EHA 2013

13. bis 16. Juni, Stockholm

Schlüsselwörter: EHA 2013, Age and Aging, ältere Patienten, myelodysplastische Syndrome, MDS, AML, akute myeloische Leukämie, multiples Myelom, MM, refraktär, rezidiviert, SPM, p53-Mutation, 5q-Deletion, QOL, low-risk MDS, intermediate risk MDS, SNP, Transfusionsbedarf, autologe Transplantation, ASCT, Lenalidomid, Bortezomib, Pomalidomid, Carfilzomib, Elthrombopaq, 5-Azacytidin, Azacitidin, Cytarabin, Volasertib, Melphalan, Prednison, Cyclophosphamid, Dexamethason, LoDEX, HiDEX, IMiDs, Daratumumab, CD38 monoklonaler Antikörper, Lenalidomid-Erhaltungstherapie, MEL200, MM-003, MDS-004, MM-015, Proteasomeninhibitor, MLN9708, Ixazomib

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Editorial

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

fast 9.000 Teilnehmer aus Europa und der ganzen Welt trafen sich vom 13. bis 16. Juni 2013 in Stockholm zur 18. Jahrestagung der European Hematological Association (EHA) unter dem Motto „Age and Aging“.

Eine Rekordzahl von 2.272 eingereichten Abstracts, ein umfangreiches Educational Programm und zahlreiche Simultaneous Oral Sessions, Postersitzungen und Spezialveranstaltungen, wie zwei Plenary Sessions und ein Presidential Symposium, bildeten die Grundlagen für einen mannigfaltigen Austausch zwischen den Spezialisten.

Aus dem umfangreichen exzellenten Programm haben wir einzelne Beiträge ausgewählt, die die wichtigsten Entwicklungen für die klinische Praxis betreffen und die Sie potenziell unmittelbar umsetzen können oder für die es sich lohnt, sie in ihrer weiteren Entwicklung im Auge zu behalten. Wir haben dabei den Schwerpunkt auf die zwei Indikationsbereiche „multiples Myelom“ und „myelodysplastisches Syndrom“ gesetzt und die entsprechenden Veranstaltungen besucht beziehungsweise die Poster dazu gesichtet. Darüber informieren wir Sie in diesem Kongressbericht.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und hoffen, Sie weiterhin regelmäßig auf den Seiten von www.hematooncology.com begrüßen zu können.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. med. Julie Schanz, Universitätsmedizin Göttingen
Dr. med Christian Langer, Universitätsklinikum Ulm

MDS und AML – Prädiktive Marker und Kombinationstherapien im Fokus

Dr. med. Julie Schanz, Universitätsmedizin Göttingen

Die Jahrestagung der European Hematology Association (EHA), die in diesem Jahr in Stockholm, Schweden stattfand, bot wieder eine Vielzahl an Beiträgen. Interessante Themen der diesjährigen Jahrestagung der EHA in Stockholm, Schweden, waren die prognostische Heterogenität der 5q-Deletion, insbesondere unter Berücksichtigung der p53-Mutation, und deren Eignung als prädiktiver Marker für Therapien. Weiterhin wurden Kombinationstherapien aus 5-Azacytidin und weiteren Substanzen sowie die klinische Relevanz von Eltrombopag, einem Thrombopoietin-Rezeptor-Agonisten im Bereich MDS/AML, diskutiert.

Niedrigrisiko-MDS – Komplexität der genetischen Veränderungen richtig interpretieren

Die Bedeutung der Deletion 5q bzw.del(5q) für Patienten mit MDS analysierte Dr. Austin Kulasekararaj, Mitglied der renommierten MDS-Arbeitsgruppe am King’s College London. Er betonte hierbei insbesondere die Heterogenität der Prognose bei Patienten mit MDS und del(5q) [1]. Die Prognose für Patienten mit dieser bei MDS am häufigsten auftretenden Anomalie weist erhebliche Unterscheide auf und kann von einem medianen Überleben von 107 Monaten bei Patienten mit einem 5q-minus-Syndrom (5q-) bis zu 7 Monaten bei Patienten mit 5q- innerhalb eines komplex aberranten Karyotyps reichen [2], [3], [4], [5] (s. Abb. 1).

„5q- ist nicht gleich 5q-“ Dr. Julie Schanz

Abb.1: Übersicht über die Heterogenität der Prognose von Patienten mit MDS und del(5q) (modifiziert nach Greenberg P et al, Blood 1997 [2], Haase D et al. Blood 2007 [3], Mallo M et al, Leukemia 2011 [4], Giagounidis A et al. Hematology 2004 [5])

Für die korrekte Einschätzung der Prognose von Patienten mit MDS und del(5q) sind insbesondere die Art und Anzahl zusätzlicher Anomalien [3], [4], [5], [6], der Blastenanteil [5], der Transfusionsbedarf [7] und das Fehlen oder Vorhandensein einer p53-Mutation [8] zu berücksichtigen. Bei Vorhandensein einer oder mehrerer dieser ungünstigen Faktoren kann auch die Prognose von Patienten mit isolierter Deletion 5q ungünstig sein [8]. Dies sollte sowohl bei der Diagnosestellung als auch im weiteren Verlauf und bei der Auswahl der Therapie berücksichtigt werden. Insbesondere zeigen die vorgestellten Daten, dass die Annahme, der Nachweis einer Deletion 5q sei automatisch und ausnahmslos mit einer für den Patienten günstigen Prognose und einem niedrigen Risiko, in eine AML zu transformieren, verbunden, nicht mehr haltbar ist. Die Anwendung moderner diagnostischer Methoden wie FISH, SNP-Array und Mutationsanalyse kann hierbei helfen, die Prognose des einzelnen Patienten besser zu definieren.

Fazit

Die Gruppe der Patienten mit MDS und 5q-Deletion ist heterogen. Wichtige zusätzliche Risikofaktoren, wie zusätzliche Anomalien, Blastenanteil, Transfusionsbedarf und p53-Mutation, sollten beachtet werden und sind für eine korrekte Risikoeinschätzung von erheblicher Bedeutung. Der Nachweis spezifischer Mutationen wird in Zukunft Eingang in die für MDS verwendeten Scoringsysteme finden.

