ASCO 2011

3. bis 7. Juni 2011, Chicago

 

Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vom 02.–07. Juni 2011 in Chicago:

Informieren Sie sich jetzt über die wichtigsten neuen Daten zu den Themen multiples Myelom, MDS/AML, Mammakarzinom und Lymphome. Die Einordnung der neuen Erkenntnisse durch Experten bringt Sie praxistauglich auf den neuesten Stand – für Ihre tägliche Arbeit am Patient.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) ist für Onkologen und Hämato-Onkologen das Kongress-Highlight des Jahres. Auf der fünftägigen Konferenz, die rund 30.000 Teilnehmer aus aller Welt anzog, wurden in diesem Jahr mehr als 10.000 Abstracts in Form von Vorträgen oder als Poster vorgestellt. Nicht zu vergessen die zahlreichen Educational Sessions und „Meet-the-Expert“-Sessions, auf denen die aktuellen Standards in Diagnose, Therapie und Nachsorge bei den verschiedenen Tumoren diskutiert wurden. Das Durchblättern des Kongressprogrammes war daher erneut eine Herausforderung. Denn angesichts der zahllosen Parallelsitzungen ist es dem Einzelnen praktisch unmöglich, alle ihn interessierenden Sitzungen zu besuchen und sich einen Überblick über die neuesten Entwicklungen in der Onkologie zu verschaffen.

In vier wichtigen Indikationsbereichen – beim multiplen Myelom, bei MDS/AML und Lymphomen sowie beim Mammakarzinom als solidem Tumor – haben wir daher den Versuch unternommen, wichtige neue Daten aus der Fülle der ASCO-Präsentationen herauszufiltern. Mit unseren Kommentaren zu den vorgestellten Arbeiten möchten wir darüber hinaus dazu beitragen, die Relevanz neuer Ansätze für den klinischen Alltag zu beurteilen und eine Einschätzung liefern, welche neuen Entwicklungen es wert sind, in die Praxis implementiert zu werden.

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir erkennen müssen, dass es die „magic bullet“ in der Tumortherapie nicht geben wird. Fortschritte haben wir bislang durch die Summation vieler kleiner Schritte erreicht. In diesem Sinne hoffen wir, dass auch die Ergebnisse dieser ASCO-Tagung wieder dazu beitragen, das Leben unserer Patienten ein weiteres Stück zu verbessern.

Mit kollegialen Grüßen

 

PD Dr. med. Marcus Hentrich, Städtisches Klinikum München GmbH,

Prof. Dr. med. Bernd Hertenstein, Klinikum Bremen-Mitte

Dr. med. Clemens Müller-Naendrup,
Olpe

Lenalidomid beim multiplen Myelom: Benefit der Erhaltungstherapie höher als Risiko für Zweitkarzinome

PD Dr. med. Marcus Hentrich, Städtisches Klinikum München GmbH - Klinikum Harlaching

Zur Behandlung des multiplen Myeloms (MM) wurde auf der ASCO-Tagung 2011 eine Reihe wichtiger Beiträge vorgestellt. Der Fokus lag dabei auf 3 Themenbereichen:

  • Der Frage nach Zweitmalignomen unter einer Therapie mit Lenalidomid,
  • dem Stellenwert von Bisphosphonaten sowie
  • neuen Substanzen bei rezidivierter/refraktärer Erkrankung.

Zudem wurden Ergebnisse einer randomisierten Studie zur primären Hochdosistherapie (HDCT) mit autologer Stammzelltransplantation (ASCT) präsentiert.

Positive Daten zur kontinuierlichen Therapie mit Lenalidomid nach ASCT liefern zwei große, Ende 2010 auf der ASH-Tagung vorgestellte Studien [1;2]: Sie zeigten einen signifikanten Vorteil im progressionsfreien Überleben (PFS) durch die Erhaltungstherapie. Allerdings wurde auch eine erhöhte Rate an Zweitmalignomen beobachtet. Auf der diesjährigen ASCO-Tagung stellte Prof. Dr. Antonio Palumbo, Turin, Ergebnisse aus der Studie MM-015 zur Inzidenz von Zweitmalignomen vor [3]. In der 3-armigen Studie zur First-Line-Therapie des MM erhielten Patienten entweder 9 Zyklen des MPR-Regimes mit Melphalan/Prednison/Lenalidomid oder MPR gefolgt von einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie (MPR-R) oder Melphalan/Prednison (MP).

Erhaltungstherapie mit Lenalidomid

Die Therapie mit MPR-R führte im Vergleich zum MP-Regime zu einem signifikant verbesserten PFS (31 vs. 13 Monate; p ‹ 0,0000001; Abb. 1). Nach einem medianen Follow-up von 25 Monaten traten in den beiden Lenalidomid-Armen in 5,9 % (MPR-Regime, n = 9) bzw. 8 % (MPR-R-Regime, n = 12) invasive Zweitmalignome auf, davon 6 Fälle mit AML bzw. 2 Fälle mit MDS und Übergang in eine AML. Im MP-Arm wurden in 2,6 % (n = 4) der Fälle Zweittumoren beobachtet. Angesichts der höheren Zahl an Zweitmalignomen in den Lenalidomid-Armen wurden retrospektiv alle 1.798 im Rahmen von Studien der italienischen EMN behandelten Patienten analysiert, die mindestens ein Jahr lang nachbeobachtet worden waren.

Abb. 1: Studie MM-015: 60%-ige Reduktion des Progressionsrisikos durch MPR-R im Vergleich zu MP (modifiziert nach [3])

Die Auswertung macht klar, dass die beobachtete Inzidenz für Zweittumoren unter Lenalidomid im Vergleich zu der erwarteten Inzidenz bei mit Lenalidomid behandelten Myelom-Patienten nicht erhöht war (Standard Incidence Ratio SIR 0,7; Tab. 1). Das vermehrte Auftreten an Zweittumoren ist wahrscheinlich auf die gleichzeitige Gabe von Melphalan zurückzuführen. Palumbo betonte, dass die Risiko-Nutzen-Abwägung eindeutig zugunsten von Lenalidomid ausfällt.

Tab. 1: Retrospektive Analyse der EMN-Study Group: keine erhöhte Rate von Zweittumoren bei mit Lenalidomid behandelten Patienten (modifiziert nach [3])
ZT = Zweittumoren; SIR = Standard Incidence Ratio; KI = Konfidenzintervall

"In der Primärtherapie steht einem Progressionsrisiko von 70 % unter dem MP-Regime ein Risiko von nur 7 % für die Entwicklung eines Zweitmalignoms bei einer Therapie mit MPR(+R) gegenüber." Prof. Dr. Antonio Palumbo

Zweitmalignome sind selten

Weitere Daten zum Risiko von Zweitmalignomen stammen aus der Phase-II-Studie BiRD, die Dr. Adriana Rossi, New York, vorstellte [4]. Die 72 Teilnehmer erhielten eine Primärtherapie mit Lenalidomid/Dexamethason (Len/Dex) plus Clarithromycin bis zum Progress, einer ASCT oder Auftreten intolerabler Nebenwirkungen. Nach > 5-jährigem Follow-up waren bei 68 evaluierbaren Patienten 5 solide Tumoren (7,4 %) aufgetreten. Im Vergleich zu den erwarteten Fällen an Zweitmalignomen entspricht dies einer sehr geringen Erhöhung der Erkrankungsrate: Die Inzidenzrate (IR) von 2,85/100 Personenjahre bezeichnete Rossi als insgesamt niedrig und gut vergleichbar mit der Rate invasiver Primärtumoren bei ³ 65-jährigen, die laut SEER-Daten (Surveillance Epidemiology and End Results) des National Cancer Institute 2,1/100 Personenjahre beträgt. Hämatologische Neoplasien wurden nicht dokumentiert. Bei 6 Patienten traten nichtinvasive Hauttumoren auf.

Schließlich stellte Dr. Ruben Niesvizky, New York, Daten zweier internationaler Phase-III-Studien (MM-009/010) zur Therapie mit Len/Dex versus Placebo/Dexamethason an insgesamt 704 Patienten vor [5]. Auch in diesen beiden Studien wurde die Therapie bis zur Progression verabreicht. Die zusätzliche Gabe von Lenalidomid führte im Vergleich zu Dexamethason allein zu einem signifikanten Vorteil im Gesamt-Überleben (38 vs. 31,6 Monate). Während der aktiven Therapieperiode wurden in der Len/Dex-Gruppe zwei MDS-Fälle und sechs solide Tumoren dokumentiert, die Zeit bis zum Auftreten invasiver Zweittumoren zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (Abb. 2). Auch im langfristigen Follow-up gab es laut Niesvizky praktisch keine Unterschiede zwischen den Studienarmen. Gemäß dieser Analyse traten damit ebenfalls weniger Zweitkarzinome auf als erwartet (SIR 0,48). Bestätigt werden diese Daten durch eine retrospektive Analyse von 11 Studien an insgesamt 3.846 Patienten: Sie ergab im Vergleich zu den SEER-Daten ebenfalls keine erhöhte Rate an Zweitmalignomen [6].

