EHA 2011

9. bis 12. Juni 2011, London

 

Informieren Sie sich hier über die aktuellen Höhepunkte der Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) vom 09.–12. Juni 2011 in London.

Welche neuen Erkenntnisse könnten für Ihre tägliche Arbeit am Patienten von Bedeutung sein? Unsere Experten vor Ort haben für Sie die wichtigsten neuen Studienergebnisse zusammengefasst und auf Ihre Praxisrelevanz bewertet.

Diesen Kongressbericht als PDF herunterladen

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

der Kongress der European Hematological Association (EHA) gehört zu den wichtigsten Hämatologie-Kongressen in Europa. Auch in diesem Jahr trafen sich vom 9. bis 12. Juni in London wieder mehr als 9.000 Teilnehmer aus der ganzen Welt, um die neuesten Entwicklungen im Bereich der Hämatologie zu diskutieren.

Das Abstract-Buch des EHA enthielt mehr als 2.000 Veröffentlichungen aus der hämatologischen Forschung und Klinik. Da fiel es schwer, den Überblick zu behalten und die für die tägliche Praxis relevanten Fakten herauszusuchen. Um Ihnen hierbei behilflich zu sein, haben wir für Sie den EHA besucht und Veranstaltungen zu drei Schwerpunktthemen ausgewählt: „Multiples Myelom“, „Myelodysplastisches Syndrom/Akute myeloische Leukämie“ sowie „Lymphome“ mit einem Fokus auf großzellige diffuse B-Zell-Lymphome (DLBCL).

Die wichtigsten neuen Studienergebnisse, die zu diesen Themen vorliegen – vor allem jene, die unserer Meinung nach für die klinische Praxis von Bedeutung sind – haben wir für Sie in den Beiträgen dieses Newsletters zusammengefasst. Sie erfahren auch, welche Einflüsse die auf dem Kongress diskutierten Studienergebnisse auf unsere tägliche Arbeit in der Klinik haben könnten.

Wir hoffen, dass die Beiträge vom EHA 2011 und die praktischen Ausblicke in diesem Newsletter auf www.hematooncology.com für Ihre klinische Arbeit nützlich sein werden.

Wir freuen uns, Sie auch nach den nächsten Hämatologie-Kongressen wieder auf diesen Seiten begrüßen zu können.

Mit kollegialen Grüßen

PD Dr. med. Martin Kropff, Universitätsklinikum
Münster
Dr. med. Julie Schanz, Universitätsmedizin Göttingen
PD Dr. med. Ralf Schmidmaier, Klinikum der Universität München

Hochdosistherapie mit Stammzelltransplantation bei jüngeren Patienten weiterhin Standard – ältere Patienten profitieren in der Primärtherapie von Kombinationen mit neuen Substanzen

PD Dr. med. Martin Kropff, Universitätsklinikum Münster

Auch auf der 16. Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) zeigte die große Anzahl an Beiträgen zu neuen Substanzen und Therapieregimes, dass künftig die Behandlungsmöglichkeiten des Multiplen Myeloms (MM), insbesondere bei älteren Patienten und bei Patienten mit einer Hochrisikoerkrankung, weiter verbessert werden können.

Melphalan ist nach wie vor das zentrale Medikament in der Primärtherapie des Multiplen Myeloms (MM). Älteren Patienten wird diese Substanz in konventioneller Dosis zyklisch verabreicht, und zwar in Kombination mit Prednison als „Alexanian-Schema“. Heute wird zusätzlich nahezu obligat eine dritte Substanz hinzugefügt. Die zugelassenen „dritten Substanzen“ sind bislang das immunmodulatorische Medikament (IMiD) Thalidomid und der Proteasominhibitor Bortezomib. Problematisch bei diesen beiden Substanzen ist das Risiko der Neurotoxizität. Die gegenwärtigen Bestrebungen konzentrieren sich daher auf die nicht neurotoxische Kombination aus Lenalidomid-MP (RMP). Jüngere Patienten hingegen erhalten Melphalan hoch dosiert mit Stammzellunterstützung im Anschluss an eine zytoreduktive Induktionstherapie. Die aktuellen klinischen Fragen in der Therapie jüngerer Patienten betreffen Diversifikationen der Induktionstherapie sowie erste Daten zu IMiD-Erhaltungstherapien.

Primärtherapie bei jüngeren Patienten – längeres progressionsfreies Überleben nach Hochdosistherapie mit Stammzelltransplantation

Die Bedeutung der Melphalan-Hochdosistherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation (ASCT) in der Primärtherapie bei jüngeren Patienten unter 65 Jahren bleibt wahrscheinlich auch bei der Integration neuer Substanzen in die Therapie erhalten: Prof. Antonio Palumbo von der Universität Turin präsentierte jetzt im Rahmen des Presidential Symposiums die Ergebnisse einer prospektiven randomisierten Studie der italienischen GIMEMA-Gruppe, in der bei grundsätzlich transplantablen Patienten unter 65 Jahren eine Kombination aus konventionell dosiertem Melphalan und neuen Substanzen mit der Gabe von hoch dosiertem Melphalan (MEL200) und nachfolgender ASCT verglichen wurde [1]. Alle Patienten erhielten zunächst als Induktionstherapie vier 28-tägige Zyklen Lenalidomid und niedrig dosiertes Dexamethason (Rd). Danach wurden die Patienten entweder in die Behandlungsgruppe mit sechs Zyklen Melphalan, Prednison und Lenalidomid (MPR) oder in die Gruppe der Tandem-Melphalan-Hochdosistherapie randomisiert. Während beide Therapieregimes quantitativ und qualitativ vergleichbare Remissionen erzielten – der Anteil an kompletten Remissionen lag im MPR-Arm bei 20 Prozent, im MEL200-Arm bei 25 Prozent (p = 0,55) – war die Progressionsfreiheit nach den beiden Melphalan-Hochdosistherapien und anschließender ASCT signifikant länger (progressionsfreies Überleben nach 26 Monaten im MPR-Arm 54 Prozent versus 73 Prozent im MEL200-Arm, p = 0,0002). Überlebensunterschiede zwischen den Armen sind bislang jedoch noch nicht erkennbar. Die beobachteten Toxizitäten waren allerdings in der MEL200-Gruppe signifikant höher. Palumbo berichtete, dass die Rate an hämatologischen Toxizitäten vom Grad III-IV (p ‹ 0,001) sowie nicht hämatologische Toxizitäten wie Mukositiden und Infektionen (p ‹ 0,001) signifikant häufiger im MEL200-Arm auftraten.

Jüngere Patienten wiesen nach einer Primärtherapie mit hoch dosiertem Melphalan und nachfolgender autologer Stammzelltransplantation (ASCT) im Vergleich zu Patienten nach einem Therapieregime mit MPR ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben auf. Modifiziert nach Palumbo A et al. 2011. Presented at Presidential Symposium, EHA 2011, London.

„Melphalan ist derzeit noch das zentrale Element der Primärtherapie des Multiplen Myeloms.“ PD Dr. Martin Kropff

Konsolidierungstherapie nach ASCT – Dreierkombination mit VDT effektiver als DT-Regime

Außerhalb klinischer Studien gilt die Kombination aus Bortezomib und Dexamethason derzeit als Therapiestandard zur Induktion vor einer Hochdosistherapie. Mit der Zugabe einer dritten Substanz verbessern sich die Behandlungsergebnisse sogar noch weiter. In einer Phase-III-Studie der italienischen GIMEMA-Studiengruppe wurde eine Therapie mit Bortezomib + Thalidomid/Dexamethason (VTD) mit einer Therapie mit Thalidomid/Dexamethason (TD) als Konsolidierung nach einer zweifachen Melphalan-Hochdosistherapie und einer autologen Stammzelltransplantation verglichen[2]. Prof. Michele Cavo aus Bologna präsentierte aktuelle Daten, die zeigten, dass nach der Hochdosistherapie eine Verbesserung der Remissionsqualität häufiger durch eine Konsolidierungstherapie mit VTD als durch TD erzielt wurde (CR + nCR-Rate 73 Prozent versus 61 Prozent, p = 0,020). Hervorzuheben ist dabei, dass die verbesserten Remissionsraten unter dem VTD-Regime ohne Zunahme limitierender Toxizitäten, insbesondere Neuropathien (1,2 Prozent versus 0 Prozent, p = 0,15), erfolgte. Der klinische Verlauf war bei Patienten, die eine molekulare Remission erzielten, wesentlich günstiger.