Lebensqualität als Therapieziel stärker berücksichtigen

Die Lebensqualität stellt für Patienten mit Niedrigrisiko-MDS (low- und intermediate-1 nach IPSS) einen wichtigen Parameter für den Therapieerfolg, aber auch die Therapieplanung dar. Die österreichische Gruppe um Prof. Reinhard Stauder, die eine große Expertise im Bereich der Untersuchung der Lebensqualität (QoL) von Patienten mit MDS aufweist, konnte in einer interessanten Arbeit zeigen, dass die Lebensqualität von Patienten mit Niedrigrisiko-MDS (low- und intermediate-1 nach IPSS) von vielen Faktoren abhängt. Hierfür wurden in einer multizentrischen Studie 1.000 Patienten entsprechend der EQ-5D-Analogskala, einem Erfassungsinstrument für Lebensqualität, standardisiert untersucht. Dabei wurde die Lebensqualität nicht nur initial, sondern auch alle 6 Monate im Verlauf erfasst. Das mediane Follow-up betrug dabei 2 Jahre. Den wichtigsten Einfluss auf die Lebensqualität haben laut der Analyse die WHO-Subgruppe, der Transfusionsbedarf, die Anzahl der Transfusionen sowie der Hämoglobinwert. Es zeigte sich, dass die Lebensqualität transfundierter Patienten im Verlauf rascher abnimmt als die von Patienten ohne Transfusionsbedarf. Die Höhe des Transfusionsbedarfes wies ebenfalls eine klare Korrelation mit der QoL auf.

Fazit

Die Lebensqualität von Patienten mit Niedrigrisiko-MDS hängt erheblich vom Vorhandensein, der Intensität und der Dauer des Transfusionsbedarfs ab. Eine Verminderung dieses Bedarfes kann daher helfen, die Lebensqualität von Patienten mit MDS zu verbessern und zu erhalten. Dies ist insbesondere im Kollektiv der Patienten mit Niedrigrisiko-MDS, deren Prognose als günstig einzuschätzen ist, ein wesentliches Therapieziel.

Hochrisiko-MDS – Kombinationstherapien sind eine vielversprechende Option

Eine Thrombozytopenie ist bei Patienten mit MDS häufig und mit einer Verschlechterung der Prognose assoziiert [2], [10]. In der Gruppe der Patienten mit Hochrisiko-MDS (intermediate-2 und high nach IPSS), die für eine Therapie mit 5-Azacytidin (Aza) geeignet sind, ist eine bestehende Thrombopenie, welche unter der Therapie aggravieren kann, ein bekanntes Problem. Dies erfordert häufig eine Verminderung der Dosis, eine Verlängerung der Therapieintervalle oder einen Abbruch der Therapie. Das war die Rationale für eine Phase-I-Studie, die Sicherheit und Tolerabilität von Eltrombopag, einem Thrombopoietin-Rezeptor-Agonisten, untersuchte [11]. Hierbei wurden insgesamt 11 Patienten mit Hochrisiko-MDS und Thrombozytopenie (‹ 75/nl) in die Studie eingeschlossen. Diese erhielten eine Kombinationstherapie aus 5-Azacytidin und verschiedenen Dosierungen von Eltrombopag. Bei 9 der 11 auswertbaren Patienten (81,8 %) blieb die Thrombozytenzahl auch unter der Aza-Therapie stabil oder verbesserte sich, während nur 2 Patienten Thrombozytentransfusionen benötigten. Der Verlauf der Thrombozytenwerte von 4 Patienten, deren Thrombozytenwerte sich nach den IWG-Kriterien unter Therapie verbesserten, wurde in einem Vortrag präsentiert (Abb.2).

Abb. 2: Verlauf der Thrombozytenwerte bei 4 thrombopenen Patienten mit Thrombozytenansprechen nach IWG unter einer Kombinationstherapie aus 5-Azacytidin und Eltrombopag (modifiziert nach Svensson A et al. Presented at Simultaneous Session MDS/MPN-Clinical/Biology, EHA 2013, Stockholm, abstract S595 [12])

Bei Studieneinschluss betrug der mediane Thrombozytenwert 40/nl, nach einem Zyklus der Therapie 51/nl und nach 3 Zyklen 64/nl. Ein antileukämischer Effekt, wie beschrieben [13], ließ sich bei der allerdings noch sehr geringen Patientenzahl nicht nachweisen.

Fazit

Bei Patienten mit Hochrisiko-MDS und Thrombopenie scheint eine Kombinationstherapie aus 5-Azacytidin und Eltrombopag mit Eltrombopag-Dosierungen bis 200 mg pro Tag eine vertretbare Therapieoption zu sein, um die Aggravierung der Thrombopenie unter Therapie zu verhindern. Inwiefern die Verbesserung der Thrombozytenwerte möglicherweise auch auf einen Effekt des 5-Azacytidin allein zurückzuführen ist und ob pro- oder eventuell auch antileukämische Effekte zu beobachten sind, bleibt abzuwarten und soll in geplanten Phase-II/III-Studien untersucht werden.

„Eltrombopag scheint vielversprechend, um die zeit- und dosisgerechte Durchführung einer Therapie mit 5-Azacytidin bei thrombopenen Patienten sicherzustellen.“ Dr. Julie Schanz

Auch bei Hochrisiko-MDS und AML die Hoffnung nicht verlieren

Die Gruppe der Patienten, welche nach konventioneller Chemotherapie aufgrund eines Hochrisiko-MDS oder einer AML ein Rezidiv erleiden oder refraktär auf die verabreichte Therapie sind, weist eine außerordentlich schlechte Prognose auf. Ziel einer auf dem EHA präsentierten italienischen Studie war es, zu überprüfen, ob eine Therapie mit 5-Azacytidin das Überleben dieser Patienten verlängern, therapiebedingte Symptome mildern und eventuell sogar die Lebensqualität steigern kann. Dies wurde im Rahmen einer retrospektiven Kohortenanalyse an 17 Patienten (MDS: 9; AML 8, davon 2 de-novo-AML) untersucht [14] Das mediane Alter der Patienten, die weder für eine weitere intensive Chemotherapie noch für eine Stammzelltransplantation geeignet waren, lag mit 77 Jahren erwartungsgemäß hoch. Azacitidin wurde in der Standarddosierung (75 mg/m² über 7 Tage alle 28 Tage) appliziert. Das mediane Überleben in der so therapierten Gruppe lag bei 16 Monaten, der Transfusionsbedarf nahm ab und auch die Thrombozytenwerte sowie der Blastenanteil zeigten eine moderate Verbesserung. Relevante Infektkomplikationen traten nicht auf. Interessanterweise war während des Beobachtungsintervalls bei keinem der Patienten eine stationäre Aufnahme erforderlich.

