ASH 2016

3. bis 6. Dezember, San Diego

Multiples Myelom: Neue Konzepte, neue Kombinationen, neue Substanzen (Dr. med. Andreas Günther, Kiel)

MDS/AML: Akute myeloische Leukämien und myelodysplastische Syndrome – viele neue Ansätze, aber noch nicht „ready-to-go“ (Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Schroeder, Düsseldorf)

Maligne Lymphome: Therapie der malignen Lymphome: Neue und alte Bekannte … (Prof. Dr. med. Martin Dreyling, München und Dr. med. Christian Schmidt, München)

Neue Konzepte, neue Kombinationen, neue Wirkansätze und immer wieder: Immuncheckpoint-Inhibitoren. Die 58. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH), die vom 3. bis 6. Dezember 2016 in San Diego stattfand, bestätigte den anhaltenden Trend zu immuntherapeutischen Strategien und zielgerichteten Behandlungen bei Patienten mit hämatoonkologischen Erkrankungen.

Multiples Myelom, AML/MDS und Lymphome: Hier finden Sie die neuesten Informationen und die Meinungen unserer Experten zur Praxisrelevanz.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben vom diesjährigen Jahreskongress der American Society of Hematology (ASH) in San Diego interessante Neuigkeiten aus den Bereichen multiples Myelom, akute myeloische Leukämien, myelodysplastische Syndrome und Lymphome für Sie zusammengetragen.

Es tut sich eine Menge – sowohl was die Neu- und Weiterentwicklung wirksamer und immer besser verträglicher Substanzen angeht, als auch hinsichtlich der Definition sinnvoller Therapiesequenzen, der Erforschung von Kombinationen und der Individualisierung der Behandlung.

Wichtig war uns der Blick auf die Praxisrelevanz der gezeigten Daten, also die Frage: Welche Auswirkungen hat der ASH auf unseren Alltag in Klinik und Praxis? Wir hoffen, Ihnen in dieser Hinsicht einige Anregungen geben zu können und wünschen Ihnen ein spannendes Leseerlebnis.

Wir freuen uns über eine Bewertung dieses Kongressberichts, die Sie mit wenigen Klicks über die Funktion „Ihre Meinung ist wichtig“ abgeben können.

Mit kollegialen Grüßen

Prof. Dr. med. Martin Dreyling, Klinikum der Universität München
Dr. med. Andreas Günther, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel
Dr. med. Christian Schmidt, Klinikum der Universität München
Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Schroeder, Universitätsklinikum Düsseldorf

Multiples Myelom: Neue Konzepte, neue Kombinationen, neue Substanzen

Dr. med. Andreas Günther, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel

Beim multiplen Myelom haben wir in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung erlebt. Aktuell stehen neben Zytostatika und Steroiden drei Immunmodulatoren (IMiDs), drei Proteasominhibitoren, zwei monoklonale Antikörper und ein Histondeacetylase-Inhibitor zur Verfügung. Dennoch wird – wenn überhaupt – nur ein kleiner Anteil unserer Patienten geheilt, sodass weiter neue Konzepte, neue Kombinationen und neue Substanzen gesucht sind.

Therapien in der Erstlinie

Was ist die beste Induktion für Nicht-Transplant-Kandidaten?

Etwa die Hälfte der Patienten mit multiplem Myelom ist bei der Erstdiagnose älter als 70 Jahre. Etliche Patienten sind darüber hinaus durch Begleiterkrankungen beeinträchtigt. Dies führt dazu, dass eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation nicht allen Patienten angeboten werden kann und die Einschätzung, ob eine solche Therapie angestrebt werden kann, früh die Patienten in unterschiedliche Gruppen teilt. Bei den Nicht-Transplant-Kandidaten wird man eine Therapie mit wenig Nebenwirkungen suchen, die dennoch möglichst wirksam ist und Optionen für spätere Therapien lässt. Vor einigen Jahren war hier noch die Kombination von Melphalan-Prednison mit Bortezomib oder Thalidomid (VMP bzw. MPT) der Goldstandard. Der FIRST-Trial, eine der bisher größten beim multiplen Myelom durchgeführten multizentrischen Studien mit 1.623 Teilnehmern zeigte einen Vorteil für eine kontinuierliche Therapie mit Lenalidomid und Dexamethason, was zur Zulassung in dieser Indikation führte [1]. Auf der ASH-Jahrestagung wurden nun die finalen Überlebensdaten der FIRST-Studie präsentiert [2]. In der Studie gab es eine Randomisierung zwischen kontinuierlichem Lenalidomid-Dexamethason (Rd kont) bis zu Unverträglichkeit oder Progress, einer Rd-Therapie mit einem geplanten Ende nach 18 Monaten (Rd18) und einer Therapie mit MPT von 12 Zyklen (72 Wochen). Auch beim Datenschluss für die finalen Daten waren noch 52 Patienten im kontinuierlichen Rd-Arm unter Therapie. Während das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) noch lediglich geringe Unterschiede zeigt, spalten sich die Kurven im weiteren Verlauf deutlich auf: Die Wahrscheinlichkeit für ein PFS nach 4 Jahren beträgt 32,6% (Rd kont), 14,3% (Rd18) und 13,6% (MPT). Für das mediane PFS führt dies zu einer signifikant verminderten Hazard Ratio (HR) von HR = 0,69 beim Vergleich von kontinuierlichem Rd mit MPT (Tab. 1).

Tab. 1: Wirksamkeitsdaten der Endauswertung der FIRST-Studie (modifiziert nach [2]).

Der Vorteil im PFS war vor allem bei Patienten mit gutem Ansprechen ausgeprägt. Bei der Subgruppenanalyse ergab sich, dass nahezu alle Untergruppen profitieren, außer Patienten mit genetischer Hochrisikokonstellation, hoher LDH bei Erstdiagnose und sehr schlechter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min). Wichtiger ist noch, dass sich der Rd-Vorteil auch in ein verlängertes Gesamtüberleben übersetzt. Nach 4 Jahren beträgt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Rd kont 59%, bei Rd18 58% und bei MPT 51,7%. Bezogen auf das mediane Überleben zeigt sich beim Vergleich von Rd kont vs. MPT eine signifikante Reduktion der Hazard Ratio auf HR = 0,78. Hier ist vor allem entscheidend, dass das Ansprechen auf die Zweitlinie – bei allen Gruppen überwiegend eine Bortezomib-basierte Therapie – bei der MPT-Gruppe kürzer war (Zeit bis zur Drittlinie: Rd kont 16,4 Monate, Rd18 15,9 Monate, MPT 10,6 Monate). Sekundärmalignome waren in allen Gruppen ähnlich häufig (6,8–8,5%), wobei bei MPT mehr hämatologische Neoplasien auftraten. Bei der Bewertung der FIRST-Studie besteht das Problem, dass nicht nur Medikamente, sondern auch Konzepte verglichen werden, da nur der Arm mit kontinuierlichem Rd eine Dauertherapie vorsieht. So erklärt sich, dass dieser Arm beim PFS deutlich vorne liegt, wohingegen beim Gesamtüberleben beide Rd-Arme gut aussehen. Insgesamt dürfte aber Rd die „MP plus“-Therapien als Standard in der Ersttherapie in dieser Gruppe ablösen, auch wenn es Gruppen gibt, bei denen andere Konzepte zum Einsatz kommen sollten – wie die Hochrisikogruppe oder Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz. Für den Alltag bleibt die Diskussion mit den Patienten, wie lange eine Rd-Therapie fortgeführt wird. Treten Probleme auf, die die Lebensqualität mindern, ist angesichts des erfreulichen Ergebnisses des Gesamtüberlebens ein Beenden nach 18 Monaten oder mehr gut vertretbar. Bei guter Verträglichkeit und gutem Ansprechen gibt es aber keinen Grund für ein Absetzen.

Mehr Induktion oder mehr Konsolidierung – was ist besser?

Bisher galt bei Transplant-Kandidaten die Regel, dass bei unbefriedigendem Verlauf der Induktion nach Gewinnung der Stammzellen schnell zur Transplantation vorangeschritten wird. Auf dem ASH wurden jetzt die ersten Ergebnisse einer großen britischen Studie veröffentlicht, die gleich mehrere Fragestellungen der Ersttherapie beantworten soll (MRC XI). In einem Arm wurden Patienten, die nach der Induktion mit 3 Zyklen CTD (Cyclophosphamid, Thalidomid und Dexamethason) oder CRD (Cyclophosphamid, Lenalidomid und Dexamethason) nur eine stabile Erkrankung oder partielle Remission erreicht hatten (581 Patienten), entweder direkt transplantiert oder einer weiteren Induktionstherapie, jetzt mit 3 Zyklen Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason (VCD) unterzogen, bevor sie transplantiert wurden [3]. Beide Gruppen erhielten anschließend eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid. Durch die zusätzliche Induktionstherapie mit VCD konnten nicht nur 38% der Patienten ihr Ansprechen verbessern, sondern es ergab sich auch ein signifikanter Vorteil im progressionsfreien Überleben, der durch die späteren Therapien nicht nivelliert wurde (nach der autologen Transplantation mit VCD 50 Monate, ohne VCD 32 Monate). Als Kritikpunkt wäre eventuell anzuführen, dass die beiden – in Deutschland nicht zugelassenen – Induktionstherapien im internationalen Vergleich eher wenig wirksam waren.

Ein anderes Konzept zur Verbesserung der intensiven Erstlinientherapie verfolgte eine Studie des European Myeloma Network (EMN02/HOVON95) mit 1.510 Patienten. Die erste Fragestellung war die nach dem Wert der autologen Transplantation in der Zeit neuer Substanzen. Nach einer Induktion mit 4 Zyklen VCD und Stammzellapherese wurde randomisiert: Konsolidierung mit Melphalan-Hochdosistherapie (nach Wahl des Zentrums einmal oder als Tandem-Transplantation) oder 4 konventionelle Zyklen VMP (Bortezomib, Melphalan, Prednisolon) mit der Option, im Rezidiv eine autologe Transplantation durchführen zu können. Statistisch signifikant überlegen im progressionsfreien Überleben war hier nach 3 Jahren der Arm mit autologer Stammzelltransplantation mit 66% gegenüber 58% bei VMP (HR = 0,73; 95%-KI = 0,59–0,90; p = 0,003) [4].

Innovativer dürfte die zweite Randomisierung sein [5]. Unabhängig vom Therapiearm nach der ersten Randomisierung erfolgt eine zweite Randomisierung: Die Hälfte der Patienten erhielt zwei Zyklen Konsolidierung mit VRD (Bortezomib, Lenalidomid, Dexamethason), bevor für alle mit einer Lenalidomid-Erhaltung begonnen wurde. Obwohl in beiden Armen das mediane PFS noch nicht erreicht wurde, zeigt sich ein Vorteil für die Konsolidierung mit einer Hazard Ratio von 0,78 (Konfidenzintervall [KI] 0,61–1,00). Das passt zu einer signifikant höheren Rate an kompletten Remissionen für den VRD-Arm (38% vs. 26%) – ein Vorteil, der auch nach der Erhaltung bestehen bleibt (Rate kompletter Remissionen [CR] 56% vs. 41%). In einer Subgruppenanalyse zeigte sich bisher, dass nur Patienten mit genetischem Standardrisiko, nicht aber mit Hochrisikogenetik, von den zusätzlichen Konsolidierungszyklen profitieren.