Erhaltungstherapie nach ASCT – Thalidomid verlängert Überleben

Zur Erhaltungstherapie nach einer Hochdosistherapie liegen derzeit die meisten und längsten klinischen Daten zu Thalidomid vor, wobei die abgeschlossenen Studien unisono auf eine signifikant längere Progressionsfreiheit bei den Patienten hinweisen, die eine Erhaltungstherapie mit Thalidomid erhalten. In einer Metaanalyse von fünf publizierten Studien konnte jetzt Dr. Corinna Hahn-Ast aus dem Universitätsklinikum Bonn erstmals einen Überlebensgewinn (Gesamtüberleben HR 0,73, 95 % KI 0,60–0,89, p = 0,002) durch eine Thalidomid-Erhaltungstherapie nach einer Melphalan-Hochdosistherapie nachweisen, allerdings um den Preis einer hohen Rate an Grad-III-IV-Neuropathien[3]. Thromboembolien traten hingegen während einer Thalidomid-Erhaltungstherapie (meist in Kombination mit Glukokortikoiden) nicht vermehrt auf.

Erhaltungstherapie mit Lenalidomid – geringe Inzidenzrate von sekundären Malignomen bei deutlicher Reduktion des Progressionsrisikos

Im Gegensatz zu Thalidomid ist Lenalidomid nicht neurotoxisch. Es bietet sich deshalb zur Erhaltungstherapie an. Es gibt Hinweise, dass Lenalidomid möglicherweise mit einem erhöhten Risiko für sekundäre primäre Malignome (SPMs) assoziiert ist. Prof. Antonio Palumbo, Turin, Italien präsentierte jetzt die Daten einer Post-hoc-Analyse der MM-015-Studie, in der die Inzidenzraten von Zweitmalignomen unter einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach einer konventionell dosierten Melphalan-Behandlung untersucht wurden[4]. Im konventionellen Dosisbereich verglich die MM-015-Studie Lenalidomid-MP (RMP, teilweise mit nachfolgender Lenalidomid-Erhaltung: RMP-R) mit einer alleinigen MP-Therapie als Erstbehandlung bei älteren Myelompatienten (65 Jahre oder älter). Der Anteil von Patienten mit hohem Risiko (ISS-Stage-III) war in der Studie mit circa 50 Prozent hoch. Nach einer medianen Beobachtungsdauer von 30 Monaten traten sekundäre – überwiegend hämatologische (MDS und AML) – Neoplasien bei 8,0 Prozent der Patienten unter einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid (RMP-R), bei 5,9 Prozent unter dem RMP-Regime und bei 2,6 Prozent unter einer MP-Therapie auf. Andererseits war die Progressionsfreiheit unter RMP-R mit 31 Monaten mehr als doppelt so lang wie im MP-Arm (p ‹ 0,001). Eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach einer konventionell dosierten Melphalan-Behandlung geht laut den Ergebnissen der Analyse somit mit einem gering erhöhten Risiko sekundärer primär manifestierter Malignome (SPM) einher, ohne dass der Nutzen im Hinblick auf das ereignisfreie Überleben (bei Definition der SPM als „Ereignisse“) beeinträchtigt wird.

Unter einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid hatten die Patienten im Vergleich zu den Patienten unter MP ein um 60 Prozent reduziertes Risiko für eine Progression (A). Der Nutzen einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid hinsichtlich des Progressionsrisikos blieb auch nach Einbeziehung von SPMs als Ereignis erhalten (B). Modifiziert nach Palumbo A et al.Haematologica 2011; 96(s2):218

„Der Benefit einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie überwiegt das Risiko einer sekundären Neoplasie.“ PD Dr. Martin Kropff

Primärtherapie bei älteren Patienten – optimierte Therapie mit Viererkombination aus VMPT-VT

Die derzeit beste Primärtherapie im konventionellen Dosierungsbereich für ältere Patienten scheint laut den Ergebnissen einer italienischen Studie die Kombination von MP mit einem IMiD und einem Proteasominhibitor zu sein[5]. In der Studie wurde bei älteren Patienten eine Primärtherapie mit VMPT und anschließender Erhaltungstherapie mit VT mit einer Standardtherapie mit VMP verglichen. Beim Therapieregime mit VMPT-VT wurde die VISTA-Kombination VMP bei lediglich einmal wöchentlicher Bortezomib-Gabe um täglich 50 mg Thalidomid erweitert. Als Erhaltungstherapie wurde Bortezomib alle 14 Tage in Kombination mit täglich 50 mg Thalidomid gegeben. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 32 Monaten konnte bei 42 Prozent der Patienten im VMPT-VT-Arm eine komplette Remission (CR) erreicht werden – im VMP-Arm hingegen nur bei 24 Prozent (p ‹ 0,0001). Auch das progressionsfreie Überleben nach drei Jahren war bei den Patienten der Viererkombination mit VMPT und einer VT-Erhaltungstherapie signifikant höher (51 Prozent versus 32 Prozent, p ‹ 0,0001). Die mediane Progressionsfreiheit lag bei mehr als drei Jahren – dies ist bislang von keiner anderen Studie berichtet worden. Der wichtigste Prädiktor für eine lange Erkrankungskontrolle war in der aktuellen Analyse das Erreichen einer kompletten Remission. Ältere Patienten über 75 Jahre oder Hochrisikopatienten mit zytogenetischen Abnormalitäten wie t(4;14), t(14;16) oder del17p und ISS-Stadium III profitierten hingegen nicht von VMPT im Vergleich zu VMP. Die weitere Nachbeobachtung wird zeigen, ob diese optimierte Primärtherapie auch das Überleben der Patienten verlängert.

Das progressionsfreie Überleben war bei älteren Patienten, die eine Primärtherapie mit einer Viererkombination aus VMPT-VT erhalten hatten, im Vergleich zu Patienten unter einem VMP-Regime signifikant höher. Modifiziert nach Palumbo A et al. 2011. Presented at Satellite Symposium, EHA 2011, London [6].

„Die derzeit effektivste Primärtherapie bei älteren Patienten kombiniert Bortezomib, Thalidomid, ein Glukokortikoid, und Melphalan.“ PD Dr. Martin Kropff

Myelompatienten mit eingeschränkter Nierenfunktion – gute Ansprechraten mit Lenalidomid/Dexamethason

Neben Patienten mit einem höheren Lebensalter stellen auch Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion eine besonders problematische klinische Subgruppe dar. Lenalidomid wird überwiegend renal eliminiert, sodass bei eingeschränkter Nierenfunktion eine Dosisreduktion erforderlich ist. Obwohl das Nierenversagen eine symptomatische – und damit therapiebedürftige – myelomdefinierende Organfunktionsstörung darstellt, sind Patienten mit Nierensuffizienz von den meisten Therapiestudien ausgeschlossen oder zumindest unterrepräsentiert. Die entsprechenden Dosismodifikationsempfehlungen für Lenalidomid bei Niereninsuffizienz sind jedoch mittlerweile gut etabliert. Ludwig et al. berichteten von ersten Ergebnissen einer Anwendung von Lenalidomid/Dexamethason bei Patienten mit einem leichtketteninduzierten Nierenversagen (mediane GFR 19,6 ml/min)[7]. Der Großteil der Patienten (86,4 Prozent) wies ein De-novo-Myelom auf. Neben einem raschen Therapieansprechen der monoklonalen Gammopathie nach den Uniform Response Criteria kam es bei der Mehrzahl der Patienten (43 Prozent) auch zu einer Erholung der Nierenfunktion definiert über die „renal response“.