Fazit

Die retrospektive Analyse lässt vermuten, dass in der prognostisch sehr ungünstigen Situation eines nach konventioneller Chemotherapie rezidivierten oder refraktären MDS/AML eine palliative Therapie mit 5-Azacytidin für ein definiertes Patientenkollektiv eine sinnvolle Option darstellen kann.

AML – Mit Kombinationstherapien bessere Erfolge erzielen

Die Prognose für die Gruppe älterer Patienten mit AML, die einer intensiven Chemotherapie nicht zugänglich sind, ist ungünstig. In der palliativen Therapiesituation ist eine Monotherapie mit niedrig dosiertem Cytarabin eine Option, aber bei Patienten mit zytogenetischen Hochrisikoaberrationen häufig nicht ausreichend effektiv [15]. Die Effektivität von Lenalidomid, in Deutschland zur Behandlung von Patienten mit MDS und Deletion 5q sowie für die Therapie des multiplen Myeloms zugelassen, ist auch für die AML beschrieben [16]. Das Ziel der hier vorgestellten, prospektiven Phase-II-Studie war es daher, die Effektivität einer Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Cytarabin und Lenalidomid zu überprüfen [17]. Hierbei zeigte sich bei 40 in die Studie eingeschlossenen Patienten eine Gesamt-CR-Rate von 38 %, wobei die Patienten mit einem Blastenanteil im Knochenmark von ‹ 30 % signifikant häufiger (p ‹ 0,04) eine komplette Remission erreichten. Nach einem medianen Follow-up von 20 Monaten wiesen 6 von 12 Patienten eine anhaltende komplette Remission auf. Eine gleichzeitig durchgeführte Genexpressionsanalyse konnte außerdem zeigen, dass diese für das Ansprechen prädiktiv war. Auf Basis dieser Daten entwickelten und validierten die Autoren einen auf die Expression von 5 Genen basierenden Algorithmus, um die Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens vorherzusagen.

Fazit

Eine Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Cytarabin und Lenalidomid kann in einem definierten Subkollektiv aus Patienten mit AML, die einer intensiven Therapie nicht zugänglich sind, eine palliative Option mit guten Ansprechraten sein, wobei insbesondere die Patienten mit einer niedrigeren Blastenzahl profitieren.

In einer weiteren Phase-II-Studie, die das oben beschriebene Patientenkollektiv adressierte, wurde die Effektivität einer Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Cytarabin und Volasertib mit einer Cytarabin-Monotherapie verglichen [18]. Volasertib ist ein potenter Inhibitor der Polo-like-Kinase 1 (PLK1), einer zellzyklusregulierenden Kinase. Die Inhibition von PLK-1 induziert proapoptotische Effekte und induziert eine Wachstumsinhibition bei soliden Tumoren. Eine antileukämische Effektivität dieser Substanz wurde ebenfalls beschrieben [19]. In die Studie wurden bisher 87 Patienten eingeschlossen, von denen 42 in den Kombinationsarm und 45 Patienten in den Monotherapiearm randomisiert wurden. Es zeigte sich eine Ansprechrate (CR und CRi) von 13,3 % im Standardarm und 31, 0 % im experimentellen Arm (p = 0,0523; OR 2,91), wobei sich Unterschiede im Ansprechen zwischen den genetischen Risikogruppen zeigten. Die Ergebnisse von Subgruppenanalysen wurden während der Tagung in einem Vortrag präsentiert [20] (s. Tab. 1).

Tab. 1: Ansprechraten auf Cytarabin versus Volasertib plus Cytarabin nach genetischen Subgruppen (modifiziert nach Döhner H et al. Presented at AML Therapeutics, EHA 2013, Stockholm, abstract S587 [20])

Das mediane ereignisfreie Überleben differierte signifikant (Ara-C: 2,3 Monate, Ara-C plus Volasertib: 5,6 Monate; HR 0,56; p = 0,0237), während das Gesamtüberleben einen bisher nicht signifikanten Trend zum Vorteil der Kombinationstherapie aufwies. (Kombination: 8,0 Monate versus 5,2 Monate in der Monotherapie; HR 0,66; p nicht signifikant). Eine Phase-III-Studie (POLO-AML-2) ist bereits geplant.

Fazit

Für Patienten mit AML, die für eine intensive Chemotherapie nicht geeignet sind, scheint Volasertib eine vielversprechende neue Substanz zu sein. In diesem Kollektiv mit sehr ungünstiger Prognose kann die Kombinationstherapie aus Volasertib und Cytarabin die Ansprechraten im Vergleich zur Monotherapie signifikant erhöhen und das ereignisfreie Überleben verlängern.

„Kombinationstherapien können in der palliativen Therapiesituation helfen, das Ansprechen bei Patienten mit ungünstiger Prognose zu verbessern.“ Dr. Julie Schanz