Auch eine amerikanische Studie hat eine Konsolidierung mit VRD geprüft, kam aber zu einem anderen Ergebnis. In der Studie BMT CTN 0702 wurden 750 Patienten bis zu einem Alter von 70 Jahren mit einer beliebigen Induktionstherapie (maximal 12 Monate) nach einer autologen Stammzelltransplantation mit Melphalan 200 mg/m² in drei gleich große Gruppen randomisiert, wobei nach genetischem Risiko stratifiziert wurde [6]. Eine Gruppe erhielt eine zweite Transplantation, eine andere 4 Zyklen VRD als Konsolidierung und die letzte Gruppe keine weitere intensive Therapie. Alle drei Gruppen erhielten eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid. Jetzt wurden die ersten Ergebnisse nach einem medianen Follow-up von 37,8 Monaten auf dem ASH als „Late Breaking Abstract“ präsentiert: Weder im progressionsfreien Überleben noch im Gesamtüberleben zeigt sich bisher ein signifikanter Unterschied. Allerdings könnten die Daten noch nicht reif sein und es sind nicht alle Patienten wie geplant behandelt worden (so erhielten nur 68% der Tandem-Transplantations-Gruppe tatsächlich eine zweite Hochdosistherapie). Auch ist zu berücksichtigen, dass die Therapie vor der ersten Transplantation uneinheitlich und teilweise deutlich länger als in der europäischen Studie war.

Insgesamt lässt sich aus allen vorgestellten Studien mit gutem Recht eine gewisse Flexibilität in der intensiven Erstlinientherapie ableiten. Den englischen Daten folgend kann es sinnvoll sein, die Induktionstherapie bei unbefriedigendem Ansprechen zu wechseln, solange der Patient letztendlich die Hochdosistherapie erreicht. Nach einer Hochdosistherapie kann dagegen bei eher kurzer Therapie vor der Transplantation die vorübergehende Wiederaufnahme von typischen Induktionstherapien als Konsolidierung helfen, eine tiefe und langanhaltende Remission zu erzielen.

Fazit

  • Lenalidomid und Dexamethason (Rd) als Erstlinientherapie ist Melphalan, Prednison und Thalidomid (MPT) hinsichtlich des Gesamtüberlebens überlegen.
  • Eine kontinuierliche Therapie mit Rd ist hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens Therapien mit einem geplanten Stopp (Rd für 18 Monate und MPT für 72 Wochen) überlegen.
  • Ein Wechsel der Induktionstherapie ist bei unbefriedigendem Ansprechen eine Option.
  • Auch nach einer autologen Transplantation können moderne Therapie-Triplets wie VRD Ansprechen und Nachhaltigkeit der Therapie noch verbessern.

“Kontinuierliche Therapie und lange therapiefreie Zeit – zwei gut begründete Konzepte, die sich aber gegenseitig ausschließen. Hier muss mit dem einzelnen Patienten besprochen werden, wie man ein langes Leben mit guter Qualität am besten erreicht.” Dr. Andreas Günther

Therapien im Rezidiv/Progress

Daratumumab-Triplets im Rezidiv – die Stars des Myelom-Jahres 2016

Der monoklonale CD38-Antikörper Daratumumab ist in Deutschland bisher nur in der Monotherapie für refraktäre Patienten nach Proteasominhibitoren und Immunmodulatoren ab der dritten Linie zugelassen. Zwei Phase-III-Studien mit Daratumumab haben im aktuellen Jahr sicher die meiste Aufmerksamkeit erhalten und wurden bereits hochrangig publiziert [7, 8]. Beide haben ein sehr ähnliches Design: In der zweiten bis vierten Linie wird eine Standardtherapie mit Bortezomib/Dexamethason (Vd, CASTOR) oder mit Lenalidomid/Dexamethason (Rd, POLLUX) als Grundlage genommen und randomisiert bei der Hälfte der Patienten mit Daratumumab kombiniert. Auf dem ASH wurden nun Updates der Daten gezeigt [9, 10]. Bei beiden Studien hat sich der beeindruckende Vorteil im progressionsfreien Überleben (PFS) bestätigt. In der CASTOR-Studie betrug das 12-Monats-PFS bei Vd nur 22%, wohingegen der Kombinationsarm 60% erreichte (HR = 0,33; 95%-KI 0,26–0,43; p < 0,0001) (Abb. 1 rechts). Das 18-Monats-PFS in der POLLUX-Studie lag im Rd-Daratumumab-Arm bei 76% im Vergleich zu 49% im Rd-Arm (HR = 0,37; 95%-KI 0,28–0,50; p < 0,0001) (Abb. 1 links). Bei ähnlichen Einschlusskriterien scheint daher die Kombination mit dem Immunmodulator etwas aktiver zu sein, was sich auch in der höheren Zahl tiefer Remissionen zeigt, auch wenn Vergleiche zwischen den beiden Studien nur mit Vorsicht zu ziehen sind.

Abb. 1: Progressionsfreies Überleben in der POLLUX- (links) und CASTOR- (rechts) Studie (modifiziert nach [9, 10]).

Beide Kombinationen waren auch bei genetischen Hochrisikopatienten dem jeweiligen Standard überlegen. Allerdings war Daratumumab in der Kombination mit Lenalidomid (POLLUX) nicht fähig, das Risiko auszugleichen, wohingegen sich in der CASTOR-Studie das PFS der Hochrisikopatienten dem Standardrisiko stark annäherte. Bei beiden Studien zeigt sich bereits ein Trend zu einem besseren Gesamtüberleben in der Daratumumab-Kombination, sodass sich hier im weiteren Verlauf auch ein statistisch signifikanter Vorteil ergeben könnte. In den USA sind beide Kombinationen bereits zugelassen und auch in Europa ist eine Erweiterung der Zulassung zu erwarten.

So wirksam Daratumumab ist – die Applikation ist nicht unproblematisch. Bei der Erstgabe kann es zu ausgeprägten Infusionsreaktionen, insbesondere pulmonalen Reaktionen, kommen, sodass lange Laufzeiten erforderlich sind. Hier hat sich gezeigt, dass die Prämedikation noch verbesserungsfähig ist [11]. Die Rate pulmonaler Symptome fiel nach einer einmaligen Prämedikation mit 10 mg Montelukast von 32% auf 20%, bei einer Reduktion aller Reaktionen von 58,5% auf 38%. Ein anderer Ansatz könnte der Wechsel auf eine subkutane Applikation sein. Eine Phase-Ib-Studie hat nun gezeigt, dass in Kombination mit Hyaluronidase eine subkutane Applikation von 1.800 mg Daratumumab über 30 Minuten ähnliche Wirkspiegel erreicht wie eine Standardinfusion mit 16 mg/kg, die über mehrere Stunden läuft [12]. Bei dieser Monotherapie wurde eine Gesamtansprechrate (partielle Remission oder besser) von 38% erreicht.

Fazit

  • Vd-Daratumumab und Rd-Daratumumab ist hochwirksam und wird vermutlich auch in Europa bald zugelassen.
  • Eine Montelukast-Prämedikaton senkt die Nebenwirkungsrate von Daratumumab.
  • Zukünftig erscheint eine schnellere Applikation bei einer subkutanen Formulierung von Daratumumab in Kombination mit Hyaluronidase möglich.

“Wenn die Kombinationen mit Daratumumab in Deutschland verfügbar werden, bieten sie ein hohes therapeutisches Potential, aber sie stellen uns angesichts langer Laufzeiten und der Reaktionsgefahr bei der Erstgabe auch vor logistische Probleme.” Dr. Andreas Günther

Zukünftige Entwicklungen in der Rezidivtherapie

Carfilzomib

Carfilzomib ist als intravenöser Proteasominhibitor der zweiten Generation bereits in zwei Kombinationen zugelassen. In einer Dosis von 56 mg/m² in der Kombination mit Dexamethason und in einer Dosis von 27 mg/m² im Triplet mit Lenalidomid und Dexamethason, wobei die Anfangsdosis in Woche 1 jeweils 20 mg/m² beträgt. Beide Kombinationen sehen aber eine Gabe an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vor, was in der ambulanten Versorgung sehr unpraktisch ist. Auf dem ASH wurde nun gezeigt, dass eine einmal wöchentliche Gabe von 70 mg/m² Carfilzomib in Kombination mit Dexamethason ähnlich verträglich ist und bei Patienten im ersten bis dritten Rezidiv zu einem Ansprechen von 77% geführt hat [13]. Aktuell wird dieses Vorgehen in einer laufenden Phase-III-Studie (ARROWS) gegen eine zweimal wöchentliche Gabe von 27 mg/m² getestet. Ein anderer Ansatz ist die Suche nach anderen Kombinationspartnern, wobei vor allem Alkylantien getestet werden. Hier dürfte für Deutschland vor allem die laufende Phase-II-Studie EMN09 interessant sein, in der Carfilzomib in der Triplet-Standarddosis von 27 mg/m² (zweimal wöchentlich) mit Bendamustin und Dexamethason kombiniert wird, was ohne auffällige unerwünschte Ereignisse zu einem guten Ansprechen führte (Rate des sehr guten Ansprechens bei > 32%) [14].

Venetoclax

Neu in der Myelomtherapie ist Venetoclax, das hier nicht nur auf Bcl-2 wie bei den Lymphomen, sondern auch auf das verwandte Mcl-1 zielt. In der Monotherapie zeigte sich nur bei der Gruppe mit einer Translokation t(11;14) eine deutliche Aktivität mit einem Ansprechen von 40% [15]. In einer Kombination mit Bortezomib war die Wirksamkeit auch bei anderen Patienten bemerkenswert [16]. Eingeschlossen wurden in diese Phase-I-Studie Patienten im ersten bis dritten Rezidiv. Zu einer Bortezomib-Standardtherapie wurde Venetoclax bis zu einer täglichen Dosis von 1.200 mg hinzugefügt, ohne dass die maximal tolerable Dosis erreicht wurde. Es zeigte sich ein Gesamtansprechen von 67% bei allen behandelten Patienten, das heißt mindestens eine partielle Remission. Bei Bortezomib-refraktären Patienten waren es immerhin noch 31%.

Selexenor

Noch aktiver bei Vorliegen einer Resistenz gegen Proteasominhibitoren scheint Selexenor zu sein, erster Vertreter einer neuen Substanzklasse, die auf den Nuclear-export-protein-export-1 (XPO1)-Weg zielt [17]. In der Phase-I-Studie STOMP gelang es bei 67% der Patienten mit der Vorgeschichte einer Resistenz gegen Proteasominhibitoren, in Kombination mit Bortezomib ein Ansprechen zu erzielen. Hauptnebenwirkungen waren Übelkeit, Fatigue, Nausea, Diarrhoe und Thrombozytopenie.

Fazit

  • Carfilzomib ist zukünftig vielleicht nur noch einmal wöchentlich applizierbar.
  • Proteasominhibitoren der zweiten Generation sind auch mit Alkylantien kombinierbar.
  • Venetoclax ist möglicherweise eine therapeutische Option beim multiplen Myelom, insbesondere beim Vorliegen einer Translokation t(11;14).
  • XPO1 ist ein interessantes neues Target.

