ASCO-GI 2015

15. bis 17. Januar, San Francisco

Update Pankreaskarzinom vom ASCO-GI 2015

Schlüsselwörter: ABI-007-PANC-003-Studie, AIO-PAK-0313, AIO-PK0106, ASCO-GI, biliärer Stent, BRCA1, BRCA2, CA19-9-Ansprechen, Docetaxel, ESPAC-3-Studie, FOLFIRINOX, Gastrointestinal Cancers Symposium, hENT1, MM-398, MPACT-Studie, nab-Paclitaxel+Gemcitabin, Nanopartikel-gebundenes liposomales Irinotecan, Napoli-1-Studie, NEONAX, Oxaliplatin

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein Kongresshighlight für gastrointestinale Tumoren war das jährliche Gastrointestinal Cancers Symposium (ASCO-GI), das vom 15. bis 17. Januar in San Francisco stattfand.

Ein wichtiges Thema waren die aktuellen Daten zur Therapie des Pankreaskarzinoms. Dabei lag ein wesentlicher Schwerpunkt auf den beiden Therapieregimen nab-Paclitaxel+Gemcitabin und FOLFIRINOX für die systemische Chemotherapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms.

Dieser Beitrag stellt Ihnen einen Ausschnitt aus der Vielzahl der aktuellen Daten vor, mit hohem Praxisbezug und wichtigen Informationen für die tägliche Arbeit am Patient. Ich freue mich, wenn Ihnen der Bericht eine Hilfestellung bei der Behandlung Ihrer Patienten mit Pankreaskarzinom ist und wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.

Mit kollegialen Grüßen

Prof. Dr. med. Udo Vanhoefer, Kath. Marienkrankenhaus gGmbH, Hamburg

Update Pankreaskarzinom vom ASCO-GI 2015

Prof. Dr. med. Udo Vanhoefer, Kath. Marienkrankenhaus gGmbH, Hamburg

Die systemische Chemotherapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms wurde durch die Einführung der beiden Therapieregime nab-Paclitaxel+Gemcitabin und FOLFIRINOX (Folinsäure, 5-Fluorouracil, Irinotecan, Oxaliplatin) klinisch deutlich verbessert (Tab. 1). In einer retrospektiven Analyse (US Oncology Network) wurden die Behandlungsdaten von 2.422 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom für den Zeitraum Juni 2010 bis November 2013 ausgewertet [1]. Das mediane Gesamtüberleben der Patienten, die analog der MPACT-Studie mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin behandelt wurden, betrug in dieser Analyse 10,2 Monate. Für das Regime FOLFIRINOX lag das mediane Überleben bei 11,2 Monaten. Diese Daten unterstreichen die klinische Effektivität beider Therapieoptionen außerhalb von klinischen Studien.

In einer großen amerikanischen Kohortenstudie (1. Quartal 2014) betrug der Anteil der Patienten, die nab-Paclitaxel+Gemcitabin oder FOLFIRINOX als palliative Systemtherapie erhielten, 43 % und 14 %. Nur noch 21 % der Patienten wurden mit einer Gemcitabin-Monotherapie behandelt [2].

So bildeten die beiden Therapieregime nab-Paclitaxel+Gemcitabin und FOLFIRINOX einen wesentlichen Schwerpunkt des diesjährigen Gastrointestinal Cancers Symposium der ASCO beim Thema Pankreaskarzinom.


Tab. 1: Antitumorale Wirksamkeit von nab-Paclitaxel+Gemcitabin und FOLFIRINOX im Vergleich zu Gemcitabin (Daten aus [3,4]).
In einem Update der Überlebensdaten wurde das Gesamtüberleben der MPACT-Studie mit 8,7 vs. 6,6 Monate (HR: 0,72; p < 0,001) angegeben [5].

Palliative Systemtherapie

nab-Paclitaxel+Gemcitabin

Für die Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin konnte in Subgruppenanalysen der MPACT-Studie bereits gezeigt werden, dass die Überlegenheit von nab-Paclitaxel+Gemcitabin gegenüber einer Monotherapie mit Gemcitabin unabhängig von Tumorlast, Primärtumorsitz und der Metastasenlokalisation ist.