Prädiktion und Mutationsanalyse

Eine 2011 von Jädersten et al. im Journal of Clinical Oncology publizierte Arbeit [21] konnte nachweisen, dass das Risiko einer leukämischen Transformation bei Patienten mit Niedrigrisiko-MDS und Deletion 5q signifikant höher ist, wenn gleichzeitig eine Mutation von p53 vorliegt. Diese Mutation findet sich in ca. 18 % der Patienten mit Niedrigrisiko-MDS und del(5q). Die Expression des p53-Proteins auf Zellen der Hämatopoese korreliert hierbei mit dem Vorhandensein der entsprechenden Mutation. Während der EHA-Tagung wurden nun die Ergebnisse einer retrospektiven Analyse der MDS-004-Studie, einer Phase-III-Studie zum Einsatz von Lenalidomid bei Patienten mit transfusionsbedürftigem Niedrigrisiko-MDS (Iow and intermediate-1) und del(5q), vorgestellt [22]. Die Autoren der schwedischen Arbeitsgruppe untersuchten die p53-Proteinexpression von 85 Patienten, die im Rahmen der MDS-004-Studie mit Lenalidomid behandelt worden waren. Hierbei wurde das Knochenmark sowohl bei Studieneinschluss als auch im Verlauf der Studie analysiert und die Ergebnisse mit den klinischen Daten korreliert. In 35 % der untersuchten Patienten konnte initial eine starke Expression von p53 detektiert werden. Diese war im Vergleich zur fehlenden Überexpression signifikant mit einem verkürzten Gesamtüberleben (p = 0,0104), einer höheren Rate einer AML-Transformation (p = 0,0003) und einer schlechteren zytogenetischen Response auf die Therapie mit Lenalidomid assoziiert. In Zellen mit einer starken p53-Proteinexpression konnte molekulargenetisch die p53-Mutation bestätigt werden. Die Autoren schlussfolgern aus diesen Ergebnissen, dass die p53-Expression einen prädiktiven Wert für den Krankheitsverlauf und das Ansprechen auf Lenalidomid aufweist und ein sensitiver Biomarker für die zugrundeliegende p53-Mutation ist.

Fazit

Die p53-Proteinexpression ist bei Patienten mit Niedrigrisiko-MDS und Deletion 5q, die mit Lenalidomid therapiert werden, ein Marker für das zytogenetische Ansprechen und den Krankheitsverlauf. Hierbei scheint die Proteinexpression mit der p53-Mutation zu korrelieren. Sie stellt somit einen verfügbaren Biomarker dar. Der detaillierte Zusammenhang zwischen der p53-Expression und der zugrunde liegenden Mutation bleibt allerdings weiter zu untersuchen.

„Sowohl die p53-Mutation als auch die p53-Expression korrelieren mit klinischen Parametern, sollten aber auseinander gehalten werden.“ Dr. Julie Schanz

Literatur

  1. Kulasekararaj A et al. Lower risk MDS with deletions in chromosome 5-how complex can it be? Presented at Satellite Symposium supported by Celgene, 13.06.2013, EHA 2013,Stockholm
  2. Greenberg P et al International scoring system for evaluating prognosis in myelodysplastic syndromes. Blood 1997;89:2079–2088
  3. Haase D et al. New insights into the prognostic impact of the karyotype in MDS and correlation with subtypes: evidence from a core dataset of 2124 patients. Blood 2007;110(13):4385–4395
  4. Mallo M et al. Impact of adjunct cytogenetic abnormalities for prognostic stratification in patients with myelodysplastic syndrome and deletion 5q. Leukemia 2011;25(1):110–120
  5. Giagounidis A et al. The 5q- syndrome. Hematology 2004;9(4):271–277
  6. Schanz J et al. New comprehensive cytogenetic scoring system for primary myelodysplastic syndromes (MDS) and oligoblastic acute myeloid leukemia after MDS derived from an international database merge. J Clin Oncol 2012;30: 820–829
  7. Germing U et al. Survival, prognostic factors and rates of leukemic transformation in 381 untreated patients with MDS and del(5q): A multicenter study. Leukemia 2012;26(6):1286–1292
  8. Kulasekararaj A et al. TP53 mutations in myelodysplastic syndrome are strongly correlated with aberrations of chromosome 5, and correlate with adverse prognosis. Br J Haematol 2013;160:660–672
  9. Stauder R et al. A longitudinal observation study on the health-related quality of life in IPSS low-risk MDS-impact of course and transfusion need. Haematologica 2013;98(s1):81abstract P187
  10. Greenberg P et al. Revised international prognostic scoring system for myelodysplastic syndromes. Blood 2012;120: 2454–2465
  11. Svensson A et al.: A pilot phase one dose finding safety study of a thrombopoietin receptor agonist, Eltrombopag, in patients with myelodysplastic syndrome rated with azazytidine. Haematologica 2013;98(s1):251 abstract S595
  12. Svensson A et al.: A pilot phase one dose finding safety study of a thrombopoietin receptor agonist, Eltrombopag, in patients with myelodysplastic syndrome rated with azazytidine. Presented at Simultanous Session MDS/MPN-Clinical/Biology, EHA 2013, Stockholm, abstract S595
  13. Roth M et al. Eltrombopag inhibits the proliferation of leukemia cells via reduction of intracellular iron and induction of differentiation. Blood 2012;120:386–394
  14. Gianudo G et al.: Benefits of the use of azazytidine in patients AML refractory or relapsed after intensive chemotherapy. Haematologica 2013;98(s1):307abstract P734
  15. Burnett AK et al. A comparison of low-dose cytarabine and hydroxyurea with or without all-trans retinoic acid for acute myeloid leukemia and high-risk myelodysplastic syndrome in patients not considered fit for intensive treatment. Cancer 2007;109:1114–124
  16. Chen Y et al. Lenalidomide as a novel treatment of acute myeloid leukemia. Expert Opin Investig Drugs 2013;22:389–397
  17. Isidori A et al. Low-dose Lenalidomide plus low-dose Cytarabine induce complete remission that can be predicted by genetic profiling in very elderly acute myeloid leukemia patients. Haematologica 2013;98(s1):246 abstract S586.
  18. Döhner H et al. Phase II Evaluation of Volasertib (BI6727) + low-dose cytarabine (LDAC) versus LDAC monotherapy in patients with acute myeloid leukemia (AML): Focus on genetic results Haematologica 2013;98(s1):247 abstract S587
  19. Maertens J et al. Phase I/II Study of Volasertib (BI 6727), an Intravenous Polo-Like Kinase (Plk) Inhibitor, in Patients with Acute Myeloid Leukemia (AML): Results From the Randomized Phase II Part for Volasertib in Combination with Low-Dose Cytarabine (LDAC) Versus LDAC Monotherapy in Patients with Previously Untreated AML Ineligible for Intensive Treatment. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2012;120:abstract 411
  20. Döhner H et al. Phase II Evaluation of Volasertib (BI6727) + low-dose cytarabine (LDAC) versus LDAC monotherapy in patients with acute myeloid leukemia (AML): Focus on genetic results. Presented at AML Therapeutics, EHA 2013, Stockholm, abstractS587
  21. Jädersten M et al. TP53 mutations in low-risk myelodysplastic syndromes with del(5q) predict disease progression. J of Clin Oncol 2011;20:1971–1979
  22. Saft L et al. p53 protein expression predicts outcome and cytogenetic response in patients with low-/int-1 risk myelodysplastic syndromes treated with lenalidomide: results from the MDS004 clinical trial. Haematologica 2013;98(s1):283 abstract S1165
Abb. 2: Verlauf der Thrombozytenwerte bei 4 thrombopenen Patienten mit Thrombozytenansprechen nach IWG unter einer Kombinationstherapie aus 5-Azacytidin und Eltrombopag (modifiziert nach Svensson A et al. Presented at Simultaneous Session MDS/MPN-Clinical/Biology, EHA 2013, Stockholm, abstract S595 [12])