Abb. 2: Studien MM-009/010: Zeit bis zum Auftreten von Zweitkarzinomen unter der Therapie mit Len/Dex versus Placebo/Dex (modifiziert nach [5])

"Unter Kombinationstherapien mit Lenalidomid ist nicht mit einer starken Zunahme an Zweitmalignomen zu rechnen. Insgesamt ergeben sich aus den vorgestellten Daten derzeit keine ernsthaften Einwände gegen den Einsatz von Lenalidomid. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Benefit der Substanz beim MM aufgrund der deutlichen Reduktion des Progressionsrisikos die Risikoerhöhung für Zweittumoren deutlich übersteigt." PD Dr. Marcus Hentrich

Bisphosphonate beim multiplen Myleom

Der Nutzen von Bisphosphonaten beim MM ist zweifelsfrei belegt. Noch unklar sind allerdings der beste Zeitpunkt für den Therapiestart und die optimale Therapiedauer. Die britische MRC-Myeloma-Studie IX untersuchte bei 1.960 neu diagnostizierten MM-Patienten den Stellenwert von Zoledronsäure im Vergleich zu Clodronat [7]. Die Substanzen wurden mit Einleitung der Primärtherapie bis zum Progress gegeben.

Skelettale Ereignisse (SRE) ließen sich mit beiden Bisphosphonaten verhindern. Doch war der Effekt von Zoledronsäure deutlich stärker ausgeprägt als bei der Vergleichssubstanz, berichtete Dr. Gareth Morgan, Sutton: Unter Clodronat entwickelten 35,3 % der Patienten ein SRE, unter Zoledronsäure dagegen nur 27 % (relative Risikoreduktion 26 %). Eine effektive Reduktion von SRE wurde bei Patienten mit und ohne Knochenläsionen vor Therapiebeginn erreicht, sodass Morgan für alle MM-Patienten unabhängig von ihrem Knochenstatus ein Bisphosphonat empfahl. Zudem war die Therapie mit Zoledronsäure bei Patienten, die bereits bei Therapiebeginn Knochenläsionen aufwiesen, mit einem signifikanten Überlebensvorteil von 5,5 Monaten und einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um relativ 16 % assoziiert (45,5 vs. 51,6 Mo; p = 0,0118). Da die positive Wirkung von Zoledronsäure bereits innerhalb der ersten 4 Therapiemonate einsetzte und während der Erhaltungsphase der Studie anhielt, erscheint ein früher und dauerhafter Einsatz des Bisphosphonates sinnvoll [8].

"Bei der Beurteilung der Daten ist zu berücksichtigen, dass in der MRC-Studie keine neuen Substanzen eingesetzt wurden. Möglicherweise fiele die Wirkung von Zoledronsäure bei einer effektiveren Myelom-Therapie geringer aus. Auch dürfte der Unterschied zugunsten von Zoledronsäure bei einem Vergleich versus Pamidronat – wenn überhaupt – deutlich geringer sein als gegenüber Clodronat. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die britische Studie eine hohe Evidenz für den Einsatz von Zoledronsäure bei Patienten mit MM liefert." PD Dr. Marcus Hentrich

Neue Substanzen in klinischer Prüfung

Zur Therapie rezidivierter/refraktärer MM-Patienten wurden zahlreiche Studien mit neuen Substanzen vorgestellt. Hierbei handelt es sich um neue Antikörper, die neue immunmodulierende Substanz Pomalidomid und den Proteasom-Inhibitor Carfilzomib.

Elotuzumab ist ein humanisierter IgG1-Antikörper gegen das Glykoprotein CS1, das auf der Oberfläche von > 95 % aller Myelomzellen, von NK- und CD8-Zellen dagegen nur gering, von normalem Gewebe überhaupt nicht exprimiert wird. Elotuzumab wurde in einer Studie der Phase I/II in Kombination mit Len/Dex bei Patienten mit rezidiviertem MM nach median 2 Vortherapien geprüft [9]. Nach Abschluss der Phase I wurden Teilnehmer randomisiert einer Therapie mit 10 oder 20 mg/kg Elotuzumab i.v. bis zum Progress oder Auftreten einer inakzeptablen Toxizität zugeteilt. Im Gesamtkollektiv sprachen 82 % der Patienten mindestens mit einer partiellen Remission (>= PR) an. Unter der Therapie mit 10 mg/kg Elotuzumab betrug die Gesamtansprechrate 92 %, im Arm mit der höheren Dosierung 75 %. Die Verträglichkeit wurde als insgesamt gut beschrieben; bei entsprechender Prämedikation gab es lediglich bei einem Patienten eine akute Transfusionsreaktion (Exanthem vom Grad 3). Häufigste durch Elotuzumab bedingte Toxizitäten vom Grad 34 waren Neutropenie und Lymphopenie (9 % bzw. 6 %). Für die zwei laufenden Phase-III-Studien, in denen das Len/Dex-Regime mit Len/Dex/Elotuzumab verglichen wird, wurde die effektivere Dosis von 10 mg/kg gewählt.

Zum humanisierten Antikörper LY2127399, der sich gegen das von Myelomzellen produzierte Zytokin BAFF richtet, liegen Daten aus einer Phase-I-Studie vor [10]. BAFF ist ein Mediator der Zelladhäsion und des Wachstums von Myelomzellen. Eingeschlossen wurden 20 Patienten, die bereits median drei Vortherapien erhalten hatten. Die ersten Daten sind ermutigend, zeigte der Antikörper doch ein gutes Sicherheitsprofil und eine Gesamtansprechrate von 55 %. Ebenfalls präsentiert wurden Daten einer Phase-I-Studie mit dem Antikörperkonjugat Lorvotuzumab-Mertansin (LM) [11]. LM richtet sich gegen das Oberflächenmolekül CD56. Mertansin ist eine zytotoxische Substanz, die mit der Tubulin-Polymerisation interferiert. LM wurde in aufsteigender Dosierung in Kombination mit Len/Dex bei 13 vorbehandelten Patienten erprobt. Auf die Therapie sprachen insgesamt 8 Patienten an (61,5 %), dosislimitierende Toxizitäten traten bisher nicht auf.

Proteasom-Inhibitor der 2. Generation

Carfilzomib ist ein selektiver Epoxyketon-Proteasom-Inhibitor, mit dem in einer Phase-II-Studie an 2 Kohorten vorbehandelter, aber Bortezomib-naiver Patienten (n = 129) eine Gesamtansprechrate von 51 % erreicht wurde [12]. Nur ein Patient entwickelte eine schwere Neurotoxizität vom Grad 3. Allerdings trat bei mehr als der Hälfte der Patienten eine leichtgradige Fatigue auf. In einer weiteren Studie erwies sich Carfilzomib mit einer Gesamtansprechrate von immerhin 24 % auch bei Bortezomib-vorbehandelten Patienten (n = 257) als aktiv [13]. Bei Kombination des Proteasom-Inhibitors mit Len/Dex wurde sogar eine ausgesprochen hohe Ansprechrate von 78 % erreicht [14]. Die derzeit laufende Phase-III-Studie, die das Regime Len/Dex mit Len/Dex plus Carfilzomib vergleicht, wird Aufschluss über den genauen Stellenwert des neuen Proteasom-Inhibitors geben [15].

In einer Phase-II-Studie wurde der neue Immunmodulator Pomalidomid bei vorbehandelten Patienten untersucht. Nahezu alle Patienten (98 %) hatten zuvor bereits Lenalidomid, 47 % bereits Bortezomib erhalten [16]. In dieser Studie erreichten 35 % der Patienten trotz dieser und weiterer Vortherapien eine PR oder sehr gute PR (Tab. 2). Derzeit sind 67 % der Patienten progressionsfrei; allerdings ist das Follow-up mit 4,1 Monaten noch kurz (Abb. 3).

Tab 2: Phase-II-Studie mit Pomalidomid: Ansprechen (modifiziert nach [16])
Abb. 3: Phase-II-Studie mit Pomalidomid: Progressionsfreies Überleben (modifiziert nach [16])

Hochinteressant und klinisch relevant sind die Ergebnisse einer italienischen Studie, in der Patienten nach einer Induktionstherapie mit 4 Zyklen Rd randomisiert einer Tandem-HDCT (Mel200) oder 6 weiteren Zyklen MPR zugeteilt wurden [17]. Anschließend erfolgte eine zweite Randomisierung zu einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie oder alleiniger Beobachtung. Nach einem Follow-up von median 20 Monaten zeigt sich bei ähnlichen Ansprechraten ein signifikanter Vorteil in der 2-Jahres-Rate des PFS zugunsten der HDCT (75 % vs. 59 %). Die 2-Jahres-Überlebensraten sind derzeit wegen der kurzen Nachbeobachtung noch sehr ähnlich (97 % vs. 95 %).