Rezidivtherapie – Neue Dreierkombination mit Bendamustin

Eine neue Dreierkombination im Rezidiv wurden von Ludwig et al. aus Wien vorgestellt [8]: Auf BBD – Bendamustin 70 mg/m² Tage 1 + 4, Bortezomib 1,3 mg/m² Tage 1, 4, 8 und 11 sowie Dexamethason 20 mg oral an den Tagen 1, 4, 8 und 11 – respondierten 66,6 Prozent (Gesamtansprechrate, ORR) der überwiegend bereits mit Bortezomib vorbehandelten Patienten. Erste Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass die Remissionserwartung von einer Bortezomib-Vortherapie unabhängig ist. Die Kombination war gut verträglich – die häufigste Toxizität war eine Grad-III/IV-Thrombozytopenie (47 Prozent).

Prognostische Relevanz molekulargenetischer Marker – Beeinflussung durch Bortezomib

Zur Abschätzung der Prognose und Therapieentscheidung beim Multiplen Myelom ist eine Risikostratifizierung anhand genetischer Untersuchungsmethoden von großer Bedeutung. PD Dr. Kai Neben aus Heidelberg berichtete von ersten molekularzytogenetischen Analysen, die anhand einer Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH-Test) an Patienten der deutschen HOVON65/GMMG-HD4-Studie (n = 399) vorgenommen wurden [9]. Die Patienten erhielten im Studienarm A entweder drei Zyklen VAD (Vincristin, Adriamycin, Dexamethason) oder im Studienarm B drei Zyklen PAD (Bortezomib, Adriamycin, Dexamethason). Danach bekamen alle Patienten zwei Melphalan-Hochdosistherapien mit ASCT gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit täglich 50 mg Thalidomid (Arm A) oder Bortezomib 1,3 mg/m² alle zwei Wochen (Arm B) für die Dauer von zwei Jahren. Bei 354 Patienten konnten die Ergebnisse der FISH-Analyse ausgewertet werden. Als prognostisch ungünstig hinsichtlich der Progressionsfreiheit und des Überlebens erwiesen sich dabei eine Deletion 17p13, eine Translokation t(4;14) sowie ein Zugewinn von Chromosom 1q21. Eine alleinige Deletion 13q14 hatte keinen Einfluss auf die Prognose. Patienten mit einer Hochrisiko-Molekularzytogenetik profitierten in unterschiedlichem Ausmaß von einer Bortezomib-haltigen Primärtherapie. Der negative Einfluss einer Deletion 17p13 konnte durch eine Therapie mit Bortezomib signifikant verbessert werden. Während das Gesamtüberleben nach drei Jahren im Studienarm A (ohne Bortezomib) nur 17 Prozent betrug, lag es bei Patienten im Studienarm B (mit Bortezomib) bei 69 Prozent (p = 0,028).

Prognostischer Einfluss von chromosomalen Abnormalitäten auf PFS und OS. Modifiziert nach Neben K et al. Presented at Simultaneous Session, EHA 2011, London. *HD: hyperdiploid

Neue Substanzen in der Therapie des MM in fortgeschrittener klinischer Entwicklung

Neue Substanzen, deren Stellenwert bei der Integration in die bestehenden Regime geprüft wird, umfassen das immunmodulatorische Thalidomidderivat Pomalidomid, den Proteasominhibitor Carfilzomib, die Histon-Deacetylase-Inhibitoren Vorinostat und Panobinostat sowie den Antikörper Elotuzumab.

Carfilzomib, ein neues Epoxyketon, inhibiert hochspezifisch und irreversibel die Proteasomaktivität. In einer Phase-II-Studie aus den USA wurde jetzt der Einfluss einer Nierenfunktionseinschränkung auf Pharmakokinetik, Sicherheit und Wirksamkeit bei rezidivierten und refraktären Myelompatienten mit mindestens zwei vorausgegangenen Therapien überprüft[10]. Die Ergebnisse zeigten, dass die Nierenfunktion keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik und das Nebenwirkungsprofil von Carfilzomib hat. Daher sind keine Modifikationen von Dosis oder Applikationsmodus bei einer Niereninsuffizienz erforderlich. Die bisherigen Daten zur Monoaktivität bei rezidiviertem Multiplem Myelom sind vielversprechend und das Nebenwirkungsprofil günstig – bei nur geringgradiger Myelosuppression. Es gibt Hinweise, dass Lenalidomid Myelom-Zellen für Bortezomib sensibilisiert und damit die entsprechende Kombinationstherapie eine bessere klinische Antwort hervorruft. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich mit der Kombination aus Carfilzomib mit Rd ähnliche Ergebnisse bei besserer Verträglichkeit erzielen lassen. Eine Studie untersuchte daher die maximal tolerierbare Dosis der Kombination von Carfilzomib mit Rd („CRd“) bei Patienten mit refraktärem oder rezidiviertem Myelom [11]. Laut den Ergebnissen der Studie kann die Substanz in der Standarddosis von 20 beziehungsweise 27 mg/m² verabreicht werden, ohne dass neue oder unerwartete Nebenwirkungen auftreten. Die MTD wurde somit in den verwendeten Dosierungen nicht erreicht. Auf der höchsten Dosisstufe respondierten 78 Prozent der zuvor rezidivierten Patienten (1. – 3. Rezidiv). Eine weitere Untersuchung konnte zudem zeigen, dass die Effektivität von Carfilzomib von klassischen zytogenetischen Risikofaktoren unabhängig ist [12]. Gegenwärtig wird CRd mit Rd im Rahmen der auch in Deutschland durchgeführten ASPIRE-Studie verglichen. Problematisch insbesondere für ältere Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung ist jedoch das aufwändige Applikationsregime (vier Applikationen an den Tagen 1, 2, 8, 9, 15 und 16 alle 28 Tage entsprechend etwa 80 Applikationen im ersten Jahr).

Bei Pomalidomid handelt es sich um ein weiteres oral verfügbares, nicht neurotoxisches IMiD, welches nicht kreuzresistent zu Lenalidomid ist. Es wird daher insbesondere bei doppelt refraktären Patienten – sowohl auf Bortezomib wie auch auf Lenalidomid – geprüft, eine therapeutisch besonders problematische Patientengruppe mit bislang sehr schlechter Prognose. In dieser Patientengruppe wurde eine Dauertherapie mit 4 mg Pomalidomid täglich mit einer intermittierenden Therapie mit 4 mg für 21 Tage alle 28 Tage verglichen, jeweils in Kombination mit wöchentlich 40 mg Dexamethason oral. Patienten unter Dauertherapie erreichten mindestens ein partielles Ansprechen (>= PR) in 39 Prozent der Fälle.

Eine intermittierende Therapie führte in 42 Prozent zu mindestens einem partiellen Ansprechen (>= PR). Die vorherrschende Toxizität war Myelosuppression. Neuropathien traten jedoch nicht auf beziehungsweise verschlechterten sich nicht [13].

Elotuzumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der gegen humanes CS1 gerichtet ist; ein Glykoprotein, welches hoch und nahezu ausschließlich auf der Oberfläche von Myelomzellen exprimiert wird. Eine begrenzte Expression findet sich auf NK-Zellen sowie CD8+-Zellen, nicht hingegen in anderen Geweben. Dr. Paul Richardson vom Dana Faber Cancer Institute in Boston präsentierte die Ergebnisse einer Dosisfindungsstudie, in der die maximal tolerierbare Dosis (MTD) für Elotuzumab (10 mg/m² oder 20 mg/m²) bei wöchentlicher Gabe in Kombination mit Rd bestimmt wurde [14] Dabei zeigte sich, dass mit einer Elotuzumab-Dosierung von 10 mg/m² hohe Gesamtansprechraten (92 Prozent) erzielt werden konnten. Die häufigsten Grad-III-IV-behandlungsassoziierten unerwünschten Nebenwirkungen waren Zytopenien. Auch Elotuzumab wird im Moment in Deutschland in Kombination mit Rd sowohl in der Primärtherapie wie auch im Erkrankungsrezidiv geprüft.