Multiples Myelom – Neues zur Transplantation, zur Erhaltungstherapie und zu therapeutischen Optionen für Patienten mit schlechter Prognose

Dr. med Christian Langer, Universitätsklinikum Ulm

Wenngleich die Fortschritte in der Therapie des multiplen Myeloms (MM) unbestritten sind, bleiben derzeit weiterhin immer noch viele offene Fragen. So muss beispielsweise gemäß dem Motto des diesjährigen EHA-Meetings „Alter und Alterungsprozess“ diskutiert werden, inwieweit die Versorgung der mehrheitlich älteren Myelompatienten verbessert werden kann. Dass hier unter Umständen weniger mehr sein kann, stellte eine der in Stockholm vorgestellten Studien zur Diskussion. Auch die Gruppe der Patienten mit ungünstiger Zytogenetik stellt weiterhin eine große therapeutische Herausforderung dar. Hier legen die Daten einer großen Metaanalyse nahe, dass ein Mehr an Therapie in der Tat von Vorteil sein könnte. Abschließend bleibt die spannende Frage, ob unter Umständen bald die ersten therapeutischen monoklonalen Antikörper auch für die Behandlung des MM zur Verfügung stehen.

Neu diagnostiziertes multiples Myelom – Welchen Stellenwert haben Transplantation und Erhaltungstherapie?

Durch die Inkorporation der immunmodulatorischen Substanzen (IMiDs) und Proteasomeninhibitoren in die Erstlinientherapie und die hierdurch erzielten guten Remissionsraten stellt sich die Frage hinsichtlich des Stellenwertes der Hochdosis-Melphalan-Therapie mit autologem Stammzellsupport, zumal diese ja auch mit nicht unerheblicher Toxizität einhergeht. Die von Prof. Antonio Palumbo in einer Postersession vorgestellten Daten bestätigen aber diesbezüglich auch weiterhin einen klaren Vorteil der Tandem-Hochdosis-Melphalan-Therapie (Melphalan 200 mg/m2 mit autologer Stammzelltransplantation (MEL200); nur ein Zyklus MEL200, wenn der Patient nach dem ersten Zyklus eine VGPR erreicht hatte) gegenüber einer Lenalidomid-basierten Kombinationstherapie (MPR) [1]. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 49 Monaten ab Beginn der Rd-Induktion zeigte sich bei den Patienten in der Hochdosistherapiegruppe eine Verlängerung des medianen progressionsfreien Überlebens (PFS) von 24 Monaten auf 38 Monate (HR = 1,69, p ‹ 0,0001). Zudem verbesserte sich bei den Patienten unter Hochdosistherapie das 5-Jahres-Gesamtüberleben (OS) von 62 % auf 71 %, wobei die statistische Signifikanz noch nicht erreicht war (HR = 1,25, p = 0,27).

„Die Hochdosistherapie stellt weiterhin den Standard bei jüngeren MM-Patienten dar. Laufende Studien müssen erst noch das Gegenteil beweisen.“ Dr. Christian Langer

Im Rahmen dieser Studie erfolgte zusätzlich zur oben beschriebenen ersten Randomisierung zwischen der Hochdosis- und der konventionellen Therapie eine zweite Randomisierung, in eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie oder Beobachtung. Hierbei verlängerte sich bei Patienten unter Erhaltungstherapie das mediane PFS von 26 auf 37 Monate (p ‹ 0,0001), und das OS nach fünf Jahren verbesserte sich von 58 % auf 75 % (p = 0,02) (jeweils ab Beginn der Erhaltungstherapie). Daten aus der gleichen Studie wurden bereits während der 49. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago mit einigen zusätzlichen Inhalten präsentiert. Dabei wiesen Patienten, die eine Hochdosistherapie gefolgt von einer Lenalidomid-Erhaltung bekommen hatten, eine 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von › 80 % auf (s. Abb. 1) [2].

Abb.1: Besonders im Endpunkt „progressionsfreies Überleben“ (PFS) zeigt sich ein deutlicher Vorteil für den MEL200-R-Arm. Von der R-Erhaltungstherapie profitieren jedoch insbesondere auch die Patienten im MPR-R-Arm (modifiziert nach Boccadoro M et al. Presented at Oral Abstract Session, Myeloma, ASCO 2013, Chicago, abstract 8509 [2])

Die Effekte der Lenalidomid-Erhaltungstherapie waren laut der auf dem ASCO präsentierten Daten insbesondere in der Gruppe der Patienten mit gutem Ansprechen auf die Hochdosistherapie und fehlender Hochrisikozytogenetik zu verzeichnen [2].

