ASH 2017

9. bis 12. Dezember, Atlanta

Zielgerichtete Therapien liegen im Trend. Das zeigen die neuesten Daten zum multiplen Myelom, zu der akuten myeloischen Leukämie, den myelodysplastischen Syndromen und den Lymphomen, die vom 9. bis 12. Dezember auf der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) in Atlanta präsentiert wurden. Unsere Berichte bieten Ihnen eine praxisrelevante Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Ende des Jahres wartete nochmal mit einem Highlight auf. Mit der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) fand vom 9. bis 12. Dezember in Atlanta der weltgrößte Hämatologiekongress statt.

In diesem Jahr drehte sich vor allem bei der akuten myeloischen Leukämie viel um neue Therapien, die entweder kürzlich zugelassen wurden oder deren Zulassung kurz bevorsteht. Beim multiplen Myelom und bei den Lymphomen standen vor allem immuntherapeutische Ansätze im Vordergrund – allen voran die Therapie mit CAR-T-Zellen. Bei den myelodysplastischen Syndromen ging es dagegen hauptsächlich um die Rolle der molekularen Veränderungen für die Pathogenese der Erkrankung.

Lob oder Kritik zu unseren Berichten können Sie wie immer über die Funktion „Ihre Meinung ist wichtig“ äußern. Wir freuen uns über Ihr Feedback und wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. med. Miriam Kull, Universitätsklinikum Ulm
Prof. Dr. med. Paul Graf La Rosée, Schwarzwald-Baar-Klinikum Villingen-Schwenningen
Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Schroeder, Universitätsklinikum Düsseldorf

Multiples Myelom: Update vom ASH-Kongress 2017 zu den vielfältigen Therapieoptionen

Dr. med. Miriam Kull, Klinik für Innere Medizin III, Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Ulm

In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der verfügbaren Therapieoptionen beim multiplen Myelom erheblich erweitert. Schwerpunkte beim ASH-Meeting 2017 waren sowohl neue Therapieformen, wie die CAR-T-Zelltherapie, als auch der bestmögliche Umgang mit bereits verfügbaren Therapien, wie der Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation. Daneben kommt auch der Bestimmung der minimalen Resterkrankung ein immer höherer Stellenwert zu.

Erstlinientherapie jüngerer Patienten

Ist die Hochdosistherapie weiterhin Standard in der Primärtherapie jüngerer Patienten?

Inwiefern die Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation im Kontext der neuen Substanzen noch notwendig ist, wird immer wieder kontrovers diskutiert. Die Phase-III-EMN02/HOVON95-Studie hat folgende zwei Fragestellungen adressiert:

  1. Ist ein Hochdosiskonzept einer konventionellen bortezomibhaltigen Therapie überlegen [1]?
  2. Gibt es einen Unterschied hinsichtlich des Überlebens nach Einzel- versus Tandem-Hochdosistherapie [2].

Insgesamt wurden 1.192 Patienten in diese Studie eingeschlossen. Alle Patienten erhielten zunächst eine Induktionstherapie mit drei bis vier Zyklen Bortezomib+Cyclophosphamid+Dexamethason (VCD), gefolgt von entweder vier Zyklen Bortezomib+Melphalan+Prednison (VMP) oder einer Einzel- beziehungsweise Tandem-Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation.

Das progressionsfreie Überleben (PFS) war signifikant länger im Hochdosisarm als im VMP-Arm (3-Jahres-PFS 64,3% versus 57%, p=0,002 [1]). Hinsichtlich des Gesamtüberlebens (OS) zeigte sich im Gesamtkollektiv der Patienten allerdings kein Unterschied (3-Jahres-OS 84,8% versus 84,9%, p=0,981 [1]).

Wurden jedoch nur die Hochrisikopatienten betrachtet (Patienten mit Nachweis einer del(17p), t(4;14) oder t(14;16) beziehungsweise im Stadium R-ISS III), zeigte sich ein signifikant längeres OS im Hochdosisarm [1]:

  • Patienten mit mindestens einer der genetischen Hochrisikoveränderungen hatten ein 3-Jahres-OS von 74,1% (versus 61,4%, p=0,027).
  • Patienten im Stadium R-ISS III hatten ein 3-Jahres-OS von 69,2% (versus 47,3%, p=0,009).

Einzel- oder Tandem-Hochdosistherapie?

In den teilnehmenden Zentren, die eine Tandem-Hochdosistherapie praktizieren, wurde zusätzlich in einen Einzel- oder Tandem-Hochdosisarm randomisiert [2]. 415 Patienten gingen in diese Auswertung ein. PFS und OS waren länger im Tandem-Hochdosisarm als im Einzel-Hochdosisarm (3-Jahres-PFS 72,5% versus 64%, p=0,040; 3-Jahres-OS 88,9% versus 81,5%, p=0,011). Der Vorteil für die Tandem-Hochdosistherapie zeigte sich wiederum besonders deutlich in der Subgruppe der Patienten mit Hochrisikogenetik. Bemerkenswert ist, dass in der Gruppe der tandemtransplantierten Patienten kein Unterschied im PFS mehr sichtbar ist zwischen Hochrisiko- und Standardrisikopatienten (3-Jahres-PFS 69,2% versus 76,4%, p=0,483). Dies legt nahe, dass die schlechte prognostische Bedeutung einer genetischen Hochrisikokonstellation durch die Durchführung einer Tandem-Hochdosistherapie ausgeglichen werden kann.

Minimale Resterkrankung im Kontext der Hochdosistherapie

In gegenwärtige Therapieentscheidungen über die Durchführung einer zweiten Hochdosistherapie wird häufig auch die Tiefe der Remission einbezogen. Retrospektive Auswertungen legen nahe, dass insbesondere Patienten, die noch keine komplette Remission erreicht haben, von einer zweiten Hochdosistherapie profitieren [3]. Dies wurde von der französischen Arbeitsgruppe nun auch unter dem Aspekt der Bestimmung der minimalen Resterkrankung (MRD) beleuchtet [4]. In der IFM-DFCI-2009-Studie wurde eine Therapie mit

  • acht Zyklen Bortezomib+Lenalidomid+Dexamethason (VRD), gefolgt von einer einjährigen Erhaltungstherapie mit Lenalidomid versus
  • drei Zyklen VRD, gefolgt von einer Hochdosistherapie und einer autologen Stammzelltransplantation plus zwei Zyklen VRD-Konsolidierung und einer einjährigen Erhaltungstherapie mit Lenalidomid verglichen.

Die MRD wurde mittels Next-Generation-Sequencing(NGS)-Technik gemessen. MRD-Negativität korrelierte – in Abhängigkeit des Sensitivitätsniveaus – mit einem längeren PFS. Patienten, deren MRD-Level unter 10-6 lag, hatten ein längeres PFS als Patienten, die dieses MRD-Niveau nicht erreichten. MRD-Negativität wurde daher als MRD-Level <10-6 definiert. Während MRD-positive Patienten im Hochdosisarm ein längeres PFS hatten als im VRD-Arm, war dieser Unterschied bei MRD-negativen Patienten nicht ersichtlich (Abb. 1). Diese Beobachtung suggeriert, dass das Erreichen von MRD-Negativität von hoher prognostischer Bedeutung ist, unabhängig von der Art der Therapie, die zu dieser tiefen Remission geführt hat.

Abb. 1: Patienten ohne minimale Resterkrankung zeigen unabhängig von der Therapie ein besseres progressionsfreies Überleben (modifiziert nach [4])

Welches ist das optimale Induktionsregime?

Die Frage nach dem optimalen Induktionsregime vor einer Hochdosischemotherapie wird derzeit in zahlreichen Studien adressiert. In einer Studie der italienischen Arbeitsgruppe wurde eine Induktionstherapie mit Carfilzomib+Cyclophosphamid+Dexamethason (KCd) mit dem chemotherapiefreien Regime Carfilzomib+Lenalidomid+Dexamethason (KRd) verglichen [5]. Die Ansprechraten waren in beiden Armen sehr hoch. Die Gesamtansprechrate betrug 96% im KRd-Arm und 92% im KCd-Arm. Im KRd-Arm wurden jedoch mehr tiefe Remissionen erreicht. 74% versus 61% der Patienten erreichten mindestens eine sehr gute partielle Remission (VGPR) und 15% versus 6% mindestens eine komplette Remission (CR). Ein ähnlich gutes Ansprechen konnte im KRd-Arm auch bei Patienten mit Hochrisikogenetik beobachtet werden (Gesamtansprechrate 95%, ≥VGPR 71%, ≥CR 12%). Die häufigsten Nebenwirkungen Grad 3–4 im KRd-Arm waren Neutropenien (6%), Hauttoxizität (8%) und Leberwertanstieg (8%). Eine erfolgreiche Stammzellapherese konnte in beiden Armen in der überwiegenden Mehrheit der Patienten realisiert werden. Im KRd-Arm benötigten jedoch deutlich mehr Patienten eine zusätzliche Gabe von Plerixafor als im KCd-Arm (28% versus 6%).

Fazit

  • Die Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation ist weiterhin Standard in der Erstlinientherapie jüngerer Patienten.
  • Die Tandem-Hochdosistherapie führte zu einem längeren progressionsfreien und Gesamtüberleben als die Einzel-Hochdosistherapie. Insbesondere Patienten mit Hochrisikogenetik profitieren von einer Tandem-Hochdosistherapie.
  • KRd stellt ein sehr wirksames Induktionsregime mit akzeptablem Nebenwirkungsprofil dar.

“Die Bestimmung der minimalen Resterkrankung ist von hoher prognostischer Relevanz. Prospektive Studien müssen zeigen, inwieweit die MRD zur Therapiesteuerung geeignet ist.” Dr. med. Miriam Kull

Lenalidomid-Erhaltungstherapie bei Hochrisikogenetik

Die Frage der optimalen Erhaltungstherapie, insbesondere bei Patienten mit Hochrisikogenetik, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Eine Metaanalyse dreier randomisierter Studien hatte einen Gesamtüberlebensvorteil für Patienten gezeigt, die nach Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie erhielten [6]. Eine genetische Diagnostik war allerdings nur für weniger als die Hälfte der Patienten verfügbar, sodass in dieser Metaanalyse insgesamt nur 92 Patienten mit Hochrisikogenetik identifiziert wurden. Für diese Patientengruppe konnte eine Verlängerung des PFS, nicht jedoch des OS gezeigt werden. In der Myeloma-XI-Studie wurde die Wertigkeit einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie sowohl nach intensiver als auch nach nicht-intensiver Induktionstherapie in randomisierter Weise geprüft. Die Gesamtüberlebensdaten in Abhängigkeit des genetischen Risikoprofils wurden nun in Atlanta vorgestellt [7]. Insgesamt wurden 1.971 Patienten untersucht, davon 1.248 Patienten im intensiven Arm, der eine autologe Transplantation beinhaltete. Das mediane PFS dieser für eine Hochdosistherapie geeigneten Patienten betrug 30,1 Monate ohne Erhaltungstherapie und 56,9 Monate mit Lenalidomid-Erhaltungstherapie (p<0,0001, HR 0,48). Das Gesamtüberleben nach drei Jahren lag bei 80,2% versus 87,5% (p=0,01330, HR 0,69). Die Verlängerung des Gesamtüberlebens durch die Lenalidomid-Erhaltungstherapie zeigte sich in den Subgruppenanalysen unabhängig vom Vorliegen einer Hochrisikoaberration (Abb. 2).

Abb. 2: Eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie bietet unabhängig vom Vorliegen von Hochrisikoaberrationen einen Vorteil im Gesamtüberleben (modifiziert nach [7])

Fazit

  • Die Daten der Myeloma-XI-Studie legen nahe, dass Patienten mit Hochrisikogenetik in gleichem Maße von einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie profitieren wie Standardrisikopatienten.

