 40 mg an den Tagen 1, 8, 15 (alle Zyklen) und an Tag 22 (nur Zyklus 1−9). Die Behandlung erfolgte in Zyklen von 28 Tagen bis zum Auftreten einer Progression oder einer inakzeptablen Toxizität. Der primäre Endpunkt der Untersuchung war das PFS. Sekundäre Endpunkte waren ORR, OS, Sicherheit und das pharmakokinetische Verhalten. Die Ergebnisse der A.R.R.O.W.-Studie waren dahingehend überraschend, dass die wöchentliche Gabe bei analog guter Verträglichkeit eine statistisch signifikante Überlegenheit in der Progressionsfreiheit gegenüber der 2-mal wöchentlichen Applikationsform nachwies.
Von den weiteren überzeugenden Ergebnissen der Behandlung mit den vorgeschlagenen Therapieschemata werden wir kurzfristig nicht in der praktischen Anwendung am Krankenbett profitieren: Wie bereits in der POLLUX-Studie [12] gezeigt, ist die Kombination aus einem monoklonalen Anti-CD38-Antikörper und IMiD effektiv und gut verträglich. Dies zeigte sich jetzt auch in einer Phase-Ib-Studie mit dem Anti-CD38-Antkörper Isatuximab in Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason [13]. Die Ergebnisse der Behandlung mit dem dritten monoklonalen Anti-CD38-Antikörper MOR 202 in Kombination mit Dexamethason oder Lenalidomid/Dexamethason oder Pomalidomid/Dexamethason stellte Marc Raab aus Heidelberg als Principal Investigator vor [14]. Die wiederholt publizierten guten Ergebnisse dieses Antikörpers könnten in eine weitere klinische Studie münden und zur (nicht überflüssigen) Zulassung dieses nebenwirkungsarmen CD38-Antikörpers in Kombination mit Pomalidomid (oder Lenalidomid) führen.
Als weiterer monoklonaler Antikörper wurde in der ELOQUENT-3-Studie der SLAMF7-Antikörper Elotuzumab in gleicher Kombination untersucht. Dies war als Late Breaking Abstract mit einer besonderen Hervorhebung bedacht [15]. Hier zeigte sich unter Elotuzumab, Pomalidomid und Dexamethason (EPd) ebenfalls eine gute Wirksamkeit mit einem medianen progressionsfreien Überleben von 10,3 Monaten im Vergleich zu 4,7 Monaten bei der Kombination aus Pomalidomid und Dexamethason (Pd) (Abb. 4).
Fazit
- Bei Patienten, die bereits eine Vortherapie mit Lenalidomid erhalten haben, zeigt die Kombinationstherapie mit Pomalidomid, Bortezomib und Dexamethason (PVd) eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens.
- Carfilzomib ist einmal wöchentlich appliziert effektiver und sicherer als bei 2-mal wöchentlicher Gabe.
- Kombinationstherapien mit Antikörpern werden zukünftig in der Rezidivtherapie bei einer kontinuierlichen Gabe einem großen Teil der Patienten eine viele Monate und Jahre währende Rezidivfreiheit garantieren können.
„Pomalidomid bietet sich in verschiedenen Kombinationen als das Rezidivtherapeutikum der nahen Zukunft an.“ Prof. Dr. Igor Blau
Große Hoffnung: Therapie mit genetisch modifizierten T-Zellen
Im Rahmen der Satellitensymposien am Tag vor der großen Eröffnungsshow des Kongresses (mit Technomusik und Lichtshow − etwas ungewöhnlich für wissenschaftliches Publikum und wohl dem ASH nachempfunden) wurden Therapieoptionen mit CAR-T-Zellen und TCR-T-Zellen bereits vorgestellt. Auch beim von Dr. Carl June, Philadelphia, moderierten Joint ASH-EHA Meeting ging es genau um diesen Schwerpunkt, ebenso wie bei einem der Scientific Symposien zum Multiplen Myelom. Eine Vielzahl von Rednern, wie unter anderem Prof. Dr. Hermann Einsele aus Würzburg und Dr. Jesus San Miguel aus Salamanca, diskutierte den hohen Stellenwert der genetischen T-Zell-Therapie und die darin ruhenden großen Hoffnungen für unsere Myelompatienten. Die Relevanz dieser Therapieoptionen für einen signifikanten Anteil der Myelompatienten in Deutschland ist aktuell ebenso wenig abzuschätzen wie der zeitliche Horizont dieser Entwicklung.