„Eine weitere Studie bestätigt den PFS-Vorteil der Erhaltung unabhängig von der Vortherapie. Dieser Vorteil scheint sich nun auch, in ein verlängertes OS zu übertragen“ Dr. Christian Langer

Von den verbesserten Therapieoptionen mit den neuen Substanzen haben in den vergangenen 10–15 Jahren insbesondere Patienten, die in der FISH keine zytogenetischen Hochrisikomerkmale aufweisen, profitiert. Patienten mit Nachweis einer Deletion del(17p) oder einer Translokation t(4;14) oder in seltenen Fällen einer t(14;16) profitieren zwar ebenfalls von dem Einsatz neuer Substanzen, sie zeigen jedoch weiterhin ein deutlich verkürztes PFS und OS. Wichtige Informationen zu möglichen therapeutischen Optionen für diese Patientengruppe könnte eine jetzt in einem Vortrag präsentierte integrierte Analyse aus vier randomisierten Studien zum Einsatz von Bortezomib im Kontext eines autologen Hochdosiskonzepts bieten [3]. Von 1.610 Patienten wiesen 324 Patienten (20 %) eine del(17p) und/oder eine t(4;14) auf. Diese Patientengruppe profitierte zwar signifikant vom Einsatz von Bortezomib – sowohl hinsichtlich PFS (35 vs. 23 Monate; HR 0,58) als auch OS (5-Jahres-Überlebensrate 55 % vs. 45 %; HR = 0,68) – allerdings war der negative prognostische Einfluss der zytogenetischen Hochrisikomerkmale weiterhin vorhanden. So wiesen im Vergleich dazu Patienten ohne eine del(17p) oder t(4;14) ein 5-Jahres-OS von 79 % auf. Interessanterweise zeigte sich in einer multivariaten Analyse, dass in dieser Hochrisikogruppe die Durchführung einer Tandem-Hochdosistherapie einer der stärksten positiven prädiktiven Faktoren für das Gesamtüberleben (OS) ist (p ‹ 0,001; HR 0,23).

Fazit

Wenngleich es sich hierbei um eine retrospektive Analyse handelt, sollte anhand dieser Daten für diese Gruppe an Hochrisikopatienten, die nicht in einer klinischen Studie behandelt werden oder für die ein allogenes Stammzellkonzept nicht verfolgt werden kann, eine Tandem-Hochdosistherapie als Standard angesehen werden.

Neue Daten zum Auftreten von Sekundärmalignomen

Wichtige Informationen zur Thematik der Sekundärmalignome (SPM) unter der Einnahme von immunmodulatorischen Substanzen (IMiDs) lieferte eine in einem Vortrag präsentierte Metaanalyse von 6.383 Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom, die in der Erstlinientherapie mit Lenalidomid oder einer Lenalidomid-Kombinationstherapie oder mit einer neuen Substanz behandelt wurden, und dabei kein Lenalidomid erhalten hatten [4]. Eine erhöhte Inzidenzrate an SPM ließ sich vor allem für das Auftreten von hämatologischen Neoplasien verzeichnen. In der Kombination von Lenalidomid mit oralem Melphalan war dieser Effekt besonders ausgeprägt. Dass die Wahl des Kombinationspartners hinsichtlich der Entwicklung der SPM bei den IMiDen eine Rolle zu spielen scheint, zeigen auch die ersten Ergebnisse der MRC MM XI-Studie, in die bislang 2.110 Patienten eingeschlossen wurden und die jetzt als Poster auf dem EHA präsentiert wurden [5]. Eine erste Randomisierung vergleicht hierbei die Kombination aus Thalidomid, Cyclophosphamid und Dexamethason mit der Kombination aus Lenalidomid, Cyclophosphamid und Dexamethason. Nach der Induktionstherapie wurde bislang bei 14 Patienten über das Auftreten eines Sekundärmalignoms berichtet, wobei die Mehrzahl der Fälle interessanterweise im Thalidomid-Arm (9/14) auftrat. Man wird jedoch abwarten müssen, wie sich diese Zahlen nach der Hochdosistherapie beziehungsweise in der Erhaltungstherapie verändern.

Fazit

Die Rate an SPM bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom ist unter der Einnahme von IMiDen erhöht, wobei nicht so sehr das jeweilige IMiD im Vordergrund zu stehen scheint, sondern vielmehr der Kombinationspartner. Insbesondere die kombinierte Einnahme von oralem Melphalan scheint hierbei eine besondere Rolle zu spielen.

Auch ältere Patienten profitieren von der Therapieentwicklung

Das Motto der diesjährigen EHA-Tagung lautete „Age and Aging“, und auch die Mehrzahl der MM-Patienten ist bei Diagnosestellung bereits älter als 70 Jahre und oftmals für intensivere Therapieschemata auch im Rahmen einer klinischen Studie nicht elegibel. Sehr interessant waren in diesem Zusammenhang die in einem Vortrag präsentierten Daten einer speziell auf diese Patientenpopulation zugeschnittenen Studie [6]. Eingeschlossen werden konnten Patienten die ›= 75 Jahre waren oder eine hohe Anzahl an Komorbiditäten aufwiesen. Das Alter lag im Median bei 78 Jahren, und die Mehrzahl der Patienten wurde unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Aktivitäten des täglichen Lebens mithilfe von drei verschiedenen Kategorien („fit“, „unfit“ oder „frail“) als „frail“ bezeichnet. Die Patienten wurden in drei unterschiedliche Bortezomib-Kombinationen randomisiert (Bortezomib/Prednison (VP), Bortezomib/Cyclophosphamid/Prednison (VCP) und Bortezomib/Melphalan/Prednison (VMP)). Wenngleich sich eine etwas höhere Gesamtansprechrate für die VMP-Kombination zeigte, ergaben sich weder im Hinblick auf das Therapieregime noch im Hinblick auf das Patientenalter Unterschiede im PFS und OS. Der entscheidende Faktor für das Therapieergebnis war hingegen der Zustand des Patienten zu Beginn der Therapie.

Fazit

Auch ältere Patienten profitieren von wirksamen neuen Therapiesubstanzen. Allerdings hat in dieser Patientenpopulation die Therapieintensivierung keinen so großen Stellenwert. Vielmehr sind die Kontrolle der Komorbiditäten und adäquate Dosisanpassungen entscheidende Therapiepfeiler.