“Lenalidomid ist als Erhaltungstherapie nach Hochdosistherapie zugelassen. Eine Verlängerung des Gesamtüberlebens durch die Erhaltungstherapie konnte in der Myeloma-XI-Studie bestätigt werden. Die optimale Dauer der Lenalidomid-Erhaltungstherapie bleibt jedoch noch offen.” Dr. med. Miriam Kull

Erstlinientherapie älterer Patienten

Einzug der Antikörper in die Erstlinientherapie älterer Patienten

In der VISTA-Studie hatte sich die Therapie mit Bortezomib+Melphalan+Prednison (VMP) gegenüber Melphalan+Prednison (MP) überlegen gezeigt bei Patienten, die nicht für eine Hochdosistherapie infrage kamen [8]. Seither ist VMP ein Standard in der Erstlinientherapie älterer Patienten. In einer randomisierten Phase-III-Studie (ALCYONE) wurde nun geprüft, ob dieser Standard durch die Hinzunahme des monoklonalen Antikörpers Daratumumab weiter verbessert werden kann. Die Ergebnisse wurden als „Late-Breaking Abstract“ vorgestellt und zeitgleich im New England Journal of Medicine veröffentlicht [9, 10]. Eingeschlossen wurden 706 Patienten, die älter als 65 Jahre waren oder aufgrund von Begleiterkrankungen nicht für eine Hochdosistherapie geeignet waren. Die Gesamtansprechrate war mit 90,9% im Daratumumabarm (D-VMP) signifikant höher als im Kontrollarm (VMP) mit 73,9% (p<0,001). Zudem wurden mehr tiefe Remissionen erreicht und mehr Patienten wurden MRD-negativ (22,3% versus 6,2%, p<0,001). Im D-VMP-Arm zeigte sich auch ein längeres PFS als im VMP-Arm. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 16,5 Monaten ist der Median des PFS im Daratumumabarm noch nicht erreicht, während er im Kontrollarm bei 18,1 Monaten liegt (HR 0,50; p<0,0001; Abb. 3). Daten zum Gesamtüberleben liegen noch nicht vor. Die Hinzunahme von Daratumumab ging mit einer erhöhten Rate an Grad-3/4-Infektionen – insbesondere Pneumonien – einher (23,1% versus 14,7%). Darüber hinaus waren die Toxizitäten – von den bekannten daratumumabassoziierten Infusionsreaktionen abgesehen – in beiden Armen vergleichbar.

Abb. 3: Die Hinzunahme von Daratumumab zu VMP kann das PFS bei Patienten erhöhen, die älter als 65 Jahre oder nicht für eine Hochdosistherapie geeignet sind (modifiziert nach [10])

Sind alkylierende Substanzen noch notwendig?

Ein weiterer Standard in der Erstlinientherapie der Patienten, die nicht für eine Hochdosistherapie geeignet sind, ist Lenalidomid+Dexamethason. Dieses Regime hatte sich in der FIRST-Studie gegenüber einer Therapie mit Melphalan+Prednison+Thalidomid überlegen gezeigt [11]. Inwieweit ältere Patienten dennoch von der Hinzunahme einer alkylierenden Substanz zu einer lenalidomidbasierten Therapie profitieren, wurde in der EMN01-Studie der italienischen Arbeitsgruppe untersucht [12]. 654 Patienten wurden randomisiert entweder mit Lenalidomid+Dexamethason (Rd), mit Melphalan+Prednison+Lenalidomid (MPR) oder mit Cyclophosphamid+Prednison+Lenalidomid (CPR) behandelt, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid (R) oder mit Lenalidomid+Prednison (RP). Die Gebrechlichkeit der Patienten wurde mithilfe des IMWG-Frailty-Scores [13] erfasst und die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt (fit, intermediär und gebrechlich). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 65,8 Monaten zeigte sich in der Subgruppe der fitten Patienten im MPR-Arm sowohl ein signifikant längeres PFS (5-Jahres-PFS 37% versus 17%, p=0,03) als auch ein längeres medianes OS (83 versus 50 Monate, p=0,09) als im Rd-Arm (Abb. 4). Die Dreifachkombination MPR ging jedoch auch mit einer höheren Rate an Nebenwirkungen einher. Im Vordergrund standen Neutropenien und Thrombopenien. In Bezug auf die Erhaltungstherapie zeigte sich tendenziell ein längeres medianes PFS im RP-Arm als im R-Arm (22,2 versus 18,6 Monate, p=0,08), jedoch kein Unterschied im OS (5-Jahres-OS 57% versus 61%, p=0,29).

Abb. 4: Fitte Patienten können von der Hinzunahme alkylierender Substanzen zu einer lenalidomidbasierten Therapie profitieren (modifiziert nach [12])

Fazit

  • Daratumumab-VMP ist ein potentieller neuer Standard für die Erstlinientherapie von Patienten, die nicht für eine Hochdosistherapie geeignet sind.
  • Alkylierende Substanzen spielen weiterhin eine Rolle in der Erstlinientherapie älterer Patienten. Die Erfassung der Gebrechlichkeit durch etablierte Scores sollte in die Therapieentscheidungen einbezogen werden.

Unterschiedliche Strategien in der Therapie des asymptomatischen Myeloms

Durch die 2014 überarbeiteten Empfehlungen der IMWG hat sich die Definition des therapiebedürftigen multiplen Myeloms erweitert. Inwiefern im Kontext der zunehmenden therapeutischen Optionen auch Patienten mit „smoldering“ Myelom von einer frühen Therapieeinleitung profitieren, ist bislang nicht geklärt. Auf dem diesjährigen ASH-Meeting wurden zwei unterschiedliche Strategien zur Behandlung der Patienten mit asymptomatischem Myelom und hohem Progressionsrisiko vorgestellt.

In der Phase-II-CENTAURUS-Studie erhielten die Patienten eine Daratumumab-Monotherapie in drei unterschiedlichen Dosierungen [14]. Insgesamt wurden 123 Patienten entweder im langen intensiven (LONG), intermediären (INT) oder kurzen (SHORT) Arm mit Daratumumab behandelt. Das Sicherheitsprofil war vergleichbar mit den bekannten Nebenwirkungen von Daratumumab bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 15,8 Monaten war die Ansprechrate im LONG-Arm numerisch höher als im INT- oder SHORT-Arm (56% versus 54% versus 38%). Das PFS nach zwölf Monaten (bezogen auf einen laborchemischen Progress oder die Entwicklung von SLiM-CRAB-Kriterien) lag im LONG-, INT- und SHORT-Arm bei 93% versus 75% versus 56%. Die Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten unterstützen die Dosierung im LONG-Arm und stellen die Basis für die nachfolgende, randomisierte Phase-III-AQUILA-Studie dar, die kürzlich mit der Rekrutierung begonnen hat.

Ein anderer, potentiell kurativer, Therapieansatz wird von der spanischen Arbeitsgruppe verfolgt. In der Phase-II-GEM-CESAR-Studie wurden 90 Patienten mit asymptomatischem Myelom und hohem Progressionsrisiko mit einem intensiven Therapiekonzept behandelt [15]. Dieses bestand aus einer Induktionstherapie mit Carfilzomib+Lenalidomid+Dexamethason (KRd), einer Hochdosistherapie mit Melphalan und autologer Stammzelltransplantation, einer KRd-Konsolidierung und einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid+Dexamethason (Rd). Die Nachbeobachtungszeit ist noch kurz. Zum Zeitpunkt der Auswertung hatten erst 29 Patienten die gesamte Therapie abgeschlossen. Die Ansprechraten sind dennoch eindrücklich: Nach Abschluss der Erhaltungstherapie hatten 83% der Patienten eine stringente komplette Remission erreicht. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von zehn Monaten liegen das PFS und OS nach 28 Monaten bei 94% beziehungsweise 98%.

Fazit

  • Moderne Therapieoptionen eröffnen neue Möglichkeiten für eine frühe therapeutische Intervention bei asymptomatischen Patienten mit hohem Progressionsrisiko.

“Inwiefern ein früher Therapiebeginn bei Patienten mit „smoldering“ Myelom zu einer Verbesserung der Gesamtprognose dieser Patienten führt und welchen Stellenwert ein Hochdosiskonzept in diesem Kontext hat, bleibt noch unklar.” Dr. med. Miriam Kull

Rezidivtherapie: Kombinationstherapien, Antikörper- und CAR-T-Zelltherapie

Finale Auswertung der ASPIRE-Studie

In den letzten Jahren wurden mehrere Dreifachkombinationen für die Therapie des rezidivierten Myeloms zugelassen. Die ASPIRE-Studie hatte eine Überlegenheit der Kombination Carfilzomib+Lenalidomid+Dexamethason (KRd) gegenüber Lenalidomid+Dexamethason (Rd) gezeigt und zur Zulassung von KRd geführt [16]. Jetzt wurden die Ergebnisse der finalen Auswertung dieser Studie vorgestellt, inklusive der Daten zum Gesamtüberleben [17]. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von etwa 48 Monaten ist das mediane PFS im KRd-Arm um 9,5 Monate länger als im Rd-Arm (26,1 versus 16,6 Monate; p<0,0001; HR 0,66). Das mediane Gesamtüberleben ist im KRd-Arm um 7,9 Monate länger als im Rd-Arm (48,3 versus 40,4 Monate; p=0,0045; HR 0,79). In den Subgruppenanalysen schien der Überlebensvorteil durch die Hinzunahme von Carfilzomib unabhängig von einer Bortezomib-Vortherapie zu sein.

Daratumumab subkutan

Der monoklonale Anti-CD38-Antikörper Daratumumab ist für die intravenöse Verabreichung zugelassen – sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit Bortezomib+Dexamethason oder Lenalidomid+Dexamethason. In der Phase-Ib-PAVO-Studie wurde eine subkutane Formulierung von Daratumumab untersucht [18]. Es wurden aktuell Daten aus dem zweiten Teil der Studie vorgestellt, in dem Daratumumab in Kombination mit rekombinantem humanem Hyaluronidaseenzym (rHuPH20) subkutan über drei bis fünf Minuten injiziert wurde. Die Dosis wurde im zweiten Teil der Studie auf 1.800 mg (absolut) festgelegt. Damit konnten bei den 25 untersuchten Patienten höhere Talspiegel erreicht werden als mit der intravenösen Verabreichung von Daratumumab 16 mg/kg. Von Infusionsreaktionen (IR) Grad 1–3 wurde bei 12% der Patienten berichtet. Es traten keine IR Grad 4 auf. Damit liegt die Rate an IR deutlich niedriger als in den Studien, die Daratumumab intravenös eingesetzt haben. Die Patienten hatten median drei Vortherapien erhalten. Die Gesamtansprechrate lag bei 44%.

Anti-BCMA-CAR-T-Zelltherapie

Ob die CAR-T-Zelltherapie Patienten mit multiplem Myelom wirklich eine Chance auf Heilung bietet, wissen wir noch nicht. Die Ansprechraten, die mit diesem Therapieansatz auch bei sehr stark vorbehandelten Patienten beobachtet werden, sind zumindest sehr vielversprechend. Im Vordergrund stehen derzeit Studien, die ein Anti-BCMA-CAR-T-Konstrukt verwenden. Dazu gehört die von Kochenderfer et al. vorgestellte Phase-I-Studie CRB-401, die das CAR-T-Konstrukt bb2121 eingesetzt hat [19]. In die aktuell präsentierte Auswertung gingen 21 Patienten ein. Die Patienten waren im Median mit sieben Vortherapien intensiv vorbehandelt. Alle Patienten hatten zuvor eine autologe Stammzelltransplantation erhalten. 43% waren refraktär auf Bortezomib, Lenalidomid, Carfilzomib und Pomalidomid. Die Patienten erhielten nach einer Konditionierung mit Fludarabin+Cyclophosphamid unterschiedliche Dosierungen von bb2121 (50x 106 bis 800x 106 CAR-T-Zellen). Eine bekannte Nebenwirkung der CAR-T-Zelltherapie ist das Zytokin-Freisetzungs-Syndrom (ZFS). Ein solches wurde nach Gabe von bb2121 bei 71% der Patienten beobachtet, überwiegend vom Grad 1 oder 2. Zwei Patienten erlitten ein ZFS Grad 3, vier Patienten wurden wegen eines ZFS mit Tocilizumab behandelt. 94% der 18 Patienten, die in den aktiven Dosiskohorten behandelt wurden (150x 106 bis 800x 106 CAR-T-Zellen), zeigten ein Ansprechen auf die CAR-T-Zelltherapie (Abb. 5). Davon erreichten 56% eine komplette Remission. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 40 Wochen wurde das mediane PFS noch nicht erreicht. Teilweise konnten bereits lang andauernde Remissionen von mehr als einem Jahr beobachtet werden. Ein Progress der Erkrankung trat bislang bei vier der 18 Patienten auf.