„Die kurz bevorstehende klinische Einführung der gegen CD19-gerichteten CAR-T-Zellen (auch in unserer Klinik) wird uns wertvolle Erfahrungen vermitteln und die Basis für eine Etablierung der CAR-T-Zellen- und TCR-T-Zellen-Therapie beim Multiplen Myelom in den nächsten Jahren legen.“ Prof. Dr. Igor Blau
Quellen
- Attal M et al. Lenalidomide, Bortezomib, and Dexamethasone with Transplantation for Myeloma. N Engl J Med 2017; 376: 1311–1320.
- Tacchetti P et al. A triplet Bortezomib- and immunomodulator-based therapy before and after double ASCT improves overall survival of newly diagnosed MM patients: final analysis of phase 3 GIMEMA-MMY-3006 study. Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S105.
- Pawlyn C et al. Autologous stem cell transplantation is safe and effective for older myeloma patients: results from the MYELOMA XI trial. Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S106.
- Sonneveld P et al. Consolidation followed by maintenance vs maintenance alone in newly diagnosed, transplant eligible multiple myeloma: a randomized phase 3 study of the European Myeloma Network (EMN02/HO95 MM trial). Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S108.
- Cavo M et al. Double Autologous Stem Cell Transplantation Significantly Prolongs Progression-Free Survival and Overall Survival in Comparison with Single Autotransplantation in Newly Diagnosed Multiple Myeloma: An Analysis of Phase 3 EMN02/HO95 Study. Blood 2017 130:401.
- San-Miguel J et al. Daratumumab plus Bortezomib-Melphalan-Prednisone (VMP) in elderly (≥75 years of age) patients with newly diagnosed multiple myeloma ineligible for transplantation (ALCYONE). Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S107.
- Mateos MV et al. Daratumumab plus Bortezomib, Melphalan, and Prednisone for Untreated Myeloma. N Engl J Med 2018; 378: 518–528.
- Gay F et al. Updates efficacy and MRD data according to risk-status in newly diagnosed myeloma patients treated with Carfilzomib plus Lenalidomide or Cyclophosphamide: results from the FORTE trial. Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S109.
- Moreau P et al. VTD is superior to VCD prior to intensive therapy in multiple myeloma: results of the prospective IFM2013-04 trial. Blood 2016; 127: 2569–2574.
- Richardson P et al. OPTIMISMM: Phase 3 trial of Pomalidomide, Bortezomib, and low-dose Dexamethasone vs Bortezomib and low-dose Dexamethasone in Lenalidomide-exposed patients with relapsed/refractory multiple myeloma. Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S847.
- Mateos MV et al. Once-weekly vs twice-weekly Carfilzomib dosing plus Dexamethasone in patients with relapsed and refractory multiple myeloma (RRMM): results of the randomized phase 3 study A.R.R.O.W. Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S849.
- Dimopoulos MA et al. Daratumumab, Lenalidomide, and Dexamethasone for Multiple Myeloma. N Engl J Med 2016; 375: 1319–1331.
- Mikhael J et al. Final results of a phase IB study of Isatuximab plus Pomalidomide and Dexamethasone in relapsed/refractory multiple myeloma. Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S850.
- Raab M et al. MOR202 with low-dose Deaxamethasone (DEX) or Pomalidomide/DEX or Lenalidomide/DEX in relapsed or refractory multiple myeloma (RRMM): a phase I/IIA, multicenter, dose-escalation study. Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract S848.
- Dimopoulos MA et al. Elotuzumab plus Pomalidomide/Deaxamethasone (EPD) vs PD for treatment of relapsed/refractory multiple myeloma (RRMM): results from the phase 2, randomized open-label ELOQUENT-3 study. Presented at Oral Presentation Myeloma and other monoclonal gammopathies - Clinical, EHA 2018, Stockholm, Abstract LB2606.