"In dieser ersten randomisierten Studie zum Stellenwert der HDCT im Vergleich zu einem modernen Induktionsregime ergibt sich ein überraschend deutlicher Vorteil im PFS zugunsten der HDCT. Diese Daten unterstreichen, dass die ASCT bei Patienten, die für eine HDCT infrage kommen, weiterhin als Standardtherapie angesehen werden kann." PD Dr. Marcus Hentrich

Literatur

  1. Attal M et al. Maintenance treatment with lenalidomide after transplantation for MYELOMA: Final Analysis of tge IFN 2005-02. Blood 2010; 116(21): Abstr. 310
  2. McCarthy P et al. Phase III Intergroup study of lenalidomide versus placebo maintenance therapy following single autologous hematopoietic stem cell transplantation for Multiple Myeloma. Blood 2010; 116(21): Abstr. 37
  3. Palumbo A et al. Incidence of second primary malignancy (SPM) in melphalan-prednisone-lenalidomide combination followed by lenalidomide maintenance (MPR-R) in newly diagnosed multiple myeloma patients (pts) age 65 or older. Abstr. 8007.
  4. Rossi AC et al. Incidence of second primary malignancies (SPM) after 6-years follow-up of continuous lenalidomide in first-line treatment of multiple myeloma (MM). J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8008 and oral presentation
  5. Dimopoulos MA et al. Lenalidomide and dexamethasone (LEN plus DEX) treatment in relapsed/refractory multiple myeloma (RRMM) patients (pts) and risk of second primary malignancies (SPM): Analysis of MM-009/010. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8009 and oral presentation
  6. Durie BG et al. Long-term safety of lenalidomide (LEN) in relapsed/refractory multiple myeloma (RRMM) patients (Pts): Analysis of pooled data. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8086
  7. Boyd K et al. Does zoledronic acid (ZOL) reduce skeletal-related events (SREs) and improve progression-free survival (PFS) in patients (Pts) with multiple myeloma (MM) with or without bone disease? MRC myeloma IX study results. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8010 and oral presentation
  8. Davies F et al. Are there benefits to long-term bisphosphonate treatment in multiple myeloma (MM)? Insights from temporal analyses of zoledronic acid (ZOL) versus clodronate (CLO) in the MRC Myeloma IX Trial. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8011 and oral presentation
  9. Richardson PG et al. Elotuzumab with lenalidomide and low-dose dexamethasone in patients with relapsed multiple myeloma: A randomized phase II study. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8014 and oral presentation
  10. Raje NS et al. Phase I study of LY2127399, a human anti-BAFF antibody, and bortezomib in patients with previously treated multiple myeloma. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8012 and oral presentation
  11. Berdeja JG et al. Phase I study of lorvotuzumab mertansine (LM, IMGN901) in combination with lenalidomide (Len) and dexamethasone (Dex) in patients with CD56-positive relapsed or relapsed/refractory multiple myeloma (MM). J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8013 and oral presentation
  12. Stewart AK et al. The effect of carfilzomib (CFZ) in patients (Pts) with bortezomib (BTZ)-naïve relapsed or refractory multiple myeloma (MM): Updated results from the PX-171-004 study. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8026
  13. Siegel D et al. PX-171-003-A1, an open-label, single-arm, phase (Ph) II study of carfilzomib (CFZ) in patients (pts) with relapsed and refractory multiple myeloma (R/R MM): Long-term follow-up and subgroup analysis. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8027
  14. Wang M et al. Interim results from PX-171-006, a phase (Ph) II multicenter dose-expansion study of carfilzomib (CFZ), lenalidomide (LEN), and low-dose dexamethasone (loDex) in relapsed and/or refractory multiple myeloma (R/R MM). J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8025
  15. Moreau P et al. A randomized, multicenter, phase (Ph) III study comparing carfilzomib (CFZ), lenalidomide (LEN), and dexamethasone (Dex) to LEN and Dex in patients (Pts) with relapsed multiple myeloma (MM). J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. TPS225
  16. Mikhael J et al. Efficacy of pomalidomide plus low-dose dexamethasone in multiple myeloma patients despite previous use of lenalidomide. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8067
  17. Boccadoro M et al. Melphalan/prednisone/lenalidomide (MPR) versus high-dose melphalan and autologous transplantation (MEL200) in newly diagnosed multiple myeloma (MM) patients: A phase III trial. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8020

Weiterhin therapeutische Defizite bei älteren AML-Patienten

Prof. Dr. med. Bernd Hertenstein, Klinikum Bremen-Mitte

Die Therapieergebnisse bei älteren Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) sind nach wie vor unbefriedigend. Die Suche nach verbesserten Medikamenten-Kombinationen, dem sinnvollen Einsatz neuerer Medikamente und klinisch relevanten prognostischen Faktoren hält daher unvermindert an. In der „Oral Abstract Session“ „Leukemia, Myelodysplasia and Transplantation“ wurden 3 Studien zur Behandlung dieser Patientengruppe präsentiert.

AML: Therapie des älteren Patienten

Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Stefan Faderl, Houston, prüfte in der internationalen Phase-III-Studie CLASSIC I die Therapie mit Clofarabin in Kombination mit Cytarabin (ARA-C) im Vergleich zur alleinigen Behandlung mit ARA-C bei älteren Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML [1]. Clofarabin ist ein Deoxyadenosin-Analogon, das u. a. mit dem Ziel entwickelt wurde, die günstigen Eigenschaften von Fludarabin und Cladribin zu kombinieren. Es wird bislang zur Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) bei pädiatrischen Patienten eingesetzt. Ein klarer Vorteil im Vergleich zu Anthrazyklinen ist seine fehlende Kardiotoxizität.

Die Studie CLASSIC I schloss 326 Patienten ab 55 Jahren ein. Alle erhielten eine Behandlung mit maximal 3 Zyklen ARA-C (1g/m² i.v. für 5 Tage) und randomisiert zusätzlich Clofarabin (40mg/m² i.v. für 5 Tage) oder keine weitere Therapie. Das mediane Alter der rekrutierten Patienten lag bei 67 Jahren. 47 % der Patienten im Kombinationsarm sprachen auf die Therapie an, verglichen mit nur 23 % bei alleiniger Gabe von ARA-C. Die Rate kompletter Remissionen (CR) betrug bei kombinierter Therapie 35 %, unter der Monotherapie 18 % (Abb.1).

Abb. 1: CLASSIC I: Gesamtansprechrate und Rate kompletter Remissionen im Gesamtkollektiv (links), bei refraktären (Mitte) und rezidivierten AML-Patienten (rechts) (modifiziert nach [1])

Die 4-Monats-Rate für das ereignisfreie Überleben konnte von 17 % im ARA-C-Arm auf 38 % im Kombinationsarm gesteigert werden. Allerdings fand sich kein Unterschied im Gesamtüberleben als primärem Endpunkt: Das mediane Überleben war mit 6,6 Monaten unter kombinierter Therapie und 6,4 Monaten unter der Monotherapie mit ARA-C vergleichbar (Abb. 2).

Zudem waren die Komplikationsrate sowie die Mortalität nach 30 und 60 Tagen im Kombinationsarm höher. Die Prüfung von Clofarabin in der Behandlung erwachsener Patienten mit AML in randomisierten Studien muss daher fortgesetzt werden, resümierte Studienleiter Faderl.

Abb. 2: CLASSIC I: keine signifikante Verbesserung des Gesamt-Überlebens durch die Kombinationstherapie mit Clofarabin plus ARA-C (modifiziert nach [1])

Eine weitere multinationale Studie der Phase III prüfte den Stellenwert von Decitabin bei 485 neu diagnostizierten älteren AML-Patienten [2]. Es ist damit die bislang größte Untersuchung in dieser Population. Bei Patienten im Kontrollarm konnte entweder eine rein supportive Behandlung oder niedrig dosiertes ARA-C gewählt werden. Decitabin wird derzeit in der Behandlung von Patienten mit myelodysplastischen Syndromen (MDS) eingesetzt und hier im Allgemeinen gut vertragen. Eine Behandlung mit dieser Substanz könnte daher möglicherweise eine bessere Alternative zur Therapie mit niedrig dosiertem ARA-C darstellen, Decitabin ist jedoch momentan in Europa nicht zugelassen.

In die Studie wurden über 65-jährige Patienten mit neu diagnostizierter AML und schlechtem oder intermediärem zytogenetischem Risikoprofil aufgenommen. 242 Patienten erhielten eine Behandlung mit Decitabin (20 mg/m² i.v. über 5 Tage alle 4 Wochen), 243 Patienten im Kontrollarm eine rein supportive Therapie (n = 28) oder niedrig dosiertes ARA-C (n = 215). Die Patienten waren median 73 Jahre alt;  26 % hatten einen ECOG-Performance-Status von 2.

Gemäß erster Analyse überlebten Patienten im Decitabin-Arm mit median 7,7 Monaten tendenziell länger als Patienten der Kontrollgruppe mit 5,0 Monaten (p = 0,108). Eine spätere Analyse nach längerem Follow-up und insgesamt 446 Todesfällen ergab gleiche Gesamt-Überlebenszeiten (primärer Endpunkt) von 7,7 vs. 5,0 Monaten; dieser Unterschied war jetzt jedoch mit einem p-Wert von 0,037 statistisch signifikant (Abb. 3).