Abb. 5: Ansprechen und Dauer des Ansprechens auf eine Therapie mit dem CAR-T-Zell-Konstrukt bb2121 (modifiziert nach [19])

Fazit

  • Die finale Auswertung der ASPIRE-Studie bestätigt eine signifikante Verlängerung des medianen PFS im KRd-Arm und zeigt nun auch eine signifikante Verlängerung des medianen OS.
  • Daratumumab in subkutaner Formulierung zeigt in einer Phase-I-Studie eine gute Verträglichkeit und wird in Phase-III-Studien weiter untersucht.
  • Die bisherigen Ergebnisse der CAR-T-Zelltherapie beim multiplen Myelom zeigen vielversprechende Ansprechraten in einem sehr intensiv vorbehandelten Patientenkollektiv.

“Spannend bleibt, wie sich Sicherheit und Effektivität der CAR-T-Zelltherapie nach einer längeren Nachbeobachtung und in größeren Studienkollektiven zeigen werden.” Dr. med. Miriam Kull

Quellen

  1. Cavo M et al. Autologous Stem Cell Transplantation Versus Bortezomib-Melphalan-Prednisone for Newly Diagnosed Multiple Myeloma: Second Interim Analysis of the Phase 3 EMN02/HO95 Study. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 397.
  2. Cavo M et al. Double Autologous Stem Cell Transplantation Significantly Prolongs Progression-Free Survival and Overall Survival in Comparison with Single Autotransplantation in Newly Diagnosed Multiple Myeloma: An Analysis of Phase 3 EMN02/HO95 Study. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 401.
  3. Cavo M et al. Double Vs Single Autologous Stem Cell Transplantation After Bortezomib-Based Induction Regimens For Multiple Myeloma: An Integrated Analysis Of Patient-Level Data From Phase European III Studies. Presented at ASH 2013, New Orleans, abstract 767.
  4. Avet-Loiseau H et al. Minimal Residual Disease in Multiple Myeloma: Final Analysis of the IFM2009 Trial. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 435.
  5. Gay FM et al. A Randomized Study of Carfilzomib-Lenalidomide-Dexamethasone Vs Carfilzomib-Cyclophosphamide-Dexamethasone Induction in Newly Diagnosed Myeloma Patients Eligible for Transplant: High Efficacy in High- and Standard-Risk Patients. ASH 2017, Atlanta, abstract 4541.
  6. McCarthy PL et al. Lenalidomide Maintenance After Autologous Stem-Cell Transplantation in Newly Diagnosed Multiple Myeloma: A Meta-Analysis. J Clin Oncol 2017; 35: 3279-3289.
  7. Jackson G et al. Lenalidomide Maintenance Significantly Improves Outcomes Compared to Observation Irrespective of Cytogenetic Risk: Results of the Myeloma XI Trial. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 436.
  8. San Miguel JF et al. Bortezomib plus melphalan and prednisone for initial treatment of multiple myeloma. N Engl J Med 2008; 359: 906-917.
  9. Mateos MV et al. Daratumumab plus Bortezomib, Melphalan, and Prednisone for Untreated Myeloma. N Engl J Med 2017.
  10. Mateos M-V et al. Phase 3 Randomized Study of Daratumumab Plus Bortezomib, Melphalan, and Prednisone (D-VMP) Versus Bortezomib, Melphalan, and Prednisone (VMP) in Newly Diagnosed Multiple Myeloma (NDMM) Patients (Pts) Ineligible for Transplant (ALCYONE). ASH 2017, Atlanta, abstract LBA4.
  11. Facon T et al. Final analysis of survival outcomes in the randomized phase 3 FIRST trial. Blood 2017.
  12. Bringhen S et al. Long Term Outcome of Lenalidomide-Dexamethasone (Rd) Vs Melphalan-Lenalidomide-Prednisone (MPR) Vs Cyclophosphamide-Prednisone-Lenalidomide (CPR) As Induction Followed By Lenalidomide-Prednisone (RP) Vs Lenalidomide (R) As Maintenance in a Community-Based Newly Diagnosed Myeloma Population: Updated Analysis of EMN01 Phase III Study. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 901.
  13. Palumbo A et al. Geriatric assessment predicts survival and toxicities in elderly myeloma patients: an International Myeloma Working Group report. Blood 2015; 125: 2068-2074.
  14. Hofmeister CC et al. Daratumumab Monotherapy for Patients with Intermediate or High-Risk Smoldering Multiple Myeloma (SMM): Centaurus, a Randomized, Open-Label, Multicenter Phase 2 Study. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 510.
  15. Mateos M-V et al. Curative Strategy for High-Risk Smoldering Myeloma (GEM-CESAR): Carfilzomib, Lenalidomide and Dexamethasone (KRd) As Induction Followed By HDT-ASCT, Consolidation with Krd and Maintenance with Rd. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 402.
  16. Stewart AK et al. Carfilzomib, lenalidomide, and dexamethasone for relapsed multiple myeloma. N Engl J Med 2015; 372: 142-152.
  17. Stewart AK et al. Overall Survival (OS) of Patients with Relapsed/Refractory Multiple Myeloma (RRMM) Treated with Carfilzomib, Lenalidomide, and Dexamethasone (KRd) Versus Lenalidomide and Dexamethasone (Rd): Final Analysis from the Randomized Phase 3 Aspire Trial. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 743.
  18. Chari A et al. Subcutaneous Delivery of Daratumumab in Patients (pts) with Relapsed or Refractory Multiple Myeloma (RRMM): Pavo, an Open-Label, Multicenter, Dose Escalation Phase 1b Study. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 838.
  19. Berdeja JG et al. Durable Clinical Responses in Heavily Pretreated Patients with Relapsed/Refractory Multiple Myeloma: Updated Results from a Multicenter Study of bb2121 Anti-Bcma CAR T Cell Therapy. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 740.
  • Bildnachweis: „Midtown Atlanta skyline from the park”: © f11photo/Fotolia

Akute myeloische Leukämien und myelodysplastische Syndrome – die AML ist den MDS hinsichtlich der Therapiemöglichkeiten voraus

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Schroeder, Universitätsklinikum Düsseldorf

Nachdem lange Zeit bis auf die hypomethylierenden Substanzen keine neuen Therapien den Weg in den klinischen Alltag bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) gefunden haben, hat sich dies im vergangenen Jahr geändert. Mit dem Multikinaseinhibitor Midostaurin wurde erstmals eine zielgerichtete Substanz zur Behandlung der FLT3-mutierten AML in Europa zugelassen. Darüber hinaus sind mit dem Isocitratdehydrogenase-2(IDH-2)-Inhibitor Enasidenib und dem CPX-351, einer liposomalen Darreichung von Daunorubicin und Cytarabin (AraC), zwei weitere Therapieoptionen in den USA bereits verfügbar und auch in Europa wird eine Zulassung angestrebt. Dies ist auch für den BCL2-Inhibitor Venetoclax und den IDH-1-Inhibitor Ivosidenib zu erhoffen. Auf dem diesjährigen ASH-Kongress haben sich daher viele Beiträge diesen neuen Substanzen gewidmet, was eine Reihe von alltagsrelevanten Erkenntnissen zutage gebracht hat.

Einen solchen therapeutischen Fortschritt sucht man leider bei den myelodysplastischen Syndromen (MDS) vergeblich. Hier befassten sich die meisten Beiträge weiterhin mit den molekularen Veränderungen und deren Bedeutung für die Pathogenese sowie die Prognose- und Therapieprädiktion, ohne dass hier etwas Praxisrelevantes hinsichtlich der Diagnostik oder Therapie zu finden war.

BCL2-Inhibition mit Venetoclax – auch bei der AML ein wirksamer Ansatz

Venetoclax ist als BCL2-Inhibitor zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) zugelassen und wird aktuell auch bei anderen Non-Hodgkin-Lymphomen untersucht. Eine BCL2-Überexpression findet sich als genereller Mechanismus bei einer Vielzahl solider und hämatologischer Neoplasien und ermöglicht es malignen Zellen, sich der Apoptose zu entziehen. Das Wirkprinzip, das Venetoclax zugrunde liegt, ist eine kompetitive BCL2-Inhibition, die zu einer Freisetzung proapoptotischer Proteine und konsekutiv zur Apoptose der Zelle führt. Da auch bei AML-Zellen eine BCL2-Überexpression vorliegt, untersuchen aktuelle Studien Venetoclax auch bei der AML. Die vorläufigen Resultate dieser Studien wurden auf dem diesjährigen ASH-Kongress in mehreren Beiträgen vorgestellt.

Die einarmige Studie von Wei und Kollegen untersuchte die Kombination von niedrigdosiertem AraC (20 mg/m2 pro Tag für zehn Tage) mit Venetoclax 600 mg pro Tag für 28 Tage bei 61 zuvor unbehandelten AML-Patienten mit intermediärem oder hohem zytogenetischem Risikoprofil [1]. Ähnlich wie bei der CLL wurde die Venetoclaxdosis im ersten Zyklus tageweise gesteigert und stationär verabreicht, um der Gefahr eines Tumorlysesyndroms Rechnung zu tragen. Dieses stellte jedoch in der Studie kein relevantes Problem dar und die Substanz war in dieser älteren Patientengruppe (medianes Alter 74 Jahre) generell sehr gut verträglich. Dies spiegelte sich auch in einer geringen 30- beziehungsweise 60-Tage-Mortalität von 3% beziehungsweise 13% wider. Auch mit Blick auf die Effektivität der Substanz zeigte sich ein bemerkenswertes Resultat. Insgesamt erreichten 62% der Patienten eine komplette Remission (CR) oder eine komplette Remission mit unvollständiger hämatologischer Regeneration (CRi), wobei vor allem Patienten mit intermediärem zytogenetischem Risikoprofil (CR/CRi-Rate 76%) zu profitieren schienen. Das mediane Gesamtüberleben betrug 11,4 Monate und ist damit länger als mit niedrigdosiertem AraC, welches in historischen Kontrollen zwischen drei und sechs Monaten lag [2]. Auch im indirekten Vergleich zu den derzeitigen Standards in Form von Azacitidin (medianes Gesamtüberleben 10,4 Monate) oder Decitabin (medianes Gesamtüberleben 7,7 Monate) erscheint die Kombination vielversprechend.

In einer zweiten Dosiseskalations- und -expansionsstudie von DiNardo et al. wurde die Kombination von Venetoclax (Tagesdosis 400 mg bis 1.200 mg, Tag 1–28) entweder mit Decitabin (20 mg/m2 pro Tag, Tag 1–5) oder Azacitidin (75 mg/m2 pro Tag, Tag 1–7) in der gleichen Indikation getestet [3]. Insgesamt wurden 145 AML-Patienten (medianes Alter 74 Jahre) mit Decitabin (n = 73) oder Azacitidin (n = 72) in Kombination mit Venetoclax behandelt. Unabhängig vom Kombinationspartner war Venetoclax auch in dieser Studie gut verträglich. Die häufigsten Grad-III/IV-Nebenwirkungen waren Hämatotoxizität und gastrointestinale Beschwerden. Die CR/CRi-Rate betrug – bezogen auf alle Patienten – 67%, die Gesamtansprechrate 68%. Sie war damit vergleichbar hoch wie bei einer Kombination mit niedrigdosiertem AraC. Die erreichten Remissionen hielten im Median 11,3 Monate an. In einer weiteren Dosiseskalationsstudie wurde bei einigen Patienten selbst nach lediglich kurzer Behandlungsdauer eine über mehrere Jahre anhaltende Remissionen ohne den molekularen Nachweis einer Krankheitsaktivität beobachtet [4]. In der Studie von DiNardo et al. war interessanterweise die Ansprechrate bei einer Venetoclaxtagesdosis von 400 mg höher als bei 800 mg. Die CR/CRi-Raten nach Decitabin (71%) und Azacitidin (76%) waren wiederum ähnlich. Das mediane Gesamtüberleben aller behandelten Patienten lag bei 17,5 Monaten und erscheint damit deutlich länger als mit dem bisherigen Standard aus Azacitidin oder Decitabin (Abb. 1).