Refraktäres multiples Myelom

Für die refraktäre Situation stehen bisher vor allem Pomalidomid und Daratumumab – mit Einschränkung auch noch Panobinostat mit Bortezomib – zur Verfügung. Auf der ASH-Jahrestagung wurden nun die finalen Daten einer Phase-II-Studie präsentiert, die Pomalidomid bei Patienten mit Niereninsuffizienz bis zur Dialysepflichtigkeit untersuchte [18]. Erfreulicherweise wird das Sicherheitsprofil von Pomalidomid von der Niereninsuffizienz nicht beeinflusst, sodass auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz wie bei Nierengesunden dosiert werden kann. Dennoch bleibt das progressionsfreie Überleben bei dieser Patientengruppe erschreckend kurz. Ein Ansatzpunkt, der hier verfolgt wird, ist die Kombination von Pomalidomid mit CD38-Antikörpern. Neben Daratumumab sind hier Isatuximab und MOR202 weit in der Entwicklung [19, 20, 21]. Alle Studien zeigen bessere Ansprechraten als unter alleiniger Pomalidomid-Dexamethason-Therapie, jedoch fehlen noch Phase-II- oder besser Phase-III-Daten, um das Potential wirklich zu bewerten.

Checkpoint-Inhibitoren

Ein ganz anderer, mit viel Hoffnung verfolgter Ansatz ist der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren gegen PD1, die in der Monotherapie beim multiplen Myelom bei geringer PD-1L-Expression auf den Tumorzellen zunächst keine Wirkung zeigten. In der Kombination mit Immunmodulatoren kommt es aber zu einer deutlichen Expression von PD-1L auf Myelomzellen und zur Stimulation von Effektorzellen. Eine Kombination von Pomalidomid und Dexamethason in Standarddosis mit Pembrolizumab konnte zwar bei 65% der 45 überwiegend refraktären auswertbaren Patienten ein Ansprechen erzielen, jedoch zeigte sich unter dieser Therapie eine erhebliche Toxizität [22]. Bei 49% der Patienten musste die Dosis reduziert werden, bei 11% musste die Therapie abgebrochen werden. Insbesondere traten bei 5 Patienten Pneumonitiden auf, sodass diese Therapie noch erheblich weiterentwickelt werden muss.

Noch ferner dürfte der Einsatz von CAR (chimärer Antigen-Rezeptor)-T-Zellen sein, die beim multiplen Myelom gegen CD19 [23] und BCMA (B cell maturating agent) [24] entwickelt werden. Die Therapie ist nur in spezialisierten Zentren nach einer zytoreduktiven Therapie ähnlich einer Stammzelltransplantation möglich und es treten etwa bei einem Drittel der Patienten schwere Zytokinfreisetzungssyndrome und erhebliche ZNS-Nebenwirkungen auf.

Fazit

  • Pomalidomid ist weiterhin die wichtigste Substanz für refraktäre Patienten mit multiplem Myelom.
  • Pomalidomid-Kombinationen, insbesondere mit monoklonalen Antikörpern, sind in der Pipeline.
  • PD1-gerichtete Checkpoint-Inhibitoren in Kombination mit Immunmodulatoren sind wirksam, aber noch nicht ausgereift.
  • CAR-T-Zellen beim multiplen Myelom sind eine Hoffnung, aber noch zu toxisch.

“Wir haben in den letzten Jahren die Prognose der Myelompatienten mit Standardrisiko dramatisch verbessert. Aber wir haben immer noch wenig anzubieten, wenn die Krankheit refraktär wird und aggressive Klone, die vom Knochenmarksstroma unabhängig und meist genetisch komplex aberrant sind, dominieren. Hier könnte die Stunde der Immuntherapie schlagen.“ Dr. Andreas Günther

Quellen

  1. Benboubker L et al. Lenalidomide and dexamethasone in transplant-ineligible patients with myeloma. N Engl J Med 2014; 371: 906-917.
  2. Facon T et al. Final Analysis of Overall Survival from the First Trial. Blood 2016; 128: 241.
  3. Jackson GH et al. Response Adapted Induction Treatment Improves Outcomes for Myeloma Patients; Results of the Phase III Myeloma XI Study. Blood 2016; 128: 244.
  4. Cavo M et al. Intensification Therapy with Bortezomib-Melphalan-Prednisone Versus Autologous Stem Cell Transplantation for Newly Diagnosed Multiple Myeloma: An Intergroup, Multicenter, Phase III Study of the European Myeloma Network (EMN02/HO95 MM Trial). Blood 2016; 128: 673.
  5. Sonneveld P et al. Consolidation Followed By Maintenance Therapy Versus Maintenance Alone in Newly Diagnosed, Transplant Eligible Patients with Multiple Myeloma (MM): A Randomized Phase 3 Study of the European Myeloma Network (EMN02/HO95 MM Trial). Blood 2016; 128: 242.
  6. Stadtmauer EA et al. Comparison of Autologous Hematopoietic Cell Transplant (autoHCT), Bortezomib, Lenalidomide (Len) and Dexamethasone (RVD) Consolidation with Len Maintenance (ACM), Tandem Autohct with Len Maintenance (TAM) and Autohct with Len Maintenance (AM) for up-Front Treatment of Patients with Multiple Myeloma (MM): Primary Results from the Randomized Phase III Trial of the Blood and Marrow Transplant Clinical Trials Network (BMT CTN 0702 - StaMINA Trial). Blood 2016; 128: LBA-1.
  7. Palumbo A et al. Daratumumab, Bortezomib, and Dexamethasone for Multiple Myeloma. N Engl J Med 2016; 375: 754-766.
  8. Dimopoulos MA et al. Daratumumab, Lenalidomide, and Dexamethasone for Multiple Myeloma. N Engl J Med 2016; 375: 1319-1331.
  9. Mateos M-V et al. Efficacy of Daratumumab, Bortezomib, and Dexamethasone Versus Bortezomib and Dexamethasone in Relapsed or Refractory Myeloma Based on Prior Lines of Therapy: Updated Analysis of Castor. Blood 2016; 128: 1150.
  10. Usmani SZ et al. Efficacy of Daratumumab, Lenalidomide, and Dexamethasone Versus Lenalidomide and Dexamethasone in Relapsed or Refractory Multiple Myeloma Patients with 1 to 3 Prior Lines of Therapy: Updated Analysis of Pollux. Blood 2016; 128: 1151. http://www.bloodjournal.org/content/128/22/1151
  11. Chari A et al. Use of Montelukast to Reduce Infusion Reactions in an Early Access Treatment Protocol of Daratumumab in United States Patients with Relapsed or Refractory Multiple Myeloma. Blood 2016; 128: 2142.
  12. Usmani SZ et al. Open-Label, Multicenter, Dose Escalation Phase 1b Study to Assess the Subcutaneous Delivery of Daratumumab in Patients (pts) with Relapsed or Refractory Multiple Myeloma (PAVO). Blood 2016; 128: 1149.
  13. Berdeja JG et al. Once-Weekly Carfilzomib with Dexamethasone Demonstrated Promising Safety and Efficacy in Patients with Relapsed or Refractory Multiple Myeloma Regardless of Age and Prior Bortezomib Exposure. Blood 2016; 128: 2129.
  14. Gramatzki M et al. Carfilzomib in Combination with Bendamustine and Dexamethasone (CBd) in Relapsed and/or Refractory Patients with Multiple Myeloma: The Phase I/II EMN09 Study. Blood 2016; 128: 3334.
  15. Kumar S et al. Venetoclax Monotherapy for Relapsed/Refractory Multiple Myeloma: Safety and Efficacy Results from a Phase I Study. Blood 2016; 128: 488.
  16. Moreau P et al. Venetoclax Combined with Bortezomib and Dexamethasone for Patients with Relapsed/Refractory Multiple Myeloma. Blood 2016; 128: 975.
  17. Bahlis NJ et al. Selinexor in Combination with Bortezomib and Dexamethasone (SdB) Demonstrates Significant Activity in Patients with Refractory Multiple Myeloma (MM) Including Proteasome-Inhibitor Refractory Patients: Results of the Phase I Stomp Trial. Blood 2016; 128: 977.
  18. Weisel K et al. Safety Results of a Phase 2 Multicenter, Open-Label Study of Pomalidomide (CC-4047) Plus Low-Dose Dexamethasone in Patients with Relapsed/Refractory Multiple Myeloma (RRMM) and Renal Impairment. Blood 2016; 128: 3311.
  19. Nooka AK et al. Clinical Efficacy of Daratumumab, Pomalidomide and Dexamethasone in Relapsed, Refractory Myeloma Patients: Utility of Retreatment with Daratumumab Among Refractory Patients. Blood 2016; 128: 492.
  20. Richardson PG et al. Preliminary Results from a Phase Ib Study of Isatuximab in Combination with Pomalidomide and Dexamethasone in Relapsed and Refractory Multiple Myeloma. Blood 2016; 128: 2123.
  21. Raab MS et al. A Phase I/IIa Study of the CD38 Antibody MOR202 Alone and in Combination with Pomalidomide or Lenalidomide in Patients with Relapsed or Refractory Multiple Myeloma. Blood 2016; 128: 1152.
  22. Badros AZ et al. Pembrolizumab in Combination with Pomalidomide and Dexamethasone for Relapsed/Refractory Multiple Myeloma (RRMM). Blood 2016; 128: 490. http://www.bloodjournal.org/content/128/22/490
  23. Garfall AL et al. Pilot Study of Anti-CD19 Chimeric Antigen Receptor T Cells (CTL019) in Conjunction with Salvage Autologous Stem Cell Transplantation for Advanced Multiple Myeloma. Blood 2016; 128: 974.
  24. Cohen AD et al. B-Cell Maturation Antigen (BCMA)-Specific Chimeric Antigen Receptor T Cells (CART-BCMA) for Multiple Myeloma (MM): Initial Safety and Efficacy from a Phase I Study. Blood 2016; 128: 1147.
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Akute myeloische Leukämien und myelodysplastische Syndrome – viele neue Ansätze, aber noch nicht „ready-to-go“

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Schroeder, Universitätsklinikum Düsseldorf

Die Vorstellung der Daten aus der RATIFY-Studie im vergangenen Jahr stellte einen beispielhaften Schritt von einem besseren molekularen Verständnis hin zu einer zielgerichteten Therapie dar. Einen solchen großen Fortschritt gab es auf dem diesjährigen ASH zwar nicht, aber dennoch wurden für die akuten myeloischen Leukämien (AML) und die myelodysplastischen Syndrome (MDS) eine Reihe interessanter Entwicklungen präsentiert. Während für die Niedrigrisiko-MDS nur Kombinationen von bereits verwendeten Substanzen wie Lenalidomid und Erythropoetin in größerem Rahmen untersucht wurden, befinden sich für die Hochrisiko-MDS und die AML zahlreiche neue Wirkprinzipien, Kombinationen und Medikamente in der klinischen Testung. Diese reichen von Immuncheckpoint-Inhibitoren sowie neuen Antikörper-Konjugaten bis hin zu zielgerichteten Medikamenten wie den IDH-Inhibitoren, die nun auch bei den MDS eingesetzt werden. Die ersten Resultate sind vielversprechend und lassen erwartungsvoll auf die endgültigen Ergebnisse blicken.

