EHA 2016

9. bis 12. Juni, Kopenhagen

Multiples Myelom: Beeindruckende Verbesserungen der Therapieergebnisse (Prof. Dr. Igor Blau, Berlin)

MDS/AML: Neues zur Anämiebehandlung bei MDS und zur Therapie älterer AML-Patienten (Dr. Catharina Müller-Thomas, München)

Maligne Lymphome: Neues zur Therapie vom 21. EHA-Treffen (Prof. Dr. Georg Lenz, Münster)

Die diesjährige Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) fand vom 9. bis 12. Juni in Kopenhagen statt und bot eine hochkarätige Plattform zur Präsentation und Diskussion der neuesten Entwicklungen in der Hämatoonkologie. Lesen Sie hier praxisorientierte Zusammenfassungen der wichtigsten Fakten zu den Bereichen multiples Myelom (MM), myelodysplastische Syndrome/akute myeloische Leukämie (MDS/AML) und maligne Lymphome.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die diesjährige Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) fand vom 9. bis 12. Juni im Bella-Kongresszentrum in Kopenhagen statt. Auf dem großzügigen, hochmodernen und weitläufigen Kongressgelände am Rande der Stadt trafen sich über 6.000 Hämatologen aus aller Welt, um neueste Studienergebnisse und Erfahrungen mit neuen und hergebrachten Therapien der Erkrankungen des blutbildenden Systems auszutauschen.

Wir haben Ihnen in unseren Beiträgen eine Auswahl an wichtigen Daten und Fakten aus den Bereichen multiples Myelom (MM), myelodysplastische Syndrome/akute myeloische Leukämie (MDS/AML) und maligne Lymphome zusammengestellt, die unserer Meinung nach Auswirkungen auf unser diagnostisches und therapeutisches Handeln haben können.

Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen und freuen uns über eine Bewertung, die Sie mit wenigen Klicks über die Funktion „Ihre Meinung ist wichtig“ abgeben können.

Mit kollegialen Grüßen

Prof. Dr. med. Igor Blau, Charité Campus Benjamin Franklin, Berlin
Prof. Dr. med. Georg Lenz, Translationale Onkologie, Universitätsklinikum Münster
Dr. med. Catharina Müller-Thomas, Klinikum rechts der Isar, München

Multiples Myelom: Beeindruckende Verbesserungen der Therapieergebnisse

Prof. Dr. med. Igor Blau, Charité Campus Benjamin Franklin, Berlin

Mit hoher Taktzahl vollziehen sich die Wandlungen der Behandlungsstandards insbesondere bei den lymphatischen Neoplasien. Auf dem EHA 2016 wurden nun die neuesten Entwicklungen bei der Diagnostik und der Therapie des multiplen Myeloms (MM) vorgestellt. Dabei ist es atemberaubend, wie bedeutend die Therapieergebnisse bei dieser Erkrankung in den letzten Monaten verbessert werden konnten.

Daratumumab: Die Ergebnisse der „Zwillingsstudien“ schlagen ein neues Kapitel der Myelomtherapie auf

Vor einigen Monaten wurden die beeindruckenden Ergebnisse der Phase-III-Studien mit Lenalidomid mit und ohne Ixazomib, Elotuzumab und Carfilzomib vorgestellt, ebenso die Phase-II-Daten von Daratumumab in der Monotherapie. Diese Daten haben bereits größtenteils zu einem positiven Votum von FDA und EMA geführt. Nun folgte Anfang Juni die Präsentation der Phase-III-Studien mit Daratumumab und Bortezomib (CASTOR-Studie [1]) beziehungsweise mit Daratumumab und Lenalidomid (POLLUX-Studie [2]) bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplen Myelom (rrMM). Die auf dem EHA vorgestellten Daten dieser beiden Studien sind in ihrer Tragweite noch nicht vollständig zu erfassen. Wir können aber feststellen, dass die Ergebnisse ein neues Kapitel in der Myelomtherapie aufschlagen. Mit einer beachtlichen statistischen Signifikanz überzeugen die Kombinationstherapien Daratumumab+Bortezomib+Dexamethason (DVd) beziehungsweise Daratumumab+Lenalidomid+Dexamethason (DRd) nach zwölf beziehungsweise 18 Monaten mit einer median noch nicht erreichten Progressionsfreiheit (Hazard Ratio von 0,39 bzw. 0,37). Überraschung zeichnete sich auf den Gesichtern der viele Tausend Hämatologen umfassenden Zuhörerschar in Kopenhagen ab, als Meletios Dimopoulos das Slide mit dem Kaplan-Meyer-Plot des progressionsfreien Überlebens (PFS) der knapp 600 randomisierten Patienten aus der POLLUX-Studie (DRd) erstmals auf der Leinwand zeigte (Abb. 1). Ein Raunen ging durch die Menge, gefolgt von einem Wald erhobener Hände mit fotografierenden mobilen Telefonen: Die PFS-Kurve der Patienten, die mit Daratumumab, Lenalidomid und Dexamethason behandelt wurden, liegt bei 78% und verläuft bereits sechs Monate parallel zur X-Achse. Für etwas mehr als die Hälfte der Patienten war es eine Zweitlinientherapie. 86% waren mit einem Proteasominhibitor und 55% mit einem IMiD vorbehandelt. 48% der Patienten in der DRd-Gruppe und 50% in der Lenalidomid+Dexamethason(Rd)-Gruppe hatten ein ISS-Stadium I.

Abb. 1: Daratumumab+Lenalidomid+Dexamethason (DRd) bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplen Myelom (rrMM): Die PFS-Daten der POLLUX-Studie zeigen eine Reduktion des Risikos für PFS oder Tod von 63 % im Vergleich DRd vs. Rd (modifiziert nach [2]).

Auch wenn Vergleiche zwischen verschiedenen Studien mit Vorsicht zu interpretieren sind, entspricht das Patientenkollektiv der POLLUX-Studie dem der ASPIRE-Studie [3]. Zur ASPIRE-Studie gab es ein aktuelles Update zur Tiefe des Ansprechens unter Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason (KRd), das eine Rate an kompletten Remissionen oder besser (≥ CR) von 31,9% im Vergleich zu 9,3 % unter Rd gezeigt hatte. Die Lenalidomid/Dexamethason-Vergleichsarme verlaufen in der POLLUX- und der ASPIRE-Studie sehr ähnlich, das mediane PFS ist vergleichbar (18,4 Monate in der POLLUX-Studie bzw. 17,6 Monate in der ASPIRE-Studie). Schon beim Herausgehen aus der EHA-Session wurde unter den Teilnehmern die Frage diskutiert, ob nun das Muster der TKI-Therapien bei der CML (TKI = Tyrosinkinaseinhibitoren) dem eben hier Gesehenen und Gehörten entspräche oder doch mindestens dem der anti-CD20-monoklonalen Antikörper bei der Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen. Der weitere Verlauf der Behandlung in den beiden Studien wird es zeigen. Daratumumab in Kombination mit Lenalidomid/Dexamethason hat die Erwartungen jedenfalls übertroffen.