Abb. 1: Gesamtüberleben von älteren AML-Patienten, die in der Erstlinie mit einer Kombination aus Venetoclax in verschiedenen Dosisstufen und Azacitidin beziehungsweise Decitabin behandelt wurden (modifiziert nach [3])

Zusammengefasst zeigen sich sowohl für die Kombination von Venetoclax mit niedrigdosiertem AraC als auch mit hypomethylierenden Substanzen sehr vielversprechende Ansprechraten und Überlebenszeiten. Sollten sich diese in den nun anstehenden randomisierten Studien bestätigen, könnte Venetoclax zum neuen standardmäßigen Bestandteil der Erstlinientherapie älterer AML-Patienten werden.

Fazit

  • Venetoclax ist ein BCL2-Inhibitor und induziert in AML-Zellen eine Apoptose.
  • Die Kombination von Venetoclax mit AraC oder hypomethylierenden Substanzen zeigt bei älteren Patienten mit AML vielversprechende Ansprechraten und Überlebenszeiten.
  • Aktuell laufen randomisierte Studien, welche die Venetoclaxkombinationen in der Erstlinientherapie randomisiert untersuchen.

„Venetoclax könnte sich auch bei der AML-Behandlung als wichtiger Bestandteil etablieren.“ Priv.-Doz. Dr. Thomas Schroeder

Neue Einblicke in die Behandlung mit hypomethylierenden Substanzen

Azacitidin und Decitabin sind seit langer Zeit wesentliche Säulen der Behandlung älterer Patienten mit AML. Dennoch ergeben sich bei ihrem Einsatz im klinischen Alltag immer wieder neue Aspekte. So ließ vor kurzem eine hochrangig im New England Journal of Medicine publizierte Arbeit aufhorchen, in welcher alle Hochrisiko-AML-Patienten mit TP53-Mutation auf die Gabe von zehn anstatt der üblichen fünf Tage Decitabin ansprachen und vergleichbar lange lebten wie Patienten ohne TP53-Mutation [5]. Der Frage, ob ein anderes Applikationsschema zu einem besseren Ansprechen oder Überleben führt, gingen Stahl und Kollegen in einer retrospektiven Analyse von 656 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML nach [6]. Etwas weniger als die Hälfte der Patienten (43%) erhielt Decitabin, wobei bei den meisten Patienten das klassische Fünftagesregime und beim kleineren Teil ein Zehntagesschema angewandt wurde. Die restlichen 57% der Patienten erhielten Azacitidin, welches bei den meisten Patienten an sieben aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht wurde. Ein kleinerer Anteil der Patienten erhielt Azacitidin entweder für fünf Tage oder nach einem Fünftages- – zwei Tage Pause – Zweitagesschema. Es zeigte sich, dass der Anteil der Patienten, die eine CR erreichten, bei den mit zehn Tagen Decitabin behandelten Patienten im Vergleich zu den anderen Applikationsschemata signifikant höher war (28% vs. 16%, p = 0,03). Auch die Multivariatanalyse bestätigte, dass die Remissionswahrscheinlichkeit mit der Gabe von Decitabin über zehn Tage am höchsten ist. Allerdings führte dies nicht zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens im Vergleich zu den anderen Verabreichungsschemata. Die höhere Ansprechrate infolge einer zehntägigen Decitabingabe bestätigte sich auch in einer retrospektiven „Real-World-Data“-Analyse der Dresdener Kollegen um Christoph Röllig [7]. Im Vergleich zu einer CR-Rate von 12% bei den 263 Patienten, die über fünf Tage behandelt wurden, betrug die CR-Rate nach zehn Tagen Decitabin (n = 33) 27% und war somit vergleichbar mit den Resultaten aus der amerikanischen Analyse. Anders als bei letztgenannter Studie zeigte sich jedoch in der Arbeit von Röllig et al. sogar ein Überlebensvorteil für das Zehntagesschema (medianes Gesamtüberleben 13,4 Monate vs. 4,6 Monate in der Gesamtkohorte). Beide Arbeiten konnten die Resultate von Welch et al. bezüglich des positiven prädiktiven Wertes einer TP53-Mutation hinsichtlich des Ansprechens nicht bestätigen. Das Gesamtüberleben der Patienten mit TP53-Mutation war jedoch auch nicht schlechter als das der Patienten mit TP53-Wildtyp. Leider ist nicht zu erwarten, dass die Frage nach dem optimalen Decitabinschema nochmal in einer randomisierten Studie prospektiv untersucht wird. Dennoch kann aus meiner Sicht auf der Basis dieser Daten in individuellen Fällen die nicht zugelassene Gabe von Decitabin über zehn Tage erwogen werden.

Ebenfalls bisher nicht prospektiv analysiert und daher nicht zugelassen ist eine Erhaltungstherapie mit Azacitidin nach einer remissionsinduzierenden Chemotherapie. Auf dem diesjährigen ASH-Kongress wurden die Daten einer prospektiven Studie der holländischen HOVON97-Studiengruppe präsentiert [8]. Diese untersuchte placebokontrolliert eine zwölfmonatige Erhaltungstherapie mit subkutanem Azacitidin (50 mg/m2/d an den Tagen 1–5, alle vier Wochen) bei Patienten im Alter von 60 Jahren oder älter mit Nicht-APL-AML (APL = akute Promyelozytenleukämie) oder refraktärer Anämie mit Blastenüberschuss (RAEB), die nach zwei Zyklen einer Induktionschemotherapie eine Remission erreicht hatten. Es zeigte sich anhand des Nebenwirkungsprofils sowie der geringen Rate an Transfusionsbedürftigkeit und Behandlungsverzögerungen, dass eine Erhaltungstherapie in dieser im Vergleich zum Standard niedrigeren Dosis gut verträglich und durchführbar ist. Auch der primäre Endpunkt wurde erreicht: So führte die Erhaltungstherapie mit Azacitidin zu einem signifikant längeren krankheitsfreien Überleben (Abb. 2).

Abb. 2: Signifikante Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens bei Patienten mit Azacitidinerhaltungstherapie (modifiziert nach [8])

Dass sich dies nicht auch in einem signifikanten Vorteil beim Gesamtüberleben niederschlug, war am ehesten der Tatsache geschuldet, dass im Placeboarm signifikant mehr Patienten im Falle eines Rezidivs eine Salvagetherapie oder eine allogene Transplantation erhalten hatten. Wenn man diese Patienten zum Zeitpunkt der Transplantation zensierte, zeigte sich ein deutlicher Trend zu einem Überlebensvorteil des Azacitidinarms. Auch wenn diese Daten nicht generell eine Erhaltungstherapie für alle älteren Patienten etablieren, so stellt diese Option dennoch eine für einzelne Patienten individuell erwägenswerte Alternative dar, die im Anschluss an eine Induktionstherapie nicht mit einer intensiven Konsolidierung weiter behandelt werden können. Außerdem steigern diese Daten die Erwartungen an die Resultate der ähnlich konzipierten AML001-Quazar-Studie, in der orales Azacitidin (CC-486) als Erhaltungstherapie placebokontrolliert getestet wurde.

Fazit

  • Mehrere retrospektive Analysen legen nahe, dass eine (nicht zugelassene) zehntägige Applikation von Decitabin zu einer höheren Remissionsrate führen könnte als das fünftägige Schema.
  • In diesen retrospektiven Arbeiten scheint Decitabin den negativen prognostischen Einfluss von TP53-Mutationen zu relativieren.
  • Die Resultate zu Decitabin müssen unter dem Vorbehalt der retrospektiven Betrachtung interpretiert werden.
  • Eine Erhaltungstherapie mit Azacitidin nach intensiver Chemotherapie kann bei Patienten individuell erwogen werden.

„Eine (nicht zugelassene) zehntägige Gabe von Decitabin kann im Individualfall eine Überlegung wert sein.“ Priv.-Doz. Dr. Thomas Schroeder

Tyrosinkinaseinhibitoren bei der AML – mehr als nur FLT3

Mit Midostaurin ist seit Oktober dieses Jahres eine zielgerichtete Therapie für die FLT3-mutierte AML zugelassen. Die Grundlage dieser Zulassung waren die Resultate der RATIFY-Studie, in der ein signifikanter Überlebensvorteil gezeigt wurde. Bei der Betrachtung der publizierten Resultate dieser Studie kam schon rasch der Eindruck auf, dass Midostaurin seine Hauptwirkung vor allem in der Induktionschemotherapie und nicht so sehr während der Konsolidierung oder gar bei der Erhaltungstherapie vermittelt. Eine nun präsentierte Post-hoc Analyse der innerhalb der RATIFY-Studie mit der Erhaltungstherapie behandelten Patienten bestätigte diesen Eindruck [9]. Von den ursprünglich 717 eingeschlossenen Patienten erhielten insgesamt 174 Patienten entweder die Erhaltungstherapie oder Placebo. In einer Landmarkanalyse dieser Patienten zeigte sich jedoch kein Vorteil für die Midostauringruppe hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens. Auch wenn diese im Protokoll ursprünglich nicht geplante Analyse ihre methodischen Limitationen hat, so unterstützen die Resultate die bisherige Annahme, dass sich der Midostaurineffekt vornehmlich in der frühen Behandlungsphase der Induktion abspielt.

In diesem Kontext ebenfalls interessant war ein Beitrag der deutschen Studienallianz Akute Leukämien zu Sorafenib, einem anderen Multikinaseinhibitor [10]. Die präsentierten Daten stellten ein Update der SORAML-Studie dar, deren Resultate bereits 2015 im Lancet Oncology publiziert worden waren [11]. In dieser placebokontrollierten Studie wurde der Effekt einer Hinzunahme von Sorafenib in der Induktions-, Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie bei Patienten mit neu diagnostizierter AML untersucht. Erwähnenswert ist, dass anders als in der RATIFY-Studie das Vorliegen einer FLT3-Mutation kein Einschlusskriterium war, weshalb folgerichtig lediglich 17% der Patienten eine FLT3-Mutation aufwiesen. Auch nach einem längerem Follow-up von mittlerweile 6,5 Jahren bestätigt sich der Vorteil hinsichtlich des krankheits- und rezidivfreien Überlebens (DFS, RFS) zugunsten von Sorafenib (medianes DFS: 26 vs. neun Monate, p = 0,01; medianes RFS: 63 vs. 23 Monate, p = 0,035). Leider zeigte sich – wie schon in der ursprünglichen Analyse – allenfalls ein Trend zu einem verbesserten Gesamtüberleben im Sorafenibarm (Gesamtüberleben nach vier Jahren: 62% vs. 55%, p = 0,282). Dies lag am ehesten daran, dass im Falle eines Rezidivs mehr Patienten im Placeboarm eine Salvagetherapie in kurativer Intention erhielten und im Gegensatz zu den Sorafenibpatienten seltener nach einer allogenen Transplantation rezidivierten. Diese Resultate werden nicht zu einer Zulassung für Sorafenib in dieser Indikation führen. Sie zeigen aber dennoch, dass eine Therapie mit einem Multikinaseinhibitor, wie Sorafenib, auch bei Patienten ohne FLT3-Mutation einen Benefit haben kann. Genau diese Hypothese untersucht ab dem kommenden Jahr eine firmengesponserte placebokontrollierte Studie, in welcher AML-Patienten ohne FLT3-Mutation mit dem Multikinaseinhibitor Midostaurin behandelt werden.