Die Rate an CR und kompletten Remissionen mit inkompletter Plättchenregeneration (CR + CRp) lag im Decitabin-Arm bei 18 %, im Kontrollarm bei nur 8 %. Die Komplikationsrate in beiden Armen unterschied sich nicht.

Abb. 3: Signifikante Verlängerung des Gesamt-Überlebens durch Decitabin im Vergleich zu niedrig dosiertem ARA-C bei neu diagnostizierten älteren AML-Patienten (modifiziert nach [2])

Ergebnisse zum sequenziellen Einsatz von Azacitidin und Lenalidomid bei älteren AML-Patienten wurden von Dr. Daniel A. Pollyea, Stanford, vorgestellt [3]. Die Rationale für den sequenziellen Einsatz dieser Substanzen beruht auf der Hypothese, so möglicherweise eine bessere Aktivierung blockierter Differenzierungsgene zu erreichen.

In die Dosiseskalationsstudie der Phase I wurden 18 Patienten eingeschlossen, 16 waren hinsichtlich des Ansprechens auswertbar. Die Therapie bestand in der alternierenden Gabe von Azacitidin (75 mg/m² d 1–7) und Lenalidomid, verabreicht an den Tagen 8–28. Die Lenalidomid-Dosis wurde von initial 5 mg bis auf 50 mg gesteigert (Tab. 1).

Tab. 1: Azacitidin-Dosierung und Dosiseskalationsschema von Lenalidomid (modifiziert nach [3]) (N/A = nicht anwendbar)

Hauptnebenwirkungen waren Zytopenien und neutropenisches Fieber, die maximal tolerierte Dosis wurde aber nicht erreicht. Bei den 16 evaluierbaren Patienten betrug die Gesamtansprechrate 63 %, die Rate an CR und CR mit inkompletter Erholung des Blutbildes (Cri) 44 %. Prädiktiv für das Ansprechen waren Blastenzahl, Methylierungsgrad und Zytokinprofil vor Therapie. Überraschenderweise korrelierte eine geringe Methylierung vor Therapiebeginn mit einem besseren Ansprechen. Das mediane Überleben in dieser Studie betrug 8,2 Monate.

"Trotz der hier präsentierten Resultate mit teilweise signifikanten Vorteilen für die einzelnen geprüften Ansätze wird deutlich, dass die Therapieergebnisse bei älteren AML-Patienten weiterhin äußerst schlecht sind. Eine auch klinisch relevante Verbesserung konnte bislang nicht erreicht werden. Zudem ist es bisher noch nicht gelungen, neuere, klinisch sinnvoll einsetzbare Prognosefaktoren für diese Patientengruppe zu definieren." Prof. Dr. Bernd Hertenstein

Ein interessantes Poster zu möglichen Therapieoptionen bei älteren AML-Patienten wurde von der Ostdeutschen Studiengruppe für Hämatologie und Onkologie vorgestellt [4]: Niederwieser et al. berichteten über einen nicht randomisierten Vergleich von Induktionschemotherapie gefolgt von allogener Stammzelltransplantation nach dosisreduzierter Konditionierung und alleiniger Induktionschemotherapie bei 205 über 60-jährigen AML-Patienten. Das mediane Alter der Patienten lag bei 68 Jahren für Patienten, die ausschließlich Chemotherapie erhielten (n = 129) und bei 65 Jahren für Patienten, die im Anschluss an die Chemotherapie eine Stammzelltransplantation erhielten (n = 76, p ‹ 0,001). Die 3-Jahres-Rate für das ereignisfreie Überleben betrug nach Stammzelltransplantation 39 % – gegenüber nur 27 % nach Chemotherapie (p = 0,04). Die Rezidivrate lag bei 45 % bzw. 73 % (p = 0.001).

"Angesichts der Daten dieser Studie und der oben vorgestellten Phase-III-Ergebnisse sollte daher – sofern klinisch möglich – immer eine Stammzelltransplantation angestrebt werden." Prof. Dr. Bernd Hertenstein

Neue Medikamente, neue Regime

Zahlreiche Posterpräsentationen der diesjährigen ASCO-Tagung beschäftigten sich mit dem Einsatz neuer Medikamente oder neuer Kombinationen. Einige dieser Poster sollen hier kurz dargestellt werden.

Radioimmunkonjugate, meist bestehend aus einem an einen Antikörper gebundenen ß-Strahler, werden bereits routinemäßig in der Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen eingesetzt. In der Behandlung von Leukämien ist der Einsatz meist auf die Konditionierung vor Stammzelltransplantationen beschränkt. Juric et al. prüften einen an 225Actinium gekoppelten Antikörper gegen CD33 bei 13 Patienten mit refraktärer AML [5]. 225Actinium ist ein a-Strahler und weist damit eine kürzere Reichweite auf als ß-Strahler, besitzt innerhalb dieses Bereichs aber eine sehr hohe biologische Aktivität. Die Halbwertszeit ist mit 10 Tagen relativ lang. Ein Ansprechen auf das Radioimmunkonjugat wurde in dieser Studie bei 7 von 12 Patienten verzeichnet. Zytopenien stellten die dosislimitierende Toxizität dar.

Als weitere neue und vielversprechende Substanzen wurden der Aminopeptidase-Inhibitor Tosedostat, der Flt-3-Inhibitor Ponatinib und CPX-351, eine liposomale Präparation aus ARA-C und Daunorubicin in einem fixen Verhältnis von 5:1, vorgestellt [6–8]. Mit der Gabe von CPX-351 konnte in einer kleinen randomisierten Studie ein signifikanter Überlebensvorteil für ältere Patienten mit sekundärer AML im Vergleich zur klassischen Chemotherapie nach dem 3+7-Schema erzielt werden (12,1 vs. 6.1 Monate; p = 0,01) [8].

Daten zur Kombination des neuen HDAC-Inhibitors Belinostat mit Azacitidin wurden von Odenike et al. vorgelegt [9]. In der Dosiseskalationsstudie besaß die Kombination eine gute Verträglichkeit. In der letzten Dosisgruppe sprachen 9 von 32 Patienten an.

List et al. untersuchten prädiktive Faktoren für das Eintreten einer Transfusionsunabhängigkeit bei MDS-Patienten mit niedrigem und intermediärem Risikoprofil (low/int-1) und der Deletion 5q [10]. Für die Analyse wurden die Daten der Studien MDS-003 und MDS-004 gepoolt ausgewertet. Prädiktoren für das Eintreten einer länger anhaltenden Transfusionsunabhängigkeit waren eine höhere Lenalidomid-Dosis im ersten Zyklus, eine niedrige Transfusionsfrequenz und der alleinige Nachweis der Deletion 5q. Die Dauer der Transfusionsunabhängigkeit wurde dagegen nicht von der Lenalidomid-Dosis, sondern nur vom Eintreten einer zytogenetischen Remission bestimmt.

Verfeinerte Klassifikationskriterien

Mit der Diagnostik, Klassifikation und Behandlung von MDS und AML beschäftigten sich auch zwei Sitzungen des Educational Programs auf dem ASCO. Ein Schwerpunkt der AML-Sitzung war die immer feiner werdende Risikoklassifikation, die eine stetig zunehmende Zahl von aussagekräftigen molekulargenetischen Markern berücksichtigt. Klassifikation und stadienspezifische Behandlungsoptionen waren auch die Kernthemen der Educational Session zum MDS. Erwähnenswert – da möglicherweise nicht allgemein bekannt – ist die Tatsache, dass die Gabe von Azacitidin in den aktuellen NCCN-Leitlinien nicht nur bei Patienten mit intermediärem und hohem Risiko nach IPSS (int-2 /high risk) empfohlen wird, sondern auch als Zweitlinientherapie für Patienten der Risikogruppen low risk/int-1 nach Versagen einer Therapie mit Erythropoetin [11].