Die Daten zur Daratumumab/Bortezomib/Dexamethason-Therapie (CASTOR-Studie) umspannen im Vergleich zur POLLUX-Studie ein kürzeres Follow-up (12 vs. 18 Monate). Auch ist das Patientengut nicht gleich: weniger Patienten mit ISS-Stadium I (38% vs. 48%), weniger Patienten in der zweiten Therapielinie (28% vs. 30%), weniger Patienten mit mehr als drei Vortherapien (18% vs. 25%) und mehr PI/IMiD-vorbehandelte Patienten (71/67% vs. 86/55%) in der CASTOR-Studie im Vergleich zur POLLUX-Studie. Das Nichterreichen des medianen PFS in den Gruppen der Patienten mit Daratumumab-Kombinationen ist das Merkmal beider „Zwillingsstudien".

Das Single-chain-CD-38-Molekül ist ein zellmembranständiger recht kleiner Komplex von 45kDa mit Tripelfunktion: Exoenzym (NADase-Aktivität), Adhäsionsmolekül und Rezeptor [4]. Mit einer Häufigkeit von 50.000 bis 100.000 wird das Molekül auf Plasmazellen am stärksten exprimiert [5]. Nachgewiesen wurde eine biologische Aktivität erstmals Anfang der 80er Jahre als Kofaktor des CD8-Rezeptors auf T-Zellen bei HIV-Patienten. Sowohl Dimopoulos als auch Antonio Palumbo verwiesen in ihren Präsentationen der Zwillingsstudien und in ausführlichen Vorträgen auf Satellitensymposien auf die nachgewiesene Rolle der Aktivierung von CD8-positiven T-Zellen durch Daratumumab und seine Bindung an das CD38-Epitop dieser Zellen [6]. Möglicherweise erklärt sich der Vorteil der Kombination mit Lenalidomid aus diesem zusätzlichen Wirkmechanismus zu den vorbeschriebenen ADCC, ADCP, CDC und Apoptose (ADCC = antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität; ADCP = antikörpervermittelte zelluläre Phagozytose; CDC = komplementvermittelte Zytotoxizität) (Abb. 2).

Abb. 2: Wirkmechanismen von Daratumumab (modifiziert nach [1, 2]).

Von besonderer Bedeutung erscheint mir die Funktion von CD38 als Adhäsionsmolekül in Kenntnis der besonderen Rolle des Knochenmarkstromas beim multiplen Myelom zu sein.

Das CD38-Molekül findet sich auf frühen hämatopoetischen Progenitorzellen und auf Erythrozyten [4]. Mit besonderem Interesse werden die Nebenwirkungen von Daratumumab in den nun publizierten Phase-III-Studien analysiert. In der Diskussion verwies Dimopoulos auf einen beobachteten Abfall des Hämoglobins unter Daratumumab, jedoch ohne klinisch relevante Anämie beziehungsweise ohne Zunahme der Transfusionshäufigkeit (POLLUX-Studie DRd vs. Rd: Neutropenien aller Grade 59% vs. 43%, Anämien 31% vs. 35%). Infektionen traten unter Daratumumab sowohl in der CASTOR- als auch in der POLLUX-Studie nicht gehäuft auf.

„Der nun Wirklichkeit gewordene Einsatz von Daratumumab bei Patienten mit multiplem Myelom ist ein großer Schritt in Richtung der sehr langfristigen Kontrolle der Erkrankung. In der POLLUX- beziehungsweise CASTOR-Studie sind mit einer Gesamtansprechrate von 93% beziehungsweise 83% und einer Rate an sehr guter partieller Remission oder besser (> VGPR) von 76% beziehungsweise 59% bisher einmalige Ergebnisse in der Rezidivtherapie erzielt worden. Die Ergebnisse der Myelomtherapie des letzten Jahres haben damit einen krönenden Höhepunkt erreicht.“ Prof. Dr. Igor Blau

Ins Zentrum des EHA rückte des multiple Myelom

In Diskussionen mit Kollegen und aus eigener Sicht wurde deutlich: Dies war ein hämatologischer Kongress, der in weiten Teilen das multiple Myelom ins Zentrum des Interesses rückte. Regelmäßig mussten bei den Sitzungen, in denen die Plasmazelldyskrasien diskutiert wurden, zusätzlich Übertragungsräume wegen Überfüllung geöffnet werden. In einem Fall handelte es sich um den größten Saal (A1), der in kürzester Zeit voll war.

Es gab eine Reihe weiterer Myelomhighlights, die ich kurz darstellen möchte.

Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach autologer Stammzelltransplantation und Hochdosis(HD)-Melphalan

In einem von Antonio Palumbo referierten Beitrag wurde in einer Metaanalyse ein Follow-up der Ergebnisse der 2012 und 2014 publizierten drei großen Erhaltungstherapiestudien [7, 8, 9] mit Lenalidomid nach autologer Stammzelltransplantation und HD-Melphalan präsentiert [10]. Darin zeigt sich nach nunmehr fast zehn Jahren ein signifikanter Überlebensvorteil für die Patienten unter Lenalidomiderhaltung. Dabei ist der Median des Gesamtüberlebens nicht erreicht und es zeichnet sich ein Plateau auf hohem, über 50% liegendem, Niveau ab (Abb. 3).

Abb. 3: Lenalidomiderhaltungstherapie nach autologer Stammzelltransplantation und Hochdosis-Melphalan: Gesamtüberleben in der Metaanalyse eines Follow-ups der drei großen Erhaltungstherapiestudien (modifiziert nach [10]).

„Trotz der Eindeutigkeit dieser Befunde für eine Lenalidomiderhaltungstherapie nach autologer Stammzelltransplantation und Hochdosis-Melphalan sind sie für die Praxis in Deutschland bislang weiterhin ohne Relevanz, da eine Erhaltungstherapie aufgrund fehlender Zulassung von den Krankenkassen nicht erstattet wird." Prof. Dr. Igor Blau

Carfilzomib/Lenalidomid/Dexamethason (CarRD)

Die Daten der großen Phase-III-Studien mit Carfilzomib (ASPIRE [3] und ENDEAVOR [11]) finden eine erneute Widerspiegelung auf dem 21. Kongress der EHA. Die vertiefte Analyse der ASPIRE-Daten hinsichtlich der Tiefe des Ansprechens dokumentiert eindrucksvoll die Wirksamkeit der CarRD-Therapie: Ein Drittel der Patienten erreichten im Verlauf mindestens eine komplette Remission im Vergleich zu 9% der Patienten im RD-Arm. Dieses Schema ist aktuell die wichtigste und potenteste Rezidivtherapie und sollte aufgrund seiner Wirksamkeit breit eingesetzt werden – insbesondere bei jüngeren Patienten, die am längsten von dieser Behandlung profitieren. In aktuellen Studien wird der Stellenwert der CarRD-Kombinationstherapie als „Backbone“ für Erstlinieninduktionstherapien vor HD-Melphalan und autologer Stammzelltransplantation mit anschließender CarRD-Konsolidierungstherapie und Erhaltung mit einem monoklonalen Antikörper/Lenalidomid untersucht (CONCEPT-Studie der German-Speaking Myeloma Multicenter Group [GMMG]).