Ein dritter Beitrag mit möglichen Implikationen für die Behandlung in Deutschland untersuchte die Verträglichkeit einer Kombination aus klassischer Induktions- und Konsolidierungschemotherapie mit Gilteritinib [12]. Gilteritinib ist im Gegensatz zu Midostaurin und Sorafenib ein hochselektiver FLT3-Inhibitor, der zusätzlich noch die AXL-Kinase hemmt. Insgesamt wurden 49 Patienten in diese Phase-1-Studie eingeschlossen, von denen 23 eine FLT3-Mutation aufwiesen. Diese erhielten zusätzlich zur Chemotherapie Gilteritinib für 14 Tage. An die Konsolidation sollte sich eine Erhaltungstherapie mit Gilteritinib für ein Jahr anschließen. Die Studie zeigte, dass die Hinzunahme von Gilteritinib bis zu einer Dosis von 200 mg pro Tag möglich und verträglich ist. Mit Blick auf die Wirksamkeit zeigte sich, dass insbesondere Patienten mit FLT3-Mutation von Gilteritinib zu profitieren scheinen. Von diesen erreichten alle Patienten (100%) eine komplette Remission, wohingegen nur 61% der Patienten mit FLT3-Wildtyp eine Remission erreichten. Auch wenn die Studie noch läuft, wird der Ansatz einer zusätzlichen Therapie mit Gilteritinib bei Patienten mit AML weiterverfolgt. In Deutschland ist unter anderem eine Studie für FLT3-mutierte AML-Patienten geplant, in der Gilteritinib mit Midostaurin als aktuellem Standard jeweils in Kombination verglichen werden soll.

Fazit

  • Die Hauptwirkung von Midostaurin findet in der Induktionstherapie statt.
  • Eine Hinzunahme von Multikinaseinhibitoren wie Sorafenib oder Midostaurin hat möglichweise auch eine Rationale bei AML-Patienten mit FLT3-Wildtyp.
  • Gilteritinib als spezifischer FLT3/AXL-Inhibitor wird in Kombination mit einer Chemotherapie getestet.

„Der therapeutische Nutzen von Kinaseinhibitoren wird bei AML-Patienten mit und ohne FLT3-Mutation weiter untersucht.“ Priv.-Doz. Dr. Thomas Schroeder

IDH-Inhibition bestätigt sich als sinnvoller Therapieansatz

Im vergangenen Jahr wurde mit Enasidenib ein IDH2-Inhibitor (IDH = Isocitratdehydrogenase) für die Monotherapie von Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML mit IDH2-Mutation in den USA bereits zugelassen. Auch in Deutschland laufen Studien mit dieser Substanz und es ist mit der Zulassung auch hier kurz- bis mittelfristig zu rechnen. Aber nicht nur in der fortgeschrittenen Therapielinie wird dieses Therapieprinzip untersucht. Auf dem diesjährigen ASH-Kongress wurden mehrere Beiträge zu Enasidenib in der Erstlinienbehandlung sowie zu dem IDH1-Inhibitor Ivosidenib vorgestellt.

Der erste Beitrag von Pollyea et al. zeigte die Resultate einer Subgruppenanalyse der AG221-C-001-Phase-1/2-Dosiseskalations- und Dosisexpansionsstudie [13]. Diese Analyse umfasste alle noch unbehandelten 38 Patienten mit IDH2-mutierter AML, die mit Enasidenib als Monotherapie in der ersten Therapielinie behandelt wurden. Die Gesamtansprechrate betrug 32%. 21% der Patienten erreichten eine CR oder eine CRi. Die Verträglichkeit war ähnlich wie bei rezidivierten beziehungsweise refraktären Patienten mit einer geringen Rate ausgeprägter Zytopenien. Auch die für die Substanz spezifischen Nebenwirkungen, wie eine indirekte Hyperbilirubinämie oder ein Differenzierungssyndrom, traten in ähnlicher Frequenz und Ausprägung auf. Das mediane Gesamtüberleben der 38 Patienten betrug 11,3 Monate und erscheint vielversprechend, wenn man es mit den Überlebenszeiten nach den Standardtherapien Azacitidin (10,4 Monate [14]) und Decitabin (7,7 Monate [15]) vergleicht. Sollten sich diese Resultate in einer größeren Patientengruppe innerhalb einer randomisierten Studie bestätigen, so könnte die orale Therapie mit Enasidenib für IDH2-mutierte, ältere AML- Patienten zu einer Alternative werden.

Auch der zweite Beitrag von DiNardo et al. untersuchte die Wirksamkeit von Enasidenib und dem IDH1-Inhibitor Ivosidenib (AG-120) in der Erstlinienbehandlung [16]. In diese internationale noch laufende Phase-IB/II-Studie konnten Patienten mit AML eingeschlossen werden, die nicht für eine intensive Chemotherapie infrage kamen. Diese Patienten sollten zusätzlich zu Azacitidin eine Therapie mit Enasidenib oder Ivosidenib erhalten, je nachdem ob eine IDH2- oder eine IDH1-Mutation vorlag. In dieser vorläufigen Analyse wurden nun die Daten von insgesamt 17 Patienten ausgewertet, von denen sechs Enasidenib und elf Ivosidenib erhalten hatten. Auch wenn die Daten noch sehr präliminär sind, so zeigt sich bei der Betrachtung, dass auch eine Kombination aus IDH-Inhibitor und Azacitidin verträglich zu sein scheint. Ebenso erscheint die Gesamtansprechrate von 71% (sieben Patienten mit CR/CRi, zwei Patienten mit partieller Remissionen, zwei Patienten ohne morphologischen Nachweis der AML im Knochenmark) vielversprechend und lässt mit Hoffnung auf den weiteren Verlauf und den Ausgang dieser auch in Deutschland rekrutierenden Studie blicken.

Im dritten Beitrag wurde über die Wirksamkeit und Verträglichkeit des IDH1-Inhibitors Ivosidenib als Monotherapie bei Patienten mit IDH1-mutierter AML (n = 125) in der fortgeschrittenen Therapielinie berichtet [17]. Es handelt sich hierbei um eine Subgruppenanalyse der noch laufenden, multizentrischen Phase-I-Dosiseskalations- und -expansionsstudie, deren Design der bereits in Teilen publizierten Studie zum IDH2-Inhibitor Enasidenib entspricht [18]. Es zeigte sich – vergleichbar mit den Resultaten für Enasidenib –auch für Ivosidenib in dieser Hochrisikopatientengruppe eine Gesamtansprechrate von 41,6% und eine Rate an kompletten Remissionen (CR/CRi) von 30,4%, welche im Median für 8,2 Monate anhielten. Auch zeigte sich für diese Substanzklasse beinahe schon typischerweise, dass selbst Patienten ohne Erreichen einer CR/CRi eine deutliche Verbesserung der Zytopenien erlebten. Dies dürfte durch den primären Wirkmechanismus dieser Substanzklasse, nämlich durch die Differenzierungsinduktion, erklärbar sein. Letztere erklärt vermutlich auch das insgesamt positive Verträglichkeitsprofil der Substanz, die fast ausschließlich Nebenwirkungen vom Schweregrad I/II aufweist. Sollten sich diese Ergebnisse in der finalen Auswertung der Studie so bestätigen, ist eine Zulassung von Ivosidenib in dieser Indikation wahrscheinlich.

Die gute Verträglichkeit der IDH-Inhibitoren aufgrund des primär nichtzytotoxischen Wirkprinzips ermöglicht auch die Kombination mit einer klassischen Chemotherapie. Dieser Ansatz wurde nun erstmals in einer prospektiven Phase-1-Studie bei Patienten mit IDH-mutierter AML (n = 88) in der ersten Therapielinie untersucht [19]. Abhängig davon, ob eine IDH1- oder IDH2-Mutation vorlag, erhielten die Patienten Ivosidenib oder Enasidenib zusätzlich zu einer klassischen Induktions- (ein bis zwei Zyklen „3+7“-Schema) und Konsolidierungschemotherapie (bis zu vier Zyklen hochdosiertes AraC). Im Anschluss erhielten die Patienten im Falle einer Remission eine bis zu zweijährige orale Erhaltungstherapie mit Ivosidenib oder Enasidenib. Bei einem Drittel der Patienten war die AML aus einer anderen myeloischen Neoplasie hervorgegangen. Die Hälfte dieser Patienten war deshalb zuvor mit hypomethylierenden Substanzen behandelt worden. Dennoch war auch in Kombination mit intensiver Chemotherapie die Verträglichkeit der beiden IDH-Inhibitoren gegeben. Das zeigte sich zum einen in einem Nebenwirkungsprofil, das sich nicht wesentlich von dem unterschied, wie es nach einer intensiven Chemotherapie zu erwarten ist. Zum anderen war die 30- beziehungsweise die 60-Tage-Mortalität für Ivosidenib mit jeweils 6% und mit 5% beziehungsweise 7% für Enasidenib ebenfalls nicht erhöht. Ebenso waren die Zeiträume bis zur hämatopoetischen Rekonstitution nicht wesentlich verlängert und auch die Remissionsraten lagen im Bereich dessen, was nach einer Induktionschemotherapie bei IDH-mutierten AML-Patienten zu erwarten ist. Auf der Basis dieser Daten sind nun auch in Deutschland randomisierte Studien geplant, um den Stellenwert einer Kombination aus IDH-Inhibition und konventioneller Chemotherapie placebokontrolliert weiter zu untersuchen.

Tab. 1 zeigt eine Übersicht über aktuelle Studien zu Ivosidenib und Enasidenib bei Patienten mit AML.

Tab. 1: Studien mit Ivosidenib und Enasidenib bei Patienten mit AML – eine Übersicht (Daten aus [13, 16, 17, 19])

Fazit

  • Ivosidenib und Enasidenib sind Inhibitoren der Isocitratdehydrogenase 1 und 2.
  • Sie werden sowohl in der Monotherapie als auch in Kombination mit hypomethylierenden Substanzen und Chemotherapie untersucht.
  • Sie scheinen sowohl in der Erstlinienbehandlung als auch danach einen Stellenwert zu haben.