So führte die Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin bei Patienten mit Lebermetastasen zu einem signifikant besseren Überleben gegenüber einer Monotherapie mit Gemcitabin: 8,3 versus 5,9 Monate (HR: 0,69; 95 % KI: 0,59–0,81; p < 0,001) [6]. Auch bei Patienten mit einer Metastasierung in mehrere Organe führte die Kombinationstherapie mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin zu einem längeren Gesamtüberleben (unabhängig von der Anzahl der befallenen Organe) [6]. So lebten Patienten, bei denen Metastasen in mehr als drei Organen diagnostiziert wurden, im Median 8,6 Monate gegenüber 5,0 Monate mit Gemcitabin allein (HR: 0,50; 95 % KI: 0,33–0,76; p = 0,001). Ebenso hatte die Lokalisation des Primärtumors im Pankreaskopf keinen Einfluss auf die Dosisdichte und klinische Wirksamkeit von nab-Paclitaxel+Gemcitabin [7].

Auf dem diesjährigen ASCO-GI wurde eine weitere Subgruppenanalyse der MPACT-Studie vorgestellt. Hierbei stand das Tumoransprechen der Target-Läsion im Pankreas gegenüber den Metastasen im Fokus [8]. Es zeigte sich, dass die Therapie mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin sowohl eine vergleichbare Größenreduktion des Primärherdes im Pankreas als auch der Metastasen induziert (Größenreduktion bezogen auf die Baseline: Primärherd -22,15 %, metastatische Läsion -24,27 %). Die Reduktion der Tumorgröße war für die Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin signifikant größer als mit einer Gemcitabin-Monotherapie und bei kleineren Tumoren bzw. bei einer längeren Behandlungsdauer ausgeprägter.

In einer Kohorte mit kanadischen Patienten der MPACT-Studie zeigte sich, dass das Gesamtüberleben (11,9 vs. 7,1 Monate), das progressionsfreie Überleben (7,2 vs. 5,2 Monate) und die Gesamtansprechrate (27 % vs. 17 %) mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin tendenziell besser waren als mit einer Gemcitabin-Monotherapie, wenn auch nicht signifikant [9]. Ein ähnliches Gesamtüberleben zeigte eine 2014 präsentierte Auswertung der Kohorte westeuropäischer Patienten der MPACT-Studie (10,7 vs. 6,9 Monate) [10].

In einer weiteren Studie mit 39 Patienten konnte gezeigt werden, dass Patienten mit oder ohne biliären Stent (Stent+: n = 12; Stent-: n = 27) mit einer palliativen Chemotherapie mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin ein ähnliches progressionsfreies Überleben (Stent+: 6 Monate [95 % KI: 0,0–12,0 Monate] versus Stent-: 6 Monate [95 % KI: 4,4–7,59 Monate]; p = 0,734) und Gesamtüberleben (15 Monate vs. 13 Monate; p = 0,291) aufwiesen [11].

In einer italienischen retrospektiven Analyse wurde die Kombination von nab-Paclitaxel+Gemcitabin bei älteren Patienten untersucht. In diese Analyse wurden insgesamt 120 Patienten aus 9 onkologischen Zentren eingeschlossen (Kohorte ≥ 70 Jahre: 35,8 % der Patienten (n = 43), medianes Alter 72 Jahre [70–86 Jahre]) [12]. Die Dosisdichte von nab-Paclitaxel+Gemcitabin und die mediane Zahl  der verabreichten Zyklen waren in beiden Altersgruppen ähnlich (93 % und 6 Zyklen für die Gesamtgruppe; 92 % und 5 Zyklen für die Gruppe der ≥ 70-jährigen Patienten). Die Remissionsraten betrugen 28,3 % und 27,9 %. Für die Gesamtpopulation betrugen das mediane progressionsfreie (PFS) bzw. das mediane Gesamtüberleben 7 Monate (95 % KI: 5,83–8,17 Monate) bzw. 11 Monate (95 % KI: 8,88–13,12 Monate). In der Gruppe der ≥ 70-jährigen Patienten zeigte sich ein medianes PFS von 7 Monaten (95 % KI: 5,80–8,19 Monate) und ein medianes Gesamtüberleben von 10 Monaten (95 % KI: 6,89–13,1 Monate) (Update 14. November 2014). Die nicht-hämatologische Toxizität war in der Gruppe der älteren Patienten erhöht (u. a. signifikant Neurotoxizität und Fatigue, nicht signifikant Diarrhoe).