- Bildnachweis: „Scenic view of the City Hall from Riddarholmskyrkan, Stockholm, Sweden ”: © Vladimir Mucibabic/Fotolia; „Panorama of Gamla Stan in Stockholm, Sweden ”: © steheap/Fotolia
Neue Therapiekonzepte bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) und beim myelodysplastischen Syndrom (MDS)
Dr. med. Fabian Lang, Medizinische Klinik II, Abt. für Hämatologie/Onkologie, Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt a. Main
Bei der Therapie der akuten myeloischen Leukämie (AML) sowie des myelodysplastischen Syndroms (MDS) gibt es viele interessante neue Therapiekonzepte. Bei der Behandlung der AML kommen diese zum einen aus dem Bereich der Immuntherapie, in dem die Entwicklung von bivalenten Antikörpern sowie von CAR-T-Zellen eine große Rolle spielt. Zum anderen kommt Kombinationstherapien mit demethylierenden Substanzen, die in die Epigenetik eingreifen, ein hoher Stellenwert zu. Beim MDS haben inzwischen Telomeraseinhibitoren und hypomethylierende Substanzen eine große therapeutische Bedeutung. Diese aktuellen Entwicklungen möchten wir Ihnen in diesem Bericht vom 23. Kongress der European Hematology Association (EHA) in Stockholm vorstellen.
Neue Entwicklungen bei der AML-Therapie
Immuntherapeutische Ansätze
Im Bereich neuer Therapien der AML wurden als wichtige Weiterentwicklung vor allem immuntherapeutische Ansätze vorgestellt. Diese umfassen unter anderem die Kombination von hypomethylierenden Substanzen mit Nivolumab, einem Anti-PD-1-Antikörper (PD-1 = Programmed Cell Death 1 Protein) aus der Klasse der Checkpoint-Inhibitoren, sowie die Kombination mit dendritischer Zellvakzinierung Des Weiteren spielen Antikörper, die gegen CD33 als Oberflächenmarker der AML-Zellen gerichtet sind, wie zum Beispiel das bereits in den USA und der EU zugelassene Gemtuzumab (Toxin gekoppelt), eine Rolle. Auch bispezifische Antikörper, die CD33 als Ziel haben und T-Zellen attrahieren und so gegen AML-Zellen gerichtet sind, wurden vorgestellt. Ein solcher bispezifischer Antikörper ist AMV564. Er bindet CD33 und den CD3ε -Rezeptor auf T-Zellen und hat bereits in präklinischen Analysen eine hohe Aktivität gegen AML-Blasten gezeigt [1]. In einer Phase-I-Studie mit Dosiseskalation bei rezidivierten oder refraktären AML-Patienten wurde der Antikörper über 14 Tage als kontinuierliche Infusion verabreicht. 12 AML-Patienten zeigten keine dosislimitierenden Toxizitäten und auch kein Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS). Die Substanz wurde also gut vertragen. Ebenfalls zeigte sich bei 6 von 9 auswertbaren Patienten eine antileukämische Aktivität mit einer Reduktion der Blasten im Knochenmark [2]. Weitere derartige bispezifische Antikörper gegen CD123 und CLL1 befinden sich ebenfalls in frühen klinischen Studien.
Als weitere, sich noch in der Entwicklung befindliche Therapieoption wurde der Einsatz von transgenen CAR-T-Zellen (CAR = Chimeric Antigen Receptor), welche in den USA bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) bereits für jüngere Patienten bis 25 Jahre zugelassen sind und dort große therapeutische Erfolge erzielt haben, nun für die AML vorgestellt. Die Ergebnisse der First-in-Human-Studie mit einer AML-spezifischen CAR-T-Zelle wurden in einem der Presidential Symposien vorgestellt: Die Compound CAR-T-Zellen (cCAR) richten sich gleichzeitig gegen CD33 und CLL1 (2 für AML-Zellen typische Oberflächenmarker), wobei CLL1 vor allem auf leukämischen Stammzellen zu finden ist. cCARs konnten bei In-vitro-Untersuchungen an Zelllinien sowie in Mausmodellen eine gute antileukämische Aktivität aufweisen. Bei den ersten behandelten Patienten konnte man eine gute Verträglichkeit sowie eine Expansion der cCARs und in einigen Fällen eine damit einhergehende komplette Remission (CR) beobachten. Man kann daraus folgern, dass eine derartige duale cCAR-Therapie bei AML-Patienten sicher und gut durchführbar ist, um eine CR zu erreichen [3].