„Die IDH-Inhibition etabliert sich als Bestandteil der Therapie von Patienten mit IDH-mutierter AML.“
Priv.-Doz. Dr. Thomas Schroeder

Quellen

  1. Wei A et al. Phase 1/2 Study of Venetoclax with Low-Dose Cytarabine in Treatment-Naive, Elderly Patients with Acute Myeloid Leukemia Unfit for Intensive Chemotherapy: 1-Year Outcomes. Blood 2017; 130: 890.
  2. Burnett AK et al. A comparison of low-dose cytarabine and hydroxyurea with or without all-trans retinoic acid for acute myeloid leukemia and high-risk myelodysplastic syndrome in patients not considered fit for intensive treatment. Cancer 2007; 109: 1114–1124.
  3. DiNardo CD et al. Updated Safety and Efficacy of Venetoclax with Decitabine or Azacitidine in Treatment-Naive, Elderly Patients with Acute Myeloid Leukemia. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 2628.
  4. Pollyea DA et al. Venetoclax (Ven) with Azacitidine (Aza) for Untreated Elderly Acute Myeloid Leukemia (AML) Patients (Pts) Unfit for Induction Chemotherapy: Single Center Clinical Experience and Mechanistic Insights from Correlative Studies. Blood 2017; 130: 181.
  5. Welch JS et al. TP53 and Decitabine in Acute Myeloid Leukemia and Myelodysplastic Syndromes. N Engl J Med 2016; 375: 2023–2036.
  6. Stahl M et al. The Impact of the Administration Schedule and Mutational Profile on Outcomes of Patients with Relapsed and Refractory Acute Myeloid Leukemia Treated with Hypomethylating Agents: A Large, International, Multi-Center Analysis. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 148.
  7. Rollig C et al. Real World Data on Decitabine Treatment in 296 Patients with Acute Myeloid Leukemia: Outcome and Impact of TP53 Mutations. Blood 2017; 130: 3896.
  8. Huls G et al. Randomized Maintenance Therapy with Azacitidine (Vidaza) in Older Patients (≥ 60 years of age) with Acute Myeloid Leukemia (AML) and Refractory Anemia with Excess of Blasts (RAEB, RAEB-t). Results of the HOVON97 Phase III Randomized Multicentre Study (EudraCT 2008-001290-15). Blood 2017; 130: 463.
  9. Larson RA et al. An Analysis of Maintenance Therapy and Post-Midostaurin Outcomes in the International Prospective Randomized, Placebo-Controlled, Double-Blind Trial (CALGB 10603/RATIFY [Alliance]) for Newly Diagnosed Acute Myeloid Leukemia (AML) Patients with FLT3 Mutations. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 145.
  10. Rollig C et al. The Addition of Sorafenib to Standard AML Treatment Results in a Substantial Reduction in Relapse Risk and Improved Survival. Updated Results from Long-Term Follow-up of the Randomized-Controlled Soraml Trial. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 721.
  11. Rollig C et al. Addition of sorafenib versus placebo to standard therapy in patients aged 60 years or younger with newly diagnosed acute myeloid leukaemia (SORAML): a multicentre, phase 2, randomised controlled trial. Lancet Oncol 2015; 16: 1691–1699.
  12. Pratz K et al. Preliminary Results from a Phase 1 Study of Gilteritinib in Combination with Induction and Consolidation Chemotherapy in Subjects with Newly Diagnosed Acute Myeloid Leukemia (AML). Blood 2017; 130: 722.
  13. Pollyea DA et al. Enasidenib Monotherapy Is Effective and Well-Tolerated in Patients with Previously Untreated Mutant- IDH2 (mIDH2) Acute Myeloid Leukemia (AML). Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 638.
  14. Dombret H et al. International phase 3 study of azacitidine vs conventional care regimens in older patients with newly diagnosed AML with >30% blasts. Blood 2015; 126: 291-299.
  15. Kantarjian HM et al. Multicenter, randomized, open-label, phase III trial of decitabine versus patient choice, with physician advice, of either supportive care or low-dose cytarabine for the treatment of older patients with newly diagnosed acute myeloid leukemia. J Clin Oncol 2012; 30: 2670–2677.
  16. DiNardo CD et al. Mutant Isocitrate Dehydrogenase (mIDH) Inhibitors, Enasidenib or Ivosidenib, in Combination with Azacitidine (AZA): Preliminary Results of a Phase 1b/2 Study in Patients with Newly Diagnosed Acute Myeloid Leukemia (AML). Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 639.
  17. DiNardo CD et al. Ivosidenib (AG-120) in Mutant IDH1 AML and Advanced Hematologic Malignancies: Results of a Phase 1 Dose Escalation and Expansion Study. Blood 2017; 130: 725.
  18. Stein EM et al. Enasidenib in mutant IDH2 relapsed or refractory acute myeloid leukemia. Blood 2017; 130: 722–731.
  19. Stein EM et al. Ivosidenib or Enasidenib Combined with Standard Induction Chemotherapy Is Well Tolerated and Active in Patients with Newly Diagnosed AML with an IDH1 or IDH2 Mutation: Initial Results from a Phase 1 Trial. Presented at ASH 2017, Atlanta, abstract 726
  • .Bildnachweis:"Stone Mountain Historical Monument in Atlanta Georgia": © foreverbluebird/Fotolia





Maligne Lymphome und chronische lymphatische Leukämie – Neuigkeiten vom ASH-Kongress 2017

Prof. Dr. med. Paul Graf La Rosée, Schwarzwald-Baar-Klinikum, Villingen-Schwenningen

Die Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) ist der weltgrößte Kongress für experimentelle und klinische, benigne und maligne Hämatologie. Die in wissenschaftlichen Symposien, „Educational Sessions“, Vortragssitzungen und Posterdiskussionen präsentierten Daten aus der Grundlagenforschung sowie der translationalen und klinischen Forschung bringen uns regelmäßig auf den neuesten Stand der praxisrelevanten Neuerungen und zeigen uns die zukünftigen Entwicklungen. Die Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), das Hodgkin-Lymphom (HL) und die chronische lymphatische Leukämie (CLL) nahmen hierbei in diesem Jahr wieder eine zentrale Rolle ein. In der Mitte des Interesses standen insbesondere die immuntherapeutischen Ansätze mittels CAR-T-Zellen, Kombinationen von Immuntherapien mit konventionellen Chemotherapien und/oder zielgerichteten Therapien sowie vielversprechende Chemotherapie-freie Strategien.

Prognoseabschätzung: aggressives B-Zell-Lymphom

PET-CT-Parameter beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL)

Die Ergebnisse der GOYA-Studie, in welcher ein randomisierter Vergleich zwischen dem Standardprotokoll R-CHOP und der neuen Kombination Obinutuzumab-CHOP (G-CHOP) bei DLBCL international multizentrisch durchgeführt wurde, wurden kürzlich im Journal of Clinical Oncology publiziert [1]. In dieser Studie konnte durch die experimentelle Therapie für G-CHOP kein Vorteil gegenüber R-CHOP gezeigt werden. In einer jetzt auf dem ASH-Kongress vorgestellten Subanalyse wurde untersucht, welche prognostische Wertigkeit die prätherapeutisch gemessenen PET-Parameter, wie totales metabolisches Tumorvolumen (TMTV), Tumorglykolyse (TLG) und maximaler SUV-Wert (SUV = standardized uptake value), für die prognostische Abschätzung des DLBCL haben [2]. Cell-of-Origin(COO)-Daten zur Frage der molekularen Risikoklassifikation GCB/ABC-DLBCL wurden in die Analyse integriert. Der Schwellenwert von 1,5 x Leber-Uptake war die Voraussetzung für PET-Positivität. Die automatisierte softwarebasierte Quantifizierung und die Split-Analyse in vier Quartile (Q1: < 25%, Q2: 25−50%, Q3: 50−75%, Q4: 75−100%) von 1.334 Patienten mit messbaren Läsionen flossen mit einem mittleren Follow-up von 29 Monaten in die statistische Analyse zur Abschätzung der Prognose für das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) ein. Für PFS und OS zeigte der Vergleich zwischen den Patienten mit der höchsten TMTV- und TLG-Quartile (75−100%) ein statistisch signifikant schlechteres Überleben, welches auch in der multivariaten Analyse unter Einschluss von COO, IPI (International Prognostic Index), geografischer Region (Westeuropa versus Asien) und Zeit bis zur Randomisierung bestehen blieb. Von besonderem Interesse ist die Beobachtung, dass das TMTV eine bessere Prognoseabschätzung von ABC- beziehungsweise unklassifizierten DLBCL erlaubt. Damit sind TMTV und TLG in einer randomisierten Phase-III-Studie als unabhängige Prognoseparameter bestätigt, während die maximale metabolische Aktivität, angegeben als SUVmax, sich hierfür nicht qualifiziert. Interessant wird die noch ausstehende Analyse zur prozentualen Abnahme der metabolischen Aktivität im End-of-Treatment(EOT)-PET, eine differenzierte Analyse nach dem Deauville-Verfahren und die Korrelation mit weiteren molekular definierten Subtypen des DLBCL. Die GOYA-Studie ist trotz des initial enttäuschenden Ergebnisses zu G-CHOP ein wertvoller Datenschatz zum DLBCL.

Dynamischer Prognose-Score integriert IPI, COO, ctDNA-Messung und PET-CT

Die Ergebnisse für Patienten mit IPI-Hochrisiko-DLBCL sind weiterhin unbefriedigend. Insbesondere ältere Patienten mit Hochrisiko-DLBCL haben eine Rückfallquote von 40 bis 50%. PET-basiertes dynamisches Monitoring des frühen Ansprechens erlaubt eine verbesserte Prognoseabschätzung, wobei eine fehlende Standardisierung und das Versagen bisheriger Rescue-Strategien (Therapieintensivierung, wie z. B. in der deutschen PETAL-Studie [3]) keine Verbesserung erreichen konnten. Kann ein drohendes Therapieversagen noch früher und sensitiver durch ein biomarkerbasiertes Monitoring, wie wir es für Leukämien bereits seit langem nutzen, erkannt werden? Dieser Frage widmete sich eine jetzt auf dem ASH-Kongress präsentierte Studie der renommierten Stanford Medical School durch serielle Messung zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA [4]) während der ersten drei Zyklen einer Immunchemotherapie bei Patienten unter Primär- (n = 92) und Salvagetherapie (n = 33) [5]. Eine in dieser Untersuchung verwendete patientenspezifische, “personalisierte” Tiefensequenzierung ermöglichte die Korrelation des ctDNA-Verlaufs mit klinischen Parametern in einem kontinuierlichen Prognosemodell. Bei 98% der Patienten war zum Diagnosezeitpunkt ctDNA nachweisbar. Nach einem Kurs Immunchemotherapie konnte in der Trainingskohorte ein frühes molekulares Ansprechen (early molecular response, EMR) als 2-log-Abfall gezeigt werden. In der Validierungskohorte konnte sowohl das EMR (HR: 24, 95-%-KI 6,6–89, p < 0,0001) als auch das tiefe Ansprechen (2,5-log, major molecular response, MMR) nach zwei Kursen Immunchemotherapie als prädiktiv für das ereignisfreie Überleben genutzt werden (HR: 8,6, 95-%-KI 2,2−33, p = 0,002). Durch die Integration klinischer Faktoren mit bekannter Vorhersagekraft für das Therapieansprechen (IPI, COO, PET-CT Interim Staging) wurde ein kontinuierlicher Risikoindex (CIRI) modelliert (Abb. 1). Bemerkenswert hierbei ist, dass insbesondere bei Patienten mit Primärtherapie der CIRI dem IPI in der Vorhersagekraft des 24-monatigen ereignisfreien Überlebens (EFS) und des Gesamtüberlebens deutlich überlegen war (EFS24: Net Reclassification Improvement [NRI] 0,47, p = 0,02; OS NRI 0,74, p = 0,004). Hiermit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob das frühe Erkennen des drohenden Therapieversagens auch eine wirksame frühe Therapiestratifizierung gemäß der Prognoseabschätzung erlaubt. Aber die Perspektive, dies durch eine einfache Blutabnahme zukünftig prospektiv untersuchen zu können, ist verheißungsvoll.

Abb. 1: Der kontinuierliche Risikoindex (CIRI) integriert die klinischen Faktoren IPI, ctDNA, COO und Interims-PET-CT bei der Prognoseabschätzung beim DLBCL (modifiziert nach Kurtz DM et al. Presented at Oral Presentation, ASH 2017, Atlanta, Abstract 826 [5])

Fazit

  • Die prognostische Aussagekraft des PET-CT beim DLBCL befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Auch wenn außerhalb Deutschlands das PET-CT bereits eine Standarddiagnostik beim DLBCL ist, bedarf es weiterhin intensiver Bemühungen, dieses diagnostische Verfahren durch standardisierte Analyseprotokolle für die Therapieoptimierung besser nutzbar zu machen.
  • Die einfache Angabe der maximalen metabolischen Aktivität (SUVmax) im Baseline-PET ist prognostisch wenig aussagekräftig. Das totale metabolische Tumorvolumen (TMTV) und die Glykolyseaktivität (TLG) dagegen scheinen valide Parameter zu sein, wie jetzt eine Subanalyse der GOYA-Studie bestätigt.
  • Die zellfreie zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) könnte als neuer Biomarker Eingang in das dynamische Therapiemonitoring des DLBCL finden. Der vorgestellte CIRI verbessert die Prognoseabschätzung und wird ein wichtiger Monitoringparameter für laufende und künftige Studienprotokolle sein.