Fazit:

Zukünftig ist zu erwarten, dass diese wirklich „neuen“ Substanzen zu einer weiteren Diversifikation der Therapie von Myelompatienten beitragen werden. Dabei hat insbesondere Pomalidomid wegen seiner fehlenden Kreuzresistenz zu den anderen IMiDs das Potenzial, eine eigene Therapielinie zu bilden.

„Neben den in der Rezidivtherapie zugelassenen Substanzen stehen Carfilzomib, Vorinostat, Pomalidomid und Elotuzumab in fortgeschrittener Entwicklung vor der klinischen Zulassung.“ PD Dr. med. Martin Kropff

Literatur

  1. Palumbo A et al. Melphalan/Prednisone/Lenalidomide (MPR) versus high-dose Melphalan and autolougous transplantation (MEL200) in newly diagnosed multiple myeloma (MM) patients: a phase III study. Abstract 508. Presented at Presidential Symposium, 16th Congress of the EHA, June 9-11 2011, London.
  2. Cavo M et al. Bortezomib-thalidomide-dexamethasone compared with thalidomide-dexamethasone as consolidation therapy after double autologous stem-cell transplantation in newly diagnosed multiple myeloma. Abstract 0510. Presented at Simultaneous Session – First line therapy in multiple myeloma. 16th Congress of the EHA, June 9–11 2011, London
  3. Hahn-Ast C et al. Improved progression-free and overall survival with thalidomide maintenance therapy after autologous stem cell transplantation in multiple myeloma: a meta-analysis of five randomized trials. Haematologica 2011;96(s2):367
  4. Palumbo A et al. Incidende of second primary malignancy (SPM) in melphalan-prednisone-lenalidomide combination followed by lenalidomide maintentance (MPR-R) in newly diagnosed multiple myeloma (MM) patients = 65 years. Abstract 0514. Presented at Simultaneous Session – First line therapy in multiple myeloma. 16th Congress of the EHA, June 9–11 2011, London
  5. Palumbo A et al. Prognostic factors in elderly myeloma patients receiving bortezomib, melphalan, prednisone and thalidomide followed by bortezomib and thalidomide (VMPT-VT) as first line treatment. Haematologica 2011;96(s2):376
  6. Boccadero M. Current therapeutic approaches in management of a newly diagnosed multiple myeloma patient. Presented at Satellite Symposium – Multiple Myeloma: Targeting improved outcomes with novel strategies. 16th Congress of the EHA, June 9–11 2011, London
  7. Ludwig H et al. Lenalidomide-Dexamethasone (LD) as treatment of acute cast nephropathy-induced renal failure (ARF) in multiple myeloma (MM). Abstract 0305. Poster presented at 16th Congress of the EHA, June 9–11 2011, London.
  8. Ludwig H et al. Bortezomib-Bendamustine-Dexamethasone for treatment of relapsed/refractory myeloma. Haematologica 2011;96(s2):127
  9. Neben K et al. Bortezomib-based induction and maintenance therapy improves outcome in myeloma patients with deletion 17p – a subgroup analysis of the HOVON65/GMMG-HD4 trial. Abstract 0511. Presented at Simultaneous Session – First line therapy in multiple myeloma. 16th Congress of the EHA, June 9–11 2011, London
  10. Niesvizky R et al. Carfilzomib pharmakokinetics, safety, and activity in patients with relapsed or refractory multiple myeloma and renal dysfunction: final results. Haematologica 2011;96(s2):370
  11. Niesvizky R et al. An update on the phase 1B/2 dose-escalation study of carfilzomib with lenalidomide and low-dose dexamethasone (CRd) in patients with relapsed or refractory multiple myeloma. Haematologica 2011;96(s2):122
  12. Siegel S et al. Adverse cytogenetics do not affect respons rate or duration in patients wiht relapsed and refractory multiple myeloma (R/R MM) treated with single-agent carfilzomib. Haematologica 2011;96(s2):124
  13. Leleu X et al. Phase2 randomised open label study of 2 modalities of pomalidomide (CC4047) plus low-dose dexamethasone in patients with multiple myeloma, refractory to both lenalidomide and bortezomib. IFM 2009-02. Abstract 1005. Presented at Simultaneous Session – Therapy for relapsed/refractory multiple myeloma. Symposium, 16th Congress of the EHA, June 9–11 2011, London
  14. Moreau P et al. Elotuzumab in combination with lenalidomide and low-dose dexamethasone in patients with relapsed multiple myeloma: a randomized phase 2 study.Abstract 1007. Presented at Simultaneous Session – Therapy for relapsed/refractory multiple myeloma. 16th Congress of the EHA, June 9–11 2011, London

Neue Risikoklassifizierungen und Einfluss von Komorbiditäten – Therapie des MDS wird komplexer aber personalisierter

Dr. med. Julie Schanz, Universitätsmedizin Göttingen

Die Beiträge und Diskussionen auf der 16. Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) ließen erkennen, dass beim myelodysplastischen Syndrom (MDS) in Zukunft Therapieentscheidungen immer komplexer werden. So ist laut Prof. Guillermo Garcia-Manero vom Anderson Cancer Center in Texas, USA bei der Wahl einer geeigneten Therapie ein integrativer Ansatz zu fordern, der Risikostratifizierung molekulare Untersuchungen und Komorbiditäten des Patienten berücksichtigt.

Die prognostische Klassifikation des MDS wird in den kommenden Jahren viele Neuerungen erfahren. Einerseits werden neue Prognosemarker etabliert werden, andererseits steht die Aktualisierung und die Überarbeitung weltweit akzeptierter Klassifikationssysteme wie des International Prognostic Scoring System (IPSS) und des WHO Adapted Prognostic Scoring System (WPSS) bevor. Dies wird für alle im Bereich MDS tätigen Kollegen und Kolleginnen auch im Alltag zu berücksichtigende Neuerungen mit sich bringen. Erwartungsgemäß war daher auch auf der diesjährigen EHA-Jahrestagung die prognostische Klassifikation des MDS ein führendes Thema. Insbesondere die prognostische Relevanz molekulargenetischer Marker wird momentan intensiv diskutiert. Eine zunehmende Bedeutung dieser Marker für die Risikostratifizierung des MDS ist hierbei zu erwarten.

Neuer Risikoscore – erhöhtes Risiko für AML-Progression durch Überexpression von vier molekulargenetischen Markern

Von einer deutschen Arbeitsgruppe wurde ein Risikoscore vorgestellt, welcher das Risiko einer AML-Transformation anhand molekulargenetischer Marker kalkuliert [1]. Hierbei wurden die Marker MN1, ERG, BAALC und EVI1 – deren Überexpression bei der AML mit einer ungünstigen Prognose assoziiert ist – an 140 Patienten mit MDS mittels einer quantitativen RT-PCR analysiert. Die Ergebnisse wurden in einem additiven Score (MEBE) zusammengefasst und an 110 weiteren Patienten validiert. Die Überexpression von MN1, ERG, BAALC oder EVI1 war hierbei signifikant mit einem verkürzten Gesamtüberleben und einer rascheren AML-Transformation assoziiert. Die multivariate Analyse ergab, dass dies unabhängig vom Karyotyp, dem Transfusionsbedarf, dem Blastenanteil im Knochenmark sowie vom ASXL1- und IDH-Mutationsstatus ist. Die Ergebnisse der Validierung sprechen für eine klinische Verwendung des Scores. Eine hohe Expression der vier Gene war in der Validierungskohorte mit einem verkürzten Gesamtüberleben (HR 1,77; 95 % Konfidenzintervall 1,0–3,0; p = 0,034) und einer rascheren AML-Progression assoziiert (HR 3,0; 95 % Konfidenzintervall 1,2–7,7; p = 0,022). Die Autoren schlussfolgern aus diesen Ergebnissen, dass die Überexpression der vier Marker eine sinnvolle Ergänzung zur Risiko- und Therapiestratifizierung von Patienten mit MDS sein kann.