Epigenetische Therapien
Therapien, die die Epigenetik zum Beispiel über Veränderungen des chromosomalen Methylierungsmusters beeinflussen, waren ebenfalls Gegenstand intensiver Diskussionen, wobei hier vor allem Kombinationen von neuen Substanzen mit Azacitidin im Fokus standen. Viel diskutiert waren auch die Erstlinientherapie mit einer intensivierten Gabe von Decitabin bei älteren AML-Patienten sowie die Erstlinientherapie mit Azacitidin. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei, dass vor allem bei älteren Patienten die epigenetische Regulation deutlich verändert ist [4]. So konnten Oliva et al. in einer prospektiv, randomisierten Phase-III-Studie zeigen, dass auch ältere AML-Patienten nach dem Erreichen der hämatologischen Remission durch intensive Chemotherapie von einer Erhaltungstherapie mit Azacitidin (Aza) im Vergleich zum Ansatz der bestmöglichen supportiven Behandlungsmaßnahmen (BSC) profitieren. Von anfänglich 149 eingeschlossenen Patienten konnten insgesamt 54 für eine Interimsanalyse nach 2 Jahren ausgewertet werden (bei einer 1:1-Randomisierung). Dabei waren 18 der 54 Patienten in Vollremission (CR). 19 BSC-Patienten erkrankten im Vergleich zu 17 Aza-Patienten an einem Rezidiv (p = 0,23). Insgesamt 20 Patienten verstarben nach dem Rezidiv, jeweils 10 aus dem BSC- und Aza-Arm (p = 0,40). Höheres Alter hob diesen Effekt auf, der zytogenetische Status und der MRD-Status (MRD = minimale residuelle Resterkrankung) jedoch nicht. Das krankheitsfreie Überleben (DFS) und das Gesamtüberleben (OS) waren in der Altersgruppe über 73 Jahren signifikant verlängert (DFS: p < 0,001; OS: p = 0,015). Für die Altersgruppen unter 65 Jahren und im Alter von 65 bis 73 Jahren ergaben sich dabei keine Signifikanzen. Die Azacitidingruppe zeigte im Vergleich zu den Patienten der BSC-Gruppe eine höhere Nebenwirkungsrate, vor allem hinsichtlich der Grad-3–4-Nebenwirkungen, hierbei wiederum vor allem Neutropenien. Insgesamt lässt sich also sagen, dass in dieser Studie die Gabe von Azacitidin nach dem Erreichen einer CR bei älteren Patienten zu einem verbesserten Gesamtüberleben führt [5]. Eine globale Zulassungsstudie zur AML-Erhaltungstherapie mit oralem Azacitidin läuft [6].
Ebenso wurde die Therapie mit einer Kombination von Venetoclax und Azacitidin vorgestellt. Venetoclax ist ein oraler BCL-2(B-cell lymphoma-2)-Inhibitor, der synergistische Effekte zeigt, wenn er mit demethylierenden Substanzen kombiniert wird. DiNardo et al. behandelten in einer Phase-Ib-Studie 145 neu diagnostizierte AML-Patienten, die älter als 65 Jahre waren, mit Venetoclax (VEN) und Azacitidin (AZA) oder mit Venetoclax und Decitabin (DEC). VEN wurde täglich appliziert. Hinzu kam pro 28-Tage-Zyklus entweder 20 mg/m2 DEC an den Tagen 1–5 oder 75 mg/m2 AZA an den Tagen 1–7. VEN wurde mit 400 mg, 800 mg oder 1.200 mg in der Eskalationsphase und mit 400 oder 800 mg in der Expansionsphase dosiert. Bei einer Dosis von 400 mg Venetoclax lag die CR+CRi (CR mit unvollständiger Blutbilderholung) bei 73%. Die häufigsten Grad-3–4-Hauptnebenwirkungen waren febrile Neutropenie (43%), Thrombozytopenie (23%) und Neutropenie (16%). Diese vorläufigen Daten zeigen ein optimales Nutzen-Risiko-Profil für diese Kombinationstherapie mit anhaltenden tiefen Remissionen bei älteren AML-Patienten [7].
Studien zur Kombination von Azacitidin mit Panobinostat, einem HDAC(Histon-Deacetylase)-Inhibitor, werden seit längerem durchgeführt und zeigten bisher zwar hohe Ansprechraten, jedoch keine Verbesserung im Gesamtüberleben [8]. Die Kombination von Azacitidin und Pracinostat, einem weiteren HDAC-Inhibitor, wird momentan in einer laufenden Phase-III-Studie untersucht [9].