Goldschmidt und eine Autorengruppe präsentierten eine Subgruppenanalyse der ENDEAVOR-Studie [12]. Sie analysierten Ansprechen und Toxizität in den Patientengruppen, die Carfilzomib und Dexamethason (CarD), Bortezomib und Dexamethason (BorD) i.v. und BorD s.c. erhalten hatten. Die Ergebnisse unterscheiden sich nicht hinsichtlich der Wirksamkeit. Auffällig sind die großen Unterschiede bei den neurologischen Nebenwirkungen (Tab. 1), wobei unter Carfilzomib etwa 5% der Patienten eine Polyneuropathie (PNP) Grad >2 entwickelten. Bei den mit Bortezomib behandelten Patienten trat eine PNP in 20–33% der Fälle auf. Es wurden mehr kardiale und renale Ereignisse in der Patientengruppe, die Carfilzomib bekommen hatte, beschrieben.

Tab. 1: Subgruppenanalyse der ENDEAVOR-Studie: Nebenwirkungen, Therapieabbrüche und Todesfälle (modifiziert nach [12]).

Da im Fokus der Hämatologen eine diskutierte Kardiotoxizität von Carfilzomib steht, legten Hajek und Koautoren auf einem Poster die Ergebnisse serieller echokardiographischer Untersuchungen vor [13]. Sie beobachteten keinen Unterschied der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) in den Gruppen CarD (20 mg/m², dann 56 mg/m²) und BorD.

In einem Update der CHAMPION-1-Studie, die als Vorläuferstudie des ENDEAVOR-Protokolls gilt, wurden Patienten mit CarD in der Rezidivsituation behandelt. Es bestätigte die gute Langzeitverträglichkeit und Wirksamkeit von Carfilzomib [14]. Hinweise für besondere Toxizitäten, wie etwa eine erhöhte Kardiotoxizität, fanden sich nicht.

„Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason (CarRD) ist aktuell das potenteste und effektivste Rezidivprotokoll beim multiplen Myelom. Es sollte breit eingesetzt werden.“ Prof. Dr. Igor Blau

Pomalidomid

In Vorbereitung auf die aktuell rekrutierende Phase-III-Studie (Pomalidomid+BorD vs. BorD im Myelomrezidiv [MM007]) wurde zunächst von 2012 bis 2014 eine Phase-I-Studie (MM05) durchgeführt, deren Endauswertung Paul Richardson mit Koautoren auf einem Poster vorstellte [15]. Der sehr potente Immunmodulator Pomalidomid bietet sich als Partner von Proteasomeninhibitoren (hier Bortezomib) und auch von monoklonalen Antikörpern an. Insgesamt wurden in den unterschiedlichen Gruppen 34 Patienten behandelt. In der Eskalationsgruppe lag das Ansprechen bei IMiD-refraktären Patienten (Einschlusskriterium) bei 75%. Es war damit vergleichbar mit Ergebnissen, die mit Daratumumab-Kombinationen erreicht werden können (Abb. 4). Wenn sich diese Ergebnisse tendenziell in der Phase-III-Studie bestätigen, empfiehlt sich das PomBorD-Schema als effektive Rezidivtherapie insbesondere bei IMiD-refraktären Patienten.

Abb. 4: Gesamtansprechrate in der Phase-I-Studie MM05 (modifiziert nach [15]).

„Pomalidomid bietet sich mehr und mehr als Partner verschiedener Substanzklassen in der Rezidivtherapie an.“ Prof. Dr. Igor Blau

Molekulargenetische Ansätze

In ihrer Educational Session schlugen Brian Walker, Maria Mateos und Evangelos Terpos einen Bogen von der molekulargenetischen Pathogenese des Myeloms über das Smoldering Myeloma bis hin zur Diagnostik und Genese der Knochenkrankheit [16]. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, ob die Entwicklung einer molekulargenetisch abgeleiteten Targettherapie für Patienten mit multiplem Myelom zur Realität wird.

Die Nennung von Genaberrationen beim multiplen Myelom durch Brian Walker weist auf zukünftige Entwicklungen und die Notwendigkeit einer neuen molekulargenetischen Diagnostik hin – sowohl zur Detektion neuer Targets für Medikamente als auch zum molekulargenetischen Nachweis einer minimalen Resterkrankung.

„Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, ob die Entwicklung einer molekulargenetisch abgeleiteten Targettherapie Realität wird.“ Prof. Dr. Igor Blau

Fazit

Der diesjährige EHA-Kongress war angefüllt mit wichtigen und spannenden Beiträgen zum multiplen Myelom: Es gab Beiträge zur Diagnostik, zur Beurteilung der Gebrechlichkeit („frailty“) von Patienten, zu Varianten der Kombinationstherapie (wenn man nur die in Deutschland zugelassenen Substanzen verschieden kombinieren würde, käme man auf mathematisch gut 800 Therapieschemata) und deren Behandlungsergebnissen, zu neuen Substanzen, die sich noch in der Vorklinik oder frühen klinischen Prüfung befinden, und vieles mehr. Am Rande des Kongresses gab es viele Treffen und es wurden Pläne für neue Studien, Patientenprogramme und verbesserte Betreuungsstrukturen geschmiedet. Der Schwung des Kongresses und sein Optimismus werden uns hoffentlich noch viele Wochen begleiten.