Immuncheckpoint-Inhibitoren – jetzt auch bei AML und MDS

Die Immuncheckpoint-Blockade hat sich in den vergangenen Jahren als eine weitere Therapieoption zunächst bei den soliden Tumoren etabliert. Das zugrunde liegende Wirkprinzip beruht darauf, inhibitorisch auf die T-Zell-Funktionalität wirkende Signale aufzuheben und so die körpereigene Immunantwort gegen den Tumor zu verstärken. Dies kann prinzipiell an zwei sog. Checkpoints erfolgen: 1. Cytotoxic-T-lymphocyte-associated antigen 4 (CTLA-4) und 2. die programmed-cell-death-1(PD1)-Ligand-Achse. Hierzu stehen mit Ipilimumab (CTLA-4-Antikörper), Nivolumab (PD1-Antikörper) und Pembrolizumab (PD1-Antikörper) bereits 3 monoklonale Antikörper zur Verfügung, zu denen Daten auf dem ASH präsentiert wurden – weitere Substanzen wie Atezolizumab, Avelumab oder Durvalumab sind ebenfalls in der Entwicklung. Diese werden bereits erfolgreich zur Behandlung von Patienten mit soliden Tumoren eingesetzt. Vor kurzem erfolgte mit der Zulassung von Nivolumab zur Therapie des fortgeschrittenen Morbus Hodgkin die Ausdehnung dieses Therapieprinzips auf die hämatologischen Neoplasien. Auf dem diesjährigen ASH wurden nun erste vorläufige Resultate von drei Studien mit diesen drei Substanzen bei Patienten mit MDS und AML vorgestellt.

In der ersten Studie werden der CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab und der PD1-Antikörper Nivolumab bei Patienten mit MDS und einem IPSS-Risikostadium intermediate-1, intermediate-2 oder high getestet [1]. Insgesamt sollen bis zu 120 Patienten entweder nach Versagen einer Therapie mit hypomethylierenden Substanzen (HMA) oder als Primärtherapie in 6 verschiedenen Kohorten mit einer Mono- oder Kombinationstherapie der beiden Medikamente behandelt werden. Zuvor unbehandelte Patienten erhalten in dem jeweiligen Behandlungsarm zusätzlich noch die Standard-Erstlinienbehandlung mit Azacitidin (Abb. 1).

Abb. 1: Nivolumab und Ipilimumab bei MDS – Studienarme (Daten aus [1]).

Bisher wurden insgesamt 54 Patienten in diese noch laufende Phase-II-Studie eingeschlossen, 33 nach Versagen einer Therapie mit HMA und 21 für die Primärtherapie. In der aktuellen Zwischenauswertung wurden die vorläufigen Resultate der Kohorten 1, 2 und 4 präsentiert. Bei den Patienten in der fortgeschrittenen Therapielinie war das Ansprechen auf eine Monotherapie mit Nivolumab (Gesamtansprechen [ORR] = 0%) oder Ipilimumab (ORR = 30%; komplette Remssion [CR] + Knochenmark-CR = 18%) nicht vorhanden bzw. begrenzt. Im Gegensatz hierzu zeigte sich bei den Patienten, die Azacitidin in Kombination mit Nivolumab als Erstlinientherapie erhielten, ein vielversprechendes Ansprechen (ORR = 80%, CR + Knochenmark-CR = 70%). Sowohl in der Mono- als auch in der Kombinationstherapie mit Azacitidin zeigte sich eine gute Verträglichkeit mit insgesamt nur 3 Grad-IV-Toxizitäten. Angesichts der noch laufenden Rekrutierung in die bereits gezeigten und in die weiteren Kohorten sowie aufgrund der noch sehr kurzen Nachbeobachtungszeit ist eine abschließende Wertung der Resultate noch nicht möglich. Sollten sich die vielversprechenden Daten bezüglich der Kombination aus Azacitidin und Nivolumab jedoch bestätigen, wäre das die Rationale für einen nächsten Schritt, nämlich einen randomisierten Vergleich mit dem aktuellen Standard für diese Patientengruppe (Azacitidin-Monotherapie).

Auch eine weitere (Phase-Ib-)Studie derselben Studiengruppe untersuchte die Wirkung einer Immuncheckpoint-Blockade – diesmal mit dem PD1-Antikörper Pembrolizumab bei MDS-Patienten nach dem Versagen einer vorherigen Therapie mit hypomethylierenden Substanzen [2]. Insgesamt wurden 28 Patienten (Risikoklassifikation nach IPSS: 36% intermediate-1, 32% intermediate-2, 25% high, missing 7%) mit Pembrolizumab (10 mg/kg alle 2 Wochen für bis zu zwei Jahre) behandelt. Ähnlich wie in der oben genannten Studie war die Verträglichkeit dieser Monotherapie wieder exzellent. Es traten lediglich 2 Grad-IV-Toxizitäten (Tumorlysesyndrom und Gastroenteritis) und keine immunvermittelten Nebenwirkungen auf. Ebenso war jedoch auch die Wirksamkeit wie schon in der oben aufgeführten Studie bei dieser Patientengruppe nach HMA-Versagen limitiert. Drei Patienten erreichten eine sogenannte Knochenmark-CR („marrow CR“), ein Patient eine partielle Remission. Angesichts der begrenzten Wirksamkeit in der fortgeschrittenen Therapielinie planen die Autoren als nächsten Schritt eine Kombinationstherapie mit Azacitidin in der Erstlinientherapie.

In der dritten (Phase-Ib/II-)Studie wurden insgesamt 53 Patienten mit rezidivierter bzw. refraktärer AML mit Azacitidin (75 mg/m2 pro Tag für sieben Tage, Wiederholung alle 28 Tage) und Nivolumab (3 mg/kg an Tag 1 und Tag 15, Wiederholung alle 28 Tage) behandelt [3]. Auf diese Therapie sprachen 18 Patienten (34%) im Median nach 2 Behandlungszyklen (Range 1–11) an, 11 (21%) davon im Sinne einer CR, 7 (13%) im Sinne einer hämatologischen Verbesserung (HI). Insbesondere profitierten Patienten mit diploidem Karyotyp (71% Ansprechrate) im Gegensatz zu Patienten mit prognostisch ungünstigem Karyotyp (4% Ansprechrate). Generell war diese Kombinationstherapie gut verträglich, mit nur vereinzelten Grad-III/IV-Toxizitäten und einer 8-Wochen-Mortalität von 8%. Allerdings traten anders als bei den anderen beiden Studien hier bei 15 Patienten (29%) die für die Checkpoint-Inhibitortherapie typischen immunvermittelten Nebenwirkungen auf. Diese waren jedoch auf eine Steroidgabe rasch reversibel.

Zusammengefasst deuten diese frühen Daten an, dass am ehesten eine Kombinationstherapie, bestehend aus einer hypomethylierenden Substanz und einem PD1-Inhibitor, bei MDS wirksam sein dürfte. Es gilt nun, die teilweise noch laufenden Studien zu Ende zu führen und basierend auf den abschließenden Resultaten Folgestudien mit der optimalen Kombination und dem optimalen Behandlungsschema zu planen und die Zielpopulation (Primärtherapie vs. Rezidivbehandlung) zu definieren.

Fazit

  • Die drei Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab, Ipilimumab und Pembrolizumab werden nun erstmals auch bei myeloischen Neoplasien getestet.
  • Am vielversprechendsten erscheint aktuell die Kombination aus Azacitidin und Nivolumab in der Primärtherapie.
  • Für eine umfassende Beurteilung der Wirksamkeit gilt es, die aktuellen Studien zu Ende zu führen.

„Die Immuncheckpoint-Inhibitoren könnten auch für die Therapie der MDS und AML von Relevanz sein.“ Priv.-Doz. Dr. Thomas Schroeder

Enasidenib – jetzt auch beim MDS

Die Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren ist – unabhängig von einem spezifischen molekularen Profil – prinzipiell bei jedem Patienten anwendbar. Im Gegensatz hierzu bedarf es für eine Genotyp-spezifische bzw. für eine zielgerichtete Therapie einer spezifischen molekularen Veränderung wie z. B. einer IDH2-Mutation (R140 oder R172) bei Patienten mit AML (Prävalenz 10–20%) oder MDS (Prävalenz ca. 5%). Nachdem in den vergangenen Jahren das Wirkprinzip und erste klinische Daten zu Enasidenib (ehemals AG-221) bei Patienten mit AML vorgestellt wurden, berichteten Stein und Kollegen auf dem diesjährigen ASH über erste Erfahrungen mit diesem IDH2-Inhibitor bei Patienten mit MDS [4]. Insgesamt wurden Daten von 17 Patienten mit vornehmlich fortgeschrittenem MDS (38% int-1, 62% int-2/high risk) gezeigt, die im Rahmen der Dosiseskalations- und Expansionsphase der Gesamtstudie behandelt worden waren. Drei Viertel der Patienten waren mit mindestens einer Therapie vorbehandelt, die meisten mit einer hypomethylierenden Substanz. Die Verträglichkeit dieser oralen Therapie (100 mg täglich) war ähnlich wie bei AML generell gegeben, auch wenn 82% der Patienten eine Grad-III- oder Grad-IV-Toxizität erlitten. Hierbei handelte es sich vornehmlich um Zytopenien und assoziierte Komplikationen sowie um Hyperbilirubinämien. Anders als bei den AML-Patienten induzierte Enasidenib bei keinem der Patienten ein Differenzierungssyndrom. Mit Blick auf die Wirksamkeit zeigte sich eine Gesamtansprechrate  von 59% (CR 6%, mCR 6%, PR 17%, HI 30%). Unter Berücksichtigung der bisher kleinen Fallzahl kann man sich der vorläufigen Schlussfolgerung der Autoren anschließen, dass Enasidenib ähnlich wie bei der AML auch für MDS-Patienten gut verträglich ist und bei einem relevanten Anteil ein Ansprechen induziert. Um ein endgültiges Urteil über die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Enasidenib bei MDS-Patienten fällen zu können, wird es noch größerer Fallzahlen bedürfen. Bei der AML hingegen liegen diese bereits vor und basierend auf einer guten Balance zwischen Wirkung und Nebenwirkungen wird hier in Kürze die Zulassung in den USA beantragt werden.

Fazit

  • Der IDH2-Inhibitor Enasidenib wird nun auch bei MDS-Patienten mit IDH2-Mutation (R140 oder R172) getestet.
  • Erste vorläufige Ergebnisse deuten ein positives Verhältnis von Wirksamkeit und Verträglichkeit an.

„Für die Subgruppe der MDS-Patienten mit IDH2-Mutation (R140 oder R172) steht mit Enasidenib möglicherweise bald eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung.“ Priv.-Doz. Dr. Thomas Schroeder

Neue Therapieansätze bei der AML – welcher ist der Richtige?