Im Bereich weiterer neuer Zielstrukturen in der Epigenetik wurden die Ergebnisse verschiedener Studien mit dem mIDH2-Inhibitor Enasidenib (AG-221) gezeigt (Abb. 1).
IDH2 ist ein Enzym des Zitronensäurezyklus. IDH2-Mutationen (mIDH2) kommen bei circa 12% der AML-Patienten vor und führen zu einer Überproduktion von 2-Hydroxyglutarat (2-HG) – einem Onkometaboliten, der die DNA-Methylierung verändert und so die Zelldifferenzierung blockiert. Enasidenib ist ein selektiver, oraler, potenter Inhibitor dieses mutierten IDH2-Proteins. Der Wirkungsmechanismus basiert auf der Induktion der Differenzierung von leukämischen Stamm- und Vorläuferzellen und kann zum Teil erst nach längerer Therapie zu einem Ansprechen führen [10].
Enasidenib zeigte in einer Phase-I/II-Studie mit rezidivierten beziehungsweise refraktären AML-Patienten eine Gesamtansprechrate (ORR) von 40,3% [11]. In einem jetzt auf dem EHA-Kongress präsentierten Update wurden die Patienten untersucht, bei denen unter einer Therapie mit Enasidenib schon in einem frühen Therapiestadium ein gutes Ansprechen beobachtet werden konnte [12]. Von 214 Patienten, die mit 100 mg Enasidenib/Tag behandelt wurden, zeigten 82 Patienten (38%) eine stabile Erkrankung (SD) während der ersten 90 Tage der Therapie. 25 Patienten (30%) waren „Late Responder“. Sie zeigten also erst ab Tag 90 ein spätes Ansprechen (Median: 121 Tage), wobei hiervon 16 Patienten eine komplette Remission (CR) erreichten. Betrachtet man ausschließlich die Patienten mit stabiler Erkrankung, so ergab sich bei den „Late Responders“ ein medianes Überleben von 15,1 Monaten. Das Sterberisiko war in dieser Gruppe um 59% im Vergleich zur Gruppe der Patienten mit SD (Hazard Ratio [HR]: 0,41; 95-%-Konfidenzintervall [95-%-KI]: 0,21, 0,82) und um 79% im Vergleich zur Gruppe der Patienten, die später eine Progression der Erkrankung hatten (HR: 0,21; 95-%-KI: 0,10, 0,42), signifikant reduziert. Dies kann als gute Leukämiekontrolle mit später Differenzierung und somit auch spät erreichbarer Remission interpretiert werden. Es ist daher naheliegend, dass Patienten, die unter der Therapie eine stabile Erkrankung erreichen, diese fortsetzen sollten und so möglicherweise profitieren können.
In einer weiteren Studie wurde Enasidenib bei unbehandelten älteren AML-Patienten, die für eine intensive Chemotherapie nicht geeignet waren, eingesetzt. Hierbei wurden bei 345 Patienten im Median 6 Zyklen der Therapie (1–35) durchgeführt. Die ORR lag bei 30,8% nach 1,9 (First Response) beziehungsweise 3,7 Monaten (Best Response) und das mediane OS bei 11,3 Monaten. Die häufigsten Nebenwirkungen umfassten Fatigue, Appetitverlust sowie Übelkeit und Verstopfung (44%, 41% bzw. je 38%). Als schwere Nebenwirkungen traten bei einem Patienten ein Differenzierungssyndrom und bei 2 Patienten eine ausgeprägte Tumorlyse auf. Enasidenib führte in der Kombinationstherapie bei etwa einem Drittel der bisher unbehandelten, nicht intensiv chemotherapiefähigen älteren Patienten zu hämatologischen Remissionen [10].
DiNardo et al. untersuchten die Kombinationen von Ivosidenib (mIDH1-Inhibitor) und Azacitidin oder Enasidenib (mIDH2 Inhibitor) und Azacitidin. In dieser Phase-Ib/II-Studie wurden ebenfalls nicht intensiv chemotherapiefähige Patienten bei Erstdiagnose einer AML behandelt. Dies führte bei 8 von 11 mit Ivosidenib und bei 4 von 6 mit Enasidenib behandelten Patienten zu einem Ansprechen der Therapie. Sie wurde im Allgemeinen gut vertagen, Nebenwirkungen waren vor allem Übelkeit und Bilirubinerhöhungen [13].