Literatur

  1. Faderl S et al. Clofarabine plus cytarabine compared to cytarabine alone in older patients with relapsed or refractory acute myelogenous leukemia (AML): Results from the phase III CLASSIC 1 trial. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6503
  2. Thomas XG et al. Results from a randomized phase III trial of decitabine versus supportive care or low-dose cytarabine for the treatment of older patients with newly diagnosed AML. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6504
  3. Pollyea DA et al. Sequential azacitidine and lenalidomide in elderly acute myeloid leukemia: completed results of the phase I study.  J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6505
  4. Niederwieser D et al. Relapse incidence and leukemia-free survival in patients older than age 60 with AML undergoing stem cell transplantation: A report of the East German Study Group Hematology and Oncology (OSH):  J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6523
  5. Jurcic JG et al. Phase I trial of the targeted alpha particle nano generator actinium-225 (225Ac-lintuzumab) (anti-CD33, HuM 195) in acute myeloid leukemia (AML). J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6516
  6. Feldman EJ et al. Interim results of OPAL, a study of tosedostat in elderly re-lapsed/refractory AML. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6517
  7. Talpaz M et al. Ponatinib in patients with acute myeloid leukemia (AML): Prelimi-nary findings from a phase I study in hematologic malignancies. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6518
  8. Lancet J E et al. CPX-351 versus cytarabine and daunorubicin therapy in newly diagnosed AML patients age 60-75: Safety and efficacy in secondary AML. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6519
  9. Odenike O et al. AS Phase I and pharmacodynamic study of the histone deacety-lase (HDAC) inhibitor belinostat plus azacitidine in advanced myeloid malignancies. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6521
  10. List AF et al. Early lenalidomide dose intensity and durable RBC-transfusion in-dependence in patients with low/int-1-risk myelodysplastic syndromes (MDS) and del5q. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. 6522
  11. www.nccn.org

Fortschritte beim frühen und metastasierten Brustkrebs

Dr. med. Clemens Müller-Naendrup, Olpe

Zur diesjährigen ASCO-Tagung kamen über 30.000 Teilnehmer zusammen, um über aktuelle Entwicklungen in der Onkologie zu diskutieren. Dem Mammakarzinom kommt dabei besondere Bedeutung zu, da es weltweit eines der häufigsten Karzinome ist und bei den krebsbedingten Todesfällen den zweiten Platz einnimmt. Die Zahl der hierzu präsentierten Abstracts war dementsprechend hoch. Verstärktes Interesse findet seit einiger Zeit der triple-negative Brustkrebs (TNBC), da Hoffnung besteht, dass neue Substanzen die bislang ungünstige Prognose betroffener Frauen verbessern können.

Die beiden selektiven Östrogenrezeptor-Modulatoren Tamoxifen und Raloxifen führen im Rahmen der Brustkrebs-Prävention zu einer Reduktion der Brustkrebsrate um knapp 40 %. Wegen des erhöhten Risikos für Thrombosen und Endometriumkarzinome ist die Akzeptanz beider Substanzen allerdings gering, sodass nach weiteren chemopräventiven Optionen gesucht wird. In der Studie MAP.3 (Mammary Prevention Trial.3) wurde der steroidale Aromatasehemmer Exemestan bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Risiko für ein invasives Mammakarzinom – definiert u. a. durch Alter > 60 Jahre, Gail-Score > 1,6 %, duktales Carcinoma in situ mit Mastektomie in der Anamnese – gegenüber Placebo geprüft [1].

Brustkrebs-Prävention durch Aromatasehemmung

Exemestan führte nach einem Follow-up von median 35 Monaten im Vergleich zu Placebo zu einem um 65 % reduzierten Risiko für ein invasives oder präinvasives Mammakarzinom, berichtete Prof. Dr. Paul E. Goss, Boston (Abb. 1).

Dieses positive Ergebnis wurde ohne Auftreten einer relevanten Toxizität erreicht. Befürchtete schwere Nebenwirkungen wie Osteoporose, Frakturen, kardiovaskuläre Ereignisse und Zweittumoren waren nicht häufiger als unter Placebo.

Abb. 1: Studie MAP.3: signifikante Reduktion invasiver Mammakarzinome durch die Chemoprävention mit Exemestan (modifiziert nach [1])

"Insbesondere die berichtete geringe Einschränkung der Lebensqualität in der Verum-Gruppe macht das Konzept der Chemoprävention mit Exemestan aussichtsreich." Dr. Clemens Müller-Naendrup

Frühes Mammakarzinom: erweiterte Radiatio sinnvoll

Die MA.20-Studie der NCIC-CTG, eine zweiarmige, randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie, prüfte das Konzept der erweiterten Radiatio von Restbrust und regionären Lymphabflusswegen bei 1.832 Patientinnen nach brusterhaltender Operation [2]. Eingeschlossen wurden nodalpositive bzw. nodalnegative Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko, d. h. Tumorgröße > 5 cm oder Tumorgröße > 2 cm, sofern ‹ 10 Lymphknoten entfernt worden und weitere ungünstige Prognosekriterien (HR-, G3 oder L1) vorhanden waren. 85 % der eingeschlossenen Patientinnen hatten 1–3 befallene Lymphknoten, 10 % gehörten dem Hochrisikokollektiv an. Sie wurden randomisiert einer alleinigen Radiatio des Restbrustdrüsengewebes (50 Gy in 25 Fraktionen +/- Boost) oder einer Radiatio von Restbrust und regionären Lymphabflusswegen (45 Gy in 25 Fraktionen) zugeführt. Primärer Endpunkt war das Gesamt-Überleben (OS), sekundäre Endpunkte waren das ereignisfreie Überleben (DFS), das lokoregionäre ereignisfreie und das fernmetastasenfreie Überleben sowie das kosmetische Ergebnis und die Toxizität.

Die nach median 62 Monaten erstellte Interimsanalyse zeigte einen deutlichen Vorteil zugunsten der erweiterten Radiatio: Die 5-Jahres-Rate für das DFS wurde von 84 % im Kontrollarm auf 89,7 % erhöht (Abb. 2).

Abb. 2: Signifikante Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch die erweiterte Radiatio von Restbrust und regionären Lymphabflusswegen (modifiziert nach [2])

Auch lokoregionäres und fernmetastasenfreies Überleben wurden signifikant verbessert (94,5 % vs. 96,8 % bzw. 87 % vs. 92,4 %). Beim OS zeigte sich ein Trend zugunsten der zusätzlichen Radiatio (90,7 % vs. 92,3 %). Diese Ergebnisse mussten laut Prof. Dr. Timothy J. Whelan, Hamilton, mit einer moderaten Erhöhung der Toxizität erkauft werden: So trat eine Strahlendermatitis im Kontrollarm bei 40 %, im experimentellen Arm bei 50 % der Patientinnen auf. Eine Pneumonitis wurde in 0,2 % bzw. 1,3 % der Fälle, Lymphödeme bei 4 % bzw. 7 % der Patientinnen beobachtet. Unerwünschte kosmetische Ergebnisse wurden während der 5 Jahre bei 29 % bzw. 36 % der Teilnehmerinnen dokumentiert.

„Die zusätzliche Bestrahlung der regionären Lymphabflusswege verbessert das krankheitsfreie Überleben, senkt das Rezidivrisiko und beeinflusst auch das Gesamt-Überleben tendenziell positiv, ohne dass die Toxizität stark ansteigt“, schlussfolgerte Whelan. Zukünftig sollte diese Maßnahme nach seinen Worten allen Frauen mit nodalpositivem Brustkrebs nach Aufklärung über mögliche Toxizitäten offeriert werden.

"Das Ergebnis dieser Studie wird das Vorgehen in der klinischen Praxis verändern. Künftig sollte allen Patientinnen mit befallenen Lymphknoten sowie Hochrisikopatientinnen bei nicht befallenen Lymphknoten eine zusätzliche Radiatio der regionären Lymphabflusswege angeboten werden. Da die Überlebenskurven sich erst nach 5 Jahren zu trennen scheinen, wird das weitere Follow-up hinsichtlich des Gesamt-Überlebens von Interesse sein, zumal aus anderen Studien und dem Oxford-Overview der EBCTCG eine Korrelation von lokaler Rezidivrate und Gesamt-Überleben bekannt ist." Dr. Clemens Müller-Naendrup,

Metastasiertes Mammakarzinom: Vorgehen bei ZNS-Metastasen

Das Her2-positive Mammakarzinom bietet zwar einen zusätzlichen therapeutischen Angriffspunkt, ist aber durch einen aggressiveren Verlauf mit ungünstiger Prognose und höherem Risiko für intrazerebrale Metastasen behaftet. In etwa 30–40 % der Fälle ist bei diesem Tumor im Krankheitsverlauf unabhängig von einer vorherigen  Trastuzumab-Therapie mit einer intrazerebralen Metastasierung zu rechnen, deren Behandlung bis heute eine besondere Herausforderung darstellt. Die Phase-II-Studie LANDSCAPE untersuchte den Effekt der Kombinationstherapie mit Lapatinib und Capecitabin vor einer Ganzhirnbestrahlung [3]. Primärer Endpunkt war die objektive ZNS-Ansprechrate, definiert als > 50%ige volumetrische Reduktion der ZNS-Läsionen ohne Zunahme der Steroiddosis sowie Fehlen progredienter neurologischer Symptome oder progredienter extrazerebraler Metastasierung. Sekundäre Endpunkte waren die Zeit bis zum Progress (TTP) und die Zeit bis zur Ganzhirn-Radiatio.

Bei den 44 auswertbaren Patientinnen wurde eine ZNS-Ansprechrate von 67,6 % erreicht. Die TTP betrug 5,5 Monate, die Zeit bis zur Ganzhirn-Radiatio 8,3 Monate. Zudem wurden bis zu 13 Monate lang anhaltende Remissionen beobachtet.