Quellen

  1. Palumbo A et al. Phase 3 randomised controlled study of daratumumab, bortezomib and dexamethasone versus bortezomib and dexamethasone in patients with relapsed or refractory multiple myeloma: CASTOR. Presented at Oral Presentation: Late Breaking Session, EHA 2016, Kopenhagen, abstract LB2236.
  2. Dimopoulos MA et al. An open-label, randomised phase 3 study of daratumumab, lenalidomide, and dexamethasone (DRd) versus lenalidomide and dexamethasone (Rd) in relapsed or refractory multiple myeloma (rrMM): POLLUX. Presented at Presidential Symposium, EHA 2016, Kopenhagen, abstract LB2238.
  3. Stewart AK et al. Carfilzomib, lenalidomide, and dexamethasone for relapsed multiple myeloma. N Engl J Med 2015; 372: 142-152.
  4. Malavasi F et al. Evolution and function of the ADP ribosyl cyclase/CD38 gene family in physiology and pathology. Physiol Rev 2008; 88: 841-886.
  5. Casneuf T et al. Pharmacodynamic relationship between natural killer cells and daratumumab exposure in relapsed/refractory multiple myeloma. Presented at Poster Presentation: Innovative therapies for MM 2, EHA 2016, Kopenhagen, abstract P286.
  6. Krejcik J et al. Daratumumab depletes CD38+ immune-regulatory cells, promotes T-cell expansion, and skews T-cell repertoire in multiple myeloma. Blood 2016: Epub ahead of print.
  7. Attal M et al. Lenalidomide maintenance after stem-cell transplantation for multiple myeloma. N Engl J Med 2012; 366: 1782-1791.
  8. McCarthy PL et al. Lenalidomide after stem-cell transplantation for multiple myeloma. N Engl J Med 2012; 366: 1770-1781.
  9. Palumbo A et al. Autologous transplantation and maintenance therapy in multiple myeloma. N Engl J Med 2014; 371: 895-905.
  10. McCarthy PL et al. A meta-analysis of overall survival in patients with multiple myeloma treated with lenalidomide maintenance after high-dose melphalan and autologous stem cell transplant. Presented at Oral Presentation: New agents for Myeloma treatment, EHA 2016, Kopenhagen, abstract S103.
  11. Dimopoulos MA et al. Carfilzomib and dexamethasone versus bortezomib and dexamethasone for patients with relapsed or refractory multiple myeloma (ENDEAVOR): a randomised, phase 3, open-label, multicentre study. Lancet Oncol 2016; 17: 27-38.
  12. Goldschmidt H et al. Carfilzomib and dexamethasone vs subcutaneous bortezomib and dexamethasone in patients with relapsed or refractory multiple myeloma: secondary analysis from the phase 3 study endeavor (NCT01568866). Presented at Poster Presentation: Innovative therapies for MM 4, EHA 2016, Kopenhagen, abstract P659.
  13. Hájek R et al. A substudy of the phase 3 ENDEAVOR study: serial echocardiographic assessment of patients with relapsed multiple myeloma (rMM) receiving carfilzomib plus dexamethasone or bortezomib plus dexamethasone. Presented at Poster Presentation: Innovative therapies for MM 4, EHA 2016, Kopenhagen, abstract P664.
  14. Berenson J et al. Weekly carfilzomib with dexamethasone for patients with relapsed or refractory multiple myeloma: updated results from the phase 1/2 study CHAMPION-1 (NCT01677858). Presented at Poster Presentation: Innovative therapies for MM 4, EHA 2016, Kopenhagen, abstract P661.
  15. Richardson PG et al. Pomalidomide, bortezomib, and low-dose dexamethasone in proteasome inhibitor-exposed and lenalidomide-refractory myeloma: results of a multicenter, dose-escalation, phase 1 trial (MM-005). Presented at Poster Presentation: Innovative therapies for MM 3, EHA 2016, Kopenhagen, abstract P653.
  16. Walker B. Molecular architecture of MM. Presented at Education Session - Multiple myeloma, EHA 2016, Kopenhagen.
  • Bildnachweis: „Hans Christian Andersen statue in Copenhagen.”: © Sergii Figurnyi/Fotolia; "Copenhagen, Nyhavn harbor": © Tanya/Fotolia

MDS/AML: Neues zur Anämiebehandlung bei MDS und zur Therapie älterer AML-Patienten

Dr. med. Catharina Müller-Thomas, Klinikum rechts der Isar, München

Auf dem 21. EHA-Kongress in Kopenhagen gab es wieder viele interessante Vorträge zu den myelodysplastischen Syndromen (MDS) und zur akuten myeloischen Leukämie (AML). Ein Schwerpunkt war die Therapie des älteren AML-Patienten. Die Entwicklung zielgerichteter Substanzen hat Fahrt aufgenommen, und das spiegelt sich in vielen klinischen Studien wider.

 

Niedrigrisiko-MDS

Lange ersehnt: Studienergebnisse zur Wirksamkeit von Erythropoese-stimulierenden Arzneimitteln (ESAs) bei MDS

Obwohl ESAs in Europa nicht für MDS zugelassen sind, gehören sie seit vielen Jahren zum festen Bestandteil der Anämiebehandlung bei MDS (Empfehlungen der DGHO/ELN) [1, 2]. Zur Abschätzung des Therapieerfolgs wird der Score der "Nordic MDS Group" herangezogen [3]. Auf dem diesjährigen EHA-Kongress wurden die Ergebnisse der gegen Placebo randomisierten ARCADE(Darbepoetin alfa)- und EPOANE(Erythropoetin alfa)-Studie präsentiert [4, 5]. In beide Studien wurden Patienten mit Anämie (Hb < 10 g/dl) bei Niedrigrisiko-MDS (IPSS niedrig und intermediär-1) eingeschlossen. Der endogene Erythropoetinspiegel musste < 500 mU/ml sein, und die Transfusionsfrequenz für Erythrozytenkonzentrate (EKs) durfte bei maximal vier EKs pro acht Wochen liegen. Die Randomisierung ESA versus Placebo erfolgte in beiden Studien im Verhältnis 2:1. Beide Studien waren in den ersten 24 Wochen verblindet, anschließend durften die ansprechenden Studienteilnehmer für weitere 24 Wochen weiterbehandelt werden. Die Initialdosis von Darbepoetin alfa lag bei 500 µg subkutan im dreiwöchigen Abstand, die von Erythropoetin alfa bei 450 IU/kg KG subkutan pro Woche. Dosissteigerungen beziehungsweise -reduktionen erfolgten in Abhängigkeit vom Hb-Wert. Die Dosis von Erythropoetin alfa durfte bis auf 1.050 IU/kg KG gesteigert werden. Das Dosisintervall von Darbepoetin alfa durfte ab Woche 31 auf zwei Wochen verkürzt werden. Als primärer Endpunkt war in beiden Studien gemäß der IWG-2006-Kriterien eine erythroide hämatologische Verbesserung (HI-E; Hb-Anstieg um mindestens 1,5 g/dl für mindestens 8 Wochen) beziehungsweise eine Abnahme des Transfusionsbedarfs um mindestens vier EKs pro acht Wochen definiert [6]. In der ARCADE-Studie wurde der primäre Endpunkt in 34,7% der Fälle erreicht (kein p-Wert angegeben), in der EPOANE-Studie in 45,9% der Fälle (p < 0,001). Wesentlich eindrücklicher war in der ARCADE-Studie die Abnahme des Transfusionsbedarfs unter Darbepoetin alfa; von Woche 5 bis 24 benötigten 59,2% der mit Placebo behandelten Patienten EKs versus 36,1% der Patienten unter Darbepoetin (p = 0,008). Das Nebenwirkungsspektrum war mild und begrenzt. Die scheinbare Unterlegenheit von Darbepoetin alfa hinsichtlich des primären Endpunkts ist zum einen auf die zu niedrig gewählte Dosis und zum anderen auf das Studienprotokoll zurückzuführen. Dieses sah Hb-Messungen nur alle drei Wochen vor, wodurch mögliche Hb-Anstiege nicht erfasst wurden. Auch war bei einem Hb-Abfall über lange Zeit keine Dosissteigerung vorgesehen.