„Wir benötigen eine internationale Standardisierung der PET-Analyse.“ Prof. Dr. Lale Kostakoglu

Therapie des DLBCL

CHOP in Kombination mit Lenalidomid und Obinutuzumab in der Primärtherapie des DLBCL

Gibt es nach vier Jahrzehnten CHOP [6] einen neuen Kombinationspartner beim aggressiven B-Zell-Lymphom? Eine dosisdichte Therapie (R-CHOP-14) [7] und eine dosisintensivierte Therapie (HD-BEAM) [8] konnten das Standardvorgehen mit R-CHOP-21 beim DLBCL bisher nicht konklusiv ablösen. Die Hoffnung, die biologische Risikostratifizierung durch die COO-Klassifikation GCB/ABC (Non-GCB) prospektiv mittels Therapiestratifizierung zu nutzen, wurde bisher nicht erfüllt [9]. Die Ergebnisse der viel diskutierten PHOENIX-Studie (Ibrutinib-R-CHOP) stehen hierzu jedoch noch aus. Die Nachweismethodik zur COO-Zuordnung im klinischen Alltag ist verbessert und mittlerweile durch die Nanostring-Technologie alltagstauglich. In einer Phase-II-Studie, basierend auf der immunhistochemischen Non-GCB-/GCB-Klassifikation („Hans-Classifier”) konnte bereits 2014 gezeigt werden, dass der negative prognostische Einfluss der Non-GCB-Biologie durch das R2-CHOP-Protokoll (Rituximab Tag 1, Lenalidomid 15 mg Tag 1–14, CHOP Tag 1, WH Tag 22) aufgehoben werden kann (n = 64) [10]. Das R2-Prinzip wurde nun in einer monozentrischen Phase-I/II-Studie des MD Anderson Cancer Center durch Westin et al. mit dem optimierten CD20-Antikörper Obinutuzumab untersucht [11]. Bereits in der GOYA-Studie deutete sich ein Trend zu einer verbesserten gegen CD20-gerichteten Wirksamkeit durch Obinutuzumab an [1]. 53 Patienten mit unbehandeltem DLBCL, darunter 47 Patienten in Phase II, wurden mit Obinutuzumabaufsättigung im Zyklus 1 an Tag 1, 8, 15 (1.000 mg) und an Tag 1 in den Zyklen 2–6 behandelt. Zusätzlich wurde Lenalidomid in einer 15-mg-Dosierung an Tag 1–14 und CHOP-21 in allen sechs Zyklen in der Standarddosierung appliziert. Hier wurde eine 90%ige-CR-Rate mit einer Gesamtansprechrate von 98% erreicht. Bei den Toxizitäten zeigte sich erwartungsgemäß eine Grad-3/4-Neutropenierate von 38% und eine Grad-3/4-Fatigue-Rate von 13% bei sonst guter Verträglichkeit. Bei einem mittleren Follow-up von 14,3 Monaten wurde kein negativer Einfluss der Non-GCB-Biologie als erster bestätigender Hinweis für die Studienhypothese gefunden. Kritisch muss angemerkt werden, dass die monozentrische Risikoklassifikation durch die Immunhistochemie („Hans-Classifier“) nicht mehr dem State of The Art entspricht.

Fazit

  • Obinutuzumab und Lenalidomid lassen sich bei definierter maximal tolerierter Dosis (MTD) gut mit dem CHOP-Protokoll kombinieren.
  • Die Ergebnisse dieser Studie ordnen sich gut in die bisher verfügbaren Daten zu R2-CHOP ein. Die Wirksamkeit von Anti-CD20-CHOP scheint sich mit dieser Kombination aus Obinutuzumab und Lenalidomid zu verbessern.
  • Eine multizentrische, randomisierte Prüfung unter Einschluss standardisierter COO-Diagnostik muss die Frage nach einem COO-gerichteten Therapieansatz von Lenalidomid prospektiv untersuchen.
  • Die ersten Daten der “Westin Smart Study” mit Rituximab, Lenalidomid, Ibrutinib und Chemotherapie werden zum ASH-Kongress 2018 erwartet.

“Das ist eine Studie des MD Anderson Cancer Center, ich weiß – immer kritisiert für einmalige Studienergebnisse. Während die Ergebnisse der laufenden R2-CHOP- versus R-CHOP-Studien noch ausstehen, sind die nächsten Schritte im Hinblick auf die Kombination aus Lenalidomid, Obinutuzumab und CHOP noch unklar, aber vielversprechend…“ Prof. Jason R. Westin

Therapie des Mantelzelllymphoms

Ibrutinib bekommt Konkurrenz: Acalabrutinib beim Mantelzelllymphom

Die Vorstellung der Ibrutinib-Daten von Michael Wang (Houston) beim ASH-Kongress 2012 [12] war in ihrem Enthusiasmus legendär und läutete die Zulassung des BTK-Inhibitors für das Mantelzelllymphom ein. Ibrutinib hat durch den Aspirin-ähnlichen Effekt auf die Thrombozyten und das damit verbundene Problem der Blutungsneigung sowie mit einer 5- bis 10-%igen Induktionsrate von Vorhofflimmern ein bei älteren Patienten zwar immer noch sehr günstiges, aber zu verbesserndes Nebenwirkungsprofil. Das Kinaseprofil der Konkurrenzsubstanz Acalabrutinib (ACP-196), einem BTK-Inhibitor der 2. Generation, ist schmaler und der Inhibitor somit spezifischer. Klinische Daten belegen auch einen bezüglich der oben beschriebenen Nebenwirkungen nachweisbaren Mehrwert für die Patienten. Die Substanz ist durch die FDA in den USA bereits seit dem 31. Oktober 2017 für das r/r Mantelzelllymphom in einer täglichen Dosierung von 2 x 100 mg zugelassen. Die Daten einer multizentrischen, multinationalen einarmigen Phase-II-Studie wurden jetzt auf dem ASH-Kongress präsentiert und zeitgleich im Lancet publiziert [13]. In der Studie wurden insgesamt 124 Patienten behandelt. Eine Ibrutinib- oder Venetoclax-Vorbehandlung sowie eine Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten waren Ausschlussgründe. Überwiegend waren Kopfschmerzen, Durchfall und Fatigue von jeweils Grad 1/2 die Top Drei der Nebenwirkungen, die mehr als 15% der Patienten betrafen. Das Auftreten von Grad-3/4-Anämien (9%) und Grad-3/4-Neutropenien (11%) mit Grad-3-Pneumonien (5%) entsprach der erwarteten hämatologischen und infektiologischen Toxizität. Außerdem wurde von einem Grad-3-Blutungsereignis bei einem Patienten mit bekannter GI-Ulkuserkrankung berichtet. Das Gesamtansprechen lag bei einer CR-Rate von 40% (95-%-KI 31%−49%) bei 81% (95-%-KI 73%−87%), unabhängig von bekannten präspezifizierten Risikofaktoren des Mantelzelllymphoms. Die Ansprechdauer lag zum Zeitpunkt zwölf Monate bei 72% (95-%-KI 62%−80%), das mediane Ansprechen bezüglich PFS und OS war nicht erreicht. Somit konnte die Hypothese einer im historischen Vergleich zu Ibrutinib überlegenen Verträglichkeit in Bezug auf Blutung und Vorhofflimmern positiv beschieden werden. Dies begründet neben der überzeugenden Wirksamkeit auch die “fast-track”-Zulassung der FDA.

Fazit

  • Acalabrutinib ist eine überzeugend aktive Substanz beim r/r Mantelzelllymphom.
  • Das schmalere Kinaseprofil vermeidet eine Off-Target-Toxizität und erreicht dadurch eine sehr gute Verträglichkeit.

DAS Thema auf dem ASH-Kongress 2017: zelluläre Immuntherapie

CD19-gerichtete CAR-T-Zellen und neue, „off-the-shelf“-T-Zell-Produkte

Bei der kindlichen ALL in den USA bereits zugelassen und in der Tagesschau als Durchbruch der „Gentherapie” bei Leukämien prominent angekündigt, gehen die CAR-T-Zellen ihren Weg weiter in Richtung breite klinische Applikation – auch bei den nodalen Lymphomen. Tisagenlecleucel (CTL019) ist seit August 2017 in den USA als erste CAR-T-Zell-Therapie für die ALL bei Kindern und Jugendlichen zugelassen. Erste Daten zur monozentrischen Anwendung dieser Therapie bei Patienten mit r/r DLBCL und r/r follikulären Lymphomen wurden bereits im New England Journal of Medicine publiziert [14]. In der jetzt auf dem ASH-Kongress vorgestellten Auswertung aus der multizentrischen Kohorte der DLBCL der JULIET-Studie zeigte sich eine Gesamtansprechrate von 50%, eine CR-Rate von 43% und eine Dauer des Ansprechens der CR-Patienten nach 29 Monaten von 100% [15]. Der Bedarf einer wirksamen Therapieoption bei rezidivierten DLBCL ist groß: Hier ist die Salvagetherapie weiterhin nur bei maximal 20% der Patienten dauerhaft erfolgreich [16]. An die Namen der CAR-T-Zell-Produkte müssen wir uns noch gewöhnen: Tisagenlecleucel, Axicabtagene Ciloleucel oder Lisocabtagene Maraleucel.

In der JULIET-Studie sollte neben einer Erweiterung der Wirksamkeitsdaten auch die multizentrische Machbarkeit der zeitgerechten Produktzubereitung und Versorgungslogistik des T-Zell-Präparates Tisagenlecleucel (CTL019) gezeigt werden. Der Versorgungsstrang enthält

  • das Screening, einschließlich Lymphozytenapherese,
  • die Kryopräservierung und den Versand,
  • die Bridging-Chemotherapie,
  • den zentralisierten, GMP-konformen Herstellungsprozess des Zellproduktes,
  • das Restaging,
  • die Lymphodepletion mit einer konditionierenden Chemotherapie (Fludarabin/Cyclophosphamid) sowie
  • die Tisagenlecleucelinfusion mit dem Management der infusionsassoziierten Zytokinreaktion und mit einem möglichen Aufenthalt auf der Intensivstation unter Vorhaltung des IL6-Antikörpers Tocilizumab.

43 der insgesamt 147 Patienten erhielten keine Infusion, da bei neun Patienten kein Produkt hergestellt werden konnte und 34 Patienten sich letztlich nicht für die Infusion qualifizierten. Fast die Hälfte der Patienten hatte im Vorfeld bereits eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzellentransplantation (SZT) erhalten. Die Gesamtansprechrate der behandelten Patienten lag bei 53% (95-%-KI 42%−64%, p < 0,001) (Nullhypothese: < 20%), die Stabilität des Ansprechens zeigte sich mit einer stabilen ORR nach drei Monaten von 38% und bei sechs Monaten von 37%. Die CR-Rate lag nach sechs Monaten bei 30%. Fast alle Patienten, die eine CR erreicht hatten, zeigten bisher keinen Progress. 58% der Patienten wiesen Zeichen eines Zytokin-Release-Syndroms auf, wobei 23% eine Grad-3/4-Toxizität erlitten. Weitere Toxizitäten von besonderem Interesse (Grad 3/4) waren neurologische Auffälligkeiten (12%), prolongierte Zytopenien von mehr als 28 Tagen (27%), Infektionen (20%) und febrile Neutropenien (13%). Das Zytokin-Release-Syndrom ließ sich im Median nach drei Tagen nachweisen, im Mittel dauerte es sieben Tage, verursachte bei sechs Patienten eine vasopressorpflichtige Hypotension und führte bei 8% der Patienten zur Intubationspflichtigkeit. Bei 15% der Patienten mit Zytokin-Release-Syndrom war die Gabe von Tocilizumab erforderlich und 11% dieser Patienten benötigten eine kurzfristige Kortikosteroidtherapie. Bei Patienten mit anhaltender Remission ließ sich das Transgen des chimären T-Zell-Rezeptors bis über 350 Tage nachweisen. Eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen infundierter Zellzahl und dem Therapieansprechen sowie dem Auftreten von Toxizitäten ließ sich nicht nachweisen. Damit konnte die JULIET-Studie die Machbarkeit des Herstellungs- und Behandlungsprozesses mit CAR-T-Zellen multizentrisch international bei beeindruckender Wirksamkeit bei multipel vorbehandelten Patienten nachweisen. Der Hersteller strebt auch für Europa die Zulassung beim r/r DLBCL mit einer dreiwöchigen Herstellungsphase pro Patient an.