Im vergangenen Jahr wurden die Resultate der RATIFY-Studie vorgestellt, die einen neuen Standard für die FLT3-positive AML definierten und im kommenden Jahr in der Zulassung von Midostaurin für diese Indikation münden dürften. Auch wenn ein solcher Meilenstein dieses Jahr erwartungsgemäß nicht zu finden war, gab es dennoch zahlreiche neue Therapieansätze. Diese werden vor allem bei Patienten, die aufgrund ihres Alters oder wegen Komorbiditäten nicht für eine intensive Therapie infrage kommen oder sich in fortgeschrittener Therapielinie befinden, geprüft. Dabei kommen mehrere, teils sehr unterschiedliche Wirkmechanismen zum Einsatz. Hierzu zählen zielgerichtete Ansätze für spezifische molekulare Subgruppen, wie zum Beispiel weiterentwickelte FLT3-Inhibitoren wie Gilteritinib [5]. Zum anderen zielen Medikamente wie der Hedgehog-Inhibitor Glasdegib [6], der BCL2-Inhibitor Venetoclax [7], der Neddylation-Inhibitor Pevonedistat [8] sowie der HDAC-Inhibitor Pracinostat [9] auf die Hemmung spezifischer, für die Leukämiezellen wichtigen Signalwege ab. Wie in Tabelle 1 dargestellt, werden diese Medikamente meist zusammen mit einer demethylierenden Substanz (Azacitidin) oder niedrig dosiertem Ara C verabreicht und mit einer Monotherapie bestehend aus Azacitidin oder Ara-C verglichen. Hierbei muss aber kritisch angemerkt werden, dass eher Azacitidin und Decitabin den aktuellen Standard für diese Patientengruppe darstellen und daher auch für einen Vergleich herangezogen werden sollten.

Tab. 1: Neue Therapieansätze bei der AML – Übersicht (Daten aus [5, 6, 7, 8, 9]).

Aus persönlicher Sicht am vielversprechendsten erscheint in dieser Patientengruppe Vadastuximab Talirine, ein gegen CD33 gerichteter Antikörper, der über einen Linker mit zwei Molekülen Pyrrolobenzodiazepin (PBD) verbunden ist. Das CD33-Epitop wird auf den Zellen von etwa 90% der Patienten mit AML exprimiert und stellt daher einen idealen Angriffspunkt für eine zielgerichtete Therapie bei vielen AML-Patienten dar. Nachdem das Antikörper-Medikamenten-Konjugat an die Zelle gebunden hat, wird es in die Leukämiezelle internalisiert. Dort erfolgt die Freisetzung von PBD, welches wiederum an die DNS bindet und hierdurch zum Zelltod führt.

Die erste Studie untersuchte eine Monotherapie mit Vadastuximab Talirine bei behandlungsnaiven Patienten mit CD33-positiver AML, die nicht für eine intensive Induktionstherapie infrage kommen [10]. Insgesamt erhielten 27 Patienten alle 3 Wochen Vadastuximab Talirine (40 Mikrogramm/kg) für maximal drei Zyklen. Im Falle einer Remission war eine Erhaltungstherapie vorgesehen. Mit dieser Monotherapie ließ sich eine für diese Patientengruppe bemerkenswerte Rate an kompletten Remissionen (CR + CR mit imkompletter Thrombozytenerholung [CRi]) von 58% und eine Gesamtansprechrate (CR + CRi + leukämiefreies Knochenmark) von 73% erreichen. Dies stellt nahezu eine Verdopplung der Remissionsraten dar, die mit hypomethylierenden Substanzen oder konventioneller Chemotherapie erreicht werden. Bei 43% der Patienten, die eine komplette Remission erreichten, ließ sich darüber hinaus mittels Durchflusszytometrie auch keine minimale Resterkrankung (MRD) mehr nachweisen. Erfreulicherweise ging dieses Ergebnis auch nur mit insgesamt begrenzten Nebenwirkungen einher. Am häufigsten traten als Folge des Wirkmechanismus Zytopenien auf. Aufgrund dieser vielversprechenden Resultate soll Vadastuximab Talirine als Monotherapie und insbesondere in Kombination mit konventioneller Chemotherapie und hypomethylierenden Substanzen weiterverfolgt werden.

Erste Resultate einer Kombination von Vadastuximab Talirine mit Azacitidin oder Decitabin als Erstlinienbehandlung für ältere AML-Patienten wurden in der gleichen Session ebenfalls vorgestellt [11]. Eine Rationale einer solchen Kombination ist, dass HMA die Expression von CD33 auf der Oberfläche leukämischer Zellen verstärken. Insgesamt wurden in dieser noch laufenden Studie insgesamt 53 Patienten (30 MDS, 23 AML aus MDS) mit dieser Kombination für im Median 19 Wochen behandelt. Auch in dieser Studie stand mit Blick auf die Nebenwirkungen die Hämatotoxizität im Vordergrund. Trotzdem kann, so die aus meiner Sicht richtige Schlussfolgerung der Autoren, diese Therapie als gut verträglich angesehen werden, was sich auch in einer für diese Patientengruppe geringen Tag-60-Mortalität von 8% widerspiegelt. Beeindruckend ist die Rate an kompletten Remissionen in dieser Hochrisikopatientengruppe. Diese betrug 73% und ist damit nicht nur wesentlich höher als mit einer Monotherapie mit Azacitidin oder Decitabin, sondern zeigte sich auch bei MDS- und AML-Patienten gleichermaßen. Zudem ging die Therapie mit einer 50%igen Rate an MRD-Negativität einher. Zusammengefasst deuten beide Studien an, dass Vadastuximab Talirine ein vielversprechender Kandidat für die Therapie von älteren Patienten mit fortgeschrittenem MDS oder AML sein kann. Wir dürfen also auf weitere Ergebnisse auch aus randomisierten Studien gespannt sein.

Fazit

  • Für ältere AML-Patienten sowie in fortgeschrittener Therapielinie werden aktuell zahlreiche neue Substanzen und Wirkprinzipien – meist in Kombination mit Ara-C oder hypomethylierenden Substanzen – getestet.
  • Vadastuximab Talirine ist ein vielversprechendes gegen CD33 gerichtetes Antikörper-Medikamenten-Konjugat.

„Der CD33-Antikörper Vadastuximab Talirine stellt eine vielversprechende Behandlungsoption für Patienten mit AML dar.“ Priv.-Doz. Dr. Thomas Schroeder

Neue hypomethylierende Substanzen für Patienten mit Hochrisiko-MDS

Bei den Hochrisiko-MDS zielen die aktuellen Ansätze darauf ab, das Ansprechen sowie die Überlebenszeit im Vergleich zur Standardtherapie mit Azacitidin weiter zu verbessern. Dies erfolgt zum einen, wie am Beispiel der Checkpoint-Inhibitoren angewandt, durch Kombination mit anderen Substanzen. Ein weiterer Ansatz ist, durch pharmakologische Modulation der demethylierenden Substanzen das Ansprechen zu verbessern. Einen solchen Ansatz stellt Guadecitabin dar. Dabei handelt es sich um ein Dinukleotid, das aus Decitabin und Deoxyguanosin besteht. Diese pharmakologische Veränderung führt über einen verminderten Abbau durch die Cytidindeaminase verglichen mit konventionellem Decitabin zu einer verlängerten Expositionszeit. Diesbezüglich wurden nun zwei Studien vorgestellt, die Guadecitabin bei unbehandelten Hochrisiko-MDS- und CMML-Patienten [12] oder nach Versagen einer Therapie mit Azacitidin [13] untersuchen. In der erstgenannten Studie wurden bisher 50 Patienten (43 MDS, 7 CMML, 91% IPSS int-2, 9% IPSS high) mit im Median 6 Zyklen Guadecitabin (60 mg/m2 pro Tag für fünf Tage subkutan, Wiederholung alle 28 Tage) behandelt. Auch diese Therapie war insgesamt gut verträglich. Die häufigste Grad-III/IV-Toxizität war eine Hämatotoxizität, während bei den nichthämatologischen Toxizitäten Fatigue (vornehmlich Grad I/II) am häufigsten auftrat. Die Gesamtansprechrate in dieser Studie betrug 71% mit je 32% der Patienten, die eine CR bzw. eine Knochenmark-CR erreichten sowie 7% mit einer „hämatologischen Verbesserung“. Ähnlich wie beim Vadastuximab Talirine gilt es nun, diese verheißungsvollen Resultate bei einer größeren Fallzahl und möglichst in einer randomisierten Studie im Vergleich zu Azacitidin zu bestätigen.

In der zweiten Studie wurden insgesamt 56 Patienten mit Hochrisiko-MDS (n = 44), CMML (n = 1) und AML (n = 11) mit Guadecitabin in gleicher Dosis behandelt, die auf eine vorangegangene Therapie mit Azacitidin entweder primär (27%) oder sekundär (73%) nicht angesprochen hatten. Im Gegensatz zur Primärtherapie war die Gesamtansprechrate mit 16% deutlich geringer und hielt im Median 9 Monate an. Im Detail erreichten 3 Patienten (5%) eine CR, 5 Patienten (9%) eine Knochenmark-CR und 1 Patient (2%) eine „hämatologische Verbesserung“. Passend dazu betrug auch das mediane Überleben 6,7 Monate und war somit vergleichbar mit der durchschnittlichen Überlebenszeit nach Versagen einer Therapie mit demethylierenden Substanzen. Die Verträglichkeit war ähnlich gut wie in der zuvor genannten Studie, Hämatotoxizität war die relevanteste Nebenwirkung. Zusammenfassend kann man festhalten, dass Guadecitabin, eine entsprechende Bestätigung der Resultate vorausgesetzt, eher einen Platz in der Erstlinienbehandlung finden könnte.

Niedrigrisiko-MDS – nicht viel Neues am Horizont

Bei den Niedrigrisiko-MDS zeichnet sich mit Luspatercept langfristig eine neue Option für die Anämie-Behandlung ab. Weitere alltagsrelevante Möglichkeiten zur Verbesserung der hämatopoetischen Insuffizienz, so das Fazit für diese Patientengruppe auf dem diesjährigen ASH, sind aktuell nicht zu erwarten. Auch die Kombination von Lenalidomid mit Erythropoetin und gegebenenfalls Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor (G-CSF), die in zwei ähnlichen Studien vorrangig bei Niedrigrisiko-MDS ohne Deletion 5q untersucht wurden [14, 15], bringt hier keinen durchgreifenden Vorteil. Die Ansprechrate wird durch die Kombination nur in geringem Maße gegenüber einer Monotherapie mit Erythropoetin gesteigert.

Fazit

  • Neben den Immuncheckpoint-Inhibitoren zeigen die Studien zu Guadecitabin vielversprechende Resultate in der Erstlinienbehandlung der Hochrisiko-MDS.
  • Guadecitabin ist eine pharmakologische Weiterentwicklung von Decitabin mit verlängerter Halbwertszeit.
  • Bei den Niedrigrisiko-MDS gibt es aktuell keine neuen alltagsfähigen Therapieansätze, da die Kombination aus Lenalidomid und Erythropoetin keinen relevanten Zusatznutzen zeigt.