„Mittlerweile übertragen sich die verbesserten Therapien auch auf die Gruppe der älteren und unfitten Patienten“ Dr. Christian Langer

Neue Kombinationen mit Carfilzomib erfolgversprechend

In der Therapie neu diagnostizierter Myelompatienten überzeugt Carfilzomib weiterhin durch hohe Ansprechraten. Während im vergangenen Jahr die Kombination aus Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason mit Gesamtansprechraten (›= PR) von 97 % bis 100 % für Aufsehen sorgten [7], wurden dieses Jahr Daten zur Kombination von Carfilzomib mit den etablierten, alkylierende Substanzen vorgestellt [8]. Die Arbeitsgruppe aus Turin kombinierte Carfilzomib mit Dexamethason und Cyclophosphamid (300 mg/m²; d1, 8, 15). In dieser Phase-II-Studie wurden 58 Patienten mit einem medianen Alter von 71 Jahren (55–86 Jahre) behandelt. Auch diese Kombination erweist sich als hoch effektiv. Nach 9 Zyklen erreichten annähernd alle Patienten (96 %) eine PR oder besser. Sehr überzeugend war mit 64 % auch die Rate der Patienten mit einem sehr guten Therapieansprechen (sCR, CR, nCR). Die geringe Abbruchrate von 11 % spricht hierbei für die insgesamt gute Verträglichkeit dieser vielversprechenden Kombination.

Fazit

Die Ansprechraten der Carfilzomib-Kombinationstherapien in der Erstlinientherapie des multiplen Myeloms sind sehr beeindruckend. Wenn sich diese Ansprechraten auch in entsprechende PFS- und OS-Daten übertragen, ist für etliche Patienten eine langfristige Krankheitskontrolle eine realistische Perspektive.

Refraktäres/rezidiviertes multiples Myelom – auch nach den etablierten Vortherapien gibt es noch Optionen

Mit den Substanzen Pomalidomid und Carfilzomib steht Patienten mit einem multiplen Myelom nach Versagen einer vorangegangenen Therapie mit Bortezomib oder Lenalidomid eine neue Therapiemöglichkeit zur Verfügung. Insbesondere die Gruppe der Patienten, die sowohl auf eine Bortezomib- und Lenalidomid-Therapie refraktär wurden, weist ein kurzes medianes Gesamtüberleben auf. Professor Jesus San Miguel aus Spanien stellte nun in einem Vortrag ein Update der MM-003-Studie vor, die in dieser Patientengruppe Pomalidomid plus niedrig dosiertes Dexamethason (POM+LoDEX) versus hoch dosiertes Dexamethason (HiDEX) als Monotherapie verglichen hat [9]. Mit einem nun längeren medianen Beobachtungszeitraum von 10 Monaten erweist sich die Pomalidomid-Therapie weiterhin signifikant überlegen – sowohl im Hinblick auf das mediane PFS (4 vs. 1,9 Monate) als auch auf das mediane OS (12,7 Monate vs. 8,1 Monate) (s. Abb. 2). Dies ist umso bemerkenswerter, als im weiteren Verlauf (entweder im Rahmen einer Begleitstudie nach Progress im HiDEX-Arm oder auf Empfehlung des Data Monitoring Committee nach Erreichen des primären Studienendpunktes) die Hälfte aller Patienten des ursprünglichen HiDEX-Arms schließlich doch Pomalidomid erhielt. Dieser Cross-over-Effekt lässt sich auch eindrücklich an den nun präsentierten Überlebenskurven darstellen und unterstreicht umso mehr die Wirksamkeit der Substanz. Die kürzlich erteilte zustimmende Bewertung der EMA spricht für eine baldige Zulassung auch in Europa.

Fazit

Eine Progress nach Lenalidomid- und Bortezomib-Versagen stellt weiterhin eine große therapeutische Herausforderung dar. Mit Pomalidomid und Carfilzomib stehen nun wirksame Substanzen vor der hoffentlich baldigen Zulassung in Europa.

Abb. 2: Nach einem medianen Follow-up von 10 Monaten zeigt der POMLoDEX-Arm ein signifikant längeres medianes Gesamtüberleben. Da Patienten des HiDEX-Armes nach Progression auch Pomalidomid erhielten, nähern sich die Kurven an (modifiziert nach San Miguel J et al. Presented at Simultaneous Session: Clinical studies in Multiple Myeloma 2, EHA 2013, Stockholm, abstract S1151 [9])

„Pomalidomid kann als ein neuer wichtiger Standard nach Versagen von Bortezomib und Lenalidomid angesehen werden.“ Dr. Christian Langer

Neue Substanzen in der Entwicklung – orale Proteasomeninhibitoren und Antikörper

Die Wirksamkeit der Proteasomeninhibition bei Patienten mit multiplem Myelom wurde durch die Entwicklung von Bortezomib und Carfilzomib eindrücklich bewiesen. Nun steht mit der Entwicklung von oralen Proteasomeninhibitoren unter Umständen der nächste erfolgreiche Entwicklungsschritt bevor. Neben Oprozomib ist MLN9708 (Ixazomib) derzeit am weitesten in der klinischen Entwicklung fortgeschritten [10], [11]. Während sich die oralen Proteasomeninhibitoren ebenso wie Carfilzomib durch eine niedrige Rate an peripheren Neuropathien auszuzeichnen scheinen, ist deren Nebenwirkungsprofil jedoch insbesondere durch gastrointestinale (GI) Komplikationen geprägt. So waren sowohl bei Ixazomib als auch bei Oprozomib unerwünschte GI-Ereignisse wie Nausea die dosislimitierenden Toxizitäten. Es bleibt daher abzuwarten, ob die vereinfachte orale Einnahme durch ein etwas ungünstigeres Nebenwirkungsprofil erkauft wird.

Im Gegensatz zu den meisten hämatologischen und soliden Neoplasien steht für die Therapie des multiplen Myeloms bislang kein monoklonaler Antikörper zur Verfügung, für den eine Wirksamkeit abschließend gezeigt wurde. Dies könnte sich unter Umständen in absehbarer Zeit ändern. Mit Elotuzumab, einem monoklonalen Anti-CS1(CD319)-Antikörper, und Daratumumab, einem Anti-CD38-Antikörper, befinden sich zwei vielversprechende Substanzen in der klinischen Prüfung [12],[13]. Daratumumab wird derzeit noch in einer Phase-I-Studie getestet, zeigte jedoch bereits in der Monotherapie an einem Kollektiv sehr stark vortherapierter Patienten vielversprechende Wirksamkeit.