In der Validierungskohorte hatten Patienten mit einem hohen MEBE-Score im Vergleich zu Patienten mit einem niedrigen MEBE-Score eine signifikant kürzere Zeit bis zur AML-Transformation und ein verkürztes Gesamtüberleben. Modifiziert nach Heuser et al. 2011. Presented at Educational Session, EHA 2011, London.[2]

Durchflusszytometrischer Score – prognostische Subklassifizierung bei Patienten mit niedrigem Risiko möglich

In einer weiteren Arbeit wurde das Flow Cytometric Scoring System (FCSS), ein durchflusszytometrischer Score [3,4], von einer niederländischen Arbeitsgruppe an einem Kollektiv von MDS-Patienten (n = 107) sowie einer gesunden, gematchten Kontrollgruppe (n = 39) validiert [5]. Der Score beruht auf einem numerischen System, in dem die Anzahl der gefundenen immunophenotypische Anomalien addiert wird. Ein höherer Score steht dabei für eine höhere Anzahl an durchflusszytometrischen Aberrationen. Die Niederländer konnten zeigen, dass Patienten mit unilinearer Dysplasie (RA) im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe signifikant höhere Score-Werte aufweisen (p ‹ 0,001). Bemerkenswerterweise zeigte sich kein Unterschied zwischen Patienten mit uni- (RA) und multilinearer (RCMD) Dysplasie. Patienten mit einem höheren FCSS hatten ein signifikant verkürztes Gesamtüberleben (Median 28 Monate) im Vergleich zu Patienten mit einem intermediären FCSS (89 Monate; p = 0,001). Der FCSS korreliert zwar nicht mit den zytogenetischen Risikogruppen des IPSS, innerhalb der günstigen zytogenetischen Risikogruppe konnte aber anhand des FCSS eine weitere Unterteilung der prognostischen Subgruppen erreicht werden. Patienten mit günstiger Zytogenetik und hohem FCSS hatten ein verkürztes Gesamtüberleben (Median 39 Monate) im Vergleich zu Patienten mit günstiger Zytogenetik und intermediärem FCSS (Median 164 Monate, p = 0,001). Die Ergebnisse der Evaluierung weisen also darauf hin, dass mit dem FCSS in bestimmten Patientensubgruppen eine verfeinerte prognostische Subklassifizierung erreicht werden kann.

„Die Risikoklassifizierung des MDS wird in Zukunft komplexer, dafür aber personalisierter werden.“ Dr. Julie Schanz

Hochrisiko-MDS-Patienten – auch Patienten mit Komorbiditäten können erfolgreich mit 5-Azacitidin behandelt werden

Die Erfassung von Komorbiditäten mittels standardisierter Scores sowie die objektivierte Beurteilung der Lebensqualität gewinnen auch beim MDS an Relevanz und waren daher ebenfalls Thema des diesjährigen EHA-Meetings.

Von Dr. Alessandro Sanna aus Florenz wurde eine Arbeit zur Bedeutung von Komorbiditäten bei Hochrisiko-MDS-Patienten unter Therapie mit 5-Azacitidin (75 mg/m2/Tag, s.c., über sieben Tage, alle vier Wochen) vorgestellt [6]. Die Fragestellung war hierbei, ob das Vorliegen von Komorbiditäten das Therapieansprechen, die Durchführbarkeit der Therapie oder das Überleben in dem entsprechenden Patientenkollektiv beeinflusst. Insgesamt wurden 127 Patienten mit MDS (Risikogruppen nach IPSS: 31 % Int-1, 49 % Int-2 und 20 % high-risk) untersucht. Die Komorbidität der Patienten wurden anhand dreier geriatrischer Scores evaluiert. Verwendet wurden der Charlson Comorbidity Index (CCI), die Cumulative Illness Rating Scale (CIRS) sowie der Adult Comorbidity Evaluation-27 (ACE-27) Score. Es fand sich keine Korrelation zwischen den Score-Werten, dem Alter und der hämatologischen Response. Hinsichtlich des Gesamtüberlebens konnte allerdings eine klare Korrelation mit den  Komorbiditätsscores erfasst werden. So haben z.B. Patienten mit sehr hohem CIRS-Score eine signifikant schlechtere Prognose hinsichtlich des Gesamtüberlebens als Patienten mit niedrigem oder mittleren CIRS-Score (siehe Abbildung). Das mediane Überleben betrug sechs Monate in der Gruppe der Patienten mit hohem CCI-, CIRS- und ACE-27 Score und 16 bis 25 Monate in der Gruppe mit niedrigen Score-Werten. Hämatologische oder nichthämatologische Therapienebenwirkungen (Grad III und IV) korrelierten ebenfalls nicht mit den Score-Ergebnissen. Im Vergleich zu einer diagnose- und altersgematchten Kontrollgruppe (n = 157), welche nicht mit 5-Azacitidin behandelt wurde, zeigte sich unter 5-Azacitidin auch für Patienten mit Komorbiditäten ein Überlebensvorteil, der lediglich für Patienten mit sehr hohen Score-Ergebnissen nicht mehr vorhanden war (siehe Tabelle). Die Autoren schließen aus den Daten, dass auch Patienten mit Komorbiditäten erfolgreich behandelt werden können – sie wiesen aber im Vergleich zu Patienten mit niedrigeren Scores ein verkürztes Gesamtüberleben auf.

CIRS: Cumulative Illness Rating Scale; K-M OS (Kaplan-Maier Gesamtüberleben), mOS (medianes Gesamtüberleben); AZA (mit 5-Azacitidin behandelte Patienten), CCR (Conventional care regimen). Modizifiziert nach Sanna et al. 2011. Presented at Simultaneous Session, EHA 2011, London.
Patienten mit einem sehr hohen Komorbiditäts-Score >= 4 (Cumulative Illness Rating Scale, CIRS) weisen ein verkürztes Gesamtüberleben auf. Bei Patienten mit niedrigen und moderaten Scorewerten hingegen zeigen sich keine Unterschiede. Modifiziert nach Sanna A et al. 2011. Presented at Simultaneous Session, EHA 2011, London.

Fazit:

In die bisher etablierte prognostische Klassifikation des MDS werden in Zukunft eine Reihe zusätzlicher patienten- und krankheitsspezifische Faktoren einfließen. Dies wird eine verfeinerte Risikoklassifikation der heterogenen Gruppe der Patienten mit MDS erlauben. Für den klinischen Alltag wird dies eine Zunahme der Komplexität bedeuten, aber auch ein weitere Schritt hin zu einer personalisierten Medizin sein.

„Lebensqualität und Komorbiditäten sollten beim myelodysplastischen Syndrom mehr Beachtung finden.“ Dr. Julie Schanz

Applikation von 5-Azacitidin im klinischen Alltag

Ein weiteres, häufig untersuchtes Thema auf dem Gebiet der Therapie des myelodysplastischen Syndroms war die Frage nach optimierten und praktikableren Applikationsschemata für 5-Azacitidin. Im klinischen Alltag ist das in den Zulassungsstudien [7] geprüfte Applikationsschema von 75 mg/m2, appliziert über sieben Tage, häufig unpraktikabel, da die Behandlung über das Wochenende fortgeführt werden muss. Vorgeschlagen und diskutiert wurden daher Schemata mit einer Azacitidin-Gabe über nur fünf Tage in üblicher (75 mg/m2) oder erhöhter (100 mg/m2) Dosierung sowie die Gabe über fünf Tage mit einer zweitägigen Pause am Wochenende und anschließend zwei weiteren Tagen in der Folgewoche. Prospektive, randomisierte Studien zu dieser Frage liegen bisher nicht vor. Auf der diesjährigen EHA-Tagung wurden jetzt jedoch mehrere retrospektive Untersuchungen zu diesem Thema vorgestellt.