Fazit
- Immuntherapien gewinnen auch bei der AML immer mehr an Bedeutung, wobei hier sowohl die Entwicklung von bivalenten Antikörpern, die T-Zellen aktivieren, als auch von CAR-T-Zellen, die direkt zytotoxisch wirken, vielversprechend sind.
- Kombinationstherapien mit demethylierenden Substanzen, die in die Epigenetik eingreifen, sind ein fester Bestandteil neu entwickelter Behandlungsregime bei der AML.
- Venetoclax, ein BCL-2-Inhibitor, und verschiedene mIDH1/2-Inhibitoren (Ivosidenib, Enasidenib) erzielten in Kombination mit Azacitidin bemerkenswerte Ergebnisse – insbesondere hinsichtlich der Ansprechraten.
“Die vorgestellten Ergebnisse der CAR-T-Studie für die AML zeigen, dass diese Therapien sicher durchführbar sind und ihren Weg in die Therapie der AML finden werden.” Dr. med. Fabian Lang
Neue Erkenntnisse bei der Therapie myelodysplastischer Syndrome (MDS)
Genomische Charakterisierung
Die Bedeutung des genomischen Profiling für die Diagnose und die Behandlung von MDS-Patienten, vor allem bei Patienten mit unauffälligem Karyotyp, wurde mehrfach betont. Hierbei ist vor allem die Bedeutung bereits gut etablierter Marker, wie der SF3b2-Mutation oder Veränderungen im tp53 Gen, zu erwähnen. Es zeigt sich, dass diese immer unerlässlicher für eine korrekte Risikoeinschätzung werden [14].
Neue Therapien in klinischen Studien
Neben den etablierten MDS-Therapien mit Erythropoetin beim Niedrigrisiko-MDS, mit Lenalidomid bei del(5q)-tragenden Patienten sowie mit hypomethylierenden Substanzen, wie Azacitidin und Decitabin, wurden auch neue Therapieansätze mit verschiedenen molekularen Zielstrukturen und neuen hypomethylierenden Substanzen sowie Immuntherapien vorgestellt.
So wurden erste Ergebnisse für die Verwendung der Ligandenfalle Luspatercept präsentiert. Luspatercept stellt eine Bindungsfalle für TGF(Transforming Growth Factor)-β dar und kann so das im MDS aberrant regulierte Smad2/3-Signalling beeinflussen, welches sonst zu einer erythroiden Reifungsstörung führt. Auf diese Weise kann eine Verbesserung des Hämoglobinwertes erreicht werden (Abb. 2).
In einer laufenden Phase-II-Studie wurde nun der Effekt von Luspatercept bei Niedrigrisiko-MDS-Patienten (Niedrigrisiko oder Intermediate-1 nach IPSS) untersucht, welches alle 3 Wochen subkutan in bis zu 5 Gaben appliziert wurde. Hierbei zeigte sich bei 88 Patienten mit niedrigem Erythropoetin(EPO)-Spiegel (EPO < 500 IU/L) eine erhöhte Ansprechrate (73% gegenüber 67%) im Vergleich zu den Patienten mit hohem EPO-Spiegel (EPO ≥ 500 IU/L). Auch bei den Patienten mit nachweisbarer SF3B1-Mutation war das Ansprechen besser als bei den Patienten ohne diese Mutation (72% gegenüber 36%). Das Myelopoese-Erythropoese-Verhältnis war zu Beginn der Untersuchung bei den Respondern aus den Gruppen mit und ohne SF3B1-Mutation niedriger als bei den Non-Respondern. Der Anteil der Erythrozytenvorläufer war bei den Respondern erhöht. Dies zeigt, dass Luspatercept die Differenzierung eines erythroiden Kompartiments stimulieren könnte [15]. Die Daten der laufenden Phase-III-Studie bei MDS werden zeitnah erwartet [16].