„Die Kombination aus nab-Paclitaxel+Gemcitabin kann auch bei älteren Patienten und bei Patienten mit einem biliären Stent mit ähnlicher Wirksamkeit eingesetzt werden.“ Prof. Dr. Udo Vanhoefer

FOLFIRINOX

Die klinische Wirksamkeit von FOLFIRINOX wurde auch in weiteren Studien auf dem diesjährigen ASCO-GI bestätigt. In einer retrospektiven Analyse des Princess Margaret Cancer Center in Toronto hatten 102 Patienten (66 metastasiert, 36 lokal fortgeschritten) eine Therapie mit FOLFIRINOX erhalten, die bei 68 % der Patienten ab Therapiestart mit einer Dosisreduktion modifiziert wurde [13]. Eine Erkrankungsstabilisierung oder partielle Remission wurde bei 57 % der Patienten beobachtet, 11 % der Patienten wurden sekundär operiert. Das mediane Überleben betrug für Patienten mit einer metastasierten Erkrankung 12,9 Monate und für Patienten mit lokal fortgeschrittenen Pankreaskarzinomen 23 Monate. Das mediane PFS lag bei 8,7 Monaten bzw. 11,1 Monaten. Die Dosismodifikation führte zu keinem signifikanten Unterschied hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (10,9 Monate vs. 10,3 Monate [modifiziert]) und der Gesamtüberlebenszeit (Gesamtüberleben 11,1 Monate vs. 14,0 Monate [modifiziert]). Hämatologische Nebenwirkungen (Grad 3 und 4) traten bei 43 % der Patienten auf, schwere nicht-hämatologische Nebenwirkungen in 28 % der Fälle. Eine febrile Neutropenie wurde bei 6 % der Patienten beobachtet, 13 % der Patienten erhielten Wachstumsfaktoren (G-CSF).

Eine weitere italienische multizentrische retrospektive Analyse mit 292 Patienten zeigte ähnliche Ergebnisse [14]. Auch hier wurde ein dosisreduziertes modifiziertes FOLFIRINOX bei 64 % der Patienten verwendet (Irinotecan 165 mg/m², kein 5-Fluorouracil-Bolus, Reduktion aller Substanzen um 20–25 %). Gesamtansprechrate (ORR) und PFS zeigten keinen signifikanten Unterschied. Allerdings betrug das mediane Überleben für die Patienten mit dem modifizierten FOLFIRINOX 18 Monate gegenüber 12 Monaten für das ursprüngliche Regime (p = 0,01). Die Remissionsrate wurde für die beiden Kohorten mit 38,9 % bzw. 40,7 % angegeben. Die Häufigkeit von Grad 2–4-Fatigue und Diarrhoe war für das modifizierte FOLFIRINOX-Regime signifikant geringer.

„FOLFIRINOX hat eine hohe klinische Wirksamkeit bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom. Hierbei zeigen auch dosisreduzierte Modifikationen des Protokolls eine ähnliche klinische Aktivität.“ Prof. Dr. Udo Vanhoefer

Fazit

  • Die Überlegenheit von nab-Paclitaxel+Gemcitabin gegenüber einer Monotherapie mit Gemcitabin ist unabhängig von Tumorlast, Primärtumorsitz und Metastasenlokalisation.
  • Die Dauer des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens bei einer palliativen Chemotherapie mit nab-Paclitaxel+Gemcitabin scheint unabhängig davon zu sein, ob der Patient einen Stent hat oder nicht.
  • Die Wirksamkeit von nab-Paclitaxel+Gemcitabin bei älteren Patienten (>= 70 Jahre) unterscheidet sich nicht von der Wirksamkeit bei jüngeren.
  • FOLFIRINOX hat eine hohe klinische Wirksamkeit bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom. Möglicherweise profitieren Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung von einer Modifikation des FOLFIRINOX-Schemas.