Fünf-Tages-Schemata mit 5-Acacitidin bei High-Risk MDS und AML-Patienten – Hinweise auf Effektivität aus retrospektiven Studien

Zwei retrospektive Studien – eine aus Irland und eine aus Portugal – untersuchten die Effektivität eines Fünf-Tages-Applikationsschemas von 5-Azacitidin. In der irischen Studie wurde die Gabe von 75 mg/m2 oder 100 mg/m2, appliziert über jeweils fünf Tage (subkutan oder intravenös), bei Hochrisiko-MDS- und AML-Patienten geprüft [8]. In beiden Gruppen wurde die Therapie alle 28 Tage wiederholt und bis zur Progression fortgeführt. Im Median wurden sieben Zyklen der Therapie verabreicht. Mit dem vorgestellten Fünf-Tage-Schema konnte ein zufriedenstellendes Ansprechen beobachtet werden: In der MDS-Gruppe zeigten 35 Prozent eine partielle Remission und 56 Prozent eine hämatologische Verbesserung. Das mediane Überleben in dieser Gruppe betrug zehn Monate (Range 1–35 Monate). In der AML-Gruppe – eingeschlossen wurden Patienten, die für eine intensive Chemotherapie und/oder Transplantation ungeeignet waren – betrug das mediane Überleben fünf Monate (Range 1–14 Monate). Patienten, die mehr als vier Therapiezyklen erhielten, wiesen eine mediane Überlebensrate von zehn Monaten (Range 4–14 Monate) auf. Insgesamt konnte bei 50 Prozent der AML-Patienten durch die Therapie eine stabile Erkrankung (stable disease) erreicht werden. Leider wurde ein Vergleich der Therapiegruppen mit 75 mg/m2 versus 100 mg/m2 nicht vorgenommen, was den Wert der Ergebnisse einschränkt. Trotzdem konnte gezeigt werden, dass die Gabe von 5-Azacitidin über fünf Tage in einem palliativen Patientenkollektiv effektiv sein kann.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam die portugiesische Arbeitsgruppe um Pierdomenico et al. [9]. In der vorgestellten Arbeit wurden 48 Patienten mit einem dosisintensivierten Fünf-Tages-Schema mit Azacitidin (100 mg/m2) therapiert. 26 Patienten – die meisten (78 Prozent) mit Hochrisiko-MDS (high-risk nach IPSS) – wurden mit vier und mehr Zyklen therapiert und gingen in die Auswertung ein.

In dieser Studie wurden im Mittel acht Zyklen verabreicht, wobei entweder bis zur Progression oder bis zur nicht beherrschbaren Toxizität behandelt wurde. Eine Transfusionsfreiheit konnte bei 50 Prozent der Patienten erreicht werden und hielt im Median 6,5 Monate an. Die Gesamtansprechrate (Overall response rate, ORR) wird von den Autoren mit 31 Prozent angegeben. Die mediane Überlebenszeit betrug 22 Monate, gerechnet ab Beginn der Therapie. Die beobachteten Toxizitäten waren überwiegend gastrointestinale Nebenwirkungen Grad I und II nach WHO sowie Hautreaktionen, ebenfalls Grad I und II. Eine hämatologische Toxizität Grad III wurde bei 42 Prozent der Patienten beobachtet, 15 Prozent wiesen eine Hämatotoxizität Grad IV auf. Die Autoren schlussfolgern auch in dieser Arbeit, dass eine dosisintensivierte Therapie mit 5-Azacitidin, appliziert über fünf Tage, praktikabel und gut verträglich ist. Auch hier fehlt der Vergleich zum publizierten Sieben-Tages-Applikationsschema beziehungsweise zur Gabe von 75 mg/m2 über fünf Tage.

Fazit:

Für die klinische Praxis ergibt sich daraus, dass ein Abweichen von der in den Zulassungsstudien empfohlenen Dosierung von 75 mg/m2, appliziert über sieben Tage, nicht ohne weiteres empfohlen werden kann. Insbesondere fehlen hier prospektive, randomisierte Daten. Allerdings kann in Einzelfällen, insbesondere in der palliativen Therapiesituation, ein alternatives Therapieschema sinnvoll, gut verträglich und für den Alltag praktikabel sein.

“In einer prospektiven klinischen Studie sollte die Frage geklärt werden, ob 5-Azacitidin in einer höheren Dosierung über fünf Tage oder in der empfohlenen Dosierung über sieben Tage verabreicht werden sollte.“ Dr. Julie Schanz

Literatur

  1. Heuser M et al. A gene expression based risk score in MDS patients predicts AML transformation. Haematologica 2011;96(s2):202
  2. Heuser M et al. A gene expression based risk score in MDS patients predicts AML transformation. Abstract 0482. Presented at Simultaneous Session Myelodysplastic Syndromes – Clinical, 16th Congress of the EHA, June 9–11, London
  3. Wells DA, et al. Myeloid and monocytic dyspoiesis as determined by flow cytometric scoring in myelodysplastic syndrome correlates with the IPSS and with outcome after hematopoietic stem cell transplantation. Blood 2003;102(1): 394–403.
  4. Van de Loosdrecht AA et al. Identification of distinct prognostic subgroups in low- and intermediate-1-risk myelodysplastic syndromes by flow cytometry. Blood 2008; 111(3):1067–1077.
  5. Alhan C et al. Validation of a flow cytometric scoring system for the prognostication of the myelodysplastic syndromes; a retrospective cohort study. Haematologica 2011;96(s2):106
  6. Sanna A et al. Comorbidities influence prognosis in MDS high-risk patients treated with 5-Azacitidine. Abstract 1059. Presented at Simultaneous Session Myelodysplastic Syndromes – Biology & Clinical, 16th Congress of the EHA, June 9–11, London
  7. Fenaux P et al. Efficacy of azacitidine compared with that of conventional care regimens in the treatment of higher-risk myelodysplastic syndromes: a randomised, open-label, phase III study. Lancet Oncol 2009;10(3):223–32.
  8. O’Reilly M et al. A 5-day outpatient regimen of 5-azacitidine is well-tolerated and effective for high-risk myelodysplastic syndrome and acute myeloid leukemia patients unsuitable for aggressive chemotherapy. Haematologica 2011;96(s2):110
  9. Pierdomenico F et al.Efficacy and tolerability of a 5-day azacytidine dose intensified regimen in higher risk MDS. Haematologica 2011;96(s2):349

DLBCL: Aktuelle Therapieregimes mit Rituximab weiterhin Standard – individualisierte Therapie noch Zukunftsmusik

PD Dr. med. Ralf Schmidmaier, Klinikum der Universität München

Beim diesjährigen Jahreskongress der European Hematology Association (EHA) in London gab Prof. David Linch vom UCL Cancer Institute in London einen Überblick über die aktuellen Standards zur Behandlung der diffus großzelligen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome (DLBCL). Dabei wurde deutlich, dass im Moment die bekannten Therapieregimes mit Rituximab weiterhin der Standard in der Behandlung der DLBCL sind. Neue molekularpathologische Erkenntnisse werden laut Prof. Riccardo Dalla-Favera von der Columbia University in New York jedoch zukünftig personalisierte Therapieformen ermöglichen, die direkt auf multiple Pathways individueller Gene zielen.