Bei den hypomethylierenden Substanzen wurden neue Studienergebnisse von Garcia-Manero et al. aus der Phase-II-Studie mit der Next-Generation-Dinukleotid-Substanz Guadecitabin (SGI-110) bei bisher unbehandelten Intermediate-2- oder Hochrisiko-MDS-Patienten (nach IPSS) präsentiert. Guadecitabin wurde hierbei subkutan mit einer Dosis von 60 mg/m² einmal täglich an 5 aufeinanderfolgenden Tagen appliziert. Von insgesamt 83 Patienten waren 80% als Intermediate-2, 12% als Hochrisiko und 7% als Intermediate-1 mit mehr als 10% Blasten eingestuft worden. Bei 55% der Patienten lag eine ungünstige Zytogenetik vor. Bei 30% der Patienten war eine TP53-Mutation nachgewiesen worden. 23% der Patienten erreichten eine CR, 4% eine partielle CR sowie 37% eine Verbesserung des Blutbilds, was einer ORR von 64% entspricht. Ungünstige Zytogenetik oder Hochrisikopunktmutationen zeigten keine Korrelation zum Ansprechen. Die mediane Zeit bis zum besten Ansprechen lag bei 3 Zyklen (1–12), wobei die häufigste Nebenwirkung in Infektionen bestand. Somit kann für Guadecitabin eine deutliche Wirksamkeit bei der Erstlinientherapie von MDS-Patienten mit höherem Risiko festgestellt werden [17]. Zulassungsstudien für die Substanz laufen [18, 19].
Bei Niedrigrisiko-MDS-Patienten (Niedrigrisiko oder Intermediate-1 nach IPSS), die nicht auf eine Therapie mit erythropoesestimulierenden Substanzen ansprachen, wurde ein Update für die ersten 32 behandelten Patienten der IMERGE-Studie vorgestellt. Hier wurde der Telomeraseinhibitor Imetelstat eingesetzt. Imetelstat wurde hierbei alle 4 Wochen intravenös appliziert. 59% der Patienten wurden als Niedrigrisiko-MDS und 41% als Intermediate-1 nach IPSS eingestuft. Bei 22% der Patienten lag ein del(5q)-Syndrom vor. 38% der Patienten konnten eine Verbesserung der Transfusionsunabhängigkeit auf einen Zeitraum von über 8 Wochen erreichen. Die Zeit bis zum Ansprechen wurde nicht durch den Erythropoetinspiegel zu Studienbeginn oder die Menge an Ringsideroblasten beeinflusst. Zytopenien, insbesondere Neutropenien und Thrombozytopenien, waren die häufigsten Nebenwirkungen. Patienten, die bisher nicht mit Lenalidomid behandelt worden waren und keine 5q-Deletion aufwiesen, profitierten am meisten mit einer Transfusionsunabhängigkeitsrate von 54% [20].
Weiterhin standen Studien im Fokus, die eine Therapieoption nach dem Versagen von hypomethylierenden Substanzen bieten. Hierzu wurden Ergebnisse der SAMBA-Studie vorgestellt, bei der eine Immuntherapie mit dem CD123-Antikörper Talacotuzumab bei Hochrisiko-MDS- oder AML-Patienten eingesetzt wurde. Bei 5 von insgesamt 14 auswertbaren Patienten konnte ein moderates Ansprechen erreicht werden [21].
Weitere Studien zum Einsatz von Immuntherapien, wie die Kombination von hypomethylierenden Substanzen und Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Nivolumab), werden aktuell ebenfalls geplant oder durchgeführt [22, 23, 24].
Fazit
- Luspatercept zeigte beachtenswerte Ergebnisse in der Therapie des Niedrigrisiko- beziehungsweise Intermediate-1-Risiko-MDS.
- Imetelstat, ein Telomeraseinhibitor, kann die Transfusionsunabhängigkeit beim MDS verbessern.
- Neue hypomethylierende Substanzen, wie Guadecitabin, zeigen ebenfalls eine Wirksamkeit beim MDS.
- Immuntherapien finden Einzug in die Therapie des MDS.
“Eine korrekte Risikostratifikation insbesondere zur Identifikation der TP53-mutierten MDS-Patienten ist für eine adäquate Risikoeinschätzung und Therapie unerlässlich. Weiterführende molekulare Charakterisierungen werden dies in der Zukunft noch weiter verbessern können.“ Dr. med. Fabian Lang
Quellen
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- Nivolumab and Oral Cyclophosphamide for R/R AML and HIgh Risk MDS.
- Nivolumab With Chemotherapy in Refractory MDS.
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