Fortschritt in der Zweitlinientherapie

Nanopartikel-gebundenes liposomales Irinotecan:

Eine neue, effektive Therapieoption für das vorbehandelte metastasierte Pankreaskarzinom stellt das Nanopartikel-gebundene liposomale Irinotecan dar [15]. In einer dreiarmigen randomisierten Phase-III-Studie (Abb. 1) erhielten Patienten mit einem metastasierten Pankreaskarzinom entweder eine Monotherapie mit dem liposomalen Irinotecan (MM-398) oder eine Kombination aus MM-398 und 5-Fluorouracil/Folinsäure bzw. 5-Fluorouracil/Folinsäure als Referenztherapie.

Abb. 1: Studiendesign der Napoli-1-Studie (modifiziert nach [15]).
* Die Studie wurde um einen MM-398 + 5-FU/LV-Arm erweitert, nachdem die Sicherheitsdaten zu dieser Kombination verfügbar waren. Nur die Patienten aus dem 5-FU/LV-Arm, die nach der Erweiterung eingeschlossen wurden (n = 119), wurden als Kontrollkollektiv für den Kombinationsarm herangezogen.
q3w = alle drei Wochen, q6w = alle 6 Wochen; q2w = alle zwei Wochen

Primärer Endpunkt dieser Studie war das Gesamtüberleben, sekundäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben, die Remissionsrate, Nebenwirkungen und das CA19-9-Ansprechen. Alle Patienten hatten eine Vorbehandlung mit Gemcitabin, 53 % der Patienten waren in der Zweitlinientherapie und 33 % der Patienten in der Post-Second-Line-Behandlung. Die Kombination aus MM-398 mit 5-FU/Folinsäure führte zu einer klinisch bedeutsamen, signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens gegenüber der Referenztherapie mit 5-FU/Folinsäure (ITT-Population: 6,1 Monate vs. 4,2 Monate; HR: 0,57; p = 0,0009) und erfüllte somit den primären Studienendpunkt (Abb. 2).

Abb. 2: Napoli-1-Studie – Gesamtüberleben für MM-398 + 5-FU/LV vs. 5-FU/LV bzw. MM-398 vs. 5-FU/LV (modifiziert nach [15]).

Das progressionsfreie Überleben war ebenfalls signifikant verlängert (ITT-Population: 3,1 Monate [95 % KI: 2,7–4,2] vs. 1,5 Monate [95 % KI: 1,4–1,8]; p = 0,0001). Als Nebenwirkungen (NCIC-CTC > Grad 3 [NCIC-CTC = Common Toxicity Criteria des National Cancer Institute of Canada]) wurden vor allem Fatigue (14 %), Diarrhoe (13 %), Übelkeit (8 %), Erbrechen (11 %) sowie eine erhöhte Rate an Neutropenien (20 %) beobachtet. Eine Dosisreduktion wurde bei 33 % und eine Therapieverschiebung bei 62 % der mit der Kombination behandelten Patienten notwendig. Ein signifikanter Vorteil zeigte sich für die Kombination MM-398 mit 5-FU/Folinsäure auch hinsichtlich des CA19-9-Ansprechens (36 % versus 12 %; p = 0,0009) und der Remissionsrate (16 % versus 1 %, p = 0,001) gegenüber der Referenztherapie mit 5-Fluorouracil/Folinsäure. Die Monotherapie mit MM-398 zeigte gegenüber dem Referenzarm mit 5- Fluorouracil/Folinsäure keinen Vorteil hinsichtlich des Überlebens (ITT-Population: 4,9 Monate [95 % KI: 4,2–5,6] vs. 4,2 Monate [95 % KI: 3,6–4,9]; HR: 0,93; p = 0,55).

Das Nanopartikel-gebundene liposomale Irinotecan (MM-398) erhielt von der amerikanischen FDA den Fast Track Status.