In der WHO-Klassifikation von 2008 wurden eine Reihe von Varianten, Subgruppen und Subtypen definiert, die aktuell – mit Ausnahme der primären ZNS-DLBCL – gleichartig behandelt werden. Mittels Genexpressionsanalysen (Gene expression profiling, GEP) konnte schon vor über zehn Jahren eine Unterteilung in den Keimzentrumstyp (Germinal centre, GC), den Typ mit aktivierten B-Zellen (Activated B cell, ABC) und die primären mediastinalen B-Zell-Lymphome (PMBL) etabliert werden. Diese hat prognostische Relevanz – auch in der Rituximab-Ära. Leider ist die GEP sehr aufwendig, und daher hat diese auf der Biologie der Erkrankung basierende Einteilung bis heute keinen festen Stellenwert in der Routinetherapie der DLBCL. Es wurden daher verschiedene Algorithmen für die immunhistochemische Diagnostik entwickelt, die eine hohe Konkordanz mit der GEP-Klassifikation haben, jedoch hat diese Surrogatmethode in den mit Rituximab durchgeführten Studien an prognostischer Aussagekraft verloren. Die individualisierte Therapie ist daher leider immer noch nicht möglich, die Behandlung erfolgt in erster Linie gemäß den Risikofaktoren.

R-CHOP-14 bietet keine Vorteile gegenüber R-CHOP-21

Anfang Juni dieses Jahres wurden auf dem Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) die Daten einer großen Phase-III-Studie vorgestellt, die nochmals den Stellenwert der dosisdichten Therapie R-CHOP-14 im Vergleich zur konventionellen dreiwöchigen Applikationsform R-CHOP-21 untersuchte [1]. Hier konnte der Vorteil der deutschen NHL-B2-Studie von CHOP-14 gegenüber CHOP-21 bei älteren Patienten nicht bestätigt werden [2]. Dies deckt sich mit retrospektiven Daten von 200 DLBCL-Patienten einer italienischen Arbeitsgruppe, die beim diesjährigen EHA vorgestellt wurden und die keine Unterschiede von R-CHOP-14 und R-CHOP-21 zeigen konnten [3]. R-CHOP-14 und R-CHOP-21 sind daher als gleichwertige Regime zu betrachten. Aufgrund der ähnlichen Toxizität können nun beide Therapien zum Einsatz kommen. Gerade bei den älteren Patienten ist jedoch zu beachten, dass bei beiden Regimen eine primäre G-CSF-Prophylaxe obligatorisch ist. In der klinischen Praxis wird einer europäischen Studie zufolge eine G-CSF-Prophylaxe bei älteren Patienten häufig nicht durchgeführt. In der Studie, in die mehr als 1.000 DLBCL-Patienten eingeschlossen waren, erhielten nur 80 Prozent der Patienten über 65 Jahre im Rahmen von R-CHOP-14 und nur 53 Prozent der Patienten über 65 Jahre im Rahmen von R-CHOP-21 primärprophylaktisch G-CSF, obwohl die Rate febriler Neutropenien bei den älteren Patienten klar über 20 Prozent lag [4]. Die aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften (EORTC, ESMO, DGHO) sind hier jedoch eindeutig und sollten insbesondere bei diesen kurativen Therapien beachtet werden.

Eine dosisdichte Therapie mit R-CHOP-14 bietet im Hinblick auf das Gesamtüberleben im Vergleich zur konventionellen dreiwöchigen Applikationsform R-CHOP-21 keine Vorteile. Modifiziert nach Cunningham et al. 2011. Presented at Lymphoma Session, ASC0 2011, Chicago

„R-CHOP-14 und R-CHOP-21 sind als gleichwertig anzusehen.“ PD Dr. Ralf Schmidmaier

DLBCL bei älteren Patienten – kurativer Therapieansatz mit dosisreduziertem R-CHOP möglich

Mehrere weitere Arbeiten beschäftigten sich beim EHA 2011 mit der Therapie der älteren DLBCL-Patienten. Dies ist nicht verwunderlich, denn das mittlere Erkrankungsalter für ein DLBCL liegt bei etwa 71 Jahren, davon sind etwa 20 Prozent der Patienten über 80 Jahre alt. Eine koreanische Studie konnte ganz klar zeigen, dass auch bei Patienten zwischen 61 und 85 Jahren eine kurative Therapie mit modifiziertem R-CHOP möglich ist [5]. Die Patienten erhielten normal dosiertes Rituximab in Kombination mit 600 mg/m2 Cyclophosphamid, 30 mg/m2 Doxorubicin, 1 mg Vincristin und 40 mg Prednison. Die mediane Zykluszahl war 5,96 mit einem Gesamtansprechen von 89,3 Prozent und einem 5-Jahres-Gesamtüberleben von bemerkenswerten 78,3 Prozent Es besteht also kein Grund, bei älteren Patienten auf eine kurative Intention zu verzichten. Eine schwedische epidemiologische Studie untersuchte die Prognose einer Gruppe von sehr alten Patienten (über 80 Jahre) vor und nach Einführung von Rituximab und konnte bestätigen, dass auch diese Patienten in Bezug auf Remissionsrate, progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben von der Gabe des CD20-Antikörpers profitieren [6]. In einer ähnlichen Analyse wurden in fünf griechischen Zentren 579 DLBCL-Patienten untersucht. Von diesen Patienten wiesen 56 (zehn Prozent) ein Alter über 80 Jahre auf. In der multivariaten Analyse des progressionsfreien Überlebens war ein Alter über 80 Jahre kein unabhängiger Prognosefaktor, beim Gesamtüberleben allerdings schon. Die mediane Dosisintensität bei den über 80-Jährigen betrug 85 Prozent für Rituximab, 76 Prozent für Cyclophosphamid, 60 Prozent für Doxorubicin und 64 Prozent für Vincristin [7]. Ältere Patienten über 80 Jahre, die mit R-CHOP-21 therapiert wurden, hatten also ein längeres progressionsfreies Überleben, obwohl die mediane Dosisintensität gering war. Diese Ergebnisse in der Gruppe der sehr alten Patienten sind daher vielversprechend. Für ein strukturiertes klinisches Vorgehen in der Gruppe der älteren Patienten ist daher ein umfassendes, standardisiertes geriatrisches Assessment zu fordern. Die italienische GOL-Studiengruppe hat ein entsprechend der geriatrischen Komorbidität adaptiertes Dosisschema für R-CHOP entwickelt und in einer Phase-II-Studie getestet. 81 Prozent der über 70-jährigen Patienten, die anhand des Dosisschemas behandelt wurden, erreichten eine komplette Remission; das krankheitsspezifische Gesamtüberleben lag nach fünf Jahren bei bemerkenswerten 72 Prozent [8]. Es muss also zusammengefasst werden, dass auch ältere und sehr alte Patienten unter komorbiditätsadaptierter Dosisreduktion und Ausschöpfung der Supportivmaßnahmen kurativ behandelt werden können und sollen. Es gibt Hinweise, dass Dosisreduktionen klassischer Zytostatika höchstwahrscheinlich durch die Zugabe moderner, molekular gezielt wirkender Substanzen kompensiert werden können. Basierend auf den Erkenntnissen, dass in präklinischen Studien ein synergistischer Effekt für Lenalidomid und Rituximab demonstriert werden konnte, wurde jetzt in einer italienischen Phase-I-Studie die maximal tolerierbare Dosis von Lenalidomid in Kombination mit R-CHOP-21 (LR-CHOP-21) bei älteren Patienten zwischen 60 und 80 Jahren untersucht. Die ermittelte Dosis von Lenalidomid in Kombination mit R-CHOP-21 lag bei 15 mg täglich in zwei von drei Wochen. Die Kombination scheint gut verträglich zu sein. Am Ende der sechs LR-CHOP-21-Zyklen erreichten 76 Prozent der Patienten eine komplette Remission [9]. Die ersten Ergebnisse sind somit vielversprechend. Aktuell wird in einer Phase-2-Studie die Wirksamkeit des LR-CHOP-21-Therapieregimes untersucht. Trotz des unbestreitbaren Nutzens von Rituximab bei B-Zell-Lymphomen muss in diesem Zusammenhang nochmals darauf hingewiesen werden, dass nach einer Immunochemotherapie die Rituximab-Erhaltungstherapie keinen Stellenwert beim DLBCL hat. Dies steht ja im Gegensatz zu den Daten bei den follikulären Lymphomen in erster und zweiter Remission sowie auch beim Mantelzell-Lymphom. Hierzu wurde beim EHA jetzt eine große Studie des European MCL Network vorgestellt, die erneut demonstrierte, dass ältere Patienten von einer Erhaltungstherapie mit Rituximab beim Mantelzell-Lymphom profitieren. Nach einer R-CHOP-Induktion zeigte sich ein statistisch signifikanter Nutzen der Rituximab-Erhaltungstherapie (gegenüber Interferon) in Bezug auf das Gesamtüberleben nach drei Jahren. Die mediane Remissionsdauer war unter der Rituximab-Erhaltungstherapie verdoppelt (51 versus 24 Monate) [10].