„Guadecitabin stellt einen neuartigen Ansatz dar, um die Wirksamkeit von demethylierenden Substanzen bei Patienten mit Hochrisiko-MDS zu steigern.“ Priv.-Doz. Dr. Thomas Schroeder

Quellen

  1. Garcia-Manero G et al. A Phase II Study Evaluating the Combination of Nivolumab (Nivo) or Ipilimumab (Ipi) with Azacitidine in Pts with Previously Treated or Untreated Myelodysplastic Syndromes (MDS). Presented at ASH 2016, San Diego, abstract 344.
  2. Garcia-Manero G et al. Pembrolizumab, a PD-1 Inhibitor, in Patients with Myelodysplastic Syndrome (MDS) after Failure of Hypomethylating Agent Treatment. Blood 2016; 128: 345.
  3. Daver N et al. Phase IB/II Study of Nivolumab in Combination with Azacytidine (AZA) in Patients (pts) with Relapsed Acute Myeloid Leukemia (AML). Blood 2016; 128: 763.
  4. Stein EM et al. Enasidenib (AG-221), a Potent Oral Inhibitor of Mutant Isocitrate Dehydrogenase 2 (<em>IDH2</em>) Enzyme, Induces Hematologic Responses in Patients with Myelodysplastic Syndromes (MDS). Presented at ASH 2016, San Diego, abstract 343.
  5. Perl AE et al. Final Results of the Chrysalis Trial: A First-in-Human Phase 1/2 Dose-Escalation, Dose-Expansion Study of Gilteritinib (ASP2215) in Patients with Relapsed/Refractory Acute Myeloid Leukemia (R/R AML). Blood 2016; 128: 1069.
  6. Cortes JE et al. A Phase 2 Randomized Study of Low Dose Ara-C with or without Glasdegib (PF-04449913) in Untreated Patients with Acute Myeloid Leukemia or High-Risk Myelodysplastic Syndrome. Blood 2016; 128: 99.
  7. Wei A et al. Safety and Efficacy of Venetoclax Plus Low-Dose Cytarabine in Treatment-Naive Patients Aged ≥65 Years with Acute Myeloid Leukemia. Blood 2016; 128: 102.
  8. Swords RT et al. Results of a Clinical Study of Pevonedistat (Pev), a First-in-Class NEDD8-Activating Enzyme (NAE) Inhibitor, Combined with Azacitidine (Aza) in Older Patients (Pts) with Acute Myeloid Leukemia (AML). Blood 2016; 128: 98.
  9. Garcia Manero G et al. A Phase 2 Study of Pracinostat and Azacitidine in Elderly Patients with Acute Myeloid Leukemia (AML) Not Eligible for Induction Chemotherapy: Response and Long-Term Survival Benefit. Blood 2016; 128: 100.
  10. Bixby DL et al. Vadastuximab Talirine Monotherapy in Older Patients with Treatment Naive CD33-Positive Acute Myeloid Leukemia (AML). Blood 2016; 128: 590.
  11. Fathi AT et al. Vadastuximab Talirine Plus Hypomethylating Agents: A Well-Tolerated Regimen with High Remission Rate in Frontline Older Patients with Acute Myeloid Leukemia (AML). Blood 2016; 128: 591.
  12. Montalban-Bravo G et al. Initial Results of a Phase 2 Study of Guadecitabine (SGI-110), a Novel Subcutaneous (sc) Hypomethylating Agent, for Patients with Previously Untreated Intermediate-2 or High Risk Myelodysplastic Syndromes (MDS) or Chronic Myelomonocytic Leukemia (CMML). Blood 2016; 128: 346.
  13. Sebert M et al. Results of a Phase II Study of Guadecitabine (SGI-110) in Higher Risk MDS, CMML or Low Blast Count AML Patients Refractory to or Relapsing after Azacitidine (AZA) Treatment. Blood 2016; 128: 347.
  14. List AF et al. Combined Treatment with Lenalidomide (LEN) and Epoetin Alfa (EA) Is Superior to Lenalidomide Alone in Patients with Erythropoietin (Epo)-Refractory, Lower Risk (LR) Non-Deletion 5q [Del(5q)] Myelodysplastic Syndrome (MDS): Results of the E2905 Intergroup Study-an ECOG-ACRIN Cancer Research Group Study, Grant CA180820, and the National Cancer Institute of the National Institutes of Health. Blood 2016; 128: 223.
  15. van de Loosdrecht AA et al. Lenalidomide with or without Erythropoietin and Granulocyte-Colony Stimulating Factor Shows Efficacy in Patients with Low and Intermediate-1 Risk Myelodysplastic Syndrome with or without Del 5q, Refractory or Unlikely to Respond to Erythropoietin. Results of a HOVON89 Phase II Randomized Multicenter Study. (EudraCT 2008-002195-10). Blood 2016; 128: 224.
  • Bildnachweis: „Scenic San Diego skyline, sailboat and waterfront”: © spiritofamerica/Fotolia

Therapie der malignen Lymphome: Neue und alte Bekannte …

Dr. med. Christian Schmidt und Prof. Dr. med. Martin Dreyling, Klinikum der Universität München

Die ASH-Jahrestagung ist regelmäßig die Plattform für die Vorstellung von neuen, innovativen Therapieansätzen bei der Behandlung von hämatologischen Erkrankungen wie den malignen Lymphomen. So wurde hier auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl von ganz neuen Substanzen präsentiert. Allerdings fiel auf, dass es zudem auch viele Updates von den in den letzten Jahren neu vorgestellten Therapieverfahren, wie der Behandlung mit Immunmodulatoren, Targeted Therapies oder zellulären Immuntherapien, gab. Inzwischen liegen die Ergebnisse von Phase-II-Studien der damals noch als Phase I vorgestellten Substanzen vor, die differenziertere Einblicke in die therapeutischen Möglichkeiten und Auswirkungen für die alltägliche Arbeit in der Hämatoonkologie bieten. Deshalb wurde in diesem Artikel auch auf die Darstellung kleinerer Phase-I-Studien sowie präklinischer Erfolge verzichtet. Er konzentriert sich stattdessen mehr auf das, was den Autoren zufolge Einfluss auf die tägliche Arbeit in der Praxis der Lymphombehandlung nehmen könnte. Daneben wurden aber auch neue Updates von altbewährten Therapieoptionen, wie der immer mehr aus der Mode kommenden konventionellen Chemotherapie, gezeigt.

Aggressive Lymphome

Aggressive Lymphome bezeichnen eine heterogene Gruppe von Lymphomerkrankungen, die zu über 80% aus der B-Zell-Reihe hervorgehen. Ihnen gemeinsam ist ein schneller progredienter klinischer Verlauf, der oftmals eine rasche Therapieeinleitung erforderlich macht. Das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) stellt die häufigste Entität in dieser Gruppe dar. Innerhalb dieser Gruppe kann zudem zwischen Lymphomen, die von aktivierten B-Zellen ausgehen (ABC-Typ), und solchen, die von Keimzentrumszellen abstammen (GCB-Typ), unterschieden werden. Dabei zeigen die ABC- beziehungsweise Non-GCB-Subtypen oft eine deutlich schlechtere Prognose. Früheren Berichten zufolge könnte diese prognostisch ungünstige Gruppe von einer Therapie mit Lenalidomid in Kombination mit einer Chemotherapie profitieren (R2-CHOP). Diese Erkenntnisse wurden jetzt in einer Phase-II-Studie aufgegriffen. Patienten mit DLBCL sowohl mit ABC-Subtyp als auch GCB-Subtyp wurden mit einer Kombination aus Lenalidomid (25 mg d 1–10) und R-CHOP behandelt und einer Patientenpopulation, die in einer früheren Auswertung nur R-CHOP erhielt, gegenübergestellt [1]. Dabei wurde zur Bestimmung des molekularen Subtyps beider Patientenpopulationen die NanoString-LST-Genexpressionsanalyse verwendet. Die prognostische Bedeutung des durch diese Methode bestimmten molekularen Subtyps konnte in dieser Arbeit bestätigt werden. In der Aufarbeitung der Ergebnisse der Patienten, die in der früheren Kohorte nur mit R-CHOP behandelt wurden, zeigte sich ein deutlich schlechteres ereignisfreies Überleben nach 24 Monaten (EFS24) in den ABC-Subtypen (48% vs. 71% nach zwei Jahren, p = 0,013). Dagegen konnte in der aktuellen Arbeit durch die Hinzunahme von Lenalidomid das EFS24 nach zwei Jahren mit 69% deutlich verbessert werden und weist keinen Unterschied mehr zur Gruppe der GCB-DLBCL (EFS 67%, p = 0,674) (Tab. 1, Abb. 1) auf. Trotz der limitierten Aussagekraft aufgrund der kleinen Fallzahl in dieser Phase-II-Studie wird hier die Wirksamkeit von Lenalidomid bei ABC-DLBCL bestätigt. Lenalidomid könnte daher in Zukunft in der Primärtherapie dieser prognostisch ungünstigen Gruppe eine Rolle spielen.

Tab. 1: Ereignisfreies Überleben nach 24 Monaten (EFS24) unter einer Therapie mit R-CHOP und einer Kombination aus Lenalidomid und R-CHOP (R2-CHOP) bei unterschiedlichen Subtypen des DLBCL (modifiziert nach Nowakowski GS et al. ASH 2016, San Diego, abstract 3035) [1].
Abb. 1: Ereignisfreies Überleben bei unterschiedlichen Subtypen des DLBCLs unter einer Therapie mit R-CHOP (A) und Lenalidomid und R-CHOP (R2-CHOP) (B) (modifiziert nach Nowakowski GS et al. ASH 2016, San Diego, abstract 3035) [1].

R-CHOP ist bislang die Standard-Immunochemotherapie sowohl für ABC- als auch GCB-Subtypen des DLBCL. In einer 2012 publizierten Phase-II-Studie konnten auch mit einem alternativen, dosisintensiveren Regime (DA-EPOCH-R) gute Ergebnisse erzielt werden [2]. Diese Kombination wurde nun in einer Phase-III-Studie gegen R-CHOP randomisiert [3]. Hier konnte nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 4,9 Jahren bei den 524 Patienten kein Unterschied im ereignisfreien Überleben (EFS) zwischen den beiden Armen gesehen werden (Abb. 2). Auch bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) stellte sich kein Unterschied heraus. Die Toxizitätsrate im DA-EPOCH-R-Arm war allerdings erhöht. Daher muss R-CHOP weiterhin als Standard für die Behandlung von DLBCL-Patienten angesehen werden. Eine Auswertung der Daten hinsichtlich des molekularen Subtyps liegt aktuell noch nicht vor.

Abb. 2: Kein Unterschied im EFS zwischen R-CHOP und DA-EPOCH-R (modifiziert nach Wilson WHS et al. Presented at ASH 2016, San Diego, abstract 469) [3].

Patienten mit Rezidiven eines DLBCL zeichnen sich durch eine schlechte Prognose aus. In einem Update der CORAL-Studie auf dem ASH-Kongress 2015 wurde gezeigt, dass nur 50% der Patienten der CORAL-Studie überhaupt die als Standard angesehene Hochdosischemotherapie mit konsekutiver autologer Stammzelltransplantation (PBSCT) erhalten können. Für die Patienten, die für diese Therapieform nicht infrage kommen, wurde jetzt die Rolle einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie nach einer konventionellen Salvage-Immunchemotherapie getestet [4]. In dem ausgiebig vortherapierten Patientenkollektiv lag das progressionsfreie Überleben nach einem Jahr (PFS) bei 70 ± 7%. Unterschiede zwischen ABC- und GCB-Subtypen wurden bezüglich des 1-Jahres-PFS nicht gesehen. Das 1- beziehungsweise 3-Jahres-Gesamtüberleben (OS) lag bei 81 ± 6% bzw. 71 ± 8%. Dies sind hinsichtlich des prognostisch ungünstigen Patientenkollektives vielversprechende Resultate, die gegebenenfalls durch größere randomisierte Studien bestätigt werden sollten.