Fazit

  • Die Zulassung in Europa für Tisagenlecleucel zur Therapie des r/r DLBCL sowie transformierter follikulärer Lymphome (tFL) wurde beantragt und kann aufgrund der positiven Ergebnisse künftig erwartet werden.
  • Die Behandlungszentren müssen die Abläufe an den Vorgaben des Herstellungsprozesses sowie an der gut beherrschbaren Toxizität, insbesondere des Zytokin-Release-Syndroms, ausrichten.
  • Da die aktuelle Analyse keine Intent-to-treat-Analyse aller eingeschlossenen Patienten darstellt und im Studienverlauf eine Optimierung der Logistik implementiert wurde, muss die Wirksamkeit und die Toxizität bei zukünftig behandelten Patienten fortlaufend sorgfältig beobachtet werden.

„Unser primäres Ziel war es, die Machbarkeit in einem multizentrischen Ansatz zu demonstrieren. Dies wurde durch JULIET erreicht. Die Daten sind beim NEJM in Druck.” Prof. Stephen J. Schuster

Das CAR-T-Zell-Produkt Axicabtagene Ciloleucel ist als zweite CAR-T-Zelltherapie kürzlich durch die FDA für das r/r DLBCL in den USA zugelassen worden. Die der Zulassung zugrundeliegenden Daten aus der ZUMA-1-Studie wurden jetzt auf dem ASH-Kongress präsentiert und zeitgleich im New England Journal of Medicine publiziert [17]. Das chimäre Rezeptorkonstrukt unterscheidet sich von Tisagenlecleucel durch eine andere kostimulatorische Domäne (CD28). Das Behandlungsprotokoll sah eine modifizierte Dosierung der Konditionierungschemotherapie mit Fludarabin/Cyclophosphamid vor. Im 1-Jahres-Follow-up der Studie mit insgesamt 111 Patienten konnten nahezu alle Patienten (n = 110) zeitgerecht mit dem Zellprodukt versorgt werden. Im Phase-2-Teil (n = 101) wurden 77 Patienten mit r/r DLBCL, 24 Patienten mit primär mediastinalem B-Zell-Lymphom (PMBL) oder transformiertem follikulärem B-NHL (tFL) behandelt. Im Interstudienvergleich zu JULIET zeigte sich hier ein etwas besseres Ansprechen mit einer CR-Rate von 58% (medianes Follow-up von 15,4 Monaten). Das dauerhafte Therapieansprechen war mit 40% vergleichbar mit JULIET. Der über den Zeitraum von sechs Monaten hinausgehende Nachweis von therapieassoziierten Infektionen bei ausgeprägter B-Zell-Depletion stimulierte die Diskussion, ob nicht die gewählte Dosierung der Konditionierungstherapie zu hoch gewesen sein könnte. In der Aufarbeitung von 21 evaluierbaren, resistenten Patienten zeigte sich im Tumormaterial ein CD19-Verlust von 33% und eine PD-L1-Positivität von 62%.

Die Daten der ZUMA-1-Studie wurden zudem in einem Folgevortrag von Dr. Neelapu den kürzlich in Blood publizierten, retrospektiven Kohortendaten der SCHOLAR-1-Studie [16] zum Überleben bei r/r DLBCLs gegenübergestellt [18]. Dies ist insofern von Interesse, da in der Kostendiskussion (300.000 Euro „plus“) der Mehrwert der zellulären Immuntherapie gegenüber verfügbarer Therapiealternativen geprüft werden muss. In einem komplexen statistischen Design (Propensity Score Analysis) wurden verblindete Patienten der SCHOLAR-1-Kohorte mit Patienten der ZUMA-1-Studie gematched. 108 Patienten der ZUMA-Studie und 523 Patienten der SCHOLAR-1-Kohorte zeigten im Propensity-Score-Vergleich eine klare Überlegenheit der CAR-T-Zelltherapie mit einer CR-Rate von 57% versus 12%, was einem Behandlungsunterschied von 46% entspricht. Im Gesamtüberleben (16,4 versus 5,4 Monate) errechnet sich eine Hazard Ratio zugunsten von CAR-T-Zellen von 0,28, was einer 72%igen Risikoreduktion bezüglich Tod entspricht (Tab. 1).

Tab. 1: Ergebnisse der ZUMA-1-Studie zum Gesamtüberleben bei einer CAR-T-Zelltherapie bei r/r DLBCL im Vergleich zu den Daten aus der SCHOLAR-1-Studie zum Gesamtüberleben bei den aktuell verfügbaren Salvagetherapien (modifiziert nach Neelapu SS et al. Presented at Oral Presentation, ASH 2017, Atlanta, Abstract 579 [18])

In der gleichen Sitzung wurde ein weiteres „Leucel” mit CD19-gerichteter Aktivität (JCAR017), welches sich in einer laufenden Phase-I-Studie befindet, vorgestellt [19]. In einer strikt definierten CD4/CD8-T-Zellkomposition und Dosiseskalation (5E7-CAR-T-Zellen [Single shot versus Double shot] und 1E8-CAR-T-Zellen [Single shot]) wurden zwei Expansionskohorten mit einer konsekutiven pivotalen DLBCL-Kohorte behandelt. Die Daten zur Toxizität und zum Therapieansprechen zeigen vergleichbare Befunde wie Tisagenlecleucel und Axicabtagene Ciloleucel.

Fazit

  • Die Therapie der CAR-T-Zellen könnte seit langem der ersehnte Fortschritt in der bisher frustranen Therapie r/r aggressiver Lymphome sein.
  • Die Therapie ist bereits in den USA zugelassen. Die jetzt vorgestellten und zum Teil als Vollpublikation zu Verfügung stehenden Studiendaten belegen, dass auch für die Größenordnung der regulären klinischen Versorgung CAR-T-Zellen einsetzbar sind.
  • Die Kosten, die Langzeitwirksamkeit und die Toxizitäten, wie Infektionen und Neurotoxizität, können wir derzeit anhand der vorliegenden Daten noch unscharf abschätzen. Sie bedürfen deshalb einer weiteren kritischen Überwachung.
  • Resistenzen gehen mit dem Verlust des Zielmoleküls CD19 und möglicherweise auch durch eine Checkpoint-Regulation einher.
  • Die Machbarkeit und das therapeutische Prinzip sind belegt, die Variationsmöglichkeiten/Kombinationen sind jetzt systematisch zu untersuchen.

„Wir sollten diese Behandlungsmodalität nicht isoliert betrachten. Die Kombination der zellulären Therapien mit Chemotherapien sowie zielgerichteten Therapien und Immuntherapien wird aktuell untersucht.“ Dr. Catherine Bollard

Der zweite Top-Scorer des ASH-Kongress 2017: Chemotherapie-freie Protokolle in der Behandlung maligner Lymphome

Eine Chemotherapie-freie Therapie mit der Perspektive einer reduzierten Akut- und Spättoxizität und möglicherweise auch mit einer verbesserten Leukämiekontrolle − darüber wurde in zahlreichen Sitzungen, insbesondere bei der B-CLL, diskutiert. Beispielhaft sei die in der "Late Breaking Abstract"-Sitzung vorgestellte multizentrische, multinationale randomisierte Phase-III-Studie (MURANO), die eine Kombination mit dem BCL2-Inhibitor Venetoclax und Rituximab (R-Venetoclax) mit dem in Deutschland gebräuchlichen Standardarm R-Bendamustin (6 Zyklen, Bendamustin 70 mg/m2) verglichen hat [20], vorgestellt. Der Prüfarm enthielt eine maximal zwei Jahre dauernde Therapie mit 400 mg Venetoclax, kombiniert mit sechs Dosen Rituximab in CLL-Standarddosierung. Ungefähr ein Drittel der Patienten zeigte eine genetische Höchstrisikokonstellation. Das mediane PFS von R-Bendamustin lag bei 18,1 Monaten, für R-Venetoclax ist es noch nicht erreicht (HR 0,19, 95-%-KI 0,12−0,28, p < 0,0001) (Abb. 2). Der Vorteil von R-Venetoclax betraf alle bekannten Risikovariablen, unabhängig von Del17p-oder einer TP53-Mutation. Eine MRD-Negativität konnte mit R-Venetoclax bei circa 60% der Patienten erreicht werden, R-Bendamustin schaffte das bei nur circa 10%. Der Effekt hielt bis über 18 Monate an. Auch bezüglich des Gesamtüberlebens zeigte sich bereits ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Vorteil für R-Venetoclax mit einem 2-Jahresüberleben von 91,9 versus 86,6% (HR 0,48; p = 0,0186) (Abb. 3). Eine Tumorlyse war dank des bekannten Step-up-Dosing kein Problem, führend in den Toxizitäten von R-Venetoclax war eine Grad-3/4-Neutropenierate von 58%. Die Autoren folgerten, dass R-Venetoclax aufgrund der überzeugenden Wirksamkeit eine Standardtherapieoption darstellen sollte.

Abb. 2: Überlegenheit einer Therapie mit R-Venetoclax im Vergleich zur Standardbehandlung mit R-Bendamustin im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben bei der B-CLL (bewertet durch ein unabhängiges Prüfkomitee [IRC-PFS; IRC = independent review committee]) (modifiziert nach Seymor JF et al. Presented at Oral Presentation, ASH 2017, Atlanta, Abstract LBA-2 [20])
Abb. 3: Klinisch bedeutsame Verbesserung im Gesamtüberleben unter einer Therapie mit R-Venetoclax im Vergleich zur Standardbehandlung mit R-Bendamustin bei der B-CLL (modifiziert nach Seymor JF et al. Presented at Oral Presentation, ASH 2017, Atlanta, Abstract LBA-2 [20])

Fazit

  • Nach Ibrutinib- und Venetoclax-Monotherapie kann die Kombination von R-Venetoclax als weiterer realistischer Schritt in Richtung Chemotherapie-freier Therapieprotokolle gewertet werden.
  • Insbesondere die hohe Rate MRD-negativer Patienten verspricht eine deutliche Verbesserung der Langzeitkontrolle der B-CLL.
  • Auch angesichts der Kosten und der Therapiedauer wird eine Stratifizierung der Patienten immer wichtiger. Patientenindividuell muss zwischen begrenzter Therapiedauer der Immunchemotherapie und Dauertherapie beziehungsweise verlängerter Therapie zielgerichteter Substanzen abgewogen werden.

Schlusswort

Die Jahrestagung der ASH 2017 hat wichtige Signale bezüglich zielgerichteter Substanzen und immuntherapeutischer Ansätze gegeben. Die beantworteten Fragen erlauben eine Vielzahl innovativer Visionen zur Langzeitkontrolle indolenter, aber auch prognostisch ungünstiger aggressiver Lymphome. Einen Vortrag der Plenarsitzung zur Primärtherapie des fortgeschrittenen M. Hodgkin mit Brentuximab-Vedotin AVD habe ich nicht im Detail geschildert. Diese Studie, ECHELON-1, legt den Finger in die Wunde der transatlantisch, zum Teil emotional geführten Diskussion zur Therapiephilosophie des fortgeschrittenen M. Hodgkin. Die Studie kann in der aktuellen Ausgabe des NEJM als Vollpublikation gelesen werden [21]. Ich überlasse es den Lesern und Leserinnen, sich ein Bild von diesem Therapieansatz zu machen, der in der Landschaft der Deutschen Hodgkin-Studiengruppe für Patienten älter als 60 Jahre durchaus interessant ist, für die Mehrheit der unter 60-jährigen Patienten jedoch nur schwer in unsere Algorithmen zu integrieren ist (HD21-Studie).

Quellen

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