Fazit

  • Sowohl die ARCADE- als auch die EPOANE-Studie bestätigen die Empfehlungen der DGHO beziehungsweise ELN.
  • Generell ist die ESA-Dosis bei MDS hoch. Für Darbepoetin muss die optimale Dosis noch definiert werden.

„Bei MDS-Patienten mit Anämie und niedrigem Erythropoetinspiegel ist ein Therapieversuch mit ESAs über sechs Monate zu empfehlen.“ Dr. Catharina Müller-Thomas

Eine Erfolgsgeschichte: Luspatercept bei Anämie

Luspatercept, vormals ACE-536, ist ein modifiziertes Activin-Rezeptor-Typ-IIB(ActRIIB)-Fusionsprotein, das Liganden aus der TGF-ß-Familie bindet (vor allem GDF11), dadurch den SMAD-2/3-Signalweg hemmt und die Ausreifung der Erythropoese bewirkt (Abb. 1). Eine Zielgruppe in der Entwicklung der Substanz sind ESA-refraktäre, anämische Patienten mit Niedrigrisiko-MDS.

Abb. 1: Luspatercept, ein modifiziertes Activin-Rezeptor-Typ IIB(ActRIIB)-Fusionsprotein (modifiziert nach [7]

Auf den EHA-Kongressen 2014 und 2015 wurden von Prof. Dr. U. Platzbecker zunächst die vorläufigen, dann die reifen Daten der Phase-I/II-Basisstudie präsentiert. Dieses Jahr schließlich wurden – ebenfalls von Prof. Dr. U. Platzbecker – die ersten Daten aus der noch laufenden Phase-II-Extensionsstudie vorgestellt [7]. Insgesamt 32 Patienten, die die dreimonatige Basisstudie durchlaufen hatten und auf Luspatercept angesprochen hatten, wurden in die 24 Monate dauernde Extensionsstudie eingeschlossen. Sowohl bei Patienten mit niedrigem (< 4 EKs/8 Wochen) als auch bei Patienten mit hohem (≥ 4 EKs/8 Wochen) Transfusionsbedarf wurde ein Hb-Anstieg (HI-E) erzielt: 85% (11/13) beziehungsweise 79% (15/19). Länger als acht Wochen transfusionsfrei wurden 50% der Patienten. Mittlerweile hat sich abgezeichnet, dass MDS-Patienten mit Ringsideroblasten und einem endogenen EPO-Spiegel < 200 U/l am meisten von Luspatercept profitieren. Eine Vorbehandlung mit ESAs beeinflusst das Ansprechen auf Luspatercept nicht (57% Ansprechen ohne ESA-Vorbehandlung, 46% Ansprechen mit ESA-Vorbehandlung).

Fazit

  • Luspatercept entwickelt sich zu einer gut verträglichen Therapieoption für anämische Patienten mit Niedrigrisiko-MDS.
  • Aktuell wird eine Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie initiiert.

„Nach einer langen Durststrecke wird mit Luspatercept bald ein neues Medikament für anämische Patienten mit Niedrigrisiko-MDS zur Verfügung stehen.“ Dr. Catharina Müller-Thomas

AML des älteren Patienten – ein Schwerpunktthema

Das große Dilemma: Was ist die optimale Therapie?

Ein großes Thema auf dem diesjährigen EHA-Kongress war die Therapie des älteren Patienten mit akuter myeloischer Leukämie. In einer Debatte beschäftigten sich Prof. Dr. H. Dombret und Frau Prof. Dr. G. Roboz mit der Definition „älterer Patient“ und der Therapieintensität bei AML [8]. Im Hinblick auf die Therapieplanung wurde angeregt, das Alter nicht mehr zu berücksichtigen und sich ausschließlich auf patientenbezogene Faktoren wie Komorbiditäten und Patientenwille sowie krankheitsbezogene Faktoren wie Zytogenetik und Mutationsstatus zu stützen. Beispielhaft wurde gezeigt, dass AML-Patienten mit komplexem Karyotyp und TP53-Mutation nicht von einer intensiven Chemotherapie profitieren und hypomethylierende Substanzen eine gute Therapieoption darstellen, während ältere Patienten mit einer AML mit NPM1-Mutation deutlich von der klassischen Chemotherapie profitieren. Die allogene Blutstammzelltransplantation wird aufgrund der reduzierten Konditionierung (RIC) immer häufiger bei älteren Patienten durchgeführt. Speziell dazu gab es einen Vortrag von Prof. Dr. U. Platzbecker, in dem er die Grundlagen für eine erfolgreiche Transplantation erläuterte [9]. Im Hinblick auf RIC fragte Frau Prof. Dr. G. Roboz provokativ, ob RIC auch zu den weniger intensiven Therapien gezählt werden müsse. Diese Frage verdeutlicht die Schwierigkeit in der Definition „intensive“ versus „weniger intensive“ Therapie. Klassischerweise zählt niedrig dosiertes Cytarabin zu den „milden“ Therapien, aber seine Kombination mit anderen, auch per se wenig toxischen Medikamenten kann es zu einer intensiven (toxischen) Therapie werden lassen. Diesen Effekt verdeutlichte Prof. Dr. H. Döhner in der Präsentation der Ergebnisse der POLO-AML-2-Studie [10]. In dieser Phase-III-Studie wurden 666 Patienten (≥ 65 Jahre) mit unbehandelter AML mit dem PLK1-Inhibitor Volasertib (350 mg i.v., d1+15, q28d) beziehungsweise Placebo randomisiert 2:1 behandelt, jeweils in Kombination mit niedrig dosiertem Cytarabin (20 mg s.c., 2 x tägl., d1–10, q28d). Die vorangegangene Phase-II-Studie hatte gute Ergebnisse gezeigt [11]. Als primärer Endpunkt wurde die Rate an CR/CRi gewählt (CR = komplette Remission, CRi = komplette Remission mit inkompletter hämatologischer Regeneration), der sekundäre Endpunkt war das Gesamtüberleben. Im Prüfarm lag die CR/CRi-Rate bei 25,2%, im Kontrollarm bei 16,8%; statistische Signifikanz wurde nicht erreicht (p = 0,071) (Tab. 1). Die Frühmortalität (≤ 28 d nach Randomisierung) betrug im Volasertib-Arm 37% versus 11,2% im Placebo-Arm, und das führte zu einem kürzeren medianen Gesamtüberleben im Volasertib-Arm (4,8 vs. 6,5 Monate). Hauptursache der hohen Frühmortalität waren Infektionen. In einer genauen Analyse zeigte sich, dass die Dosisdichte in der verblindeten Phase-III-Studie wesentlich höher war als in der Phase-II-Studie und die Patienten dadurch mehr Volasertib erhalten haben (20,8 mg/d vs. 17,6 mg/d). Geplant sind jetzt neue Studien mit niedrigerer Volasertibdosis.