„Ältere Patienten – auch die über 80-jährigen – sollten unter Berücksichtigung der Komorbiditäten kurativ behandelt werden.“ PD Dr. Ralf Schmidmaier

Interim-PET eignet sich nicht zur Vorhersage des Therapieansprechens beim DLBCL

Ein neues künftiges Therapiesteuerungselement ist die Interim-18FDG-PET. Außerhalb von Studien können zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch keine Therapieentscheidungen getroffen werden. Eine Studie aus Italien untersuchte jetzt, ob sich die Interim-18FDG-PET eignet, eine Vorhersage über das Therapieansprechen zu machen. Die Studie demonstrierte, dass sich die PET nur im Abschluss-Staging als unabhängiger Prädiktor für des Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben eignet. Bei der Interim-Untersuchung hingegen konnte nur anhand einer CT, nicht anhand einer PET eine Vorhersage über eine komplette Remission getroffen werden. Beachtlich ist, dass unter den gezielten Punktionen von Interim-PET-positiven Lymphknoten 57 Prozent entzündlich waren [11].

ZNS-Prophylaxe bei hohem Risikoprofil – intravenöse Methotrexat-Gabe von Vorteil

Etwa acht Prozent der DLBCL-Patienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung ein ZNS-Rezidiv. Die Risikofaktoren entsprechen im Wesentlichen dem Internationalen Prognose-Index (IPI). Hierzu zählen insbesondere das Vorliegen eines fortgeschrittenes Stadiums, eine erhöhte LDH sowie mehr als ein Extranodalbefall. Zudem sind der Befall von Hoden, Nasennebenhöhlen, Mamma oder Epiduralraum starke Risikofaktoren, die eine Indikation zur ZNS-Prophylaxe darstellen. Eine Untersuchung zeigte, dass bereits 22 Prozent der Patienten bei Erstdiagnose einen okkulten, nur mittels Durchflusszytometrie zu bestimmenden ZNS-Befall haben. Bei zehn dieser elf Patienten war der zytologische Befund unauffällig [12]. Diese Ergebnisse konnten jetzt in einer aktuellen Studie aus Spanien bestätigt werden. Hier wiesen 14 Prozent der Patienten einen okkulten ZNS-Befall auf [13]. Etwa die Hälfte der ZNS-Rezidive ist parenchymatös und nicht leptomeningeal. Welche Form der ZNS-Prophylaxe für Patienten mit einem hohen Risiko geeignet ist, wird im Moment noch diskutiert. Die aktuell vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass Rituximab das Risiko eines ZNS-Rezidivs senken kann. Die in Deutschland über viele Jahre als Standard geltende intrathekale Prophylaxe mit MTX scheint dagegen nur wenig effektiv zu sein. Systematische und prospektive Untersuchungen existieren hierzu leider nicht. Die Analyse einer Phase-III-Studie zur Therapieintensivierung bei DLBCL zeigte jedoch eine deutliche Reduktion der ZNS-Rezidive von fast sieben Prozent auf etwa zwei Prozent unter zweimaliger Gabe von hochdosiertem intravenösen MTX bei nur vier intrathekalen Applikationen [14]. Mangels besserer Evidenz wurde dieses Konzept deshalb in die neue Studiengeneration der DSHNHL übernommen und muss auch außerhalb von Studien als aktueller Standard angesehen werden.

DLBCL: Risikofaktoren für ein ZNS-Rezidiv

„Für Patienten mit hohem Risiko für ein ZNS-Rezidiv ist die intrathekale Prophylaxe nicht ausreichend. MTX sollte hochdosiert und intravenös verabreicht werden.“ PD Dr. Ralf Schmidmaier

Literatur

  1. Cunningham D et al. R-CHOP14 versus R-CHOP21: Result of a randomized phase III trial for the treatment of patients with newly diagnosed diffuse large B-cell non-Hodgkin lymphoma. J Clin Oncol 29; 2011 (Suppl.;Abstract 8000)
  2. Pfreundschuh M et al. Two-weekly or 3-weekly CHOP chemotherapy with or without etoposide for the treatment of elderly patients with aggressive lymphomas: results of the NHL-B2 trial of the DSHNHL. Blood 2004;104(3):634–641
  3. Rigacci L et al. R-CHOP21 vs R-CHOP14 in 200 diffuse large B-cell lymphoma patients: Results from a retrospective study. Haematologica 2011;96(s2):157
  4. Lugtenburg P et al. Impact of age group on febrile neutropenia (FN) risk assessment and management in patients with diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) treated with R-CHOP regimens. Haematologica 2011;96(s2):395
    Shin HJ et al. Addition of Rituximab to reduced dose chop chemotherapy is feasible in elderly patients with diffuse large B cell lymphoma. Haematologica 2011;96(s2):394
  5. Andersson PO et al. Improved overall survival for very elderly patients with diffuse large B-cell lymphoma after introduction of immunochemotherapy. Haematologica 2011;96(s2):392
    Vassilakopoulos T et al. Diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) in very elderly patients (older than 80 years): Promising results in the era of chemoimmunotherapy despite lower dose intensity. Haematologica 2011;96(s2):438
  6. Spina M et al. Comprehensive geriatric assessment-adapted chemotherapy in elderly patients (> 70 years) with diffuse large B-cell Non-Hodgkin’s lymphoma (DLBCL): Final results and long term follow-up. Haematologica 2011;96(s2):438
  7. Vitolo U. Lenalidomide plus rituximab-CHOP21 is safe and effective in elderly untreated diffuse large b-cell lymphoma (DLBCL): Results of phase 1 part of REAL07 Trial of Italian Lymphoma Foundation (FIL). Haematologica 2011;96(s2):371
  8. Kluin-Nelemans J et al. Rituximab maintenance significantly prolongs duration of remission in elderly patients with mantle cell lymphoma. First results of a randomized trial of the European MCL Network. Haematologica 2011;96(s2):213
  9. Cox MC et al. The use of interim 18FDG-PET is not justified in diffuse large cell lymphoma (DLCBL) during first line immune-chemotherapy. Haematologica 2011;96(s2):439
    Hegde U et al. High incidence of occult leptomeningeal disease detected by flow cytometry in newly diagnosed aggressive B-cell lymphomas at risk for central nervous system involvement: the role of flow cytometry versus cytology. Blood 2005,105(2):496–502
  10. Sancho JM et al. Clinical significance of occult cerebrospinal fluid involvement assessed by flow cytometry in non-Hodgkin's lymphoma patients at high risk of central nervous system disease in the rituximab era. Eur J Hematol. 2010;85(4):321–328
  11. Tilly H et al. Intensive conventional chemotherapy (ACVBP regimen) compared with standard CHOP for poor-prognosis aggressive non-Hodgkin lymphoma. Blood 2003;102(13):4284–4289