"Die aktuellen NCCN-Guidelines empfehlen bei intrazerebraler Metastasierung, bei der weder eine neurochirurgische Resektion noch eine stereotaktische Radiatio infrage kommt, die Ganzhirn-Radiatio, mit der in Studien eine Responserate von bis zu 74 % und eine TTP von maximal 3 Monaten erzielt wird. Bisherige Studien mit verschiedenen Zytostatika (Temozolomid, Capecitabin/Temozolomid, Cisplatin/Etoposid, Cisplatin/Temozolomid, Patupilone) erzielten maximale Ansprechraten bis 40 %. Sollten sich die Ergebnisse der LANDSCAPE-Studie in Phase-III-Studien bestätigen lassen, wäre eine systemische Therapie mit Lapatinib/Capecitabin bei neu aufgetretener intrazerebraler Metastasierung des Her2-positiven Mammakarzinoms eine Therapieoption vor Einleitung einer Ganzhirnbestrahlung."
Dr. Clemens Müller-Naendrup

TNBC: PARP-Inhibitor enttäuscht

Das TNBC umfasst eine heterogene Gruppe molekularer Subtypen mit ungünstiger Prognose, für die mit Ausnahme einer Anti-VEGF-Therapie bislang kein zielgerichtetes Therapieprinzip zur Verfügung steht. Doch hat die Präsentation einer Phase-II-Studie anlässlich der ASCO-Jahrestagung 2009 sowie deren kürzliche Publikation im New England Journal of Medicine große Hoffnung in Bezug auf die Effektivität des PARP-Inhibitors Iniparib in Kombination mit Gemcitabin/Carboplatin beim TNBC geweckt [4]. Auf der diesjährigen ASCO-Tagung wurden Ergebnisse einer Phase-III-Studie an 519 TNBC-Patientinnen zu Iniparib vorgestellt [5]. Alle erhielten eine Chemotherapie mit Gemcitabin/Carboplatin und randomisiert zusätzlich entweder Iniparib oder Placebo. Primäre Endpunkte waren PFS und OS, sekundäre Endpunkte Therapiesicherheit und objektive Responserate.

Bei 59 % der Patientinnen erfolgte nach median 3 Therapiezyklen aufgrund eines Progresses ein Cross-over in den Iniparib-Arm. Doch verfehlte die Studie ihre primären Endpunkte: Weder im PFS noch im OS wurden signifikante Unterschiede zwischen beiden Therapiearmen beobachtet (Abb. 3). Allerdings stehen weiterführende Biomarkeranalysen noch aus.

Abb. 3: Keine Verbesserung von progressionsfreiem und Gesamt-Überleben durch zusätzliche Gabe von Iniparib zur Chemotherapie (modifiziert nach [5])

"Das TNBC bleibt eine therapeutische Herausforderung ohne zielgerichteten Therapieansatz. Der Euphorie auf die positiven Phase-II-Daten folgt nun die Ernüchterung. Dieses Ergebnis ist wiederum ein Beispiel dafür, welch große Bedeutung Phase-III-Studien haben. Wir Ärzte sind gut beraten, Therapieentscheidungen nicht vorschnell aufgrund von Phase-II-Daten zu treffen. Interessant ist allerdings die Subgruppenanalyse der Phase-III-Studie bei vorbehandelten Patientinnen (Zweit- und Drittlinientherapie), bei denen Iniparib potenziell von Benefit sein könnte." Dr. Clemens Müller-Naendrup,

Effektivität und Toxizitätsprofil der First-Line-Therapie mit der Dreierkombination Paclitaxel, Gemcitabin und Bevacizumab wurden in einer multizentrischen Phase-II-Studie bei 90 Patientinnen mit metastasiertem, Her2-negativem Mammakarzinom untersucht [6]. Auswertbar waren 82 Patientinnen, die im Median mit 7 Zyklen behandelt wurden. Die Gesamtansprechrate lag bei 71,1 %, ein klinischer Benefit (Response + Stabilisierung) wurde bei 88,2 % der Patientinnen erreicht. Bei einer Nachbeobachtung von median knapp 13 Monaten betrug das PFS 10,07 Monate. Die Toxizität wurde von den Autoren als akzeptabel beschrieben.

"Durch Bevacizumab in Kombination mit Taxanen, Capecitabin und Anthrazyklinen wird ein verbessertes PFS erreicht. Andererseits führt eine Therapie mit Gemcitabin/Paclitaxel in Studien bei akzeptabler Toxizität zu hohen Ansprechraten. Möglicherweise lässt sich nun durch zusätzliche Gabe von Bevacizumab zu Gemcitabin/Paclitaxel eine weitere Verbesserung der Therapieergebnisse beim Her2-negativen Mammakarzinom ohne erhöhte Toxizität realisieren. Die Ergebnisse bedürfen allerdings einer Verifizierung in Phase-III-Studien." Dr. Clemens Müller-Naendrup

nab-Paclitaxel: weniger Neuropathien und Hypersensitivitätsreaktionen

Mit nab-Paclitaxel steht seit wenigen Jahren eine neuartige lösungsmittelfreie Taxan-Formulierung für die Therapie des metastasierten Mammakarzinoms zur Verfügung. In einer direkten Vergleichsstudie mit konventionellem Cremophor-basiertem Paclitaxel überzeugte die neue Formulierung durch einen verbesserten therapeutischen Index mit höherer Ansprechrate und weniger Neutropenien [7]. Eine Phase-II-Studie untersuchte jetzt bei 48 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom eine First-Line-Therapie mit nab-Paclitaxel und Gemcitabin in Kombination mit Bevacizumab [8].

Die Patientinnen erhielten median 9,5 Zyklen des Kombinationsregimes. Mehr als zwei Drittel (69 %) sprachen mit einer partiellen oder kompletten Remission an. Nach 6 Monaten lebten noch 81 % der Teilnehmerinnen progressionsfrei. Das PFS lag bei median 11,7 Monaten (Abb. 4), die 12-Monats-Überlebensrate bei 84 %.

Toxizitäten vom Grad 4 traten bei 38 %, vom Grad 3/4 bei 90 % der Patientinnen auf. Am häufigsten wurden Neutropenie (71 %), Fatigue (21 %), Thrombozytopenie (19 %), Anämie (15 %), Leukopenie (10 %) und Dyspnoe (10 %) registriert. Nur 4 Patientinnen entwickelten eine Neuropathie vom Grad 3.

Abb. 4: Progressionsfreies Überleben von median 11,7 Monaten unter der Dreifachtherapie mit nab-Paclitaxel, Gemcitabin und Bevacizumab (modifiziert nach [7])

"Einer hohen Ansprechrate stehen in dieser Studie häufige Toxizitäten vom Grad 3/4 gegenüber. Interessant erscheint allerdings die niedrige Rate an höhergradiger Neuropathie. Dieses Therapieregime sollte in weiteren Studien untersucht werden." Dr. Clemens Müller-Naendrup, Olpe

Hypersensitivitätsreaktionen (HSR) sind ein relativ häufiges Problem bei einer Paclitaxel-Therapie. Einer retrospektiven Auswertung zufolge scheint in diesen Fällen jedoch eine Weiterführung der Behandlung mit nab-Paclitaxel möglich zu sein [9]. An 2 US-Zentren wurden alle Patienten analysiert, die zwischen Februar 2005 und Mai 2011 mit nab-Paclitaxel behandelt worden waren. Identifiziert wurden 110 Patienten (88 % Mammakarzinom, 9 % Lungenkarzinom, 3 % andere Tumoren), die nach Auftreten einer HSR auf Paclitaxel mit nab-Paclitaxel weiterbehandelt wurden. 2010 wurden an diesen Zentren 13.603 Paclitaxel-Infusionen verabreicht; dabei traten in 197 Fällen (1,4 %) HSR aller Schweregrade auf. Im gleichen Zeitraum wurden 1.068 nab-Paclitaxel-Dosen appliziert, bei denen 3 HSR (0,2%) aller Schweregrade dokumentiert wurden. Alle mit Paclitaxel behandelten Patienten hatten zuvor eine Prämedikation mit Kortikosteroiden sowie Antihistaminika erhalten.

Lediglich 7 von 110 Patienten, die nach Paclitaxel-bedingten HSR auf nab-Paclitaxel umgestellt wurden, erlitten erneut eine HSR, jedoch ausschließlich vom Schweregrad 1 (n = 2) oder 2 (n = 5). 39 Patienten erhielten vor der Therapie mit nab-Paclitaxel eine Prämedikation, zweimal trat eine HSR auf. Die Autoren folgerten, dass Patienten, die bei Paclitaxel-Gabe eine HSR entwickeln, auf nab-Paclitaxel umgestellt werden können, da das Risiko für die erneute Entwicklung von HSR gering ist. Treten sie dennoch auf, sind sie meist nur leicht ausgeprägt, sodass die Therapie fortgesetzt werden kann. Eine Prämedikation scheint die HSR-Rate bei Patienten mit einer positiven HSR-Anamnese nicht weiter zu beeinflussen. Die Autoren vermuten daher eine geringe Kreuzreaktion zwischen Paclitaxel und nab-Paclitaxel.