Tab. 1: Volasertib versus Placebo bei Patienten (≥ 65 Jahre) mit unbehandelter AML: Ansprechraten der POLO-AML-2-Studie (modifiziert nach [10]).

Dass eine Dosisreduktion die Toxizität mindern kann, ohne die Wirksamkeit einer Substanz zu beeinträchtigen, hat Prof. Dr. N. Daver in seinem Vortrag über den Topoisomerase-II-Inhibitor Vosaroxin in Kombination mit Decitabin (20 mg/m², d1–5) dargestellt [12]. Bei den ≥ 60-jährigen AML-Patienten lag die Frühmortalität (≤ 8 Wochen) unter Vosaroxin 90 mg/m² (d1 und 4) bei 27%, wohingegen sie unter Vosaroxin 70 mg/m² (d1 und 4) nur 5% betrug; das mediane Gesamtüberleben verlängerte sich unter der niedrigeren Dosis statistisch signifikant (p = 0,005) von 5,5 Monaten (90 mg/m²) auf 16,1 Monate (70 mg/m²) (Abb. 2).

Abb. 2: Gesamtüberleben unter Vosaroxin+Decitabin in zwei Dosisstufen und Vergleich mit einer historischen Kohorte des MD Anderson Cancer Center, die mit Decitabin-Monotherapie behandelt wurde (modifiziert nach [12]).

Fazit

  • Für ältere Patienten mit AML wird eine Vielzahl neuer Substanzen entwickelt und in zahlreichen klinischen Studien getestet.
  • Der Anspruch an die neuen Medikamente ist groß: gute Wirksamkeit bei geringer Toxizität.

„Aufgrund der Heterogenität der AML wird es noch lange dauern, bis für den einzelnen AML-Patienten die optimale Therapie verfügbar sein wird.“ Dr. Catharina Müller-Thomas

Quellen

  1. Hofmann W-K et al. Myelodysplastische Syndrome (MDS). Onkopedia Leitlinien, März 2016.
  2. Malcovati L et al. Diagnosis and treatment of primary myelodysplastic syndromes in adults: recommendations from the European LeukemiaNet. Blood 2013; 122: 2943-2964.
  3. Hellstrom-Lindberg E et al. Erythroid response to treatment with G-CSF plus erythropoietin for the anaemia of patients with myelodysplastic syndromes: proposal for a predictive model. Br J Haematol 1997; 99: 344-351.
  4. Platzbecker U et al. ARCADE (20090160): A phase 3 randomized placebo-controlled double-blind trial of darbepoetin alfa in the treatment of anemia in patients with low or intermediate-1 risk myelodysplastic syndromes (MDS). Presented at Oral Presentation: Myelodysplastic syndromes - Clinical, EHA 2016, Kopenhagen, abstract S128.
  5. Fenaux P et al. Randomized, double-blind, placebo-controlled, multicenter study evaluating epoetin alfa versus placebo in anemic patients with IPSS low- int1 risk MDS. Presented at Poster Presentation: Myelodysplastic syndromes - Clinical 1, EHA 2016, Kopenhagen, abstract P248.
  6. Cheson BD et al. Clinical application and proposal for modification of the International Working Group (IWG) response criteria in myelodysplasia. Blood 2006; 108: 419-425.
  7. Platzbecker U et al. Luspatercept increases hemoglobin and reduces transfusion burden in patients with low-intermediate risk myelodysplastic syndromes (MDS): long-term results from phase 2 PACE-MDS study. Presented at Oral Presentation: Myelodysplastic syndromes - Clinical, EHA 2016, Kopenhagen, abstract S131.
  8. Löwenberg B. Elderly patients with AML: intensive or less-intensive therapy? Presented at Clinical Debate, EHA 2016, Kopenhagen.
  9. Platzbecker U. Transplant in elderly patients with MDS or AML – common or different approach? Presented at Scientific Working Goups: Myelodysplastic syndromes: Where does MDS end and AML begin? Chair: Fenaux P. EHA 2016, Kopenhagen.
  10. Döhner H et al. Phase III randomized trial of volasertib plus low-dose cytarabine (LDAC) versus placebo plus LDAC in patients aged >65 years with previously untreated AML, ineligible for intensive therapy. Presented at Oral Presentation: New Compounds in AML Treatment. EHA 2016, Kopenhagen, abstract S501.
  11. Döhner H et al. Randomized, phase 2 trial of low-dose cytarabine with or without volasertib in AML patients not suitable for induction therapy. Blood 2014; 124: 1426-1433.
  12. Daver N et al. Phase I/II study of vosaroxin and decitabine in newly diagnosed older patients (pts) with acute myeloid leukemia (AML) and high-risk myelodysplastic syndrome (MDS). Presented at Oral Presentation: New Compounds in AML Treatment. EHA 2016, Kopenhagen, abstract S505.
  • Bildnachweis: „Copenhagen, Denmark”: © Sergii Figurnyi/Fotolia

Maligne Lymphome: Neues zur Therapie vom 21. EHA-Treffen

Prof. Dr. med. Georg Lenz, Translationale Onkologie, Universitätsklinikum Münster

Neue therapeutische Strategien und der Einsatz neuer innovativer Substanzen waren die zentralen Themen auf der 21. Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) in Kopenhagen in Bezug auf die Behandlung von Patienten mit malignen Lymphomen. Verschiedene Studien mit unterschiedlichen Therapiekonzepten wurden zu diesen Themen präsentiert. Im Folgenden finden Sie einen Überblick über einige der interessantesten Ergebnisse der vorgestellten Studien.

Neues zur Therapie diffuser großzelliger B-Zell-Lymphome (DLBCL)

Etwa 65% der betroffenen Patienten mit diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen (DLBCL) können durch eine kombinierte Behandlung mit dem anti-CD20-Antikörper Rituximab und einer CHOP-Chemotherapie (R-CHOP) geheilt werden. Insbesondere Patienten, die frühzeitig nach einer R-CHOP-Behandlung rezidivieren, beziehungsweise Patienten, die nicht auf R-CHOP ansprechen (sogenannte therapierefraktäre Patienten), weisen in der Regel eine sehr schlechte Prognose auf [1]. Insofern ist die Identifikation neuer therapeutischer Zielstrukturen beziehungsweise der Einsatz neuer Substanzen von entscheidender Bedeutung.