Zumindest die Frage nach einer Lenalidomiderhaltung nach dem Ansprechen auf eine First-Line-Therapie bei älteren DLBCL-Patienten wurde von der Lymphoma Study Association (LYSA) jetzt in einer randomisierten Studie beantwortet[5]. Patienten, die nach R-CHOP wenigstens eine partielle Remission (PR) erreicht hatten, erhielten dabei entweder eine Lenalidomiderhaltung (25 mg für 21 Tage in 28d-Zyklen) oder Placebo. Insgesamt waren 650 Patienten bezüglich des primären Endpunktes (PFS) auswertbar. Dabei ist nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten in der Lenalidomidgruppe der Median des PFS noch nicht erreicht, wogegen er in der Placebogruppe bei 68 Monaten liegt (HR 0,708, p = 0,0135). Wichtig ist im Zusammenhang mit einer langwährenden Erhaltungstherapie natürlich die Toxizität: Hier wurden während der Erhaltung insbesondere signifikant häufiger Neutropenien gesehen (Grad 3 + 4, 56% vs. 22%), was sich jedoch nur in einer relativ geringen Rate an schweren Infektionen widerspiegelte (8% vs. 6%). Allerdings stoppten 59% der Patienten in der Lenalidomidgruppe die Therapie aufgrund von Toxizität (vs. 40% im Placeboarm, p < 0,001). Die mediane Anzahl der Zyklen lag bei 15 im Lenalidomidarm, was einer Therapie von etwas über einem Jahr entspricht. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Lenalidomiderhaltung das PFS signifikant verbesserte. Dabei wurde kein nennenswerter Vorteil für das OS gesehen. Die Toxizität einer solchen Erhaltungstherapie ist jedoch nicht unwesentlich.

Abb. 3: Progressionsfreies Überleben unter einer Lenalidomiderhaltungstherapie vs. Placebo nach konventioneller Salvage-Therapie bei DLBCL-Patienten (modifiziert nach Thieblemont C et al. ASH 2016, San Diego, abstract 471) [5].

In einer kleineren Phase-Ib/II-Studie wurde bei rezidivierten beziehungsweise refraktären DLBCL-Patienten die Kombination von Lenalidomid mit Ibrutinib und Rituximab untersucht.[6] In der Kohorte mit 15 mg Lenalidomid erzielten hierbei 8 von 21 Patienten eine Response. Dieses Regime zeichnet sich daher zwar als grundsätzlich anwendbar, aber doch durch hohe Toxizitätsraten aus (Grad-3/4-AEs in über 80% der Fälle bei einer Dosisstufe von 15 mg Lenalidomid). Hier sind sicherlich weitere Studien erforderlich, um die Wertigkeit dieser chemotherapiefreien Kombination in der Rezidivsituation beurteilen zu können.

Neben den immunmodulatorischen Substanzen wurde versucht, eine Verbesserung des Therapieergebnisses durch den Einschluss von neuen Antikörpern in das Therapieregime zu erreichen. In einer randomisierten Phase-III-Studie mit 1.418 Patienten wurde 1:1 zwischen Rituximab + CHOP (R-CHOP) und Obinutuzumab + CHOP (G-CHOP) randomisiert [7]. Allerdings zeigte sich bezüglich des primären Endpunktes PFS kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Armen (3-Jahres-PFS 69% vs. 66%, p = 0,387). Auch in den sekundären Endpunkten OS und ORR/CR-Rate nach Abschluss der Induktion zeigten sich keine signifikanten Unterschiede, sodass Rituximab weiterhin als der Antikörper der Wahl für die Erstlinientherapie von DLBCL angesehen werden muss.

Gute Daten konnten allerdings für die Gabe von Anti-CD19-CAR-T-Zellen (chimeric antigen receptor) bei Patienten mit refraktärem oder rezidiviertem DLBCL gezeigt werden [8]. In der ZUMA-1-Studie erhielten 101 Patienten CAR-T-Zellen, wovon zum aktuellen Zeitpunkt 51 Patienten auswertbar waren. Die ORR lag in diesem ausgedehnt vorbehandelten Kollektiv bei 76% (47% CR-Rate). Allerdings ist die Nachbeobachtungszeit noch zu kurz, um verlässliche Angaben über den weiteren Verlauf machen zu können. Der Kaplan-Meier-Schätzer für das PFS lag für das 3-Monats-PFS bei 56%. Die Ergebnisse sind trotz der noch relativ hohen Toxizitätsraten (Cytokine Release Syndrome ≥ Grad 3 20%, Neurotoxizität ≥ Grad 3 29%) auf jeden Fall ermutigend und zeigen, dass hier eine effektive neue Methode das therapeutische Instrumentarium in den nächsten Jahren nachhaltig erweitern wird.

“Die zelluläre Immuntherapie mit CAR-T-Zellen könnte sich als neue, Erfolg versprechende Methode in der Rezidivtherapie refraktärer DLBCL etablieren.“ Dr. Christian Schmidt

Fazit

  • Die DLBCL-Behandlung in der Rezidivsituation bleibt schwierig – trotz neuer Studienergebnisse mit neuen Substanzen.
  • Lenalidomid könnten den prognostischen Nachteil von non-GCB-DLBCL ausgleichen.
  • Obinutuzumab zeigt bei den DLBCL keine bessere Wirksamkeit als Rituximab.

Indolente Lymphome

Während bei den aggressiven Lymphomen versucht wird, die Ergebnisse durch Kombinationen der Standard-Immunochemotherapie mit neuen Substanzen wie Lenalidomid zu verbessern, wird bei den indolenten Lymphomen vermehrt versucht, die klassische zytostatische Chemotherapie durch Targeted Therapies zu ersetzen. Gerade bei den Patienten, bei denen die Standard-Immunochemotherapie versagt hat, kann eine Therapie mit Ibrutinib in knapp über 20% noch zu anhaltenden Remissionen führen, wie die Phase-II-DAWN-Studie aktuell gezeigt hat [9]. Dabei wurden 110 Patienten mit chemotherapierefraktärem follikulärem Lymphom eingeschlossen und mit 560 mg Ibrutinib als Monotherapie behandelt. Die Ansprechraten lagen bei knapp 21% mit einer medianen Dauer des Ansprechens von 19,4 Monaten. Die Rate an Patienten, die eine Stabilisierung ihrer Erkrankung (SD+PR+CR) erreicht haben, sieht mit 56,3% etwas besser aus.

Ähnliche Ergebnisse konnten auch mit Duvelisib, einem oralen Phosphoinositid-3-Kinase (PI3K)-Inhibitor, gesehen werden. Nachdem letztes Jahr die Phase-I-Daten [10] ermutigend waren, wurde jetzt die Phase-II-Studie (DYNAMO) vorgestellt [11]. Eingeschlossen wurden refraktäre oder rezidivierte Patienten mit indolenten Lymphomen, die 25 mg Duvelisib zweimal täglich erhielten. In der zahlenmäßig größten Population der follikulären Lymphome (n = 83) konnte eine Gesamtansprechrate (ORR) von 41% gesehen werden, mit einer Remissionsdauer von median 9,2 Monaten und einem progressionsfreien Überleben (PFS) von 8,3 Monaten. Beide Studien zeigten ein akzeptables Toxizitätsprofil, aber sicherlich bleibt die Behandlung chemotherapierefraktärer Lymphome weiterhin eine Herausforderung.

Eventuell kann hier durch die Verwendung alternativer Antikörper noch eine Verbesserung der Ergebnisse erreicht werden. In einer Phase-II-Studie mit MOR208, einem monoklonalen Antikörper gegen CD19, und einem Patientenkollektiv (n = 45) ähnlich dem oben beschriebenen wurde eine Gesamtansprecharte (ORR) von 29% durch eine Monotherapie erreicht. Der Median für die Ansprechdauer ist noch nicht erreicht [12].

Deutlich erfolgversprechender sind die Daten der Phase-III-GALLIUM-Studie [13]. Hier wurde randomisiert bei vorher unbehandelten Patienten mit indolenten Lymphomen eine Therapie mit Rituximab + Chemotherapie (CHOP, CVP oder Bendamustin) gegen Obinutuzumab + Chemotherapie jeweils gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Rituximab oder Obinutuzumab verglichen. In die Phase-III-Studie wurden in der größten Kohorte der follikulären Lymphome 1.202 Patienten randomisiert. Obwohl die Ansprechraten sich nicht wesentlich zwischen den Armen unterschieden, konnte ein signifikanter Vorteil für den Obinutuzumabarm bezüglich des PFS gesehen werden. Die beobachtete Hazard Ratio von 0,66 (nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 34,5 Monaten) bedeutet ein circa 1,5fach längeres PFS für den Obinutuzumabarm beziehungsweise ein um 34% geringeres Risiko für Progression oder Tod (Abb. 4). Ein Unterschied im Gesamtüberleben (OS) konnte erwartungsgemäß nicht gesehen werden. Die Rate an unerwünschten Ereignissen (AEs) lag im Obinutuzumabarm etwas höher, insbesondere bezüglich der Infusionsreaktionen und Infektionen. Auffällig war die in beiden Armen im Vergleich zu anderen Studien erhöhte therapieassoziierte Todesrate von circa 5% in Kombination mit Bendamustin.

Abb. 4: Progressionsfreies Überleben bei zuvor unbehandelten Patienten mit indolenten Lymphomen unter einer Kombination aus Obinutuzumab + Chemotherapie gefolgt von Obinutuzumab im Vergleich zur Kombination aus Rituximab + Chemotherapie gefolgt von Rituximab (modifiziert nach Marcus RE et al. Presented at ASH 2016, San Diego, abstract 469) [13].

In einer weiteren Untersuchung des Kollektivs der GALLIUM-Studie wurde der Minimal-Residual-Disease(MRD)-Status untersucht. Hierbei konnte der zusätzliche prognostische Wert der MRD-Messungen nach Ende der Induktionstherapie (End of Induction) bestätigt werden (Abb. 5) [14]. Außerdem kann anhand der MRD-Daten geschlussfolgert werden, dass eine Obinutuzumab-basierte Therapie zu einer schnelleren und effektiveren Eliminierung der MRD-Klone führt. Obinutuzumab war somit effektiver als Rituximab, was die Tiefe der Remission sowohl im peripheren Blut als auch im Knochenmark anging. Das führt gegebenenfalls zu einer Kompensation der unterschiedlichen Effektivität der Chemotherapiepartner.

Abb. 5: Progressionsfreies Überleben nach dem Ende der Induktionstherapie (EOI) in Abhängigkeit vom MRD-Status im Patientenkollektiv der GALLIUM-Studie (modifiziert nach Pott C et al. ASH 2016, San Diego, abstract 613) [14].

Die Wirksamkeit von Obinutuzumab wurde außerdem in einem Update der GADOLIN-Studie bestätigt [15]. Hier zeigt sich, dass auch nach einem medianen Follow-Up von knapp 32 Monaten die Kombination von Obinutuzumab + Bendamustin bei Rituximab-refraktären Patienten mit follikulärem Lymphom der alleinigen Bendamustingabe sowohl hinsichtlich des PFS (25,3 vs. 14,0 Monate, p < 0,0001) als auch des OS (median not reached vs. 53,9 Monate, HR 0,67, p = 0,0061) überlegen ist. Obinutuzumab-haltige Kombinationen sollten deshalb auch beziehungsweise gerade bei Rituximabversagen in die engere therapeutische Wahl genommen werden.