Da CD38 relativ häufig sowohl auf hämatopoetischen als auch auf nichthämatopoetischen Zellen exprimiert wird, wurde entsprechend dem Studiendesign einer Dosisfindungsstudie zunächst mit dem Test sehr geringer Wirkstoffkonzentrationen begonnen [13]. Ab einer Dosisstufe von 4 mg/kg/KG zeigte sich jedoch bereits bei allen Patienten ein serologisches Ansprechen. Dieses Ansprechen ist umso bemerkenswerter als alle Patienten ab dieser Dosiskohorte bereits eine Vortherapie mit Lenalidomid und Bortezomib erhalten hatten und in der Mehrzahl der Fälle doppelrefraktär auf beide Substanzen waren. Dieses Ansprechen in der Dosiskohorte ab 4 mg/kg/KG zeigte sich auch in einem Vorteil hinsichtlich des PFS (p = 0,007), welches bei diesen Patienten nach einer medianen Beobachtungszeit von 18,4 Wochen noch erreicht wurde (s. Abb.3). Seit Mai 2013 wurde Daratumumab aufgrund dieser Ergebnisse der von der FDA neu eingeführte Zulassungsweg einer „Break through“-Entwicklung eingeräumt. Allerdings bleibt zu befürchten, dass im Falle einer konditionellen Zulassung durch die FDA die Myelompatienten in Europa wie zuletzt im Fall von Carfilzomib und Pomalidomid nicht zeitnah von diesen Entwicklungen profitieren können.

Fazit

Die Entwicklung neuer Substanzen zur Therapie des multiplen Myeloms bleibt weiterhin sehr spannend. Aufgrund des raschen Fortschritts kommt dem Design von klinischen Studien zur Identifikation optimaler Kombinationen und Therapiesequenzen eine entscheidende Bedeutung zu.

Abb. 3: Ab 4 mg/kg/KG verbesserte sich unter Daratumumab signifikant das progressionsfreie Überleben (modifiziert nach San Miguel J et al. Presented at Simultaneous Session: Clinical studies in Multiple Myeloma 1, EHA 2013, Stockholm, abstract S576 [13])

„Erstmals scheinen monoklonale Antikörper beim multiplen Myelom eine reelle Perspektive darzustellen.“ Dr. Christian Langer

Literatur

  1. Palumbo A et al. Melphalan/Prednisone/Lenalidomide (MPR) versus high-dose melphalan and autologous transplantation (MEL200) in newly diagnosed multiple myeloma (MM) patients. Presented at Poster Session I: Multiple myeloma – Translational and clinical studies 1, EHA 2013, Stockholm, abstract P222
  2. Boccadoro M et al. Melphalan/prednisone/lenalidomide (MPR) versus high-dose melphalan and autologous transplantation (MEL200) plus lenalidomide maintenance or no maintenance in newly diagnosed multiple myeloma (MM) patients. Presented at Oral Abstract Session, Myeloma, ASCO 2013, Chicago, abstract 8509
  3. Cavo M et al. Impact of Bortezomib incorporated into autotransplantation on outcomes of MM patients with high-risk cytogenetics: an integrated analysis of 1610 patients enrolled in four European phase 3 studies. Presented at Simultaneous Session: Clinical studies in Multiple Myeloma 2, EHA 2013, Stockholm, abstract S1155
  4. Bringhen S et al. Second primary malignancies (SPM) in newly diagnosed multiple myelomy (MM) patients according to lenalidomode exposure: A meta-analysis of 6383 individual patient data. Presented at Simultaneous Session: Clinical studies in Multiple Myeloma 2, EHA 2013, Stockholm, abstract S1153
  5. Brioli A et al. Low rate of secondary primary malignancies (SPMS) in newly diagnosed multiple myeloma (MM) patients treated with lenalidomide: first results from the MRC MM XI trial. Presented at Poster Session I: Multiple Myeloma-Translational and clinical studies, EHA 2013, Stockholm, abstract P242
  6. Larocca A et al. Subcutaneous velcade plus prednisone (VP) or plus cyclophosfamide (VCP) or plus melphalan (VMP) in frail, elderly, newly diagnosed multiple myeloma patients: a phase II community-based study. Presented at Simultaneous Session: Clinical studies in Multiple Myeloma 2, EHA 2013, Stockholm, abstract S1154
  7. Jakubowiak AJ, et al. A phase 2 study of single-agent carfilzomib (PX-171-003-A1) in patients with relapsed and refractory multiple myeloma. Blood 2012;120:1801–1809
  8. Bringhen S et al. Carfilzomib, cyclophosphamide and dexamethasone (CCD) for newly diagnosed multiple myeloma (MM) patients: initial results of a multicenter, open label phase II study. Presented at Simultaneous Session: Clinical studies in Multiple Myeloma 1, EHA 2013, Stockholm, abstract S578
  9. San Miguel J et al. Efficacy, safety, and QOL in MM-003, a phase 3, multicenter, randomized, open-label study of pomalidomide (POM) + low-dose dexamethasone (LODEX) vs high-dose dexamethasone (HIDEX) in RRMM. Presented at Simultaneous Session: Clinical studies in Multiple Myeloma 2, EHA 2013, Stockholm, abstract S1151
  10. Kaufman J et al. Clinical profile of once-daily, modified-release oprozomib in patients with hematologic malignancies: Results of a phase 1B/2 trial. Presented at Poster Session I: Multiple Myeloma-Translational and clinical studies, EHA 2013, Stockholm, abstract P233
  11. Richardson PG et al. Weekly oral investigational proteasome inhibitor MLN9708 plus lenalidomide-dexamethasone in elderly patients (pts) with previously untreated multiple myeloma (MM): subset analysis of a phase 1 / 2 study. Presented at Poster Session I: Multiple Myeloma-Translational and clinical studies 1, EHA 2013, Stockholm, abstract P236
  12. Facon T et al. Phase (Ph) I/II study of elotuzumab plus lenalidomide/dexamethasone (LEN/DEX) in relapsed/refractory multiple myeloma (RRMM): updated Ph II results and Ph I/II long term safety. Presented at Poster Session I: Multiple Myeloma-Translational and clinical studies 2, EHA 2013, Stockholm, abstract P764
  13. Lokhorst H et al. Daratumumab, a CD38 monoclonal antibody study in advanced multiple myeloma – an open-label, dose escalation followed by open-label extension in a single-arm phase I/II study. Presented at Simultaneous Session: Clinical studies in Multiple Myeloma 1, EHA 2013, Stockholm, abstract S576