Das Rezidivrisiko von Patienten wird in der Regel immer noch durch den International Prognostic Index (IPI) abgeschätzt. Dabei weisen Patienten mit einem hohen IPI-Risikoprofil häufig eine schlechtere Prognose auf [2]. Im Rahmen der PILLAR-2-Studie wurde nun untersucht, ob nach dem Erreichen einer kompletten Remission nach einer Rituximab-haltigen Chemotherapie die Gabe des mTOR-Inhibitors Everolimus zu einer Verbesserung der Prognose von DLBCL-Patienten mit einem erhöhten Risikoprofil (IPI > 3) führt [3]. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 50,4 Monaten zeigte sich allerdings kein signifikanter Unterschied im krankheitsfreien Überleben bei Patienten, die Everolimus für ein Jahr erhalten hatten, im Vergleich zu Patienten, die mittels Placebo therapiert wurden (p = 0,276). Diese Daten legen nahe, dass die zusätzliche Gabe von Everolimus wahrscheinlich zu keiner Verbesserung der Langzeitergebnisse von Hochrisiko-DLBCL-Patienten führen wird.

Fazit

  • Die zusätzliche Gabe von Everolimus führt wahrscheinlich zu keiner Verbesserung der Langzeitergebnisse von Hochrisiko-DLBCL-Patienten.

Um den Einsatz neuer therapeutischer Substanzen bei Patienten mit rezidiviertem beziehungsweise therapierefraktärem DLBCL zu untersuchen, analysierte Mondello et al. die Wirksamkeit von Lenalidomid [4]. In einer retrospektiven Analyse von 123 Patienten, die zwischen 2006 und 2015 mit einer Lenalidomid-Monotherapie behandelt wurden, zeigte sich, dass Patienten mit unterschiedlichen molekularen DLBCL-Subtypen unterschiedlich auf Lenalidomid ansprachen. DLBCLs lassen sich mittels genomweiter Genexpressionsanalysen in sogenannte DLBCLs vom aktivierten B-Zell-Subtyp (ABC-DLBCL) sowie in DLBCLs vom Keimzentrumstyp unterscheiden (GCB-DLBCL). Eine vereinfachte Unterscheidung erfolgt in GCB-DLBCLs und Non-GCB-DLBCLs mittels Immunhistologie. 32% der Non-GCB-DLBCL-Patienten zeigten unter Lenalidomid eine komplette Remission (CR) und 33% eine partielle Remission (PR). Bei den GCB-DLBCL-Patienten lagen die Remissionsraten bei 0% (CR; p < 0,0001) beziehungsweise 3% (PR; p = 0,001). Die Dauer des Ansprechens (DOR) lag bei GCB-DLBCL-Patienten bei vier Monaten und bei Non-GCB-DLBCL-Patienten bei 15 Monaten (p < 0,001). Im Gegensatz dazu zeigte sich im Gesamtüberleben kein Unterschied (p = 0,2).

Fazit

  • Lenalidomid scheint eine aktive Substanz zur Behandlung von DLBCL-Patienten zu sein.
  • Insbesondere zeigt Lenalidomid eine Wirksamkeit bei Non-GCB-DLBCL-Patienten. Phase-III-Studien sind notwendig, um dies eindeutig zu belegen.

„Lenalidomid scheint bei rezidivierten beziehungsweise therapierefraktären Non-GCB-DLBCL-Patienten wirksam zu sein, wobei weitere Studienergebnisse notwendig sind, um dies eindeutig zu belegen“. Prof. Dr. Georg Lenz

Neues zur Therapie von Mantelzelllymphomen (MCL)

Trotz signifikanter Fortschritte bei der Behandlung des fortgeschrittenen Mantelzelllymphoms (MCL) haben betroffene Patienten immer noch eine ungünstige Prognose [5]. Insofern sind neue therapeutische Ansätze sowie neue Substanzen für die Behandlung betroffener Patienten dringend notwendig.

Hochdosischemotherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation

Nach einer Induktionstherapie ist eine Hochdosischemotherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation bei jüngeren Patienten eine Standardtherapie. Eskelund und Kollegen (Eskelund et al., Abstract  S437) untersuchten den Langzeitverlauf von MCL-Patienten, die im Rahmen der MCL2-Studie unter anderem mit einer Ara-C-haltigen Induktionstherapie, gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation, behandelt wurden [6]. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 11,4 Jahren zeigte sich ein medianes Gesamtüberleben von 12,7 Jahren und ein medianes progressionsfreies Überleben von 8,5 Jahren. Trotz dieser beeindruckenden Ergebnisse zeigte sich allerdings kein Überlebensplateau bei den im Rahmen der Studie behandelten Patienten (Abb. 1).

Abb. 1: Langzeitverlauf des Gesamtüberlebens in der MCL2-Studie bei MCL-Patienten, die eine Hochdosischemotherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation erhielten (modifiziert nach [6]).

Fazit

  • Eine Hochdosischemotherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation bei jüngeren MCL-Patienten kann langjährige Remissionen erzielen und stellt weiterhin eine Standardtherapie dar.
  • Ein Überlebensplateau von intensiv behandelten Patienten ist momentan allerdings noch nicht feststellbar.

Vielversprechende neue Substanzen für die Behandlung von MCL-Patienten sind insbesondere der BTK-Inhibitor Ibrutinib sowie Lenalidomid. Für beide Medikamente wurden neue Daten auf dem EHA 2016 präsentiert.

Ibrutinib

Ibrutinib wurde 2014 für die Behandlung von rezidivierten und therapierefraktären MCL-Patienten zugelassen. In einer Phase-II-Studie sprachen circa 70% der behandelten Patienten auf eine Ibrutinib-Monotherapie an [7]. In einer „gepoolten Analyse“ untersuchten Rule und Kollegen Faktoren, die das Überleben von rezidivierten und therapierefraktären MCL-Patienten, die mit Ibrutinib behandelt wurden, beeinflussen [8]. Insgesamt wurden 370 Patienten in diese Untersuchung eingeschlossen. In einer multivariaten Analyse zeigte sich, dass der ECOG-„Performance“-Status, der MCL International Prognostic Index (MIPI), „bulky disease“ sowie die blastoide Variante Einfluss auf das Gesamtüberleben von Patienten haben, die mit Ibrutinib behandelt wurden. Diese Daten legen nahe, dass klassische Risikofaktoren das Ansprechen und die Langzeitprognose von MCL-Patienten, die mit Ibrutinib behandelt werden, bestimmen.