„Nanopartikel-gebundenes liposomales Irinotecan ist in Kombination mit 5-Fluorouracil/Folinsäure eine wirksame Therapieoption in der Zweit- und Drittlinientherapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms.“ Prof. Dr. Udo Vanhoefer

Docetaxel+Oxaliplatin

In einer Phase-II-Studie der AIO (AIO-PK0106) mit 44 Patienten wurde die Kombination von Docetaxel mit Oxaliplatin in der Zweitlinientherapie evaluiert. Hierbei zeigte sich eine Remissionsrate von 15,9 %, ein progressionsfreies Überleben von 7 Wochen (95 % KI: 6–16 Wochen) und ein Gesamtüberleben von 40 Wochen (95 % KI: 20–56 Wochen) [16].

nab-Paclitaxel+Gemcitabin

Palacio und Mitarbeiter berichteten über die Ergebnisse einer retrospektiven Analyse zur Aktivität von nab-Paclitaxel+Gemcitabin in der Zweit- und Drittlinientherapie [17]. In diese Analyse wurden 59 Patienten eingeschlossen (Vortherapie: Gemcitabin 58 %, Fluoropyrimidin: 83 %; eine Vortherapie: 56 %, zwei Vortherapien: 24 %, drei Vortherapien 17 %). Das mediane Überleben der Patienten betrug 6,5 Monate (95 % KI: 3,9–10,3 Monate), das PFS 4,6 Monate (95 % KI: 3,0–5,1 Monate). Die Überlebensraten nach 6 und 12 Monaten lagen bei 53 % und 27 %. Eine Vortherapie mit Gemcitabin hatte keinen Einfluss auf das progressionsfreie Überleben und Gesamtüberleben.

„Die Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin ist eine mögliche Therapieoption nach einer Vorbehandlung mit Gemcitabin. Der Stellenwert von nab-Paclitaxel+Gemcitabin nach einer Vorbehandlung mit FOLFIRINOX ist klinisch bisher nicht definiert“. Prof. Dr. Udo Vanhoefer

Fazit

  • Die Kombination aus Nanopartikel-gebundenem liposomalem Irinotecan (MM-398) mit 5-FU/Folinsäure führte in der Zweitlinientherapie zu einer klinisch bedeutsamen, signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens gegenüber der Referenztherapie mit 5-FU/Folinsäure.
  • In einer Phase-II-Studie zeigte die Kombination aus Docetaxel mit Oxaliplatin in der Zweitlinientherapie eine Remissionsrate von 15,9 %, ein progressionsfreies Überleben von 7 Wochen und ein Gesamtüberleben von 40 Wochen.
  • nab-Paclitaxel+Gemcitabin in der Zweit- und Drittlinientherapie ging mit einem medianen Überleben von 6,5 Monaten, einem PFS von 4,6 Monaten und Überlebensraten nach 6 bzw. 12 Monaten von 53 % bzw. 27 % einher. Eine Vortherapie mit Gemcitabin hatte keinen Einfluss auf das progressionsfreie Überleben und Gesamtüberleben.

Lokal fortgeschrittenes Pankreaskarzinom

Aufgrund der nach wie vor hohen Sterblichkeitsrate von Patienten mit Pankreaskarzinom ist die weitere Etablierung multimodaler perioperativer Therapiekonzepte dringend notwendig.

So wurde in einer Phase-II-Studie die Kombination von nab-Paclitaxel+Gemcitabin in der perioperativen Situation bei 42 Patienten mit einem resektablen, lokal begrenzten Pankreaskarzinom eingesetzt [18]. Bei 30 Patienten (73 %) konnte das Pankreaskarzinom operiert werden, die R0-(0 mm)-Resektionsrate lag bei 85 %. Die Autoren schlussfolgern, dass nab-Paclitaxel+Gemcitabin perioperativ sicher eingesetzt werden kann.

In der aktuellen AIO-Studie NEONAX (AIO-PAK-0313) wird momentan bei Patienten mit einem operablen Pankreaskarzinom die Kombination nab-Paclitaxel+Gemcitabin in der perioperativen Therapie (2 Zyklen präoperativ, 4 Zyklen postoperativ) mit 6 Zyklen einer alleinigen postoperativen Therapie verglichen [19].

In einer weiteren Studie wird derzeit der Stellenwert von nab-Paclitaxel+Gemcitabin im Vergleich zu einer Monotherapie mit Gemcitabin im adjuvanten Setting des kurativ operierten Pankreaskarzinoms evaluiert (ABI-007-PANC-003 Studie).