"Häufigster Auslöser für HSR ist der Cremophor-haltige Lösungsvermittler von Paclitaxel, seltener ist es das Taxan-Grundgerüst selbst. Nach Auftreten einer HSR ist unter Abwägen von Nutzen und Risiken eine Reexposition mit geringerer Infusionsgeschwindigkeit oder ein Wechsel auf Docetaxel, neuerdings auch Cabazitaxel möglich, wenngleich auch bei diesen beiden Substanzen HSR beobachtet werden. Die vorliegende retrospektive Analyse eröffnet jetzt mit einem Therapiewechsel auf nab-Paclitaxel eine weitere sichere Option. Sie bietet betroffenen Patienten die Möglichkeit, eine erforderliche taxanhaltige Therapie ohne Gefährdung der Therapieziele zu komplettieren." Dr. Clemens Müller-Naendrup

Literatur

  1. Goss, PE et al. NCIC CTG MAP.3: A phase III placebo-controlled breast cancer prevention trial of exemestane in postmenopausal women at risk of breast cancer. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. LBA 504
  2. Whelan TJ et al. NCIC-CTG MA.20: An Intergroup Trial of reginal node irradiation in early breast cancer. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 18S): Abstr. LBA 1003
  3. Bachelot TD et al. LANDSCAPE: An FNCLCC phase II study with lapatinib and capecitabine in patients with brain metastases from HER2-positive metastatic breast cancer before whole-brain irradiation. J Clin Oncol 2011: 29 (suppl 15S): Abstr. 509
  4. O’Shaughnessy J et al. Iniparib plus chemotherapy in metastatic triple-negative breast cancer. N Engl J Med 2011; 364: 205–14
  5. O’Shaughnessy J et al. A randomized phase III study of iniparib (BSI-201) in combination with gemcitabine/carboplatin in metastatic triple-negative breast cancer (TNBC). J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 1007
  6. Salvador J et al. First line with bevacizumab in combination with paclitaxel and gemcitabine in patients with HER2-negative or recurrent mBC. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 1112
  7. Gradishar WJ et al. Phase III trial of nanoparticle albumin-bound paclitaxel compared with polyethylated castor oil-based paclitaxel in women with breast cancer. J Clin Oncol 2005; 23: 7794–803
  8. Northfelt DW et al. Phase II trial combining nab-paclitaxel, gemcitabine, and bevacizumab in patients with metastatic breast cancer: NCCTG N0735. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 1126
  9. Timoney JP et al. Incidence of hypersensitivity reactions (HSR) to albumin-bound paclitaxel in patients with a history of HSR to cremophor-bound paclitaxel. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 2566

Lymphome: Ermutigende Studienresultate mit neuen Therapie-Kombinationen

Dr. K. Arnheim, Freiburg i. Br.

Mit mehreren Educational Sessions, einer Vortragssitzung und zahlreichen Postern auf verschiedenen Postersitzungen war das Thema „Lymphome“ bei der diesjährigen ASCO-Tagung breit vertreten. Ein erschöpfender Überblick zu den vorgestellten Arbeiten ist wegen der Fülle an Abstracts nicht möglich. Im Folgenden sollen einige wichtige Vorträge und Posterpräsentationen auf dem ASCO 2011 gezielt herausgehoben werden.

Eine von Prof. Dr. David Cunningham, London, vorgestellte Phase-III-Studie der UK National Cancer Research Institute Lymphoma Clinical Study Group bestätigt die Immuntherapie mit Rituximab-CHOP21 (R-CHOP) beim neu diagnostizierten diffus großzelligen Lymphom (DLBCL) [1]. Sie gilt heute aufgrund mehrerer Studien beim DLBCL als First-Line-Standard, da das Überleben im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie mit CHOP um 10–16 % verbessert wird. Allerdings sind 6 Zyklen des dosisdichten Regimes CHOP14 bei über 60-jährigen Patienten 6 Zyklen CHOP21 überlegen. Die britische Studie verglich daher den Standard R-CHOP21 mit R-CHOP14 bei 1.080 Patienten. Pro Studienarm erhielten jeweils 540 Patienten entweder 8 Zyklen des klassischen Regimes R-CHOP21 oder 6 Zyklen des dosisdichten CHOP14-Regimes (mit G-CSF an Tag 4–12) plus 8 Zyklen Rituximab. Studienziel war eine Steigerung der 2-Jahres-Überlebensrate um absolut 8 % (von 75 % auf 83 %) durch das experimentelle Regime.

DLBCL: R-CHOP21 bleibt Standard

Dieses Ziel wurde jedoch nach einer Beobachtungszeit von median 37 Monaten nicht erreicht: Die 2-Jahres-Überlebensrate unterschied sich mit 81 % im Standardarm und 83 % bei den mit R-CHOP14 behandelten Patienten nicht signifikant (p = 0,7; HR 0,95). Die 2-Jahres-Rate für das Überleben ohne Therapieversagen war in beiden Armen mit 75 % identisch (p = 0,94; HR 0,99; Abb. 1).

Auch bei der Gesamtansprechrate gab es mit 88 % unter R-CHOP21 und 90 % unter R-CHOP14 keinen Unterschied. Zudem konnte keine Subgruppe identifiziert werden, die stärker von R-CHOP14 profitierte.

Abb. 1: Keine Verbesserung des Gesamt-Überlebens durch R-CHOP14 im Vergleich zu R-CHOP21 (modifiziert nach [1])

"Die Studiendaten liefern keine Evidenz, beim DLBCL vom Standardvorgehen mit R-CHOP21 abzuweichen"  Prof. Dr. David Cunningham, London

Schwere nicht-hämatologische Nebenwirkungen (Grad 3/4) waren in beiden Armen ähnlich häufig. Neutropenien und febrile Neutropenien traten allerdings im Arm mit R-CHOP21 öfter als mit R-CHOP14 auf (77 % vs. 37 % bzw. 11 % vs. 5 %). Dieser Unterschied ist jedoch vermutlich auf die primäre Prophylaxe mit G-CSF im experimentellen Arm zurückzuführen.

"R-CHOP21 bleibt bei Patienten über 60 Jahren und bei jüngeren Patienten mit niedrigem IPI (International Prognostic Index) Behandlungsstandard. Bei jüngeren Patienten mit hohem IPI kann eine Therapie mit R-CHOP21 und anschließender konsolidierender autologer Transplantation peripherer Stammzellen erwogen werden." Dr. Julie M. Vose, Omaha

R-CHOP-Regime weiter verbessern

Zwar hat die Addition von Rituximab zur Chemotherapie die Behandlungsergebnisse beim aggressiven Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) erheblich verbessert. Da Rezidive nach initialer Therapie jedoch weiterhin häufig sind, werden intensivere neue Kombinationen erprobt. Grzegorz S. Nowakowski, Rochester, und Mitarbeiter prüften in einer Studie der Phase I/II Wirksamkeit und Sicherheit der kombinierten Therapie mit R-CHOP plus Lenalidomid an Tag 1–10 (unter Prophylaxe mit Azetylsalizylsäure und Pegfilgrastim) (Abb. 2) [2]. Die Lenalidomid-Dosis wurde von initial 15 mg in 2 Eskalationsschritten auf 20 mg und 25 mg gesteigert.

Abb. 2: Therapieschema mit R-CHOP plus Lenalidomid
(modifiziert nach [2])

In den Phase-II-Teil der Studie wurden insgesamt 32 Patienten aufgenommen und mit R-CHOP plus Lenalidomid (25 mg) behandelt. Nach Aussage der Autoren wurden zwar häufig Neutropenien und Thrombozytopenien vom Grad 4 beobachtet (75 % bzw. 25 %). Infektionen traten dennoch nur selten, Blutungen gar nicht auf. Die zusätzliche Lenalidomid-Gabe beeinträchtigte die Blutbild-Erholung nicht und hatte auch keine Therapieverzögerungen zur Folge. Alle 30 evaluierbaren Patienten sprachen auf die kombinierte Therapie an. Die Rate kompletter Remissionen (CR) war mit 83 % hoch.

"Gesamtansprechrate und CR-Rate der Kombination R-CHOP plus Lenalidomid sind ermutigend. Allerdings muss der Benefit des neuen Regimes in einer randomisierten Studie bestätigt werden." Dr. Grzegorz Nowakowski, Rochester

Eine randomisierte Phase-II-Studie verglich die zusätzliche Gabe des oralen Serin/Threonin-Kinase-Inhibitors Enzastaurin zu R-CHOP mit dem Standard R-CHOP in der First-Line-Therapie von DLBCL-Patienten mit intermediärem bis hohem Risiko (IPI ³ 2) [3]. Enzastaurin greift in die Signalwege PKCß und PI3/AKT ein und hemmt so Tumorzellproliferation und tumorinduzierte Angiogenese und wirkt Apoptose-induzierend.