Fazit

  • Klassische Risikofaktoren bestimmen wahrscheinlich auch das Ansprechen und die Langzeitprognose von MCL-Patienten, die mit Ibrutinib behandelt werden.

Lenalidomid

Trotz der Fortschritte in der Behandlung von Patienten mit MCL rezidiviert ein Großteil der betroffenen Patienten. Lenalidomid ist eine Substanz, die in unterschiedlichen Studien eine Wirksamkeit bei der Behandlung von MCL-Patienten zeigte [9]. Lenalidomid als Monotherapie bei rezidivierten und therapierefraktären MCL-Patienten zeigt in circa 30–35% der Fälle ein Ansprechen [10]. Arcaini und Kollegen stellten nun auf dem diesjährigen EHA-Kongress Daten der SPRINT-Studie (MCL-002) mit einer längeren Nachbeobachtungzeit vor [11]. Im Rahmen dieser Studie wurden rezidivierte MCL-Patienten, die für eine intensive Behandlung mit einer autologen Stammzelltransplantation nicht in Frage kamen, zwischen Lenalidomid und einer „investigator-choice“-Monotherapie randomisiert. Im Rahmen dieser Auswertung zeigten sich bei Patienten, die mit Lenalidomid behandelt wurden, ein signifikant verbessertes medianes progressionsfreies Überleben (8,6 vs. 5,4 Monate; Hazard Ratio = 0,67 [95-%-KI: 0,48–0,89]; sequentieller log-rank-p = 0,012) und höhere Ansprechraten (ORR 46% vs. 23%, p < 0,001); CR/CRu 12% vs. 8%, p = 0,336). Hinsichtlich der Lenalidomidnebenwirkungen traten insbesondere hämatologische Toxizitäten auf. Insgesamt festigen diese Daten die Ansicht, dass Lenalidomid eine wirksame Substanz beim rezidivierten MCL ist.

Fazit

  • Lenalidomid ist eine wirksame Substanz beim rezidivierten MCL.

„Lenalidomid zeigt eine vielversprechende Aktivität bei Patienten mit Mantelzelllymphom. Der genaue Stellenwert in der Therapie muss allerdings durch weitere Studien definiert werden “. Prof. Dr. Georg Lenz

Neue innovative Therapiestrategien bei Patienten mit malignen Lymphomen

Sehr interessante Daten zur Behandlung von Patienten mit rezidivierten Non-Hodgkin-Lymphomen wurden von Kochenderfer et al. präsentiert [12]. Im Rahmen eines Vortrages wurden Daten von insgesamt 22 Patienten mit fortgeschrittener Lymphomerkrankung vorgestellt, die zunächst eine Kombination einer Cyclophosphamid- und Fludarabin-Chemotherapie erhielten. Zwei Tage nach der Chemotherapie-Applikation erfolgte die Gabe von sogenannten CAR(chimeric antigen receptor)-T-Zellen. 16 der 22 Patienten zeigten ein Ansprechen auf diese Therapie, elf davon eine komplette Remission (8/19 Patienten mit DLBCL, 2/2 Patienten mit follikulärem Lymphom und 1/1 Patient mit MCL). Die Dauer des Ansprechens variierte zwischen einem und 20 Monaten, wobei zehn Remissionen momentan noch andauern. Im Rahmen der Behandlung traten insbesondere neurologische Nebenwirkungen sowie Fieber und Hypotension auf. Auch wenn insgesamt die Anzahl der im Rahmen dieser Studie behandelten Patienten klein ist, sind diese Ergebnisse vielversprechend und deuten an, dass CAR-T-Zellen eine hohe Wirksamkeit bei der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Lymphomerkrankung haben könnten.

„Die Ergebnisse zu CAR-T-Zellen bei Patienten mit fortgeschrittener Lymphomerkrankung sind vielversprechend, wobei weitere Studienergebnisse abgewartet werden sollten“. Prof. Dr. Georg Lenz

Quellen

  1. Gisselbrecht C et al. Salvage regimens with autologous transplantation for relapsed large B-cell lymphoma in the rituximab era. J Clin Oncol 2010; 28: 4184-4190.
  2. Martelli M et al. Diffuse large B-cell lymphoma. Crit Rev Oncol Hematol 2013; 87: 146-171.
  3. Cavalli F et al. Pillar-2: Phase 3 study of adjuvant everolimus versus placebo in patients with poor-risk diffuse large B-cell lymphoma who achieved complete remission with rituximab-combined chemotherapy. Presented at Poster Presentation: Aggressive Non-Hodgkin lymphoma – Clinical, EHA 2016, Kopenhagen, abstract LB705.
  4. Mondello P et al. Lenalidomide in relapsed or refractory diffuse large B cell lymphoma: Is it a valid treatment option? Presented at Poster Presentation: Aggressive Non-Hodgkin lymphoma – Clinical, EHA 2016, Kopenhagen, abstract P696.
  5. Dreyling M et al. Current treatment standards and emerging strategies in mantle cell lymphoma. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2009: 542-551.
  6. Eskelund CW et al. 15-year follow-up of the nordic MCL2-trial: Despite long-term responses late relapses still occur. Presented at Oral Presentation: Follicular and Mantle Cell Lymphoma – Clinical, EHA 2016, Kopenhagen, abstract S437.
  7. Wang ML et al. Targeting BTK with ibrutinib in relapsed or refractory mantle-cell lymphoma. N Engl J Med 2013; 369: 507-516.
  8. Rule S et al. Overall survival outcomes in patients with mantle-cell lymphoma (MCL) treated with ibrutinib in a pooled analysis of 370 patients from 3 international open-label studies. Presented at Oral Presentation: Follicular and Mantle Cell Lymphoma – Clinical, EHA 2016, Kopenhagen, abstract S438.
  9. Ruan J et al. Lenalidomide plus Rituximab as Initial Treatment for Mantle-Cell Lymphoma. N Engl J Med 2015; 373: 1835-1844.
  10. Zinzani PL et al. Long-term follow-up of lenalidomide in relapsed/refractory mantle cell lymphoma: subset analysis of the NHL-003 study. Ann Oncol 2013; 24: 2892-2897.
  11. Arcaini L et al. MCL-002: Updated efficacy and safety results for lenalidomide vs. Investigator’s choice monotherapy in relapsed/refractory mantle cell lymphoma. Presented at Eposter Presentation, EHA 2016, Kopenhagen, abstract E1150.
  12. Kochenderfer JN et al. Low-dose chemotherapy followed by anti-CD19 chimeric antigen receptor (CAR) T cells induces remissions in patients with advanced lymphoma. Presented at Oral Presentation: Aggressive lymphoma with emphasis on novel agents, EHA 2016, Kopenhagen, abstract S792.