„Zielgerichtete Therapien bestimmen immer mehr die Behandlung von indolenten Lymphomen. Trotzdem bleiben refraktäre indolente Lymphome schwer zu behandelnde Erkrankungen, bei denen Monosubstanztherapien nur zu geringen Remissionsraten führen.“ Dr. Christian Schmidt

Fazit

  • Obinutuzumab zeigt in Kombination mit einer Chemotherapie in der Erstlinientherapie ein besseres Outcome bezüglich des PFS als Rituximab + Chemotherapie und auch bei Rituximabversagen immer noch eine deutliche Wirksamkeit im Vergleich zu einer alleinigen Salvage-Chemotherapie.
  • Der MRD-Status etabliert sich als prognostisch wertvolles Tool.

Mantelzelllymphom

Auch beim Mantelzelllymphom wird versucht, durch den Einsatz zielgerichteter Therapien die Effektivität insbesondere in der Rezidivsituation, aber auch in der Primärtherapie zu verbessern. Allerdings wurde auch über modifizierte Immunchemotherapieschemata in der Frontline-Therapie berichtet. Hier wurde ein Update einer Studie des Wisconsin Oncology Network (WON) mit dem VcR-CVAD-Regime, einer Art dosisreduziertes CHOP in Kombination mit Bortezomib, gezeigt. Dieses wird auch von älteren beziehungsweise unfitten Patienten toleriert und zeigt nach einem medianen Follow-up von nunmehr 7,8 Jahren ein 6-Jahres-PFS von 53,1% und ein OS von knapp 70% [16].

Ein ebenfalls für ältere Patienten intendiertes Regime stellt RBAC500 dar, in dem dosisreduziertes AraC mit Bendamustin und Rituximab kombiniert wird. Die finalen Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit diesem Regime wurden jetzt auf dem ASH-Kongress präsentiert [17]. Mit einer CR-Rate (definiert als PET-negative CR) von 93% und einem 2-Jahres-PFS von 81% zeigt sich die Kombination als hocheffektiv und gut verträglich, sodass man sie als Alternative für ältere MCL-Patienten in Betracht ziehen kann.

Die Standardtherapie beim Mantelzelllymphom für jüngere Patienten besteht zurzeit aus einer Cytarabin-haltigen Kombinationschemotherapie (z. B. R-CHOP/R-DHAP alternierend), gefolgt von einer Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzellretransfusion. Die Frage, ob danach eine Rituximaberhaltung zu einer Verbesserung der Ergebnisse führt, wurde von einer französischen Studie beantwortet. In der randomisierten LyMa-Phase-III-Studie mit 299 Patienten konnte gezeigt werden, dass nach einer Induktion mit R-DHAP + nachfolgender ASCT eine Rituximaberhaltung alle zwei Monate für drei Jahre sowohl das PFS als auch das OS verlängert. Das mediane PFS wurde in der Studie bislang noch nicht erreicht. Das 4-Jahres-PFS lag bei 82,2% im Erhaltungsarm (vs. 64,6% ohne Erhaltung, p = 0,0005), das OS bei 88,7% (vs. 81,4%, p = 0,0413) [18].

In der Rezidivsituation wurde im Rahmen der Phase-II-PHILEMON-Studie versucht, durch die Hinzunahme von Lenalidomid die guten Ergebnisse von Ibrutinib beim rezidivierten oder refraktären MCL weiter zu verbessern. Erste Ergebnisse zeigten, dass bei den 50 bislang auswertbaren Patienten das Schema mit einer ORR von 83% hocheffektiv zu sein scheint. Die Mediane für das PFS und OS sind noch nicht erreicht. Bei 5 Patienten kam es zu einer Grad-3/4-Neutropenie, circa 24% der Patienten erlitten Hautausschläge meist niedriger Intensität [19].

Bei Patienten, die auf Ibrutinib im Rezidiv nicht ansprachen oder die nach Ibrutinib rezidivierten, wurde die Effektivität einer Lenalidomidmonotherapie untersucht: In der MCL-004-Studie wurden 30 Patienten, die verschiedene Kombinationen mit Lenalidomid erhalten hatten (darunter Len mono und Len+R), retrospektiv untersucht [20].Die meisten Patienten waren ausgedehnt vortherapiert (≥ 3 vorausgegangene Therapielinien). Eine ORR konnte bei 27% dieses doch sehr heterogenen und auch heterogen behandelten Kollektives gesehen werden. Daher ist anzunehmen, dass Lenalidomid auch bei multipel vorbehandelten Patienten sicher gegeben werden kann und eine gewisse Effektivität aufweist. Allerdings werden hier prospektive Studien benötigt, um genauere Einschätzungen bezüglich des Potenzials der Substanz in diesem Patientenkollektiv geben zu können.

Fazit

  • Neue Kombinationen bekannter Chemotherapeutika zeigen gute Resultate bei akzeptabler Toxizität und stellen somit eine therapeutische Alternative bei alten und medizinisch unfitten Patienten dar.
  • Eine Rituximaberhaltungstherapie zeigt auch nach einer Induktion mit AraC-haltiger Chemotherapie und Hochdosiskonsolidierung Vorteile im PFS und OS und sollte somit neuer Standard bei jüngeren Patienten werden.
  • Ibrutinib ist im Rezidiv hochwirksam, kann aber durch Kombination mit Lenalidomid in der Effektivität noch gesteigert werden.

„Etablierte Methoden mit Neuem zu kombinieren und auch vor experimentellen Ansätzen nicht zurückzuschrecken, darin liegt sicherlich die Zukunft in der Lymphomtherapie.“ Dr. med. Christian Schmidt

Quellen

  1. Nowakowski GS et al. Lenalidomide Combined with R-CHOP (R2CHOP) Overcomes Negative Prognostic Impact of ABC Molecular Subtype in Newly Diagnosed Diffuse Large B-Cell Lymphoma. ASH 2016, San Diego, abstract 3035.
  2. Wilson WH et al. A Cancer and Leukemia Group B multi-center study of DA-EPOCH-rituximab in untreated diffuse large B-cell lymphoma with analysis of outcome by molecular subtype. Haematologica 2012; 97: 758-765.
  3. Wilson W et al. Phase III Randomized Study of R-CHOP Versus DA-EPOCH-R and Molecular Analysis of Untreated Diffuse Large B-Cell Lymphoma: CALGB/Alliance 50303. Presented at  ASH 2016, San Diego, abstract 469.
  4. Ferreri AJM et al. Lenalidomide Maintenance Significantly Improves Survival Figures in Patients with Relapsed Diffuse Large B-Cell Lymphoma (rDLBCL) Who Are Not Eligible for Autologous Stem Cell Transplantation (ASCT): Final Results of a Multicentre Phase II Trial. ASH 2016, San Diego, abstract 474.
  5. Thieblemont C et al. First Analysis of an International Double-Blind Randomized Phase III Study of Lenalidomide Maintenance in Elderly Patients with DLBCL Treated with R-CHOP in First Line, the Remarc Study from Lysa. ASH 2016, San Diego, abstract 471.
  6. Goy A et al. A Multicenter Open-Label, Phase 1b/2 Study of Ibrutinib in Combination with Lenalidomide and Rituximab in Patients with Relapsed or Refractory (R/R) Diffuse Large B-Cell Lymphoma (DLBCL). ASH 2016, San Diego, abstract 473.
  7. Vitolo U et al. Obinutuzumab or Rituximab Plus CHOP in Patients with Previously Untreated Diffuse Large B-Cell Lymphoma: Final Results from an Open-Label, Randomized Phase 3 Study (GOYA). ASH 2016, San Diego, abstract 470.
  8. Neelapu SS et al. Kte-C19 (anti-CD19 CAR T Cells) Induces Complete Remissions in Patients with Refractory Diffuse Large B-Cell Lymphoma (DLBCL): Results from the Pivotal Phase 2 ZUMA-1. ASH 2016, San Diego, abstract LBA-6.
  9. Gopal AK et al. Ibrutinib As Treatment for Chemoimmunotherapy-Resistant Patients with Follicular Lymphoma: First Results from the Open‑Label, Multicenter, Phase 2 DAWN Study. ASH 2016, San Diego, abstract 1217.
  10. Flinn I et al. a Phase 1 Evaluation of Duvelisib (IPI-145), a PI3K-δ,γ Inhibitor, in Patients with Relapsed/Refractory iNHL. Blood 2014; 124: 802-802.
  11. Flinn IW et al. Dynamo: A Phase 2 Study Demonstrating the Clinical Activity of Duvelisib in Patients with Relapsed Refractory Indolent Non-Hodgkin Lymphoma. ASH 2016, San Diego, abstract 1218.
  12. Jurczak W et al. Single-Agent MOR208 in Relapsed or Refractory (R-R) Non-Hodgkin’s Lymphoma (NHL): Results from Diffuse Large B-Cell Lymphoma (DLBCL) and Indolent NHL Subgroups of a Phase IIa Study. ASH 2016, San Diego, abstract 623.
  13. Marcus RE et al. Obinutuzumab-Based Induction and Maintenance Prolongs Progression-Free Survival (PFS) in Patients with Previously Untreated Follicular Lymphoma: Primary Results of the Randomized Phase 3 GALLIUM Study. ASH 2016, San Diego, abstract 6.
  14. Pott C et al. Minimal Residual Disease in Patients with Follicular Lymphoma Treated with Obinutuzumab or Rituximab As First-Line Induction Immunochemotherapy and Maintenance in the Phase 3 GALLIUM Study. ASH 2016, San Diego, abstract 613.
  15. Cheson B et al. Obinutuzumab plus Bendamustine Followed by Obinutuzumab Maintenance Prolongs Overall Survival Compared with Bendamustine Alone in Patients with Rituximab-Refractory Indolent Non-Hodgkin Lymphoma: Updated Results of the GADOLIN Study.ASH 2016, San Diego, abstract 615.
  16. Chang JE et al. Durable Remissions with the VcR-CVAD Regimen for Mantle Cell Lymphoma (MCL), Regardless of Age: Long-Term Follow-up of a Wisconsin Oncology Network (WON) Study. ASH 2016, San Diego, abstract 149.
  17. Visco C et al. Rituximab, Bendamustine and Cytarabine (RBAC500) As Induction Therapy in Elderly Patients with Mantle Cell Lymphoma: Final Results of a Phase 2 Study from the Fondazione Italiana Linfomi. ASH 2016, San Diego, abstract 472.
  18. Le Gouill S et al. Rituximab Maintenance after Autologous Stem Cell Transplantation Prolongs Survival in Younger Patients with Mantle Cell Lymphoma: Final Results of the Randomized Phase 3 LyMa Trial of the Lysa/Goelams Group. ASH 2016, San Diego, abstract 145.
  19. Jerkeman M et al. Ibrutinib-Lenalidomide-Rituximab in Patients with Relapsed/Refractory Mantle Cell Lymphoma: First Results from the Nordic Lymphoma Group MCL6 (PHILEMON) Phase II Trial. ASH 2016, San Diego, abstract 148.
  20. Wang M et al. Effectiveness of Lenalidomide in Patients with Mantle Cell Lymphoma Who Relapsed/Progressed after or Were Refractory/Intolerant to Ibrutinib: The MCL-004 Study. ASH 2016, San Diego, abstract 1786.
  • Bildnachweis: „San Diego Balboa Park Botanical Building at San Diego”: © Kit Leong/Fotolia