„Die Rolle von nab-Paclitaxel+Gemcitabin und FOLFIRINOX in multimodalen perioperativen Therapiekonzepten ist vielversprechend, bedarf aber einer weiteren Abklärung in prospektiven  randomisierten Phase-III-Studien.“ Prof. Dr. Udo Vanhoefer

Rolle von hENT1  (human Equilibrative Nucleoside Transporter-1) für die Therapie mit Gemcitabin:

Die hENT1-vermittelte intrazelluläre Aufnahme von Gemcitabin wird als Resistenzmechanismus für eine perioperative Therapie mit Gemcitabin diskutiert. Eine niedrige zelluläre Expression von hENT1 ist in mehreren Studien als negativer prädiktiver Marker für das Überleben nach einer Gemcitabin-Therapie beschrieben worden.

In einer jetzt vorgestellten kanadischen Kohortenstudie in British Columbia wurden 261 Patienten (chirurgische Kontrollgruppe ohne adjuvante Chemotherapie 184 Patienten, adjuvante Therapie mit Gemcitabin 57 Patienten) mit einem kurativ operierten Pankreaskarzinom mittels TMA (Tissue Microarray) auf die hENT1-Expression untersucht [20]. Die Patienten, die eine adjuvante Therapie mit Gemcitabin erhielten, zeigten unabhängig von der hENT1-Expression einen deutlichen Überlebensvorteil gegenüber dem chirurgischen Kontrollarm (low-hENT1: 20,9 Monate vs. 13,9 Monate; pLogRank= 0,0041 und high-hENT1: 29,1 Monate vs. 15,2 Monate, pLogRank < 0,0001). Allerdings wurde für die mit Gemcitabin behandelten Patienten im Vergleich „niedrige hENT1-Expression“ vs. „hohe hENT1-Expression“ ein signifikant längeres medianes Überleben in der hENT1-High-Gruppe im Vergleich zur hENT1-Low-Gruppe beobachtet (mediane Überlebenszeit nicht erreicht vs. 20,9 Monate; pLogRank= 0,04) (Abb. 3).

Die Ergebnisse stützen den prädiktiven Wert der hENT1-Expression für eine adjuvante Therapie mit Gemcitabin aus der ESPAC-3-Studie [21].

Fazit

  • Eine hohe hENT1-Expression ging bei Patienten mit kurativ operiertem Pankreaskarzinom und adjuvanter Therapie mit Gemcitabin mit einem längeren Gesamtüberleben einher als eine niedrige hENT1-Expression.
Abb. 3: Gesamtüberleben bei Patienten mit kurativ operiertem Pankreaskarzinom und adjuvanter Therapie mit Gemcitabin: signifikant längeres Überleben bei Patienten mit hoher hENT1-Expression (hENT1+) (modifiziert nach [20]).

Prognose für Patienten mit einer BRCA1- oder BRCA2-Keimbahnmutation:

Für bis zu 3 % aller Pankreaskarzinome sind vererbte Prädispositionen ursächlich. Dabei wird der Keimbahnmutation im BRCA1- und BRCA2-Gen eine relevante Rolle zugeschrieben.

In einer retrospektiven Analyse wurden die Daten von 20 Patienten mit einem kurativ operierten Pankreaskarzinom und dem Nachweis einer Keimbahnmutation im BRCA1- oder BRCA2-Gen hinsichtlich des rezidivfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens im Vergleich zu 40 Patienten mit einem sporadischen, nicht hereditären Pankreaskarzinom untersucht (1:2-Fallkontrollstudie) [22].

Von den 20 Patienten zeigten 17 Patienten eine BRCA2- und 3 eine BRCA1-Genmutation. Die Überlebenszeit und das rezidivfreie Überleben der Patienten mit einer BRCA-1/2-Keimbahnmutation zeigten keine Unterschiede zu der Vergleichsgruppe mit einem sporadischen Pankreaskarzinom (Überleben: 23,8 Monate vs. 25,9 Monate [p = 0,397]; DFS: 13,6 Monate vs. 12,6 Monate [p = 0,404]). Klinisch relevant könnte sein, dass ca. 12 % der Pankreaskarzinome eine genetische Instabilität aufweisen, die gehäuft mit Mutationen in der BRCA-Gen-Signatur assoziiert ist. Hierbei scheinen Platinderivate eine höhere klinische  Wirksamkeit aufzuweisen [23].

Literatur

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  • Bildnachweis: „San Francisco”: © Andy/Fotolia; "San Francisco skyline, California, US": © Oleksandr Dibrova/Fotolia