Die Studie schloss insgesamt 100 Patienten ein, die im Verhältnis 3:2 randomisiert jeweils mit 6 Zyklen R-CHOP plus Enzastaurin (500 mg/Tag) oder mit R-CHOP allein behandelt wurden. Im experimentellen Arm erhielten die Patienten im Anschluss an die First-Line-Therapie zusätzlich eine Enzastaurin-Erhaltungstherapie über bis zu 3 Jahre.

In Bezug auf die Verträglichkeit erwiesen sich beide Regime als gleichwertig. Doch wurde durch die kombinierte Therapie mit R-CHOP plus Enzastaurin nach median 591 Tagen eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) erreicht: Die 2-Jahres-Rate stieg von 52 % im Kontrollarm auf 73 % mit dem experimentellen Regime. Das Gesamt-Überleben in den beiden Armen unterscheidet sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht. Für verlässlichere Aussagen zum Stellenwert dieser neuen Kombination muss die nächste Analyse nach einem Follow-up aller Patienten über mindestens 2 Jahre abgewartet werden.

Lenalidomid/Rituximab beim indolenten Lymphom

Das optimale therapeutische Vorgehen bei neu diagnostizierten Patienten mit indolentem NHL ist bislang nicht etabliert. Polychemotherapien führen zwar zu hohen Ansprechraten, sind aber mit einer deutlichen Toxizität assoziiert. Da Lenalidomid wie Rituximab beim indolenten NHL als Monotherapie aktiv ist und beide Substanzen in Kombination beim rezidivierten NHL bereits Effektivität gezeigt haben, wurde ein solches Zweierregime jetzt bei 90 nicht vorbehandelten Patienten mit indolentem NHL (Stadium III/IV) geprüft [4]. Anzunehmen sei ein synergistischer Effekt dieser Kombination, da Lenalidomid präklinischen Untersuchungen zufolge die durch Rituximab induzierte Apoptose von Tumorzellen verstärke, erläuterte Dr. Felipe Samaniego, Houston, in einer Posterpräsentation. In der Phase-II-Studie wurde Lenalidomid in einer Dosis von 20 mg/Tag (Tag 1–21), Rituximab in einer Dosierung von 375 mg/m² an Tag 1 über 6 Zyklen verabreicht. Beteiligt waren Patienten mit follikulärem Lymphom (FL), Randzonen-Lymphom und chronischer lymphatischer Leukämie bzw. kleinzelligem lymphozytischem Lymphom.

Insgesamt sprachen 76 von 83 evaluierbaren Patienten (92 %) auf das Zweierregime an. In der Intent-to-treat-Analyse betrug die Gesamtansprechrate 84 %. Die Rate kompletter Remissionen (CR) und unbestätigter CR (CRu) belief sich auf 71 %, die partieller Remissionen (PR) auf 21 %. Auf das Regime sprachen auch die 26 FL-Patienten mit hoher Tumorlast nach den GELF- (Groupe d’Etudes des Lymphomes Folliculaire) Kriterien an: Die Rate an CR/CRu betrug 95 %; ein weiterer Patient (5 %) respondierte partiell. In der Gruppe von Patienten mit „bulky disease“ lagen CR/CRu- und PR-Rate bei 92 % bzw. 8 %. Nach 2-jähriger Nachbeobachtung sind noch 87 % der Patienten progressionsfrei am Leben (Abb. 3).

Häufigste Nebenwirkung war ein Rash bei 42 Patienten (47 %), der jedoch in der Regel selbstlimitierend verlief. Sechs Patienten brachen die Behandlung toxizitätsbedingt ab.

Abb. 3: Progressionsfreies Überleben bei nicht vorbehandelten Patienten mit indolentem NHL unter kombinierter Therapie mit Rituximab plus Lenalidomid (modifiziert nach [4])

"Die biologische Kombination aus Rituximab plus Lenalidomid führt bei nicht vorbehandelten Patienten mit indolentem NHL zu exzellenten Gesamtansprechraten und kompletten Remissionsraten. Dies gilt auch für Patienten mit hoher Tumorlast nach den GELF-Kriterien. Die Toxizität der Kombination ist gering, hämatologische Nebenwirkungen sind handhabbar. Jetzt sind randomisierte Studien geplant." Dr. Felipe Samaniego, Houston

Neuer Histon-Deazetylase-Inhibitor

Beim rezidivierten und refraktären peripheren T-Zell-Lymphom führt die Monotherapie mit dem Histon-Deazetylase-Inhibitor Romidepsin bei Respondern zu einer dauerhaften CR, berichteten Dr. Steven M. Horwitz, New York, und Kollegen [5]. Das zeigt eine Subanalyse der Studie GPI-006-0002 von 17 der insgesamt 130 Patienten, die unter der Therapie mit Romidepsin (14 mg/m² als 4-Std.-Infusion an Tag 1, 8, 15 eines 4-wöchigen Zyklus) eine CR oder CRu erreichten. Im Median sprachen diese Patienten innerhalb von 4 Monaten an. Die mediane Remissionsdauer war bei der letzten Auswertung noch nicht erreicht; die längste Dauer erstreckte sich über 26+ Monate. Nach einem medianen Follow-up von 8,2 Monaten waren 16 der 17 Patienten (94 %) noch ohne Progress. Patienten mit CR/CRu waren mehrheitlich über 60 Jahre alt. Eine vorherige Behandlung mit mehr als 2 Systemtherapien und Nichtansprechen auf die letzte Therapie hatten keinen negativen Einfluss auf die Remissionsdauer.

Lenalidomid bei der CLL erprobt

Auch bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) ist Rituximab heute Bestandteil der Standardtherapie und führt in Kombination mit Fludarabin zu hohen Responseraten. Allerdings sind die CR-Raten relativ niedrig; auch sind spätere Rezidive unvermeidlich. Bei der CLL werden deshalb ebenfalls neue Konzepte, z. B. Erhaltungstherapien nach einer First-Line-Immunchemotherapie geprüft. Hier bietet sich Lenalidomid an, das in Phase-II-Studien bei rezidivierten und refraktären CLL-Patienten bereits eine Aktivität gezeigt hat.

Chaitra Ujjani, Washington, et al. setzten Lenalidomid bei 22 nicht vorbehandelten Patienten ein, die nach 6 Zyklen Fludarabin/Rituximab mindestens eine PR erreicht hatten [6]. Lenalidomid (5 mg in Zyklus 1, danach 10 mg) wurde zunächst über 3 Zyklen verabreicht; nach Response-Evaluation erhielten die stabilisierten und respondierenden Patienten den Immunmodulator anschließend über weitere 3 Zyklen (Abb. 4).

Abb. 4: Therapiealgorithmus: Induktionstherapie mit FR gefolgt von Lenalidomid zur Erhaltung (modifiziert nach [6])

14 der 18 evaluierbaren Patienten beendeten die 6 Zyklen des FR-Regimes. Insgesamt sprachen 72 % auf die Therapie an, davon 28 % mit einer CR. Zwölf Patienten erhielten im Anschluss Lenalidomid, 9 von ihnen konnten die insgesamt vorgesehenen 12 Therapiezyklen beenden. Bei 2 dieser 9 Patienten führte die Lenalidomid-Gabe zur Konversion einer PR in eine CR (Abb. 5). Damit stieg die CR-Rate bis Therapieende auf insgesamt 38 %. Bei einem weiteren Patienten gelang eine molekulare Remission mit MRD- (minimal residual disease) Eradikation aus dem Knochenmark. Nach 13-monatigem Follow-up beträgt die PFS-Rate 83 %.

Abb. 5: Anstieg der CR-Rate durch die Lenalidomid-Erhaltungstherapie (modifiziert nach [6])

"Die FR-Kombination gefolgt von Lenalidomid ist ein effektives und verträgliches Regime für CLL-Patienten. Lenalidomid ist in der Lage, die Responsequalität bei Patienten, die unter FR zumindest eine PR erreichen, zu verbessern." Dr. Chaitra Ujjani, Houston

Literatur

  1. Cunningham D et al. R-CHOP14 versus R-CHOP21: Results of a randomized phase III trial for the treatment of patients with newly diagnosed diffuse B-cell non-Hodgkin lymphoma. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8000
  2. Nowakowski GS et al. Combination of lenalidomide with R-CHOP as an initial therapy for aggressive B-cell lymphomas: A phase I/II study. J Clin Oncol 2011; 29(suppl 15S): Abstr. 8015
  3. Hainsworth JD et al. Randomized phase II study of R-CHOP plus enzastaurin versus R-CHOP in the first-line treatment of patients with intermediate and high-risk diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) – Preliminary analysis. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8016
  4. Samaniego F et al. High response rates with lenalidomide plus rituximab for untreated indolent B-cell non-Hodgkin lymphoma, including those meeting GELF criteria. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8030
  5. Horwitz SM et al. Complete responses on a phase II study of romidepsin in relapsed or refractory peripheral T-cell lymphoma. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 8033
  6. Ujjani CS et al. Lenalidomide following rituximab and fludarabine in untreated CLL. J Clin Oncol 2011; 29 (suppl 15S): Abstr. 6558